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Landgericht Heidelberg Urteil vom 23.09.2009 - 1 S 15/09 - Das sog. confirmed Opt-In ist keine geeignete Methode zur Einholung der Einwilligung in E-Mailwerbung
LG Heidelberg v. 23.09.2009: Das sog. confirmed Opt-In ist keine geeignete Methode zur Einholung der Einwilligung in E-Mailwerbung
Das Landgericht Heidelberg (Urteil vom 23.09.2009 - 1 S 15/09) hat entschieden:
- Erhält ein E-Mail-Adressat im Rahmen des sogenannten "Confirmed-Opt-In-Verfahren" zunächst eine E-Mail zugeschickt, in der er auf das getätigte Abonnement hingewiesen wird und die Möglichkeit erhält, das Abonnement sofort wieder zu beenden, so genügt dies nicht, weil es dazu einer Handlung des Empfängers bedarf. Hierzu ist der Empfänger nicht verpflichtet. Statt dessen kann besser das sogenannte "Double-Opt-In-Verfahren" gewählt werden, bei dem der Eintrag in einer Abonnentenliste in einem zweiten Schritt von dem Kunden erst noch bestätigt werden muss, so dass Nichts-Tun des Adressaten ebenfalls den E-Mail-Empfang verhindert.
- Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 BDSG kann der Betroffene, wenn die über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten automatisch verarbeitet werden, von der speichernden Stelle Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, über Empfänger, an die Daten weitergegeben wurden und den Zweck der Speicherung informieren. Daneben hat er einen Auskunftsanspruch über Personen und Stellen, an die "seine" Daten übermittelt werden. Der Auskunftsanspruch nach § 34 Abs. 2 Satz 2 BDSG erstreckt sich nicht auf die Benennung aller Stellen, denen personenbezogene Daten regelmäßig übermittelt werden, sondern nur auf die Mitteilung derjenigen Stellen und Personen, denen die Daten des Betroffenen übermittelt worden sind.
Siehe auch Datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch des Betroffenen und E-Mail-Marketing - Werbe-E-Mails - Werbe-Fax - Newsletter - Spam
Gründe:
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Unterlassung und Auskunft nach Zusendung einer unerwünschten E-Mail mit Werbung.
Das Amtsgericht hat der Klage mit Urteil vom 10.03.2009 bezüglich des Unterlassungsanspruchs stattgegeben, den Auskunftsanspruch allerdings nicht zuerkannt.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der Kläger, Rechtsanwalt, handele rechtsmissbräuchlich, füge er seiner vorprozessualen Mahnung, mit der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nach Erhalt einer unerwünschten E-Mail mit Werbung gleichzeitig eine Kostennote bei, obgleich der Bundesgerichtshof in vergleichbaren Fällen entschieden habe, dass die Selbstvertretung des Rechtsanwaltes in ähnlich gelagerten Routinefällen zu keinem Kostenerstattungsanspruch führe (vgl. dazu u. a. Anlagen B3 bis B5, I 191 ff.). Die Rechtsmissbräuchlichkeit dieses Kostenerstattungsbegehrens ergreife auch den geltend gemachten Unterlassungs- sowie Auskunftsanspruch.
Die Beklagte beantragt
das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg - 27 C 488/08 - vom 10.03.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt
die Berufung zurückzuweisen
und stellt mit seiner Anschlussberufung den Antrag,
das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 10.03.2009 - 27 C 488/08 - im Kostenpunkt aufzuheben und zusätzlich zu den bereits unter Tenor Ziffer 1 bis 3 des amtsgerichtlichen Urteils zugesprochenen Anträgen die Beklagte weiterhin dazu zu verurteilen,
dem Kläger Auskunft darüber zu geben, welche Daten zu seiner Person bei ihrem Unternehmen gespeichert sind, auch soweit sie sich auf Herkunft und Empfänger beziehen, welcher Zweck mit der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen oder Stellen diese Daten regelmäßig übermittelt werden.
Die Beklagte beantragt
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt zu seiner Anschlussberufung vor, der Auskunftsanspruch beruhe auf § 34 BDSG. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage sei eine nähere Darlegung angesichts des beiderseitigen Parteivortrags nicht notwendig gewesen. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten bei Geltendmachung vorgerichtlicher Anwaltskosten für die Tätigkeit in eigener Sache läge nicht vor. Die von dem Bundesgerichtshof hierzu entschiedenen Fälle seien dem Vorliegenden nicht vergleichbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Parteivortrag wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung und die Anschlussberufung sind zulässig, in der Sache hat die Anschlussberufung Erfolg, wohingegen die Berufung zurückzuweisen war.
