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Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck Urteil vom 27.04.2009 - 13 C 1348/08 - Keine Haftung der Eltern für Anrufe der Kinder auf 0900-Nummern

AG Osterholz-Scharmbeck v. 27.04.2009: Keine Haftung der Eltern für Anrufe der Kinder auf 0900-Nummern


Das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck (Urteil vom 27.04.2009 - 13 C 1348/08) hat entschieden:
Eltern von ca. 10- bis 18jähringen Kindern und Jugendlichen müssen nicht sämtliche kostenträchtigen Rufnummern sperren lassen. Dies aus der Nebenbemerkung des BGH-Urteils, welches sich in der Hauptsache mit der Bezahlung von durch Minderjährige veranlasste Gebühren für R-Gespräche befasst hat zu schließen, hält das erkennende Gericht nicht für eine zutreffende Auslegung. Das würde auch zu der unzumutbaren Folge führen, dass sie selbst dann auch diese Nummern nicht mehr benutzen könnten.




Siehe auch Telefon - Angabe der Telefonnummer und Telefon-Hotline - Servicenummern - Mehrwertdienstenummern


Tatbestand:

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.)


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

I.

1. Die Klägerin gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 553,74 € für die vom Netz der Beklagten zwischen dem 27.02.2008 und 31.03.2008 erfolgte vielfache Anwahl der Rufnummer (0)900-... .

Das Gericht ist aufgrund der von den Beklagten als Anlage zum Schriftsatz vom 03.04.2009 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung und des vorgelegten Schreibens des Sohnes der Beklagten der Überzeugung, dass der 13jährige Sohn der Beklagten die streitgegenständlichen Anrufe getätigt hat. Dass die Beklagten als Erwachsene das auf Jugendliche zugeschnittene Spiel „Metin 2“ gespielt und dabei in einem guten Monat über 500 € ausgegeben haben, ist zunächst nach der allgemeinen Lebenserfahrung unwahrscheinlich, auch wenn es einige Erwachsene geben mag, die dieses Spiel spielen. Insofern reicht dem Gericht die eidesstattliche Versicherung der Beklagten und das Schreiben des zum Beweis der Behauptung, dass der Sohn der Beklagten die streitgegenständlichen Telefonate geführt hat (freie Beweiserhebung gemäß § 495a ZPO).

Eine Vertretung der Beklagten durch ihren Sohn bei Anwahl der entsprechenden Nummern liegt nach den allgemeinen Vorschriften des BGB nicht vor. Abgesehen davon, dass bei der Verfahrensweise gar keine Erklärung in fremdem Namen möglich ist, liegen weder die Voraussetzungen für eine Anscheins- noch die für eine Duldungsvollmacht vor. Eine Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretende das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der andere Teil annehmen durfte, der Vertretende dulde und billige das Handeln des Vertreters (vergleiche BGH NJW 1998, 1854). Die Anscheinsvollmacht beruht auf dem Setzen eines Rechtsscheins und setzt ein schutzwürdiges Vertrauen des anderen Teils voraus. Ein solches ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn die Klägerin durfte nicht annehmen, die Beklagten duldeten und billigten das Verhalten ihres Sohnes.

Die Klägerin konnte nach allgemeiner Lebenserfahrung nämlich nicht darauf vertrauen, dass nur Volljährige oder gar nur Vertragspartner des jeweiligen Telefonanschlusses das entsprechende Telefon nutzen. Vielmehr begab sich die Klägerin zum Zwecke des unhinterfragten Vertragsabschlusses privatautonom in die Lage, an ihr von Person und Alter her nicht bekannte Vertragspartner Leistungen zu erbringen, deren Bezahlung sie sich nicht sicher sein konnte. Dabei wird ihr Handeln davon motiviert gewesen sein, dass die Bezahlung der Dienstleistungen in der Regel anstandslos erfolgen wird, so dass es der Klägerin günstiger erscheinen muss, eher vertragsrechtliche Unsicherheiten im Einzelfall in Kauf zu nehmen als komplexe Prozesse im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss einschließlich Identifizierung von Vertragspartner und Altersüberprüfung vorzuhalten. Auch liegt vorliegend keine Duldungsvollmacht vor. Sie setzt mindestens voraus, dass der Vertretende es wissentlich geschehen lässt, dass ein Anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt (vergleiche BGH NJW 2002, 2325). Daran fehlt es vorliegend. Die Beklagten wussten von dem Handeln ihres Sohnes nicht. Sobald sie davon durch die erste Rechnungsstellung der hier streitgegenständlichen Dienstleistungen erfuhren, sorgten sie dafür, dass ihr Sohn die Nummer der Klägerin nicht mehr anwählte. Er hat sich seitdem auch daran gehalten.

