Webshoprecht.de
Landgericht Berlin Urteil vom 28.01.2010 - 16 O 267/09 - Zur Bewertung eines kerngleichen Verstoßes gegen eine Unterlassungserklärung durch den Gebrauch verschiedener Medien
LG Berlin v. 28.01.2010: Zur Bewertung eines kerngleichen Verstoßes gegen eine Unterlassungserklärung durch den Gebrauch verschiedener Medien
Das Landgericht Berlin (Urteil vom 28.01.2010 - 16 O 267/09) hat entschieden:
- Eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung bezieht sich nicht allein auf das Medium, das Anlass für die Unterlassungsverpflichtung war, sondern auch auf die Werbung in anderen Medien, insbesondere auch auf solche Internet, weil es sich um einen sog. kerngleichen Verstoß handelt, der vom ursprünglichen Unterlassungsanspruch umfasst wird.
- Die Befreiung von den Pflichtangaben gemäß § 4 Abs. 5 HWG als werberechtliche Privilegierung in sog. audiovisuellen Medien ist auf Internetwerbung nicht anwendbar. Die vorgeschriebenen Angaben müssen von der übrigen Werbung deutlich abgesetzt, abgegrenzt und gut lesbar sein. Hieran fehlt es, wenn der Leser erst noch Zwischenschritte beispielsweise durch Klicken benötigt, um die Pflichtangaben für das einzelne Arzneimittel einsehen zu können.
- In der Regel sind Wettbewerbsvereine in durchschnittlich schwierige Abmahnfällen gehalten, ohne anwaltliche Hilfe auszukommen. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts auch durch einen Verein ist aber dann geboten, wenn die Abmahnung durch den Verband allein keine Erfolgsaussichten hat, weil es um einen erneuten Verstoß gegen eine schon abgegebene Unterlassungserklärung geht.
Siehe auch „Kerngleicher Verstoß“ gegen eine Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafe-Versprechen und Stichwörter zum Thema Abmahnung
Tatbestand:
Der Kläger macht einen Anspruch auf Vertragsstrafe und den Ersatz der Kosten einer anwaltlichen Abmahnung geltend.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Die Beklagte verpflichtete sich gegenüber dem Kläger mit der Unterlassungserklärung vom 16. April 2007, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel, insbesondere das Arzneimittel "…® … Augentropfen und/oder "…® … Nasenspray" zu werben, ohne die Bezeichnung des Arzneimittels (...), die Anwendungsgebiete, Warnhinweise (...) wiederzugeben, es sei denn es wird ausschließlich mit der Bezeichnung des Arzneimittels oder zusätzlich mit dem Namen, der Firma, der Marke des pharmazeutischen Unternehmens oder dem Hinweis "Wirkstoff" geworben. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung versprach die Beklagte eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 Euro. Wegen der weiteren Einzelheiten des Unterlassungsversprechens wird auf die Anlage K 1 verwiesen.
Am 29. April 2009 warb die Beklagte im Internet unter der Domain www.wetteronline.de unter der Überschrift "…® …" und in der nächsten Zeile kleiner folgend mit "Die Akut-Hilfe bei Heuschnupfen" wie aus den Anlagen K 3 und K4 zu ersehen ist. Auf die genannten Anlagen wird ergänzend Bezug genommen. Unter den beiden o. g. Überschriften wurde in Form eines Banners der nachfolgende Satz in drei einander folgenden Teilen eingeblendet: "Ihr persönlicher, kostenloser Pollenflug-Infoservice ... - ... tagaktuell und individuell nach PLZ ... - Hier klicken!”. Mittels Klick auf "Hier klicken" gelangte man auf eine andere Website, die im oberen Teil aktuelle Pollendaten enthielt und im unteren Teil einen mit "Pflichttexte: …®" eingeleiteten Text. Das Aussehen dieser Website und der nachfolgende Text ist im Schriftsatz der Beklagten vom 5. Januar 2010 wiedergeben, auf den hier ergänzend Bezug genommen wird.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. Mai 2009 forderte der Kläger von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 Euro und verlangte zugleich, dass Vertragsstrafeversprechen für den Fall des künftigen Verstoßes zu erhöhen.
Der Kläger sieht in der Internetwerbung vom 29. April 2009 einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung vom 16. April 2007 und meint daher, einen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 Euro zu haben. Ferner macht er den Ersatz der ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs geltend.
Der Kläger beantragt,
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.100,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Juli 2009 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.005,40 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Juli 2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Unterlassungserklärung, die aufgrund einer Werbung in einer Zeitschrift abgegeben worden sei, erfasse nicht die hier in Rede stehende Werbung im Internet. Zudem handle es sich um Werbung in einem audiovisuellen Medium i. S. d. § 4 Abs. 5 HWG. Pflichtangaben seien danach nicht erforderlich.
Die Beklagte ist auch der Auffassung, dass es sich bei der angegriffenen Werbung um eine gemäß § 4 Abs. 6 HWG zulässige Erinnerungswerbung handle.
