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OLG Hamm Urteil vom 08.12.2009 - 4 U 129/09 - Werbung mit der Bezeichnung "Stadtwerke" und mit fremden Testergebnissen ist wettbewerbswidrig

OLG Hamm v. 08.12.2009: Zur wettbewerbswidrigen Werbung mit der Bezeichnung "Stadtwerke" und mit fremden Testergebnissen


Das OLG Hamm (Urteil vom 08.12.2009 - 4 U 129/09) hat entschieden:

  1.  In der Verwendung der beanstandeten Bezeichnung "Stadtwerke" in der Firmierung der Beklagten im Internet und in der Internetwerbung für günstiges Gas mit der Aussage "damit sind wir ein modernes Stadtwerk" ist eine Irreführung in Form einer Täuschung über ihre geschäftlichen Verhältnisse zu sehen. Den durchschnittlich informierten Verbrauchern ist bekannt, dass man als "Stadtwerke" immer noch ein kommunales Unternehmen oder zumindest einen gemeindenahen Betrieb bezeichnet, der mit städtischer Beteiligung die Grundversorgung mit Strom, Wasser und Gas und oft auch die Abwasser-Entsorgung abdeckt. Dem entspricht es, dass der Zusatz "städtisch" allgemein auf Beziehungen zu einer Stadt hinweist.

  2.  Eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung ist darin zu sehen, dass ein Unternehmen auf seiner Internetseite ein Gaslexikon präsentiert und auf dessen Startseite positive Testergebnisse herausstellt, die sich nicht auf es, sondern auf ein Partnerunternehmen beziehen. Die angesprochenen Verbraucher können dadurch getäuscht werden, dass sie nicht erkennen, dass sich die Testergebnisse auf das andere Unternehmen beziehen.

Siehe auch
Alleinstellung/Spitzenstellung
und
Testergebnis




Gründe:


I.

Die Klägerin bietet ebenso wie die Beklagte Leistungen auf dem Markt der Energieversorgung mit Gas an. Die Beklagte befindet sich vollständig in Privatbesitz und hat keine Beziehung zu einer Gemeinde. Auf ihren Internetseiten stellt die Beklagte zu Informationszwecken auch ein sogenanntes Gaslexikon zur Verfügung. Auf der Startseite des Gaslexikons wird am Ende mit mehreren Testergebnissen u.a. von Öko-Test und der Stiftung Warentest geworben. Diese Testergebnisse betreffen die W GmbH, die das Gaslexikon betreut.

Die Klägerin hat gemeint, die Verwendung der Bezeichnung "Stadtwerk" in der Firmenbezeichnung der Beklagten und des Hinweises: "Unsere Tarife sind günstig ... Damit sind wir ein modernes Stadtwerk" in deren Internetauftritt (Anlage K 1) sei irreführend für die angesprochenen Verbraucher. Als "Stadtwerke" würden nach dem Verständnis der Verbraucher kommunale Versorgungsunternehmen bezeichnet oder zumindest gemeindenahe Betriebe, die die Grundversorgung der Bevölkerung mit Strom, Wasser und Gas abdeckten.

Die angesprochenen Verbraucher bezögen auch die Hinweise auf die Testergebnisse auf der Eingangsseite des Gaslexikons auf die Beklagte und würden irregeführt, weil diese Ergebnisse überhaupt nicht die Beklagte beträfen.

Die Klägerin hat beantragt,

   die Beklagte zu verurteilen, es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr handelnd

  a.  in der Firmierung und/oder in sonstiger Weise das eigene Unternehmen als "Stadtwerk" zu bezeichnen;

und/oder


  b.  mit Testergebnissen zu werben, soweit diese nicht tatsächlich von dem eigenen Unternehmen erzielt wurden.



Außerdem hat sie die Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 859,80 € nebst Zinsen auf der Basis eines Streitwerts von 20.000,00 € von der Beklagten begehrt.

