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OLG Köln Urteil vom 02.07.2010 - 6 U 48/10 - Gezielte Wettbewerbsbehinderung durch Adwordssperrung mit Markenbeschwerde bei Google
OLG Köln v. 02.07.2010: Gezielte Wettbewerbsverhinderung durch Adwordssperrung mit Markenbeschwerde bei Google
Das OLG Köln (Urteil vom 02.07.2010 - 6 U 48/10) hat entschieden:
Vertreibt ein Händler Markenprodukte mit dem Einverständnis des Produzenten und darf er bei seiner Werbung auch die Marke des Produzenten benutzen, dann stellt es eine gezielte individuelle Wettbewerbsbehinderung dar, wenn der Produzent es bei Google durch eine "Markenbeschwerde" errreicht, dass keine Adwords-Werbung Dritter mehr geschaltet wird, in der die Marke des Produzenten als Suchwort (Keyword) benutzt wird.
Siehe auch Adwords-Werbung bei Google und anderen Plattformen und Suchmaschinen und Markenrecht für Onlinehändler
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin stellt unter der Marke „D“ Sanitärartikel, insbesondere Keramik, her. Die Antragstellerin vertreibt über das Internet und in mehreren Geschäftslokalen Sanitärprodukte; sie bietet u.a. Originalprodukte der Antragsgegnerin an.
Die Antragstellerin schaltete in der Vergangenheit bei Google AdWord-Anzeigen zu dem Suchbegriff „D“, mit denen sie auf ihr Angebot von D-Produkten hinwies. Die Antragsgegnerin nutzte die von Google angebotene Möglichkeit einer sog. „Markenbeschwerde“ mit der Folge, dass Aufträge für AdWord-Anzeigen zu dem Suchbegriff „D“ seit dem 25.11.2009 nicht mehr ausgeführt wurden. Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin erfolglos auf, ihr die Zustimmung für AdWord-Werbung unter Nutzung dieses Suchbegriffs zu erteilen.
Das Landgericht hat zunächst antragsgemäß eine einstweilige Verfügung mit dem aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Inhalt erlassen. Diese hat es auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin aufgehoben. Mit der Berufung begehrt die Antragstellerin, die einstweilige Verfügung wiederum zu erlassen. Die Antragsgegnerin verteidigt das angefochtene Urteil.
Im Übrigen wird von der Darstellung des Sachverhalts gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung hat Erfolg; sie führt zum erneuten Erlass der einstweiligen Verfügung.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere fehlt es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht am Verfügungsgrund.
Die Antragstellerin kann sich auf § 12 Abs. 2 UWG stützen. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass sie – wie das Landgericht meint – keinen Unterlassungsanspruch geltend macht.
Die Antragsgegnerin hat durch ein aktives Tun, nämlich durch ihre Vereinbarung mit Google, der Antragstellerin die ursprünglich bestehende Möglichkeit genommen, eine Werbeanzeige dem Suchwort „D“ zuzuordnen. Zwar trifft es zu, dass es wiederum eines aktiven Tuns der Antragsgegnerin bedarf, um das Fortwirken dieser Vereinbarung zu beenden. Dies ist allerdings, wenn die Beseitigung einer zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung immer noch anhaltenden Störung in Rede steht, nicht ungewöhnlich. Wer verpflichtet wird, es zu unterlassen, ein bestimmtes Produkt anzubieten oder auf eine bestimmte Weise zu werben, muss häufig aktiv Maßnahmen ergreifen, um dem Unterlassungsgebot nachzukommen. Entscheidend für die Qualifizierung als Unterlassungsanspruch ist es insofern daher, dass dem Verpflichteten keine konkrete Handlung abverlangt wird, sondern es ihm überlassen bleibt, wie er den Unterlassungserfolg herbeiführt (vgl. Teplitzky, WAV, 9. Aufl., § 54 Rdn. 21). So liegt es hier. Das Begehren der Antragstellerin ist darauf gerichtet, es der Antragsgegnerin zu untersagen, sie an der Benutzung des AdWords „D“ für Werbeanzeigen bei der Suchmaschine Google zu hindern. Auf welche Weise die Antragsgegnerin dies sicherstellt, bleibt ihr überlassen: sie kann auf die „Markenbeschwerde“ ganz verzichten, sie kann aber auch die Antragstellerin als berechtigtes Unternehmen von ihrer Vereinbarung mit Google ausnehmen. Auch wenn sie sich hierfür entscheidet, liegt darin nicht eine „Teilhabe“, auf die die Antragstellerin einen „aktiven Anspruch“ erheben würde, wie dies das Landgericht meint. Denn die „Markenbeschwerde“ der Antragsgegnerin ist nicht (mehr) Ausfluss der (Marken-)Rechte der Antragsgegnerin, an denen die Antragstellerin teilzuhaben beanspruchte, sondern eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und dem Suchmaschinenbetreiber Google, die über die aus der Marke fließenden Rechte der Antragstellerin hinausgeht und mit der sie in die Rechtsposition der Antragstellerin eingegriffen hat.
Unabhängig davon sind auch die Voraussetzungen des § 940 ZPO erfüllt. Das Landgericht hat angenommen, die Antragstellerin begehre eine Leistungsverfügung, die nur dann erlassen werden könnte, wenn dies zur Abwehr einer existentiellen Bedrohung des Gläubigers erforderlich wäre. So liegt es hier aber nicht. Zwar wird, wenn im Wege der einstweiligen Verfügung auf der Grundlage eines Unterlassungsanspruchs ein Verbot ausgesprochen wird, stets eine Erfüllung dieses Anspruchs angeordnet. Dies wirkt allerdings nur zeitweilig und führt nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers. Es sind daher die Nachteile, die dem Antragsgegner durch die einstweilige Befolgung des Verbots entstehen, gegen die Nachteile abzuwägen, die dem Antragsteller bei einer Fortsetzung des (unterstellt) rechtswidrigen Verhaltens des Antragsgegners drohen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28 Aufl., § 940 Rdn. 4). Bei dieser Abwägung überwiegen vorliegend die Belange der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat dargelegt, dass sie durch die Sperrung des AdWords Umsatzeinbußen von ca. 4-5 % erleidet (vgl. Seite 6 des angefochtenen Urteils). Das mag zwar nicht existenzbedrohend sein, trifft aber die Antragstellerin nicht unerheblich. Die Antragsgegnerin dagegen hat nicht vorgetragen, dass ihr gerade durch Benutzung das AdWord seitens der Antragstellerin konkrete wirtschaftliche Nachteile entstehen (s. dazu auch unten 2 b).
2. Die Antragstellerin hat auch einen Verfügungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1 Satz 1 UWG. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin durch die „Markenbeschwerde“ bei Google gezielt behindert im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG.
a) Eine Behinderung ist die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Mitbewerbers, wobei sich diese auf alle Wettbewerbsparameter, wie u.a. die Werbung für das eigene Warenangebot, beziehen kann (BGH GRUR 2004, 877, 879 – Werbeblocker; Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rdn. 4.10 mwN.). Eine derart weit verstandene Behinderung ist allerdings jedem Wettbewerb eigen, denn er ist darauf angelegt, auf Kosten der Mitbewerber einen Wettbewerbsvorsprung zu erzielen (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rdn. 10.7). Es müssen daher weitere Umstände hinzutreten, damit von einer unzulässigen individuellen Behinderung gesprochen werden kann (BGH, aaO.). Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (BGH GRUR 2007, 800, 802, Tz. 23 – Außendienstmitarbeiter). Insoweit ist eine Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls geboten, bei der die sich gegenüberstehenden Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher, der sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen sind (BGH GRUR 2004, 877, 879 – Werbeblocker).