Ferner seien etwaig erforderliche Pflichtangaben über einen "Klick" zu erreichen gewesen. Der Banner habe als Zugang zu der eigentlichen Werbung gedient. Der User im Internet sei mit Klicklösungen bestens vertraut. Zweck des § 4 HWG sei nicht, den Betrachter zu zwingen, die Pflichtangaben zur Kenntnis zu nehmen, er solle nur die Möglichkeit dazu erhalten. Mit der Technik des Verlinkens sei der Verbraucher vertraut.
Die Einschaltung eines Rechtsanwalts sei aufgrund der eigenen Sachkunde des Klägers nicht erforderlich gewesen.
Entscheidungsgründe:
A.
Die zulässige Klage ist mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen begründet.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 5.100,00 Euro gemäß § 340 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Unterlassungsvertrag vom 16. April 2007.
Die Beklagte hat durch die Internetwerbung vom 29. April 2009 gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen.
a) Der Umfang der Unterlassungspflicht ist durch Auslegung nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen zu bestimmen, §§ 133, 157 BGB. Es kann nicht auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die für die Verhängung von Ordnungsmitteln bei der Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO maßgebend sind. Es ist dennoch zu berücksichtigen, dass die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung dazu dient, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden und aus der Sicht des Gläubigers einen Unterlassungstitel zu ersetzen (BGH, GRUR 2001, 758, 759, 760 Trainingsvertrag).
Daher kann vorliegend, da besondere Umstände des Falles eine andere Willensrichtung der Parteien nicht aufzeigen, davon ausgegangen werden, dass sich die Beklagte im Umfang der Anforderungen des § 4 HWG, dessen Wortlaut die Unterlassungserklärung in weiten Teilen übernimmt, unterworfen hat.
Dabei ist auch davon auszugehen, dass sich die Unterlassungsverpflichtung nicht allein auf Werbung in Druckschriften beschränkt, die Anlass für die der Unterlassungsverpflichtung vorausgegangene Abmahnung gewesen ist, sondern auch Werbung in anderen Medien erfasst, wie insbesondere die im Internet, weil es sich dabei um einen kerngleichen Verstoß handelt, der vom ursprünglichen Unterlassungsanspruch miterfasst ist.
b) Die Beklagte ist nicht gemäß § 4 Abs. 6 HWG von den Pflichtangaben freigestellt.
Bei der angegriffenen Werbung handelt es sich nicht um eine sog. Erinnerungswerbung i. S. d. § 4 Abs. 6 HWG, die von den Pflichtangaben des § 4 HWG weitgehend freigestellt ist.
Voraussetzung einer Erinnerungswerbung wäre gemäß § 4 Abs. 6 S. 2 HWG zunächst, dass die Werbung ausschließlich die Bezeichnung des Arzneimittels verwendet. Bezeichnung ist die Kennzeichnung eines Arzneimittels, unter der dieses zugelassen oder registriert worden ist und ohne die es nicht in den Verkehr gebracht werden darf (BGH, NJW 1983, 2636 Kneipp Pflanzensaft).
Dem Vortrag der Beklagten selbst ist zu entnehmen, dass das von ihr beworben Produkt unter der Kennzeichnung "… akut Azelastin Kombi-Packung gegen Heuschnupfen" zugelassen ist. Vorliegend wird in der Werbung die Bezeichnung "…® … Die Akut-Hilfe bei Heuschnupfen” verwendet, also nicht die Bezeichnung des Arzneimittels im oben erläuterten Sinn. Es liegt daher keine Erinnerungswerbung vor.
Es kommt auch nicht darauf an, ob man mit der Beklagten die durch einen Link verbundenen Seiten als einheitlich Werbung verstehen darf. Zwar mag auf den nachfolgenden Seiten die Bezeichnung des Arzneimittels zu finden sein. Eine ausschließliche Verwendung dieser Bezeichnung findet aber jedenfalls nicht statt.
c) Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 5 HWG von den Pflichtangaben teilweise befreit.
Gemäß § 4 Abs. 5 HWG muss eine Werbung in sog. audiovisuellen Medien nicht die Angaben nach § 4 Abs. 1 HWG enthalten. Nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist davon auszugehen, dass solche Medien werberechtlich privilegiert werden sollten, bei denen aus Raum- und Zeitgründen nur begrenzte Möglichkeiten der Wiedergabe der Pflichtangaben gegeben sind und bei denen der Adressat nicht in der Lage ist, die Pflichtangaben adäquat wahrzunehmen und zu verarbeiten (OLG Hamburg, Beschluss vom 3. Mai 2002 - 3 U 355/01, Juris-Abs. 8).