Die Beklagte hat beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Sie hat eine Irreführung der Verbraucher verneint. Diese verbänden mit dem Begriff "Stadtwerke" lediglich Unternehmen der Daseinsvorsorge, zu denen sie auch gehöre. Eine Reihe von Versorgungsunternehmen, die die Bezeichnung "Stadtwerke" verwendeten, wiesen keine kommunale Beteiligung mehr auf. Weil somit quasi alle Gasversorger "Stadtwerke" seien, habe sie sich mit der Zusatzbezeichnung nur in die übliche Terminologie ihrer Konkurrenten einreihen wollen. Vorsorglich hat die Beklagte geltend gemacht, dass selbst im Falle einer etwaigen Fehlvorstellung der Verbraucher die wettbewerbsrechtliche Relevanz fehle. Die Entscheidung der Verbraucher, in Zukunft das Gas von ihr zu beziehen, werde allein durch ihre konkurrenzlos günstigen Preise beeinflusst. Es komme hinzu, dass der Verbraucher jedenfalls zum Zeitpunkt der endgültigen Marktentscheidung darüber aufgeklärt worden sei, dass es an einer kommunalen Verbundenheit bei der Beklagten fehle.

Auch hinsichtlich der Aufnahme der Testergebnisse in ihren Internetauftritt liegt nach Meinung der Beklagten keine Irreführung vor, weil der Verbraucher erkenne, dass es dabei um die Leistungen der W GmbH gehe. Diese stelle für potentielle Kunden Gas-Preisvergleiche an.

Das Landgericht hat die Klage durch das Urteil vom 30. Juni 2009, wegen dessen Tenor auf Bl. 79 f. der Akten verwiesen wird, zugesprochen und beim Verbotsantrag zu b) die konkrete Verletzungshandlung einbezogen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Klägerin aus §§ 3, 5, 8 UWG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustehe. Die Beklagte habe mit der Verwendung des Begriffs "Stadtwerke" in ihrer Firma eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 UWG vorgenommen. Sie täusche damit über ihre geschäftlichen Verhältnisse. Die Verbraucher assoziierten mit dem Begriff "Stadtwerke" nicht nur ein Unternehmen der Daseinsvorsorge. Sie erwarteten vielmehr bei "Stadtwerken" stets einen Bezug zu einem kommunalen Träger. Jedenfalls erwarteten sie aber eine Verbindung zu einer Stadt, die dieser eine Einflussmöglichkeit auf die Geschäftspolitik verschaffe und zugleich dazu führe, dass das Unternehmen in einer finanziellen Krise durch die öffentliche Hand aufgefangen werde. In vielen Fällen möge auch die Erwartung bestehen, dass die Erlöse der "Stadtwerke" jedenfalls teilweise der Gemeinschaft zugute kämen. Sollte es zutreffen, dass auch andere Privatunternehmen die Bezeichnung "Stadtwerke" führten, habe das jedenfalls noch keinen Einfluss auf die Verbrauchervorstellung in der Region genommen. Unerheblich sei es, dass die Firmierung der Beklagten auf keine bestimmte Stadt hindeute. Auch wenn der Verbraucher erkenne, dass es sich nicht um Stadtwerke aus seiner Region handele, bleibe die generelle Erwartung des kommunalen Bezuges. Gerade die Verwendung des Begriffs "Stadtwerke" sei auch häufig für den beworbenen Vertragsschluss mitentscheidend und damit wettbewerbsrechtlich relevant. Eine nachträgliche Aufklärung über den fehlenden Bezug der Beklagten zu einer Stadt könne an der Irreführung nichts mehr ändern.

Auch die Gestaltung der Eingangsseite des Gaslexikons sei irreführend. Zumindest einer beträchtlichen Anzahl der angesprochenen Verbraucher werde nicht klar, was "powered by W" bedeute. Diese würden schon nicht erkennen, dass das Gaslexikon von einem Fremdanbieter zur Verfügung gestellt werde. Demzufolge bezögen diese Verbraucher die Testergebnisse auch nicht auf ein Drittunternehmen, sondern auf die Beklagte. Dieser Eindruck werde noch dadurch verstärkt, dass die Testsiegel gegenüber dem vorausgehenden Text besonders groß dargestellt seien.

