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Landgericht Hamburg Urteil vom 20.01.2009 - 312 O 706/08 - Kein Recht des Internetdienstleisters zur Abschaltung einer Domain bei Zahlungsverzug des Kunden

LG Hamburg v. 20.01.2009: Kein Recht des Internetdienstleisters zur Abschaltung einer Domain bei Zahlungsverzug des Kunden


Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 20.01.2009 - 312 O 706/08) hat entschieden:

  1.  Der Anbieter von Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Internetauftritt eines Unternehmens ist in der Regel verpflichtet, das Unternehmen als Domaininhaberin einer Domainadresse, die dem Namen oder der Marke des Unternehmens entspricht, eintragen zu lassen bzw. hierauf hinzuwirken.

  2.  Es stellt eine Vertragsverletzung dar, wenn der Dienstleister bei Streitigkeiten über ausstehende Honorare seiner Forderung in der Weise Nachdruck verschafft, dass er den Internetauftritt des Unternehmens unter der auf ihn selbst registrierten Domain sperrt und hierdurch die Erreichbarkeit per E-Mail behindert. Durch ein etwa bestehendes Zurückbehaltungsrecht ist eine solche Maßnahme nicht zu rechtfertigen.

Siehe auch
Internet-Service-Provider
und
ISP-Verträge


Tatbestand:


Die Parteien streiten um die Inhaberschaft an einer Internetdomain.

Die Wortmarke "D..." ist nach Anmeldung am 23.12.2005 seit dem 03.08.2006 für die - mit der Antragstellerin verbundene -E... GmbH unter der Registernummer 305 77 067 für die Klasse 11 beim DPMA eingetragen.

Unter dem 24.11.2007 gab die Antragsgegnerin ein Angebot über Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Internetauftritt der Antragstellerin an diese ab (Anlage 1). Der genaue Umfang des erteilten Auftrags ist zwischen den Parteien umstritten.

In dem Angebotsschreiben heißt es u.a.:
   "1. Aufgabenstellung

(...) Internetauftritt(...).

Laufende Pflege- und Wartungsarbeiten.

(...)

2. Umsetzungsstufen

(...)

Stufe 4: (zeitgleich) Programmierung des Internetauftritts (...).

(...)

Stufe 7: monatliche oder bedarfsabhängige Pflege der Internetseite und der Printprodukte.

(...)

Anmerkung: Wie in unseren Geschäftsbedingungen genannt, bleiben alle für diesen Auftrag notwendigen Arbeitsmaterialien unser Eigentum. Ab Auftragvollendung für die Stufen 2-6 stellen Ihnen aber gerne die Sourcen und Arbeitsmaterialien zur Verfügung, die für eine später Änderung von Prospekten, Korrespondenzmaterialien und auch für den Internetauftritt auch unabhängig von uns notwendig sind. (...)"

Dieses Angebot nahm die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17.12.2007 (Anlage 3) an.

Seit dem 14.02.2008 ist die Antragsgegnerin bei der D... als Inhaberin der Domain "d-g...de" registriert (Anlage K 1).

In der Rechnung der Antragsgegnerin an die Antragstellerin vom 28.02.2008 (Anlage 5) wird gemäß "unseres Angebotes vom 24.11.07 und Ihres Auftrags vom Dezember" unter Pos. 1.8 das "Einrichten von Internet Adressen D...- G... und D...-Ballast-Systems und Einrichtung eines temporären Trailers" mit € 350,00 netto berechnet.

Eine selbständige Gesellschaft, deren Firma einen Bestandteil "D... G..." o.ä. enthält, gibt es nicht. Die Antragstellerin tritt aber unter dieser Bezeichnung zusammen mit anderen Gesellschaften im Markt auf.

