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OLG Düsseldorf Urteil vom 12.11.2009 - VI-2 Kart 9/08 OWi - Zur Unzulässigkeit von dauerhaften Dumpingpreisen von Marktbeherrschern

OLG Düsseldorf v. 12.11.2009: Zur Unzulässigkeit von dauerhaften Dumpingpreisen von Marktbeherrschern


Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 12.11.2009 - VI-2 Kart 9/08 OWi) hat entschieden:
Nach den Grundsätzen lauteren Wettbewerbs und den allgemeinen Verboten von Wettbewerbsbeschränkungen ist es Unternehmen mit überlegener Marktmacht nicht erlaubt, Waren dauerhaft gegen Bezahlung unterhalb des Einstandspreises abzugeben und so die Gefahr einer konkreten Behinderung kleiner und mittlerer Unternehmen zu begründen. Es stellt jedoch keinen Verstoß gegen das Dumpingpreisverbot dar, wenn Drogeriewarenhersteller eine Verrechnung von Werbekostenzuschüssen auf die Rechnungspreise gestatten, solange damit die Einstandspreise nicht unterschritten werden.




Siehe auch Preiswerbung und Preisangaben


Gründe:

A.

I.

1. Dem Betroffenen wird zur Last gelegt, als Geschäftsführer der Nebenbetroffenen durch eine einheitlich begangene Tat Aufsichtspflichten schuldhaft verletzt zu haben. Das Bundeskartellamt ist mit dem Bußgeldbescheid davon ausgegangen, dass die für die Preisfestsetzung verantwortlichen Mitarbeiter der Nebenbetroffenen schuldhaft im Jahr 2005 das Verbot des § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB 2005, Waren zu unter den Einstandspreisen liegenden Endverbraucherpreisen anzubieten, in 267 Fällen, mindestens aber in 256 Fällen verletzt haben. Das Bundeskartellamt hat gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG, § 17 Abs. 2 OWiG) eine Geldbuße in Höhe von 100 000 Euro verhängt; die Nebenbetroffene hat das Bundeskartellamt wegen dieser Ordnungswidrigkeit des Betroffenen (Anknüpfungstat) als Nebenfolge mit einer Geldbuße von 200 000 Euro belegt (§ 30 OWiG).

2. Der Betroffene wurde 1946 in Hannover geboren und ist von Beruf ausgebildeter Drogist. Er ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Söhne. Seine Ehefrau und der älteste Sohn sind in der Unternehmensgruppe beschäftigt. Der jüngste Sohn absolviert ein Studium. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen sind geordnet. Als Mitgeschäftsführer der Nebenbetroffenen bezieht er ein Gehalt. Er ist mit 60 % der Anteile Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der Holdinggesellschaft X... Beteiligungs GmbH, die Geschäftsanteile an der Nebenbetroffenen hält.

Schon der Großvater des Betroffenen besaß ein Drogeriegeschäft in Hannover, das der Betroffene Anfang der siebziger Jahre nach Beendigung seiner Ausbildung zum Drogisten von seinem Vater übernahm. Der Betroffene erkannte nach kurzer Zeit, dass inhabergeführte Drogeriegeschäfte herkömmlichen Zuschnitts – ähnlich wie kleine inhabergeführte Lebensmittelgeschäfte – auch wegen des bevorstehenden Wegfalls der Preisbindung für Markenartikel zu Gunsten von Selbstbedienungsgeschäften nicht überlebensfähig sein würden. Der Lebensmitteleinzelhandel stellte zu dieser Zeit auf Selbstbedienung um. Der Betroffene beschloss deshalb, eine Drogeriemarktkette zu gründen. Im März 1972 eröffnete der Betroffene in Hannover einen ersten Drogeriemarkt und gründete in der Folgezeit die X... KG. Seinem Beispiel folgten in den Jahren 1972 und 1973 Z..., Y... (...) und V..., bei denen es sich heute noch um die maßgeblichen Wettbewerber der Nebenbetroffenen handelt.