Der Klägerin stehe nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG auch ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten zu, wobei aber nur Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins verlangt werden könnten, da keine Entgeltforderung vorliege.



Die Beklagte greift das Urteil mit der Berufung an. Sie verweist darauf, dass sie mittlerweile 24.000 Kunden geworben habe und zum 30. September 2009 einen Umsatz von 10 Mio € erzielt habe, den sie in der Zukunft auch unter Neueinstellung von Mitarbeitern noch erheblich steigern wolle. Sie beziehe das Gas von der H GmbH, die ihrerseits Lieferverträge mit drei großen Gaserzeugern über die Lieferung von Ferngas per Pipeline abgeschlossen habe und per Schiff Flüssiggas von der Firma T erhalte und mit weiteren Firmen über den Abschluss von Lieferverträgen verhandele. Schon aufgrund dieser Bezugsmöglichkeiten ihrer Muttergesellschaft sei die Reservierung des Begriffs "Stadtwerke" nur für kommunale Unternehmen völlig überholt, zumal solche Stadtwerke ihr Gas von herkömmlichen Gasunternehmen bezögen. Seit der seit 2005 vorgeschriebenen Trennung des Netzbetriebes von den Aufgaben Erzeugung und Versorgung besitze kein einziger ihrer kommunalen Konkurrenten ein eigenes Werk mehr. Die Beklagte verweist auch nochmals darauf, dass die Stadtwerke C2 nun zu nahezu 100 % vom Energiekonzern F2 übernommen werden sollen. Die Stadt C2 solle lediglich eine Aktie behalten, um sich einen Sitz im Aufsichtsrat zu sichern. Sie zeigt weitere Beispiele ganz erheblicher Beteiligungen von Energiekonzernen an den Stadtwerken D, C und F auf. Die Berichterstattung über solche Veränderungen im Bereich der Daseinsvorsorge hätte dazu geführt, dass der potentielle Kunde keinen Bezug der Stadtwerke zum kommunalen Träger mehr erwarte. Jedenfalls gehe er angesichts der vielfach nur geringen kommunalen Beteiligung nicht mehr von einem kommunal geführten Unternehmen aus. Gerade weil die Bedeutung des Begriffes "Stadtwerke" in der jüngsten Zeit einen entscheidenden Wandel erfahren habe, hätte das Landgericht die aktuelle Vorstellung der Verbraucher insoweit auch nicht selbst beurteilen können. Es hätte vielmehr Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer Meinungsumfrage erheben müssen. Es sei auch völlig überholt, dass der Kunde von einer Einflussnahme der Kommune auf das Unternehmen oder einer besonderen Solidität der Stadtwerke in Form einer bestimmten Insolvenzfestigkeit ausgehe. Derjenige Anbieter, der die meisten Kunden in einem Netz habe, sei nach der GasGVV der sogenannte Grundversorger, der den Kunden auch dann Gas liefern müsse, wenn der Netzbetreiber ausfalle. Dadurch sei das Insolvenzrisiko gering, weil dem Kunden kein Schaden entstehen könne. Dies gelte bei einem Vertragsverhältnis mit ihr auch deshalb, weil sie stets in Vorlage trete und erst nachträglich abrechne. Schließlich sei es auch nicht richtig, dass Verbraucher erwarteten, dass die Erlöse der Stadtwerke teilweise der Gemeinschaft zugute kommen könnten. Das Landgericht habe auch nicht genügend berücksichtigt, dass sie die Bezeichnung "Stadtwerke" gerade ohne Zusatz eines Stadtnamens führe. Der Verbraucher erfahre schon dadurch, dass es sich nicht um "seine" Stadtwerke handeln könne. Da sie zudem ausschließlich im Internet werbend auftrete, könne niemand annehmen, es bestehe wegen des Begriffs "Stadtwerke" ein Bezug zu einer bestimmten Kommune. Es sei sofort erkennbar, dass sie nicht regional, sondern bundesweit tätig werde. Die Beklagte meint, dass es zudem auch an der wettbewerbsrechtlichen Relevanz einer Irreführung fehlen würde. Eine durch die Verwendung des Begriffs "Stadtwerke" bewirkte Fehlvorstellung hätte im Wettbewerb keine Auswirkungen. In einer Umfrage hätten 78 % der befragten Personen angegeben, dass es ihnen bei der Wahl des Gasversorgers ausschließlich auf den Preis ankomme. Nur 19 % achteten auch auf andere Kriterien wie beispielsweise die Förderung der Region. Was den Preis angehe, sei sie aber unschlagbar. Ihre günstigen Preise hätten für den hohen Kundenzulauf gesorgt, nicht etwa die Verwendung der Bezeichnung "Stadtwerke". Es sei auch nicht mehr so, dass der Verbraucher ein kommunales Unternehmen gegenüber einem privaten Unternehmen bevorzuge. Wenn man die Wechselbewegungen der letzten Zeit betrachte, ergebe sich vielmehr das Gegenteil.