Auch unter Berücksichtigung des § 45i Abs. 1 TKG schulden die Beklagten die mit der Klage geltend gemachten Entgelte nicht. Danach hat der Anbieter keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Teilnehmer, soweit der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann. Damit ist der der Anscheinsvollmacht zugrunde liegende Rechtsgedanke, nachdem ein Teilnehmer am Rechtsverkehr für das seiner Risikosphäre zuzurechnende Verhalten Dritter auch vertraglich einzustehen hat, im Bereich der TK-Dienstleistungen über die herkömmlichen Fallgruppen hinaus anwendbar. Der Begriff der Zurechenbarkeit ist auszulegen wie der Begriff des Vertretenmüssens in dem vordem geltenden § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 16.03.2008, Aktenzeichen III ZR 152/05, zum zum damaligen Zeitpunkt noch geltenden § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV, wonach der Anbieter nicht berechtigt war, die betreffenden Verbindungsentgelte vom Kunden zu fordern, sofern der Nachweis erbracht war, dass der Netzzugang in vom Kunden nicht zu vertretendem Umfang genutzt wurde ausgeführt, dass zur Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Anschlussinhaber alle ihm zumutbaren geeigneten Vorkehrungen treffen müsse, um eine von ihm nicht gebilligte Nutzung seines Telefons zu unterbinden. Zumutbar seien diejenigen Maßnahmen, die einem gewissenhaften durchschnittlichen Telefonkunden bekannt seien und zu deren Durchführung er mit vertretbarem Aufwand in der Lage sei.

Nach dem derzeitigen Stand bestehe schon keine zumutbare Möglichkeit, die Entgegennahme von R-Gesprächen technisch zu unterbinden, anders als dies für die von Dritten aktiv betriebene Inanspruchnahme seines Anschlusses für kostenträchtige Verbindungen (zum Beispiel: Mehrwertdienste: 0190- und 0900-Nummern, Auskunftsdienste, die oft als Premiumdienste missbraucht werden: 0118-Nummern, kostenpflichtige Abstimmungsnummern: 0137-Nummern, teure Auslandstelefonate) der Fall sei. Hieraus ergibt sich allerdings für das erkennende Gericht nicht, dass nun alle Eltern von ca. 10- bis 18jähringen Kindern und Jugendlichen sämtliche kostenträchtigen Rufnummern sperren lassen müssen. Dies aus der Nebenbemerkung des BGH-Urteils, welches sich in der Hauptsache mit der Bezahlung von durch Minderjährige veranlasste Gebühren für R-Gespräche befasst hat zu schließen, hält das erkennende Gericht nicht für eine zutreffende Auslegung. Vielmehr müssen für die Zumutbarkeit einer Sperrung sämtlicher kostenträchtiger Rufnummern nach Auffassung des Gerichts besondere Anlässe gegeben sein. Zu Recht führt der Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 13.03.2009 aus, dass sich auch seriöse Anbieter dieser kostenträchtigen Rufnummern bedienen und insofern die Auferlegung einer Sperrung sämtlicher kostenträchtiger Nummern durch die Eltern von älteren Kindern und Jugendlichen unzumutbar dazu führen würde, dass auch die Eltern diese Servicenummern seriöser Anbieter nicht mehr nutzen könnten.

Insofern ist das Gericht der Auffassung, dass bestimmte Umstände vorliegen müssen, die den Verdacht von Eltern begründen, ihr Kind könne zu der Nutzung von kostenträchtigen Premiumdienste-Rufnummern veranlasst werden. Hier hat der Sohn der Beklagten unstreitig vor diesem Vorfall und auch danach nie wieder entsprechende Nummern angewählt. Es stellt sich vielmehr für das Gericht so dar, dass der Sohn der Beklagten, gerade in das Alter gekommen, in dem er Online-Spiele wie eben vorliegend „Metin 2“ spielen kann, dazu verführt wurde, durch die Anwahl der entsprechenden Nummern schnelle Erfolge in dem Spiel zu erzielen. Zwar mag jetzt für die Beklagten Veranlassung bestehen, die entsprechenden Rufnummern sperren zu lassen, da sie nunmehr erlebt haben, dass sie diesbezüglich ihrem Sohn ein entsprechendes vernünftige Verhalten noch nicht zutrauen können, so dass bei weiterer Nutzung entsprechender Nummern durch den Sohn der Beklagten die Sachlage anders zu beurteilen wäre; da aber wie ausgeführt eine allgemeine Pflicht aller Eltern von 10- bis 18jährigen Kindern und Jugendlichen zur vorsorglichen Sperrung sämtlicher kostenträchtiger Premiumdienste-Rufnummern nicht für angemessen erachtet wird und eben keine konkreten Anhaltspunkte für die mögliche Nutzung der Rufnummern durch den Sohn der Beklagten vorlag, war die Klage in der Hauptforderung abzuweisen.

Dass die Klägerin mit dem Sohn der Beklagten selbst durch die Anwahl der Nummern einen entsprechenden Vertrag mit der streitgegenständlichen Entgeltverpflichtung abgeschlossen hat, behauptet die Klägerin nicht. Dies wäre aber auch mit aller Deutlichkeit zu verneinen, da eine Zustimmung oder Genehmigung der Eltern des nicht vorliegt, die Voraussetzungen des § 110 BGB ebenfalls nicht gegeben sind, da die Zahlung vom Taschengeld des gerade nicht bewirkt wurde und angesichts der Höhe der Gesamtforderung auch den Rahmen der vom § 110 BGB umfassten Rechtsgeschäfte deutlich überschritten wäre.

2. Mangels Bestehens der Hauptforderung stehen der Klägerin auch nicht die auf diese geltend gemachten Zinsen zu. Da die Beklagten mangels Bestehens der Hauptforderung nicht in Verzug waren, stehen der Klägerin auch nicht die geltend gemachten 4,00 € Mahnkosten, 70,20 € außergerichtliche Anwaltskosten, 36,00 € Inkassokosten, 20,00 € Kontoführungskosten und 1,30 € Auskunftskosten zu.


II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Ziffer 11,713 ZPO.






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