3. Die Nebenbetroffene ging als Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus formwechselnder Umwandlung der X... KG auf der Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses vom 20. August 1998 hervor. Kommanditisten der X... KG waren die X... Verwaltungsgesellschaft mbH, ..., die Holdinggesellschaft X... Beteiligungs GmbH, ..., und die H... GmbH, Beteiligung und Kapitalanlagen. Der Betroffene war zunächst alleiniger Anteilseigner der X... Beteiligungs GmbH und Geschäftsführer. A., der Mitte der achtziger Jahre Mitgeschäftsführer wurde, erhielt Anfang der achtziger Jahre zunächst Einzelprokura.

Die Nebenbetroffene wurde im Handelsregister des Amtsgerichts Hannover unter HRB ... am 9. November 1998 eingetragen. Gesellschafterin der Nebenbetroffenen ist die X... Beteiligungs GmbH mit Sitz in ..., die über 60 % der Anteile verfügt, und die S..., K., die 40 % der Anteile hält. Anteilseignerin der S... ist seit 2002 die W..., ebenfalls mit Sitz in K., die 100 % der Anteile der S... inne hat. Die Geschäfte der Nebenbetroffenen wurden von mehreren Geschäftsführern geleitet: Im Jahr 2005 war der Betroffene zuständig für die Expansionstätigkeiten des Unternehmens im In- und Ausland und für Mietangelegenheiten, der Geschäftsführer B. war zuständig für die Finanzen und der Geschäftsführer A. befasste sich mit Einkauf, Marketing und Werbung. Die Nebenbetroffene erreichte ausweislich des Konzernlageberichts und Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2005 Umsatzerlöse in Höhe von knapp ... Milliarden Euro in Deutschland. Die Tochtergesellschaft X... Südwest GmbH erzielte für das Rumpfgeschäftsjahr vom 1. Mai 2005 bis 31. Dezember 2005 Umsatzerlöse in Höhe von ungefähr ... Millionen Euro. Der gemeinsame in Deutschland erzielte Gesamtumsatz lag bei rund ... Milliarden Euro im Jahre 2005.

Die Rechtsvorgängerin der Nebenbetroffenen (die X... KG) war bis zur Wiedervereinigung Deutschlands vor allem im norddeutschen Raum (Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen) tätig. Die Wiedervereinigung im Jahre 1990 ermöglichte es ihr in die Märkte der ostdeutschen Bundesländer zu expandieren (insbesondere nach Sachsen und Sachsen-Anhalt). Seit Anfang der neunziger Jahre ist sie auch in Polen, Ungarn und Tschechien vertreten. Ab dem Jahr 2003 eröffnete die Nebenbetroffene neue Geschäfte auch in Einzugsgebieten konkurrierender Unternehmen (insbesondere in Süddeutschland).

Zum Ende des Jahres 2004 verfügte die Nebenbetroffene in Deutschland über 817, Ende des Jahres 2005 über rund 1.180 Verkaufsstellen (Filialen). Die Nebenbetroffene ist mit ihren Filialen, deren Sitz zum Ende des Jahres 2005 sich aus der Anlage 1 zum Bußgeldbescheid ergibt, vorwiegend in Städten mit bis zu 15.000 Einwohnern ansässig. Sie steigerte die Zahl ihrer Filialen von ca. 1.225 zum Ende des Jahres 2006, über ungefähr 1.272 zum Ende des Jahres 2007 auf mindestens 1.490 Filialen zum Ende des Jahres 2008. Pro Filiale erreichte die Nebenbetroffene einen durchschnittlichen Umsatz von 170.000 Euro. Die Drogeriemärkte der Nebenbetroffenen führen ca. 17.000 Artikel. Bei einer jährlichen Umsatzsteigerung von etwa ... % erzielte die Nebenbetroffene regelmäßig eine jährliche Umsatzrendite von ca. ... % vor Steuern und ungefähr ... % nach Steuern. Sie erwartet für das Jahr 2009 eine Umsatzsteigerung von ... %.

Das Anwachsen der Zahl der Filialen der Nebenbetroffenen ab dem Jahr 2005 war eine Folge von nationalen Akquisitions- und Expansionstätigkeiten, die von dem Betroffenen bestimmt wurden:

Mit Kauf- und Übertragungsvertrag vom 3. März 2005 übernahm die Nebenbetroffene die Geschäftsanteile an der D... GmbH, ..., mit Wirkung zum 1. Mai 2005 von der T... GmbH, ..., nach Freigabe des Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt (B 9 – 116/03 und B 9 – 59/09). Die Nebenbetroffene übernahm ca. 300 D...-... Drogeriemärkte und zusätzlich ungefähr 68 Verkaufsstellen von der X... Südwest GmbH.