Auch die Ausgestaltung der Internetseite mit dem Gaslexikon sei nicht irreführend. Der Kunde erkenne, dass das Gaslexikon nicht von ihr selbst, sondern von der W GmbH zur Verfügung gestellt werde. Die absolut überwiegende Zahl der regelmäßigen Internetnutzer sei mit den Gepflogenheiten der dortigen Angebote vertraut und spreche zudem meist auch englisch. Deshalb sei diesen Internutzern auch bekannt, was unter "powered by W" zu verstehen sei. Außerdem befinde sich über den Testergebnissen ein Text, der ausdrücklich auf das Copyright der W GmbH hinweise. Die Beklagte regt schließlich an, die Revision zuzulassen. Die Angelegenheit sei von grundsätzlicher Bedeutung und es seien Verfahren an ganz unterschiedlichen Gerichten anhängig, die zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung führen könnten.




Die Beklagte beantragt,

   das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

   die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es zum Verbotsschluss zusätzlich heißen soll, "wenn dies geschieht, wie in der Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 8 d.A.)".

Die Klägerin verteidigt mit näheren Ausführungen das angefochtene Urteil. Sie legt ein Urteil des OLG Bremen vom 22. Oktober 2009 vor, in dem der T2 AG wohl auf Antrag der hiesigen Beklagten die Verwendung ihrer an "Stadtwerke" erinnernden Unternehmensbezeichnung verboten worden ist. Auch in weiteren Entscheidungen des LG Kiel sei die Verwendung des Begriffs "Stadtwerke" durch die Beklagte als unlauter angesehen worden. Von einem entscheidenden Wandel der Verbrauchervorstellung könne deshalb keine Rede sein. Das habe das Landgericht auch selbst feststellen können, ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurft hätte. Wenn die Einschätzung der Beklagten zur Bedeutung des Begriffs "Stadtwerke" richtig wäre, sei nicht mehr nachzuvollziehen, warum die Beklagte solchen Wert darauf lege, gerade diesen Begriff zur Kennzeichnung ihres Unternehmens zu verwenden. Die von der Beklagten selbst dafür gegebene Erklärung überzeuge nicht.

Auch die Internetseite betreffend das Gaslexikon sei irreführend. Einer Vielzahl der Verbraucher sei nicht klar, was "powered by …" bedeute. Im Übrigen würden die Hinweise auf die Testergebnisse in hervorgehobener Weise eingeblendet, wenn der Verbraucher auf der Startseite der Beklagten den Button "Gaslexikon" anklicke. Es sei dabei nicht erkennbar, dass die W GmbH die positiven Testurteile erhalten habe. Die Klägerin meint, dass die Revision nicht zuzulassen sei, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung habe, noch der Fortbildung des Rechtes diene.

Die Akte 4 U 128/09 OLG Hamm war beigezogen.





II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung in der klargestellten Form zu, weil es bei der Verwendung der Bezeichnung des Unternehmens der Beklagten mit dem zusätzlichen Begriff "Stadtwerke" und als "modernes Stadtwerk" um eine wettbewerbswidrige irreführende Handlung geht.