Eine gezielte Behinderung setzt – obwohl der Begriff dies nahelegen könnte – eine absichtliche Behinderung nicht voraus; entscheidend sind vielmehr die objektiven Auswirkungen der Maßnahme, (vgl. BGH GRUR 2007, 800, 802, Tz. 22 – Außendienstmitarbeiter). Es ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch nicht vorausgesetzt, dass die Maßnahme sich gegen einen einzelnen Mitbewerber richtet. Mit dieser Auffassung lässt sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Rufumleitung“ (GRUR 2010, 346 ff.) nicht vereinbaren, in der der Bundesgerichtshof das Angebot eines Wettbewerbers, alle Anrufe aus dem Mobilfunknetz in das eigene Mobilfunknetz auf einen Festnetzanschluss umzuleiten, als gezielte Behinderung gewertet hat. Auch der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass eine Behinderung auch dann den Tatbestand des § 4 Nr. 10 UWG erfüllen kann, wenn sie sich gegen mehrere Mitbewerber richtet (Senat, GRUR-RR 2008, 97; GRUR-RR 2005, 168, 169). Schließlich ist es entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht erforderlich, dass die Mitbewerber auf der gleichen Wirtschaftsstufe stehen (so ausdrücklich BT-Drucks. 15/1487, S. 19).
b) Nach diesen Maßstäben liegt eine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG vor.
Aufgrund der „Markenbeschwerde“ der Antragsgegnerin ist die Antragstellerin daran gehindert, durch AdWord-Werbung gezielt auf ihr Angebot an Produkten der Antragsgegnerin hinzuweisen. Damit wirkt die Antraggegnerin auf die wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Antragstellerin in hinreichend konkreter Weise ein. Denn die Maßnahme ist zwar allgemein formuliert, sie wirkt sich aber konkret nur auf die Mitbewerber aus, die Sanitärprodukte über das Internet verkaufen. Die Antragsgegnerin ist der durch die Internetausdrucke belegten Behauptung der Antragstellerin, nur solche Händler nutzten AdWord-Werbung unter Verwendung des fraglichen Zeichens, nicht substantiiert entgegengetreten.
Die Beeinträchtigung entfällt nicht deshalb, weil auch die anderen Wettbewerber der Antragstellerin nicht mehr ihre Werbung zu dem Suchbegriff „D“ plazieren können und die Antragstellerin weiterhin als Suchergebnis (auf einem der vorderen Plätze) aufgeführt wird. Dies gilt bereits deshalb, weil es im Rahmen eines freien Wettbewerbs der Entscheidung der Antragstellerin unterfällt, ob und von welchen Werbeformen sie Gebrauch machen möchte. Zudem hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie in der Vergangenheit nicht unerhebliche Umsätze durch Interessenten erzielt hat, die die AdWord-Anzeige zur Weiterleitung auf das Angebot der Antragstellerin genutzt haben (vgl. die eidesstattliche Versicherung der Zeugin Küppers vom 30.3.2010 – Bl. 288 f.). Die Behauptung der Antragsgegnerin, der Verweis innerhalb der Suchergebnisse auf die Webseite der Antragsgegnerin sei ebenso wirksam, ist dagegen ohne Substanz und widerspricht dem Erfahrungssatz, dass eine von derart vielen Unternehmen in großem Maße genutzte Werbeform für diese Unternehmen auch sinnvoll ist.
Demgegenüber kann der Antragsgegnerin, die insofern jedenfalls eine sekundäre Darlegungslast trifft, nur ein geringes legitimes Interesse an der Maßnahme zugute gehalten werden. Rechtlich unbeachtlich – und daher von der Antragsgegnerin zu Recht nicht angeführt – ist insofern das Interesse der Antragsgegnerin, den Vertrieb ihrer Produkte im sogenannten „dreistufigen Fachvertriebsweg“ zu fördern. Es ist zwischen den Parteien außer Streit, dass die Antragstellerin berechtigt ist, die Produkte der Antragsgegnerin anzubieten, und sie hierfür auch die Marken der Antragsgegnerin verwenden darf.