Unter dem 29. November 2007 meldete die Nebenbetroffene den Erwerb von 89,9 % der Kommanditanteile der Drogeriemarktkette U... GmbH & Co. KG mit Sitz in ... bei ... und sämtlicher Gesellschafteranteile von deren Komplementärin, der Q... Einzelhandelsgesellschaft mbH, mit Sitz in ..., an. Die Drogeriemarktkette U... war im norddeutschen Raum (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern) mit ca. 160 Filialen tätig. Der Zusammenschluss wurde vom Bundeskartellamt freigegeben (B 2 – 323/07). Zum 31. Dezember 2004 erreichte die U... GmbH & Co. KG Umsätze in Höhe von ca. ... Millionen Euro, zum 31. Dezember 2005 betrugen diese ungefähr ... Millionen Euro.

Die Nebenbetroffene hält ferner Anteile an zwei Tochtergesellschaften, nämlich an der X... Logistikgesellschaft mbH, ..., und an der X... Online GmbH, ..., die u. a. Drogeriewaren über das Internet vertreibt.

Die Nebenbetroffene verfügte über mehrere Auslieferungslager, unter anderem in ... (ein Hochregallager für 13 000 Europaletten), in der Nähe von ... und in ... Die regionalen Verteilzentren lagern rund 4 500 bis 5 500 Artikel, vornehmlich großvolumige und sog. schnelldrehende (rasch absetzbare) Drogeriewaren und verfügen über eine Größe von ungefähr 15 000 m².


II.

1. Die Wettbewerbssituation auf den sachlichen und räumlichen Märkten der Versorgung der Bevölkerung mit Drogeriewaren war seit Beginn der Tätigkeit des Betroffenen und der Nebenbetroffenen durch folgende Entwicklungen gekennzeichnet:

Anfang der siebziger Jahre existierten bundesweit auf den regionalen Drogeriemärkten noch zwischen 17.000 bis 20.000 sogenannte inhabergeführte Drogerien in den westlichen Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Unter der Bezeichnung „inhabergeführte Drogerie“ sind Drogerien mit mindestens zwei klassischen Drogeriesortimenten, die mit mehr als 50 % zum Umsatz beitragen, zu verstehen, deren Inhaber regelmäßig eine Ausbildung zum Drogisten absolviert haben, als Einzelkaufmann agieren und Endkunden beraten und bedienen. Zu den klassischen Drogeriewarensortimenten, die auf dem sachlichen Markt zur Versorgung von Endkunden mit Drogeriewaren (insbesondere den privaten Bedarf der Endverbraucher, aber auch den Eigenbedarf gewerblicher Verbraucher deckend) angeboten werden, zählen im Wesentlichen die folgenden Hauptwarengruppen: dekorative Kosmetik, Körperpflege einschließlich Haar-, Mund- und Zahnpflegemittel, Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel, Diät- und Reformwaren, Heimtiernahrung und -bedarf, Babypflege und -nahrung, freiverkäufliche Arzneimittel, Hygieneprodukte einschließlich Damenhygiene, Hygienepapiere und Fotobedarf für den Endverbraucher. Kerzen, Haushaltswaren, Gartenbedarf und Mittel zur Schädlingsbekämpfung sowie sonstige Chemikalien stellen Nebensortimente dar.