1) Jedenfalls nach erfolgter kostenunschädlicher Klarstellung ist der Antrag bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Klar ist aufgrund der Antragsfassung, dass es um die Bezeichnung des Unternehmens der Beklagten als "Stadtwerk" gehen soll. Durch die Einbeziehung der konkreten Verletzungshandlungen ist auch deutlich, was neben der Firmierung als "H Stadtwerke" als Bezeichnung in sonstiger Weise zu verstehen ist, nämlich die Bezeichnung als "modernes Stadtwerk" im vorgelegten Internetauftritt.

2) Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 und 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG 2008 zu. Das UWG 2004 ist hier auch noch zu beachten, weil die Verletzungshandlung am 16. Dezember 2008 und damit vor Inkrafttreten des UWG 2008 begangen wurde. Die Beklagte hat mit den beanstandeten Bezeichnungen relevante irreführende Angaben über geschäftliche Verhältnisse und die Eigenschaften des Unternehmens gemacht. Sie hat eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG 2004 und eine unzulässige geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG 2008 begangen.

a) Die sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ergebende Klagebefugnis der Klägerin wird von keiner Seite in Frage gestellt. Es ist nicht streitig, dass zwischen der Klägerin als regionalem Gasversorgungsunternehmen und der Beklagten als im Internet und damit bundesweit tätigem Gasversorgungsunternehmen ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht.

b) Die werbende Bezeichnung des Unternehmens der Beklagten mit "Stadtwerke" und als "modernes Stadtwerk" und die beanstandete Werbung mit Testergebnissen sind zugleich Wettbewerbshandlung im früheren Sinne und geschäftliche Handlung im Sinne des UWG 2008.

c) In der Verwendung der beanstandeten Bezeichnung "Stadtwerke" in der Firmierung der Beklagten im Internet und in der Internetwerbung für günstiges Gas mit der Aussage "damit sind wir ein modernes Stadtwerk" ist eine Irreführung in Form einer Täuschung über ihre geschäftlichen Verhältnisse zu sehen. Die verwendete Bezeichnung "Stadtwerk" oder "Stadtwerke" für das Unternehmen der Beklagten im Internet ist in solcher Weise irreführend, wenn sie jedenfalls von einer nicht unerheblichen Zahl der angesprochenen Verkehrskreise falsch verstanden wird. Entscheidend ist dafür, welchen Inhalt die angesprochenen Verkehrskreise der Verwendung der Bezeichnung entnehmen und ob dieser mit der Wirklichkeit übereinstimmt.



aa) Die von der Werbung des Beklagten angesprochenen Verkehrskreise sind die Verbraucher, die auch im Internet nach einem günstigen Gasversorger suchen. Es sind nicht nur regelmäßige und besonders erfahrene Internetnutzer, sondern es ist auch jedermann, der sich gelegentlich im Internet über besondere Angebote oder aufgrund von Presseberichten auch gezielt über Angebote auf dem geöffneten Gasmarkt informiert. Zu diesem Kreis können vermehrt auch ältere Menschen gehören, worauf das OLG Bremen in der von der Klägerin vorgelegten Entscheidung zu Recht verweist. Es gibt deshalb keinen besonderen Interessentenkreis, sondern es handelt sich um die allgemeinen Verkehrskreise. Es kommt somit darauf an, welche Vorstellung sich die durchschnittlich informierten, situationsbedingt aufmerksamen und angemessen verständigen Verbraucher von dem Begriff "Stadtwerke" machen. Die Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine bestimmte Werbung verstehen, kann zwar nicht i.S. von § 291 ZPO offenkundig sein, weil sich die Feststellung der Verkehrsauffassung auf Erfahrungswissen stützt. § 291 ZPO betrifft indessen nur Tatsachen und nicht auch Erfahrungssätze. Der Richter kann das Verkehrsverständnis aber ohne sachverständige Hilfe beurteilen, wenn er auf Grund seines Erfahrungswissens selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt (vgl. Ahrens/Bähr, Der Wettbewerbsprozess, Kap. 27, Rdn. 4 ff.). Dies wird im Allgemeinen der Fall sein, wenn er selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählt, ist aber auch denkbar, wenn er durch die fragliche Werbung nicht angesprochen wird (vgl. BGH GRUR 2004, 244 -Marktführerschaft -Klarstellung gegenüber BGH GRUR 1992, 406 -Beschädigte Verpackung I). Die Vorstellung dieser angesprochenen Verkehrskreise können die Mitglieder des Senats nach diesen Grundsätzen hier sowohl als möglicherweise betroffene Verbraucher als auch aufgrund ihrer Lebenserfahrung selbst beurteilen. Ebenso konnte es der Vorsitzende der Handelskammer des Landgerichts, selbst wenn er seine Kammermitglieder hier gerade nicht zu Rate gezogen hat. Eine Meinungsumfrage oder die Einholung eines sonstigen Sachverständigengutachtens waren und sind nicht erforderlich.