Nach Streitigkeiten über anderweitige vertragliche Verpflichtungen der Parteien sperrte die Antragsgegnerin den Internetauftritt der Antragstellerin unter der Domain www.d-g...de zwischen dem 17.10.2008 und dem 24.10.2008. Unter der genannten Domain war vorher und ist nunmehr wieder ein sog. Weiterleitungstrailer zu sehen. Der Besucher der Seite wird auf die Seite mit der Adresse http://www.d..-s...de/ weitergeleitet.

Mit Schreiben vom 23.10.2008 (Anlage 13) mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin wegen der Sperrung ab.

Nachdem die Antragstellerin auf entsprechenden Hinweis des Gerichts zwei weitergehende Teilanträge zurückgenommen hat, hat die Kammer am 06.11.2008 der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten,

  1.  die Internetpräsens der D... Service GmbH auf www.d-g...de abzuschalten oder anderweitig zu beeinträchtigen und die Erreichbarkeit per Email über info@d...-g....de zu verhindern,

und/oder

  2.  sich im geschäftlichen Verkehr der Internet-Domain www.d-g...de zu bedienen, insbesondere sie auf einer anderen Homepage einzusetzen oder einsetzen zu lassen.

Die Antragsgegnerin behauptet, es habe mangels Legitimation der Antragsgegnerin durch die Antragstellerin gegenüber deren Provider keine technische Möglichkeit gegeben, Domains für die Antragstellerin einzutragen.

Die Antragsgegnerin behauptet, die Registrierung der "Weiterschaltungsseite" D... G... sei eine reine Serviceleistung der Antragsgegnerin ohne rechtliche Verpflichtung gewesen. Der Gedanke zur Errichtung der D... - G... sei weit nach Auftragserteilung gefasst worden.

Vielmehr habe die Antragsgegnerin selbst ein Interesse an Geschäftstätigkeit unter "D...", was für "Datenverarbeitungszentrum" stehe.

Die Antragsgegnerin behauptet, ihr stehe aufgrund berechtigter Forderungen gegen die Antragstellerin das Recht zu, die auf sie selbst eingetragene Internetseite "D...-G..." abzuschalten.

Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, die Bezeichnung als "D... - G... " durch die Antragstellerin verletze die handelsrechtlichen Grundsätze der Firmenwahrheit und -klarheit, weswegen sie rechtlich nicht geschützt sein könne.

Die Antragsgegnerin beantragt,

   die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, AZ. 312 O 706/08 aufzuheben.

Die Antragstellerin beantragt

   Zurückweisung des Widerspruchs und Bestätigung der einstweiligen Verfügung.

Die Antragstellerin behauptet, die Antragsgegnerin sei von ihr damit beauftragt worden, die Domain www.d-g...de bei der D... zu registrieren und auf dieser Domain den Internetauftritt der Antragstellerin zu erstellen.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass ihr ein Marken- und Namensrecht an der Domain zustehe.

Sie behauptet, zwischen dem 17.10.2008 und dem 24.10.2008 habe neben der Homepage auch die e-mail-Adresse info@d...-g....de nicht funktioniert.

Mit Beschluss vom 19.12.2008 hat die Kammer die beantragte sofortige Einstellung der Zwangsvollstreckung abgelehnt.





Entscheidungsgründe:


Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

I.

Die angerufene Kammer ist örtlich zuständig gemäß § 32 ZPO. Die drohende Verletzung eines angeblichen Rechts der Antragstellerin durch Abschalten einer Website bzw. einer E-Mail-Adresse und durch anderweitige Verwendung der Internetdomain www.d-g...de hätte Auswirkungen im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, so auch im Bezirk des Landgerichts Hamburg.


II.

Der Antragstellerin stehen die geltend gemachten Verfügungsansprüche zu.

Antrag zu 1.

a. Der Anspruch folgt allerdings nicht aus Markenrecht. Zwar wird die Bezeichnung "D..." als Wortmarke geschützt, jedoch stehen die entsprechenden Markenrechte der E... GmbH zu, die nicht am Verfahren beteiligt ist und auch keine Lizenz o.ä. vergeben hat.

b. Ob der Antragstellerin ein Unterlassungsanspruch aus § 12 BGB zusteht, kann zunächst offen bleiben.