Infolge des Wegfalls der Preisbindung und des Auftretens von Drogeriemarktketten auf den regionalen Märkten kam es ab den siebziger Jahren zu einem „Drogeriesterben“. Die Zahl der inhabergeführten Drogerien ging kontinuierlich und stark zurück. Inhabergeführte Drogerien waren aufgrund beschränkter räumlicher Kapazitäten und eingeschränkter wirtschaftlicher Ausstattung nicht in der Lage, die Sortimentsbreite und -tiefe von Drogeriemärkten anzubieten, die erforderlich war, um erfolgreich im Wettbewerb mit diesen zu bestehen. Auch bevorzugten Endkunden deswegen sowie wegen der Selbstbedienung und der niedrigeren Preise Drogeriemärkte. Inhabergeführte Drogerien schlossen infolgedessen entweder ihre Geschäfte oder entwickelten sich zu Parfümerien, zu Reformhäusern und/oder Fotogeschäften oder sie fanden neben den klassischen Drogeriesortimenten eine zweite wirtschaftliche Betätigung (z.B. Fußpflege, Fotobedarf etc.). Inhabergeführte Drogerien waren im Jahr 2005 vor allem in ländlichen Gebieten und in den Peripherien von Großstädten ansässig. Die Gesamtzahl und die Standorte von inhabergeführten Drogerien, die diese Bezeichnung noch verdienen, ist nicht bekannt und im Verwaltungsverfahren nicht ermittelt worden.

Auf der vorgelagerten Ebene der Beschaffung von Drogerie-Markenartikeln wurden Drogeriesortimente und -waren sowohl von der Herstellerindustrie selbst als auch von Großhändlern angeboten und vertrieben. Abnehmer der Hersteller waren neben dem Lebensmitteleinzelhandel auch die Drogeriemarktketten, während inhabergeführte Drogerien ihre Waren aufgrund ihres geringeren Nachfragevolumens von Großhändlern bezogen. Neben den Herstellern von Drogeriewaren existierten in West-Deutschland Anfang der siebziger Jahre bis zum Jahre 2005 drei Großhändler, die C... GmbH mit Sitz in B., deren Geschäftsführer der Zeuge E. ist, die Ü... AG mit Sitz in H. und die Ä... -gesellschaft ..., deren Geschäfte der Zeuge N. führt, mit Sitz in B.. Die Großhändler gewähren den Drogerieinhabern in deutlich geringerem Umfang als die Hersteller Rabatte, jedoch keine Werbekostenzuschüsse. Die genannten Umstände hatten zur Folge, dass das Endverbraucherpreisniveau der inhabergeführten Drogerien ungefähr 20 bis 30 % höher als dasjenige der Drogeriemärkte lag. Zu den Endkunden inhabergeführter Drogerien zählten deshalb unter anderem Endverbraucher mit höherer Kaufkraft.

Die R... GmbH & Co. KG mit Sitz in H. im Jahr 2005 neben der inzwischen von der Nebenbetroffenen übernommenen U... GmbH & Co. KG mit annähernd 125 Filialen in der Region H. eine von zwei noch existierenden regionalen Drogeriemarktketten in Deutschland. Bis zum Endes des Jahres 2005 war R... neben anderen Drogeriemarktketten, zu denen auch die Nebenbetroffene (bis Ende 2002), P... (bis Ende 2003) und die U... GmbH & Co. KG zählten, Gesellschafter der Ö... GmbH (Ö...) mit Sitz in Neuss. Zweck dieser Gesellschaft war, mit den Drogeriewarenherstellern über Einkaufskonditionen zu verhandeln. Sie verhandelte einen zusätzlichen Werbekostenzuschuss, den die Gesellschafter sich nach einem festgelegten Schlüssel teilten. Im Jahre 2004 trat die K...-Gruppe als Gesellschafter der Ö..., die zu diesem Zeitpunkt nur noch über zwei Gesellschafter verfügte, bei. Nachdem ein Abgleich der Konditionen ergab, dass die K...-Zentrale günstigere Konditionen mit Drogerieartikel-Herstellern verhandelte als die Gesellschafter solche über die Ö... GmbH erhielten, wurde die Zusammenarbeit beendet und die Ö... GmbH zum 31. Dezember 2005 liquidiert. Die K...-Zentrale verhandelte ca. 30 % bis 40 % des Einkaufsvolumens der R... GmbH & Co. KG. Seit dem Jahre 2005 kooperiert die R... GmbH & Co. KG im Markenartikelgeschäft mit der K...-Gruppe und im wachsenden Eigenmarkengeschäft mit der Drogeriemarktkette Y..., wobei die K...-Zentrale die Verhandlungen mit den Herstellern führt. Ungefähr 95 % der von der K...-Zentrale ausgehandelten Nachlässe reicht diese an R... weiter. Im Jahr 2005 erzielte R... Umsätze von gut ... Millionen Euro, im Jahr 2006/2007 von ungefähr ... Millionen Euro.