bb) Den durchschnittlich informierten Verbrauchern ist bekannt, dass man als "Stadtwerke" immer noch ein kommunales Unternehmen oder zumindest einen gemeindenahen Betrieb bezeichnet, der mit städtischer Beteiligung die Grundversorgung mit Strom, Wasser und Gas und oft auch die Abwasser-Entsorgung abdeckt. Dem entspricht es, dass der Zusatz "städtisch" allgemein auf Beziehungen zu einer Stadt hinweist (vgl. Hefermehl/Bornkamm, UWG, 27. Auflage, § 5 Rdn. 5.93) und dass der Begriff Bundeszentrale auf eine behördliche Tätigkeit anspielt (vgl. Fezer-Peifer, UWG, § 5 Rdn. 374; BGH GRUR 1980. 754 -Bundeszentrale für Fälschungsaufklärung). "Stadtwerke" werden somit nicht allgemein als Synonym für Versorgungsunternehmen aller Art angesehen. Es wird durchaus zwischen Stadtwerken und sonstigen (privaten) Versorgungsunternehmen unterschieden. Das macht insbesondere auch der in der Parallelsache 4 U 128 / 09 (Bl.11 BA) vorgelegte Text der Meldung der Tagesschau vom 11. Februar 2009 deutlich. Zwar mögen solche Stadtwerke im Allgemeinen auf die Kommune Bezug nehmen, in der sie zumeist ausschließlich tätig sind. Ebenso mag der maßgebliche Verbraucher wissen, dass sich der Gasmarkt wie andere Märkte der Energieversorgung öffnet und dass sich zunehmend private Anbieter in den Wettbewerb einschalten. Ungeachtet dessen führt aber das Vorverständnis von dem, was "Stadtwerke" sind, weiterhin dazu, dass der Verkehr auch dann einen Bezug zu einer Stadt oder mehreren Städten und somit einen irgendwie gearteten kommunalen Bezug eines Unternehmens voraussetzt, wenn sich dieses als "H Stadtwerke " bezeichnet. Auch wenn er den genauen Bezugspunkt zur öffentlichen Hand hier nicht kennt, verbindet er damit jedenfalls kein rein privates Unternehmen, das unlängst gegründet worden ist und nie in einem Kontakt zu einer Kommune gestanden hat. Daran ändert es auch nichts, dass einzelne Stadtwerke sogar mehrheitlich ihre Anteile an private Investoren übertragen haben. In einem solchen Falle können sie zudem auch gerade das Recht verlieren, sich als "Stadtwerke" bezeichnen zu dürfen. In dem besonders krassen Fall der Stadtwerke C2 (T2 AG) hat beispielsweise das OLG Bremen im vorliegenden Beschluss vom 22.Oktober 2009 -2 W 92 / 09 der T2 AG untersagt, in ihrer Firmierung den Bestandteil "T2" weiterhin zu verwenden, weil gerade auch ältere Verbraucher damit immer noch "Stadtwerke" verbinden würden, die mehrheitlich im Eigentum der Stadt stehen. Es ist außerdem fraglich, in wieweit solche Beteiligungen privater Investoren an bestimmten Stadtwerken allgemein bekannt geworden sind. Außerdem geht es insoweit in der Regel um die Fortführung von früher unter kommunaler Kontrolle stehenden Unternehmen, bei denen die Anteile veräußernde Stadt ihre Mehrheit sichern oder jedenfalls Bedingungen stellen kann. Es kommt hinzu, dass gerade eine nicht unbeträchtliche Anzahl der Verbraucher, die in Gemeinden wie C3, I und X leben, in denen die Stadtwerke noch ganz oder mehrheitlich in kommunaler Hand sind, der kommunale Bezug von Stadtwerken nach wie vor außer Frage steht. Gerade auch bei diesen "spukt in den Köpfen", dass eine kommunale Verbundenheit zu Stadtwerken besteht.