Im Bereich des Markenrechts hat dieses gegenüber dem Namensrecht Vorrang. Das Recht aus der Marke steht hier allerdings einem Dritten zu, s.o. Die Antragstellerin kann sich daher gegenüber der Antragsgegnerin auf das Recht aus ihrem Namen berufen.

Die Antragsgegnerin hat kein eigenes Recht an der Bezeichnung "D...". Sie tritt nicht unter "Datenverarbeitungszentrum" auf.



Fraglich ist aber, ob der bloße Unterlassungsanspruch aus Namensrecht, § 12 BGB, der Antragstellerin in Bezug auf den Antrag zu 1. überhaupt weiterhilft, denn effektiv ist hier die Fortsetzung eines aktiven Tuns beantragt, nämlich die Erreichbarkeit der Homepage und E-Mail-Adresse weiterhin zu gewährleisten (was technisch im Normalfall durch regelmäßige Bezahlung von Honorar an einen Provider geschieht, der nach Übermittlung der zu veröffentlichenden Inhalte die entsprechenden Services gewährleistet, um die Homepage ins Internet zu stellen; nötig ist natürlich auch das Unterlassen einer Abschaltung).

Dies kann aber offen bleiben.

c. Aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag steht der Antragstellerin nämlich nach der Glaubhaftmachungslage der geltend gemachte Anspruch zu.

Die Antragsgegnerin war nämlich verpflichtet, die Antragstellerin als Domaininhaberin eintragen zu lassen bzw. hierauf hinzuwirken. Vertragsinhalt war u.a. die Programmierung eines Internetauftritts und die monatliche oder bedarfsabhängige Pflege der Internetseite und der Printprodukte. Inhalt des Vertrages war auch die Einrichtung einer (Weiterleitungs-)Seite www.d-g...de. Die Antragsgegnerin hat den Auftrag insoweit bestritten. Der Vertrag hat zwar nach übereinstimmendem Parteivortrag ursprünglich diesen Auftrag nicht enthalten, ist aber - was streitig ist -später konkludent insoweit geändert und erweitert worden, denn in der Rechnung vom 28.02.2008 (Anlage 5) wird genau dies unter Bezugnahme auf den Auftrag berechnet. Von einer entsprechenden Beauftragung ist nach der Lebenserfahrung daher auszugehen.

Dem Vortrag der Antragsgegnerin, es sei eine rein unentgeltliche Serviceleistung gewesen, die erstellte Internetseite auch (auf sie selbst) bei der D... registrieren zu lassen, folgt die Kammer nicht. Wenn eine erstellte Internetseite zugänglich gemacht werden soll, muss sie unter einer bestimmten, bei der D... zu registrierenden, Domain abrufbar sein. Wenn - wovon die Kammer ausgeht, s.o. - eine Internetseite unter einer bestimmten Domain - hier www.d-g...de - erstellt werden soll, ist es selbstverständlich, dass sie auch unter dieser Domain zugänglich gemacht werden soll. Daher war es Vertragsinhalt, die Seite nicht nur zu erstellen, sondern auch registrieren zu lassen.

Die Antragsgegnerin war auch verpflichtet, die Antragstellerin als materiell an der Domain Berechtigte bei der D... eintragen zu lassen, denn Vertragsgegenstand war auch, der Antragstellerin die "Sourcen und Arbeitsmaterialien zur Verfügung" zu stellen, die "für den Internetauftritt auch unabhängig von uns notwendig sind". Eine solche Unabhängigkeit ist nur dann gewährleistet, wenn die Antragstellerin und nicht die Antragsgegnerin Domaininhaber ist.