Auch die großen Handelsketten des Lebensmitteleinzelhandels führen neben den Kernsortimenten (Food-Artikeln, Non-Food-I-Artikeln) die genannten Drogeriewarensortimente, insbesondere Körperpflege-, Wasch- und Reinigungsmittel (Non-Food-II-Artikel). Hierzu gehörten im Jahre 2005 die großen Handelsketten, nämlich die Schwarz-Gruppe (Lidl-Discountmärkte und Kaufland-Warenhäuser, Kaufmarkt), ALDI (ALDI-Nord und ALDI-Süd), Metro (Metro Cash & Carry-Konsumgüter-Großhandel, Kaufhof-Warenhäuser, Real-SB-Warenhäuser, Extra-Verbrauchermärkte), T... (Plus-Discountmärkte, Kaiser`s Supermärkte), Wal*Mart (bis zum Rückzug vom deutschen Markt und zur Übernahme der Geschäfte durch Metro im Jahr 2005) und Spar (bis zur Übernahme der Sparmärkte durch K... im Jahr 2005). Ferner führten im Jahre 2005 auch die großen SB-Warenhäuser wie Karstadt, Kaufring, Kaufhof und ca. 30 kleinere private Kaufhäuser, ansässig in Mittelstädten, Drogeriewarensortimente. Im Jahre 2005 wurden deutschlandweit mit Drogeriewaren Umsatzerlöse in Höhe von ca. 22,582 Mrd. Euro erwirtschaftet.

2. Die Rechtsvorgängerin der Nebenbetroffenen (die X... KG) bezog den größten Teil ihrer Drogeriewarensortimente schon seit dem Beginn ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in den siebziger Jahren unmittelbar bei Herstellern von Drogeriewaren.

Mindestens einmal im Jahr trafen sich die Vertreter der Hersteller und der Nebenbetroffenen zu sogenannten Jahresgesprächen, nämlich um die Konditionen für den Kauf (wie Rabatte, Boni, Skonti und Werbekostenzuschüsse) sowie Art und Umfang der Werbung zu verabreden. Das Ergebnis der Verhandlungen wurde von den Parteien in sogenannten Jahresvereinbarungen (Jahresabkommen oder auch Konditionenvereinbarungen genannt) schriftlich festgehalten. Die Jahresvereinbarungen regelten nur den Rahmen der jährlichen Zusammenarbeit. Sie wurden seit den siebziger Jahren einmal jährlich fortgeschrieben, bei Bedarf auch unterjährig abgeändert oder angepasst.

Der Betroffene entschloss sich Anfang der siebziger Jahre, ausgewählte Drogeriewaren mit niedrigen Preisen zu bewerben. Als der Geschäftsführer der Nebenbetroffenen A. in die Geschäftsführung eintrat, fand er ein bestimmtes Werbe- und Kalkulationskonzept vor und führte es unverändert fort. Dazu war es folgendermaßen gekommen:

Mit dem Aufkommen der Drogeriemarktketten sahen auch die Hersteller von Drogeriemarkenwaren die Chance, ihre Umsätze zu steigern. Um bei den Marktbetreibern Anreize für intensivierte Absatzbemühungen zu erzeugen, schufen sie nach und nach ein Geflecht von Rabatten, Boni, Skonti, Werbekostenzuschüssen und weiteren Bezugsvergünstigungen, die in den genannten Jahresgesprächen mit den Marktbetreibern verhandelt und vereinbart zu werden pflegten. Dabei waren die Werbekostenzuschüsse eine Form der gezielten und individuellen Bezuschussung bestimmter, produktbezogener Werbemaßnahmen und – in wechselnder Höhe – eine finanzielle Beteiligung an den entstandenen Kosten. Dies war jedoch nicht der ausschließliche Sinn der Werbekostenzuschüsse. Sie bildeten die bei weitem werthaltigste Zuwendung durch die Drogeriewarenhersteller, die regelmäßig, so auch im Fall der Nebenbetroffenen, die bloßen Werbekosten betragsmäßig um ein Vielfaches überstieg. Werbekostenzuschüsse sollten deshalb von Anfang an von den Drogeriemarktbetreibern auch zur Förderung des Warenabsatzes eingesetzt werden. Genauso waren sie in den Augen der Hersteller ein Instrument zur eigenen Umsatzförderung, das im rechtlichen Grund in den mit den Drogeriemarktbetreibern bestehenden Lieferbeziehungen und Bezugsverträgen angelegt und verwurzelt war. So bemerkte aus Anlass der die Gewährung von Werbekostenzuschüssen betreffenden Vereinbarung der namentlich nicht mehr bekannte Vertreter eines Herstellers gegenüber dem Betroffenen, er solle gerade auch mit Hilfe dieser Zuschüsse im Wettbewerb zu konkurrierenden Drogeriemarktketten „knackige Preise machen“.