cc) Diese Verbrauchervorstellung entspricht nicht der Wirklichkeit. Die Beklagte hat als junges, bundesweit tätiges Privatunternehmen keinerlei kommunalen Bezug. Durch die völlig unpassende Bezeichnung "Stadtwerke" wird kaschiert, dass es bei der Beklagten um etwas völlig Neues geht, das mit der Vorstellung der alten Stadtwerke, die noch bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Internetnutzern verwurzelt ist, nicht zu vereinbaren ist. Bei der Verwendung der Bezeichnung "Stadtwerke" oder "modernes Stadtwerk" durch die Beklagte besteht jedenfalls die Gefahr, dass das private Gasversorgungsunternehmen der Beklagten mit den herkömmlichen Stadtwerken in Beziehung gebracht wird. Die Gaskunden, die jahrelang die Erfahrung im Umgang mit solchen Stadtwerken gemacht haben, erwarten dann auch von der Beklagten schon deshalb gleiche Seriosität und Bonität. Es ist auch gerade nicht so, dass sie sich über die Verhältnisse bei ihrem Gasversorger überhaupt keine Gedanken machen, sondern nur den billigsten Anbieter suchen, wer immer es sei. Das mag allenfalls bei einem Teil der Kunden so sein. Ein anderer nicht unerheblicher Teil hält es aus den verschiedensten, teilweise auch emotionalen Gründen für wichtig, ob der Versorger einen kommunalen Bezug hat wie die Stadtwerke oder ob er rein privat tätig wird. Er geht davon aus, dass ein zuverlässiges am Gemeinwohl orientiertes langfristiges Wirtschaften eher bei den kommunalen Versorgern Berücksichtigung findet. Gerade bei solchen Versorgern meint er jedenfalls weit eher zu wissen, worauf er sich mit einer Vertragsbeziehung in diesem sensiblen Bereich einlässt. Davon, dass ein kommunales Unternehmen als Grundversorger gegebenenfalls die weitere Versorgung sicherstellen muss, wenn das private Gasversorgungsunternehmen in Schwierigkeiten geraten sollte, weiß der Verbraucher in der Regel nichts. Auch in einem solchen Fall kann es zu erheblichen Komplikationen für den Verbraucher kommen.