Dies trifft auf Internetwerbung nicht zu, weil sie weder Einschränkungen im Hinblick auf die Darstellung von Pflichtangaben noch im Hinblick auf deren Wahrnehmung unterliegt. Es wird daher zu Recht angenommen, dass es sich bei Werbung im Internet nicht um Werbung in audiovisuellen Medien handelt (OLG Hamburg aaO, OLG Naumburg, Beschluss vom 12. Oktober 2006 - 10 W 65/06, Juris-Abs. 44; OLG München, GRUR-RR 2002, 206, 207, Pflichtangaben).
d) Schließlich hat die Beklagte auch nicht in ausreichendem Maße Pflichtangaben gemacht.
Die vorgeschriebenen Angaben müssen von der übrigen Werbung deutlich abgesetzt, abgegrenzt und gut lesbar sein, § 4 Abs. 4 HWG. Dabei müssen diese Angaben stets eindeutig und unmittelbar der übrigen Werbung für das einschlägige Arzneimittel zugeordnet werden können. Sie müssen als der sachlich-informative Teil der Gesamtwerbung erkannt werden (OLG München, aaO, S. 206 unter Bezugnahme auf Doeppner, HWG, 2. Auflage, § 4, Rn. 61 und Gröning, HeilmittelwerbeR, § 4, Rn. 96). Daran fehlt es hier.
Denn die Pflichtangaben werden hier nur über einen Link erreicht, der nach seinem Aussagehalt einen persönlichen und kostenlosen Pollenflug-Infoservice erwarten lässt, nicht aber den sachlich-informativen Teil der Gesamtwerbung. Es kann daher hier dahin stehen, ob der Verbraucher an die Verwendung von Links im Internet gewöhnt ist und ob die Werbung - wie die Beklagte meint - insgesamt mit allen verlinkten Seiten als eine Werbung aufzufassen ist. Denn jedenfalls fehlt hier die unmittelbare Zuordnung der Pflichtangaben zu der Werbung für das Arzneimittel, weil der Verbraucher, wenn er sich für den Pollenflug-Infoservice nicht interessiert, zu den Pflichtangaben nicht gelangen und sie unter diesem Link auch nicht vermuten wird. Der letzte Gesichtspunkt ist dabei entscheidend, weshalb es auch nicht darauf ankommt, was die Beklagte geltend macht, dass der Verbraucher nicht zwingend mit den Pflichtangaben konfrontiert werden müsste. Die Unzulässigkeit der hier gewählten Verlinkung ergibt sich schon daraus, dass der Verbraucher nicht einmal erwarten kann, weitere Informationen zu dem beworbenen Arzneimittel über den Link finden zu können.
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich der Verstoß der Beklagten gegen die Unterlassungsverpflichtung und die Pflicht zur Zahlung der versprochenen Vertragsstrafe.
Der Kläger kann gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit verlangen. Ein höherer Zinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB steht ihm jedoch nicht zu, weil die Vertragsstrafe keine Entgeltforderung i. S. d. § 288 Abs. 2 BGB ist. Im darüber hinaus gehenden Umfang war die Klage daher teilweise abzuweisen.
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.005,40 Euro gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.
Die in dem anwaltlichen Schreiben vom 4. Mai 2009 enthaltene Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs wegen des Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung und zugleich gegen die Anforderungen des HWG stellt eine Abmahnung dar, die aus den o. g. Gründen berechtigt gewesen ist.
Der Kläger durfte vorliegend auch die Einschaltung von Rechtsanwälten für erforderlich halten. Zwar müssen Wettbewerbsvereine durchschnittlich schwierige Abmahnungen ohne anwaltliche Hilfe mit eigenen Kräften bearbeiten können (Hefermehl/Köhler/ Bornkamm , UWG, 27. Auflage, § 12, Rn. 1.97). Die Einschaltung eines Rechtsanwalts ist jedoch geboten , wenn die Abmahnung durch den Verband keinen Erfolg verspricht (Schlosser in Staudinger, BGB, (2006), § 1 UKlaG, Rn. 41).
Davon kann hier ausgegangen werden, weil der Verstoß gegen die bereits abgegebene Unterlassungsverpflichtung hier eine besonders hartnäckige Verweigerung der übernommenen Unterlassungspflicht darstellt. Es ist daher angemessen, nach den hier gegebenen Umständen sofort mit einer anwaltlichen Abmahnung zu reagieren, weil diese die Ernsthaftigkeit des Unterlassungsverlangens besonders unterstreicht und daher eher ein Einlenken des Unterlassungsschuldners erwarten lässt.
Die nach einem Gegenstandswert in Höhe von 30.000,00 Euro berechnete 1,3 Gebühr nebst einer Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 Euro ist nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Auch hier handelt es sich nicht um eine Entgeltforderung im Verhältnis zu der Beklagten.
Der Klage war daher mit Ausnahme einer kleinen Einschränkung bei den Nebenforderungen, stattzugeben.
B.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
C.
Der Beklagten war kein weiterer Schriftsatznachlass zu gewähren, weil es für die Entscheidung auf Tatsachenvortrag im Schriftsatz vom 7. Januar 2010 entscheidungserheblich nicht mehr ankam und die darin angesprochenen entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkte in der mündlichen Verhandlung erschöpfend mit den Parteivertretern erörtert worden ist.