Dabei war allen Beteiligten, und zwar namentlich im Verhältnis der Nebenbetroffenen zu den Herstellern, klar, dass die Werbekostenzuschüsse bei der Kalkulation gezielt dazu verwendet werden sollten, die Rechnungspreise der Hersteller (mithin die Einstandspreise) und infolgedessen mittelbar auch die Abgabepreise für Endkunden abzusenken. Werbekostenzuschüsse sollten bei der Preisbildung von der Nebenbetroffenen im Prinzip demnach genauso eingesetzt werden dürfen wie Rabatte, Boni, Skonti und dergleichen, dies allerdings mit dem Unterschied, dass sie nicht auf die Preise für das gesamte, von einem Hersteller bezogene Warensortiment, sondern ihrem Zweck entsprechend ausschließlich im Rahmen von Werbeaktionen dazu verwendet werden sollten, über Rabatte, Boni und Skonti hinaus zielgerichtet und möglichst umsatzwirksam die Rechnungspreise (und mittelbar auch die Verbraucherpreise) gerade für die beworbenen Drogeriewaren zu senken. Im Gegenzug sollte die Nebenbetroffene (und deren Rechtsvorgängerin) den Herstellern gegenüber selbstverständlich zur Durchführung von Werbemaßnahmen – zumeist auf Vorjahresniveau – verpflichtet sein, wobei die Werbemaßnahmen in den Jahresgesprächen mit den Herstellern im Groben bereits abgestimmt wurden, diese aber auch die einzelnen Werbeaktionen in der Regel vorher prüften und diese, und zwar den Umfang und den Erfolg, stets beobachteten. Die Nebenbetroffene bewarb damals schon ausschließlich in der Form von mehrseitigen, bebilderten Prospekten, die teils als Zeitungsbeilagen, teils anderweit (z.B. als Wurfsendungen) verbreitet und alle zwei bis drei Wochen herausgegeben wurden, Drogerieerzeugnisse zu Sonderpreisen. Solche im Allgemeinen für Zeiträume von einer bis zu zwei Wochen dauernden Werbeaktionen der Nebenbetroffenen führten regelmäßig zu einem sprunghaften Ansteigen des Absatzes bei den beworbenen Artikeln, weil vermehrt Vorratskäufe getätigt wurden. Nicht selten kam vor, dass in den Werbezeiträumen bei den beworbenen Waren das Acht- bis Zehnfache des gewöhnlichen Umsatzes erzielt werden konnte.

Der Betroffene führte das vorstehend beschriebene Werbekonzept und die Kalkulation der Werbekostenzuschüsse Anfang der siebziger Jahre in seinem Unternehmen ein. Die Verrechnung der Werbekostenzuschüsse auf die Rechnungspreise (Einstandspreise) war – wie auch der Betroffene wusste – den Drogeriewarenherstellern von Anfang an bekannt. Sie konnten darauf auch aus der Höhe der bei den Werbeaktionen der Nebenbetroffenen offerierten Preise schließen und billigten die Vorgehensweise der Nebenbetroffenen, weil sie ihrem eigenen Warenumsatz förderlich war. Wie Rabatte, Boni und sonstige Vergünstigungen beim Warenbezug wurden auch die Werbekostenzuschüsse von Beginn an in den anlässlich der Jahresgespräche getroffenen Jahresvereinbarungen oder -abkommen mit den einzelnen Herstellern festgelegt und seither von Jahr zu Jahr fortgeschrieben. Die Gewährung der Werbekostenzuschüsse wurde von keinem Beteiligten, insbesondere nicht von den Drogeriewarenherstellern, jemals in Frage gestellt.

Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt zu Beginn der neunziger Jahre wurde die Praxis bei der Berechnung der Werbekostenzuschüsse nach und nach umgestellt. Auf wessen Initiative dies im Einzelnen geschah – auf Betreiben der Warenhersteller, der Nebenbetroffenen oder anderer Drogeriemarktketten – hat sich allerdings nicht feststellen lassen. Jedenfalls aber wurden fortan die Werbekostenzuschüsse nicht mehr in Bezug auf bestimmte Werbeaktionen, sondern prozentual vom jährlichen Gesamtumsatz der Drogeriemarktunternehmen bei den jeweiligen Herstellern berechnet. Darüber rechneten die Hersteller jährlich ab. Zwischenzeitlich leisteten sie monatliche Abschlagszahlungen, über die die Nebenbetroffene den Herstellern Rechnungen erteilte. Die Gründe für die Umstellung wurden von allen Beteiligten in einer Erleichterung der bislang zeitaufwändigen Verhandlung und Abwicklung der Werbekostenzuschüsse sowie in einer höheren Planungs- und Kalkulationssicherheit angegeben. Die Änderung wurde als für alle Seiten vorteilhaft übereinstimmend befürwortet. Aufgrund langjähriger Beobachtung der Umsätze und der gezahlten Werbekostenzuschüsse ließ sich auch deren Verhältnis zueinander bestimmen und in bestimmten Prozentsätzen ausdrücken, was auch im Fall der Nebenbetroffenen so geschah. Die Werbekostenzuschüsse der Nebenbetroffenen beliefen sich auf Beträge zwischen knapp ... und ca. ... % vom jeweiligen Jahresgesamtumsatz. Mögliche Verschiebungen bei den Umsätzen der Nebenbetroffenen wurden hingenommen. Sie wurden lediglich in einem vergleichsweise geringen Umfang erwartet. So pflegte die Nebenbetroffene anlässlich der Jahresgespräche auch in der Vergangenheit schon ihre Umsatzplanungen für das anstehende Wirtschaftsjahr und die Werbepläne (Grobplanungen) offenzulegen. Dabei hatten sich die Planungen der Nebenbetroffenen immer als zuverlässig erwiesen. Sie gingen von regelmäßigen jährlichen Umsatzsteigerungen um ... % aus, die (mit Ausnahme des Jahres 2009, in dem der Umsatz voraussichtlich nur um etwa ... % zunehmen wird) auch stets eintraten. Bei ihren Planungen ging die Nebenbetroffene davon aus, dass Werbekostenzuschüsse von den Drogeriewarenherstellern künftig weiterhin gezahlt würden. Ihre Beibehaltung wurde aus Anlass der Umstellung bei der Berechnung von den Herstellern nicht in Frage gestellt. Auch blieb die Zweckbestimmung der Werbekostenzuschüsse gleich. Sie wurden weiterhin als eine Maßnahme der Warenabsatzförderung verstanden, mit der nicht der Absatz eines gesamten Sortiments, sondern – bei einer unverändert fortbestehenden Verpflichtung der Nebenbetroffenen zur Durchführung von Werbeaktionen – der Absatz bestimmter, nämlich der beworbenen Produkte gefördert werden sollte. Die Nebenbetroffene behielt ebenfalls die bekannte Praxis der Verrechnung der Werbekostenzuschüsse auf die Rechnungspreise (Einstandspreise) der Drogeriewarenhersteller bei. Davon gingen auch die Hersteller aus. Weder aus Anlass der Umstellung der Berechnung der Werbekostenzuschüsse noch bei späteren Jahresgesprächen oder anderer Gelegenheit verlangten sie eine Änderung oder eine Aufgabe dieser Verrechnungspraxis. Bei der von der Nebenbetroffenen praktizierten Verrechnung der Werbekostenzuschüsse sind Einstandspreise, und zwar namentlich im Jahr 2005, nicht unterschritten worden.

Daneben gab es, und zwar bis in das in Rede stehende Jahr 2005 hinein (sowie darüber hinaus), zuweilen auch einzelfall- und produktbezogene Werbeaktionen, für die die Drogeriewarenhersteller gezielte Werbekostenkostenzuschüsse gewährten. Diese legte die Nebenbetroffene absprachegemäß auf die beworbenen Preise um.