1. Aus den zutreffenden Gründen, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat das Amtsgericht entschieden, dass es der Beklagten untersagt ist, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit dem Kläger Kontakt per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass die ausdrückliche Einwilligung des Klägers vorliegt. Bereits die einmalige unverlangte Zusendung einer E-Mail mit Werbung stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht des Klägers im eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, dem die E-Mail an seine Geschäftsadresse zugeschickt worden war. Der Kläger hat einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, denn unverlangt zugesandte E-Mail-Werbung beeinträchtigt regelmäßig den Betriebsablauf des Unternehmens. Mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails ist ein zusätzlicher Arbeitsaufwand verbunden. Zudem können, soweit kein festes Entgelt vereinbart ist, zusätzliche Kosten für die Herstellung der Online-Verbindung und die Übermittlung der E-Mail durch den Provider anfallen. Die Zusatzkosten für den Abruf der einzelnen E-Mails können zwar gering sein. Auch der Arbeitsaufwand für das Aussortieren einer E-Mail kann sich in engen Grenzen halten, wenn sich bereits aus dem Betreff entnehmen lässt, dass es sich um Werbung handelt. Anders fällt die Beurteilung aber aus, wenn es sich um eine größere Zahl unerbetener E-Mails handelt oder wenn der Empfänger der E-Mail ausdrücklich dem weiteren Erhalt von E-Mails widersprechen muss (BGH I ZR 218/07, Beschluss vom 20.05.2009).
Der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers ist auch rechtswidrig. Jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige Einwilligung des Adressaten ist eine unzumutbare Belästigung. Eine vorherige ausdrückliche Einwilligung kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden. Darlegungs- und beweisbelastet ist insoweit die Beklagte, die, worauf das Amtsgericht zu Recht hingewiesen hat, mit ihrem Zeugenbeweisangebot in erster Instanz (I 165) nicht nachweisen kann, dass diese Anmeldung tatsächlich vom Kläger, keinem unbefugten Dritten herrührt.
2. Der Kläger hat darüber hinaus auch einen Auskunftsanspruch nach § 34 Abs. 2 Satz 2 BDSG betreffend solcher Personen und Stellen, die Daten über seine Person schon einmal erhalten haben und diese nach den Anschlussbedingungen auch in Zukunft erhalten sollen oder selbst abrufen können.
Die Beklagte gehört zu den nicht öffentlichen Stellen, die geschäftsmäßig Daten für fremde Zwecke verarbeiten; für sie gelten gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 BDSG die §§ 32 bis 35 BDSG.
Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 BDSG kann der Betroffene, wenn die über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten automatisch verarbeitet werden, von der speichernden Stelle Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, über Empfänger, an die Daten weitergegeben wurden und den Zweck der Speicherung informieren. Daneben hat er einen Auskunftsanspruch über Personen und Stellen, an die "seine" Daten übermittelt werden (BGHZ 89, 218).
Soweit der Kläger Auskunft über personenbezogene Daten verlangt, die regelmäßig übermittelt werden, besteht sein Anspruch nicht. Der Auskunftsanspruch nach § 34 Abs. 2 Satz 2 BDSG erstreckt sich schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht auf die Benennung aller Stellen, denen personenbezogene Daten regelmäßig übermittelt werden, sondern nur auf die Mitteilung derjenigen Stellen und Personen, denen die Daten des Betroffenen übermittelt worden sind (BGH Beschl. vom 15.12.1983, III ZR 187/82).
3. Des Weiteren steht dem Kläger ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zu, allerdings lediglich in Höhe von Euro 229,55 (§§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB).
a) Die unerwünschte E-Mail-Werbung griff rechtswidrig in den eingerichteten und ausgeübten Werbebetrieb des Klägers ein (vergleiche im einzelnen oben unter II Ziff. 1) und erfolgte auch schuldhaft, jedenfalls fahrlässig (§ 276 Abs. 2 BGB). Die Beklagte bediente sich bei der Zusendung ihres Newsletters des sogenannten "Opt-In-Verfahrens" und verließ sich dabei darauf, dass die Kontaktdaten zur Anmeldung tatsächlich von dem Kläger zugesandt wurden. Zwar erhielt der Kläger im Rahmen des sogenannten "Confirmed-Opt-In-Verfahren" zunächst eine E-Mail zugeschickt, in der er auf das getätigte Abonnement hingewiesen wurde und die Möglichkeit erhielt, das Abonnement sofort wieder zu beenden. Hierzu bedurfte es aber einer Handlung des Klägers. Dazu war er nicht verpflichtet. Der Beklagten hätte auch die Möglichkeit offen gestanden, das sogenannte "Double-Opt-In-Verfahren" zu wählen, bei der der Eintrag in einer Abonnentenliste in einem zweiten Schritt von dem Kunden erst noch bestätigt werden muss. Wäre bei diesem Verfahren die Erstbestellung missbräuchlich erfolgt, könnte der unfreiwillige Abonnementkandidat sich vor einem Eintrag in die Abonnenten-Liste schützen, indem er auf die Bestätigungsanfrage nicht reagiert. Eine Registrierung beim "Double-Opt-In-Verfahren" wird erst dann wirksam, wenn sie bestätigt wird. Dieses Verfahren hat die Beklagte auf eigenes Risiko nicht gewählt. Dabei hat sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen, denn mit dem von ihr gewählten Verfahren des "Confirmed-Opt-In" konnte sie nicht ausschließen, dass es, wie vorliegend klägerseits geltend gemacht, zu missbräuchlichen Eintragungen kam.