Ihre Behauptung, die Maßnahme diene ihrem Schutz gegen Produktpiraterie und solle Werbung für Nachahmungsprodukte im Sinne des § 4 Nr. 9 a) UWG und mit irreführenden Preisvergleichen verhindern, hat die Antragsgegnerin nicht hinreichend substantiiert. Obwohl die Antragstellerin dies substantiiert bestritten hat, hat die Antragsgegnerin bis zur mündlichen Berufungsverhandlung keinen konkreten Vorfall vorgetragen oder Anbieter benannt, durch die sie zu der Markenbeschwerde veranlasst worden wäre. Aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen ergibt sich dies ebenfalls nicht. Daraus ist lediglich zu ersehen, dass ein Anbieter von Sanitärkeramik unter Verwendung des AdWords „D“ geworben hat, obwohl er selbst keine Produkte der Antragsgegnerin anbietet. Der in der geäußerten Ansicht, dass auf dieser Webseite Nachahmungen angeboten werden, enthaltene Tatsachenkern ist ohne Vortrag zu den angeblich nachgeahmten Produkten nicht nachvollziehbar.
Es kann unterstellt werden, dass die Antragsgegnerin hilfsweise geltend machen wollte, die „Markenbeschwerde“ diene der Abwehr von Werbung für solche Händler, die ausschließlich Konkurrenzprodukte anbieten. Der Senat neigt dazu, ein derartiges Interesse der Antragsgegnerin als legitim anzusehen. Zwar dürfte nach den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen zu Reichweite und Grenzen zulässiger AdWord-Werbung (GRUR 2010, 445 ff. – Google und Google France; GRUR 2010, 451 ff. – Bergspechte/trecking.at Reisen) eine Markenverletzung im vorliegenden Fall nicht vorliegen; dies schließt es aber nicht aus, es der Antragsgegnerin zuzubilligen, die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen zu dürfen, um solche Mitbewerber an der Nutzung des Zeichens „D“ zu hindern, die ausschließlich Fremdprodukte anbieten. Dies kann jedoch dahinstehen, denn dieses Interesse kann nicht die Sperrung von AdWord-Werbung unter dem Suchbegriff „D“ auch zu Lasten solcher Anbieter rechtfertigen, die in keiner Weise in die Rechtssphäre der Antragsgegnerin eingegriffen haben. Denn zum einen wiegt dieses Interesse nicht besonders schwer. Zum anderen wäre es der Antragsgegnerin möglich und zuzumuten, ihr diesbezügliches Interesse zu verfolgen, ohne die Antragstellerin an der Nutzung des AdWords zu hindern, etwa indem sie die Antragstellerin von der Sperrung ausnimmt. Dass dies zu einem erheblichen Aufwand führen würde, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Entgegen ihrer Auffassung ist insofern nicht darauf abzustellen, dass 50.000 Händler von D-Produkten möglicherweise ein Interesse daran haben könnten, „D“ als AdWord zu benutzen. Vielmehr ist entscheidend, dass nach den von den Parteien vorgelegten Internetausdrucken nur eine überschaubare Anzahl von Anbietern die Möglichkeit nutzt, AdWord-Werbung zum Suchbegriff „D“ zu schalten; darunter befindet sich nur ein Händler, der keine D-Produkte anbietet. Angesichts der überschaubaren Zahl von Anbietern, die zum Suchbegriff „D“ AdWord-Werbung geschaltet haben, und der klaren Abgrenzbarkeit derjenigen Händler, die keine D-Produkte anbieten, ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerin durch diese „Freischaltung“ in erheblichem Maße belastet würde.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
2. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
3. Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 200.000 €.