dd) Die Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise, die sich hier durch die Bezeichnung "Stadtwerke" ergibt, ist auch wettbewerbsrechtlich relevant. Eine Täuschung allein ist bekanntermaßen für sich allein noch keine Irreführung im Sinne des § 5 UWG. Eine Werbeaussage, durch die eine Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise ausgelöst wird, wird dadurch wettbewerbsrechtlich relevant, dass sie geeignet ist, das Marktverhalten der Gegenseite, hier der Verbraucher zu beeinflussen (BGH GRUR 2003, 628, 630 -Klosterbrauerei; BGH GRUR 2000, 239, 241 - Last-Minute Reise). Das ist aber bereits der Fall, wenn es nach der Lebenserfahrung nahe liegt, dass die erzeugte Fehlvorstellung für die Marktentscheidung eines nicht unbeträchtlichen Teils des Verkehrs von Bedeutung ist. Das ist hier der Fall. Wie schon ausgeführt wurde, ist es nicht so, dass es den angesprochenen Verbrauchern, auch wenn sie ihr Gas möglichst kostengünstig beziehen wollen, völlig egal ist, wer die für die kontinuierliche Versorgung erforderliche Dienstleistung erbringt. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verbraucher, die aus Kostengründen zu einem Wechsel bereit sein könnten, verknüpfen mit einem Versorgungsunternehmen mit einer kommunalen Verbundenheit immer noch die Vorstellung von Verlässlichkeit und Seriosität sowie von einer faktischen Insolvenzfestigkeit (vgl. BGH GRUR 2007, 1079 -Bundesdruckerei), auch wenn das heute bereits manchmal zur Wunschvorstellung geworden sein sollte. Entscheidend ist, dass die Verbraucher auch in Bezug auf die Entwicklung des Gasmarktes verunsichert und eher bereit sein können, sich bei einem Wechsel einem Unternehmen anzuvertrauen, das nach ihrer persönlichen Einschätzung auf irgendeine Weise einen kommunalen Bezug aufweist und sich jedenfalls von den herkömmlichen Stadtwerken nicht vollkommen unterscheidet. Die Beklagte muss sich auch fragen lassen, warum sie gerade diese Bezeichnung gewählt hat. Es spricht alles dafür, dass den verunsicherten Verbrauchern der Unterschied zum herkömmlichen Versorger nicht zu deutlich gemacht werden sollte. Die Erklärung, die die Beklagte für die Einbeziehung der "Stadtwerke" in ihre Unternehmensbezeichnung gegeben hat, ist jedenfalls nicht nachvollziehbar. Die Beklagte kann sich in die Reihe der erheblichen größeren Stadtwerke mit kommunalem Bezug auch dann nicht einreihen, wenn sie noch so schnell wachsen sollte.

d) Eine weitere wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung ist darin zu sehen, dass die Beklagte auf ihrer Internetseite ein Gaslexikon präsentiert und auf dessen Startseite positive Testergebnisse herausstellt, die sich nicht auf sie, sondern die W GmbH als ihren Partner beziehen. Die angesprochenen Verbraucher können dadurch getäuscht werden, dass sie nicht erkennen, dass sich die Testergebnisse auf das andere Unternehmen beziehen. Es geht bei der beanstandeten Werbung um einen festen Bestandteil des Internetangebotes der Beklagten, auf den auf der Startseite mit einem Link verwiesen wird. Die sicherlich vorhandenen Hinweise auf die W GmbH in Zusammenhang mit der Startseite des Gaslexikons machen nicht deutlich genug, dass die am unteren Ende für sich stehenden und hervorgehobenen Testergebnisse sich auf die W GmbH und nicht auf die Beklagte beziehen. Der Verkehr mag dadurch zwar erkennen, dass die W GmbH die Internetseite gestaltet hat, wenn er sich näher damit befasst. Das lässt aber jedenfalls für einen nicht unerheblichen Anteil der Verbraucher noch nicht den Schluss zu, dass es auch die W GmbH ist, die so hervorgehoben auf ihre positiven Testergebnisse hinweist. Denn die Internetnutzer interessieren nicht die Testergebnisse von Drittfirmen, mit denen sie überhaupt nicht in Vertragsbeziehungen treten wollen. Sie interessieren sich vielmehr für die Einschätzung der Beklagten selbst als ihrem möglichen Vertragspartner und erwarten im Rahmen des werbenden Angebots der Beklagten deshalb weit eher positive Testergebnisse der Beklagten selbst. Die Beklagte hat im Übrigen an anderer Stelle auch darauf hingewiesen, dass es sich um die Auszeichnung "ihres geprüften Partners W" handelt.



3) Die Klägerin kann von der Beklagten nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG die Erstattung der Kosten der Abmahnung in Höhe von 859,50 € nebst den zugesprochenen Zinsen verlangen. Die Höhe der Erstattungsforderung hat die Beklagte nicht in Zweifel gezogen.

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 ZPO hier nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Sicherung einer einheitlichen Entsprechung sie erforderlich macht. Es ist dem Senat keine gerichtliche Entscheidung bekannt, in der die Verwendung des Begriffs "Stadtwerke" durch die Beklagte für zulässig gehalten worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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