b) Ein Schädiger hat nach ständiger Rechtsprechung diejenigen durch ein Schadensereignis verursachten Anwaltskosten zu tragen, die aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig sind. Daran fehlt es im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. Zwar hat der BGH in seiner Entscheidung vom 12.12.2006 (B4) ausgeführt, dass auch außerhalb der Anwendbarkeit des § 8 UWG, der vorliegend mangels Konkurrenzsituation der Parteien nicht einschlägig ist, vergleichbare Grundsätze des Wettbewerbsrechts bestehen. Danach kann aus Sicht des Geschädigten in einem einfach gelagerten Schadensfall die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar sein, dass ein Schädiger ohne Weiteres seine Ersatzpflicht nachkommen werde, dass es im Allgemeinen auch nach der ständigen Rechtsprechung des BGH aus Sicht des Geschädigten zur Schadensbeseitigung nicht erforderlich wäre, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. In diesen einfach gelagerten Fällen ist der Geschädigte grundsätzlich gehalten, den Schaden zunächst selbst geltend zu machen. Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte selbst über eine eigene Fachkenntnis und Erfahrungen zur Abwicklung des konkreten Schadensfalls verfüge. Dieses Wissen hat er besonders in den einfach gelagerten, aus seiner Sicht zweifelsfreien Fällen bei der erstmaligen Geltendmachung des Schadens einzusetzen. In dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wurde der Erstattungsanspruch des klägerischen Rechtsanwalts für Gebühren aus einem sich selbst erteilten Mandat für ein Abmahnschreiben verneint, da weder die Identität des Schädigers, noch die Widerrechtlichkeit des ohne Einwilligung erfolgten Anrufs zweifelhaft war. Das Abmahnschreiben hatte Erfolg, die strafbewehrte Unterlassungserklärung wurde vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abgegeben (BGH a. a. O.).
Dieser Fall und auch der gleichfalls am 12. Dezember 2006 im Verfahren VI ZR 188/05 (B5) entschiedene Fall ist dem Vorliegenden aber nicht vergleichbar. In dem zuletzt genannten Fall des BGH hatte die Beklagte nach erfolgloser Abmahnung ein einstweiliges Verfügungsverfahren erwirkt. Der außergerichtlichen Aufforderung zur Vermeidung einer Hauptsacheklage, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen, war die Beklagte nachgekommen, hatte sich jedoch geweigert, die für dieses Abschlussschreiben geltend gemachten Anwaltsgebühren zu bezahlen. Zu einer Hauptsacheklage ist es nicht gekommen. Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung zu den nach § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Kosten der Rechtsverfolgung ausgeführt, die Selbstbeauftragung eines Anwalts könne dann nicht zu einem berechtigten Erstattungsanspruch führen, wenn der Abmahnende in typischer, unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen über eigene hinreichende Sachkunde zur zweckentsprechenden Gerichtsverfolgung verfüge. Dies gelte außerhalb des Wettbewerbsrechts grundsätzlich dann, wenn in einem einfach gelagerten Schadensfall die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar sei, dass aus der maßgebenden Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel darin bestehen könne, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde.
Während in der ersten Entscheidung des Bundesgerichtshofes das vorprozessuale Unterlassungsbegehren erfolgreich war, war es im letztgenannten Fall so, dass der Anwalt schon das Verfügungsverfahren selbst erfolgreich durchgeführt hatte. Lediglich in solchen einfach gelagerten Fällen bedurfte es nach Auffassung der Kammer nicht der Beauftragung eines anderen Anwalts, um möglicherweise vorhandene Unklarheiten abzuklären. Vorliegend war der Kläger gezwungen, ein gerichtliches Verfahren durchzuführen, bei dem sich die Beklagte u. a. damit verteidigte, im Rahmen des "Opt-In-Verfahrens" habe der Kläger seine Einwilligung in die Zusendung der Newsletter erteilt, es läge daher kein widerrechtlicher Eingriff in ein nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut vor (I 165 ff.).
c) Entgegen der Auffassung des Klägers war allerdings der Berechnung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren lediglich ein Gegenstandswert in Höhe von Euro 2000,00 zugrunde zu legen. Auf den Streitwertbeschluss der Kammer wird insoweit verwiesen. Es errechnet sich daher eine Forderung in Höhe von 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG in Höhe von Euro 172,90 plus Euro 20,00 gemäß Nr. 7002 VV RVG, insgesamt Euro 192,90 plus 19 % Mehrwertsteuer, mithin Euro 229,55. Wegen der weitergehenden Forderung war die Klage insoweit abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO, diejenigen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.