Der Einwand der Antragsgegnerin, dass es ihr mangels Legitimation (= Vollmacht) unmöglich gewesen sei, die Antragstellerin als Berechtigte bei dem Provider anzumelden, ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Er hilft der Antragsgegnerin auch insofern nicht weiter, als es ihr ohne weiteres möglich gewesen wäre, eine entsprechende Vollmacht bei der Antragstellerin einzuholen oder entsprechende Maßnahmen mit der Antragstellerin abzustimmen.

d. Die Antragsgegnerin hat bestritten, dass sie die E-Mail-Adresse in der fraglichen Zeit abschalten ließ. Die Antragstellerin hat durch Versicherung an Eides Statt (Anlage 10) glaubhaft gemacht, dass genau in der Zeit der Abschaltung der Homepage die E-Mail-Adresse nicht funktionierte, was den Rückschluss zulässt, dass beides zusammenhängt.

Zwar trägt die Antragsgegnerin vor, dass dies auch andere Ursachen haben könne. Genauere Angaben bleibt sie jedoch schuldig. Ein als Beweis angebotenes Sachverständigengutachten legt sie nicht vor. Durch die Versicherung an Eides Statt ihres Geschäftsführers (Anlage zum Schriftsatz vom 30.12.2008) wird glaubhaft gemacht, es sei falsch, dass "mit dem Abschalten der' d...-g... '-Seite nach meinem Kenntnisstand die Abschaltung der Emailadresse verbunden war". Dies ist wegen der Bezugnahme auf den - evtl. unzureichenden - Kenntnisstand des Geschäftsführers nicht eindeutig. In der Versicherung an Eides Statt heißt es weiter: "Die Emailadresse war auch während der Abschaltung der Internetseite erreichbar". Woher der Geschäftsführer der Antragsgegnerin als Externer diese Kenntnis hat, lässt er offen. Es ist daher unwahrscheinlich und nicht nachzuvollziehen, wie er diese Kenntnis erlangt haben will. Die Kammer folgt dieser Aussage daher nicht.

Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat der Geschäftsführer der Antragstellerin angegeben, von Kunden darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, dass die Antragstellerin über die angegebene und streitbefangene Emailadresse nicht erreichbar war. Die Kammer sieht diese Darstellung als glaubhaft an. Es liegt auch nahe, dass die Antragsgegnerin gleichzeitig mit der Website auch die Emailadresse unter der gleichen Domain abschaltet.

e. Die Antragsgegnerin hat ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, es fehlt aber an hinreichender Glaubhaftmachung. Sie trägt keine Einzelheiten zum Grund ihrer angeblichen Forderung iHv € 15.000,00 gegen die Antragstellerin vor, außer dem Aktenzeichen der entsprechenden Zahlungsklage vor dem LG Verden (8 O 495/08).



Antrag zu 2.

Der Antragstellerin steht auch der zweite geltend gemachte Anspruch zu.

a. Der Anspruch folgt aus § 12 BGB. Geschützt wird die Domain, wenn sie mit dem Namen identisch oder aus ihm abgeleitet ist (Heinrichs/Ellenberger in: Palandt, BGB, 67. Aufl. § 12 Rn. 14 mwN). Die Bezeichnung D...- G... ist abgeleitet von der Firma der Antragstellerin. Es spielt hierbei entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin keine Rolle, dass die Bezeichnung nicht der Firma entspricht; eine Gesellschaft ist nicht gehalten, ausschließlich unter ihrer Firma im Internet aufzutreten, soweit es um die Domain geht.

Durch den während der Sperrung der Homepage ausschließlich vorhandenen Hinweis auf die Antragsgegnerin kam es zu einer Zuordnungsverwirrung.

b. Der Anspruch steht der Antragstellerin überdies auch aus Vertrag zu, siehe oben.


III.

Der Antragstellerin steht auch der nötige Verfügungsgrund zur Seite, denn die Entscheidung ist eilbedürftig. Durch die Abschaltung bzw. Beeinträchtigung der Erreichbarkeit droht die Gefahr, dass Aufträge die Antragstellerin nicht erreichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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