3. Zu den Herstellern und Lieferanten der von der Nebenbetroffenen im Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2005 beworbenen 55 Drogeriemarkenartikeln zählten unter anderem die folgenden Industrieunternehmen: die Henkel Wasch- und Reinigungsmittel GmbH (Marken Pril und Spee), die Schwarzkopf & Henkel GmbH (Marken Schauma, Drei Wetter Taft), jeweils mit Sitz in Düsseldorf, L'Oréal Haarkosmetik und Parfümerien GmbH & Co. KG mit Sitz in Karlsruhe mit den Geschäftsbereichen L'Oréal Paris (Marken Elvital und L'Oréal) und Garnier (Marke Fructis), jeweils in Düsseldorf ansässig, GlaxoSmithKline Consumer Healthcare GmbH & Co. KG mit Sitz in Bühl (Marken Odol, Sensodyne), Beiersdorf AG (Marke Nivea), Unilever Deutschland Home und Personal Care Europe GmbH (Marke Dove) mit dem Geschäftsbereich Lever Fabergé Deutschland GmbH, jeweils mit Sitz in Hamburg.

An den mit den Herstellern getrennt geführten Jahresgesprächen für das Jahr 2005, die in der Zeit von Anfang 2005 bis April 2005 stattfanden, nahmen als Vertreter der Hersteller die Vertriebsleiter, die Zeugen H. (Henkel), K1. (Beiersdorf), S1. und der Vertriebsmitarbeiter M. (beide GlaxoSmithKline), die Vertriebsleiter S2. (Schwarzkopf & Henkel), K2. (Unilever) und T. (L'Oréal) teil. Die Nebenbetroffene war regelmäßig durch ihren Geschäftsführer A. und wechselnd durch die Einkäufer, die Zeugin G. (zuständig für die Lieferanten Henkel Waschmittel GmbH und GlaxoSmithKline), die Zeugin E2. (zuständig für die Lieferanten Beiersdorf und Unilever/Lever Fabergé) und den Zeugen M2. (zuständig für die Hersteller L'Oréal, Schwarzkopf & Henkel und Garnier) vertreten. Das Ergebnis der Verhandlungen wurde von den Beteiligten in sogenannten Jahresvereinbarungen (Jahresabkommen oder Konditionsvereinbarung genannt) schriftlich festgehalten. Die Jahresvereinbarungen regeln nur den Rahmen der jährlichen Zusammenarbeit. Sie wurden seit den siebziger Jahren einmal jährlich fortgeschrieben, bei Bedarf auch unterjährig abgeändert oder angepasst.

Auch die Jahresvereinbarungen aus dem Jahr 2005 begründeten die Verpflichtung der Nebenbetroffenen, Werbeaktionen mindestens auf dem Vorjahresniveau zu erbringen. Allen Jahresvereinbarungen war gemeinsam, dass sie den Umfang (und auch die Anzahl) der von der Nebenbetroffenen zu veranlassenden Werbung regelten (Garnier: „Handzettelabbildung mind. auf Vorjahresniveau“; Unilever: „nationale Aktionen mindestens analog 2004“) oder aber marktanteilsgerecht (Beiersdorf, GlaxoSmithKline). Zum Teil wünschten die Hersteller auch eine Steigerung der Werbeaktivitäten der Nebenbetroffenen aus dem Vorjahr. Ein Teil der Hersteller (GlaxoSmithKline, Schwarzkopf & Henkel) unterbreitete Vermarktungsvorschläge für das kommende Jahr. Die Anzahl der Werbeaktionen und die jeweiligen Gegenstände wurden von der Nebenbetroffenen in – mit den Herstellern abgestimmte – Werbepläne aufgenommen. Dabei blieb es grundsätzlich der Nebenbetroffenen überlassen zu entscheiden, welche konkreten Artikel sie im Laufe des Jahres bewarb. Von dem Hersteller Beiersdorf bewarb die Nebenbetroffene ca. 100 – 120 Artikel, während sie jedoch mindestens 350 Artikel von diesem bezog.

Feinabstimmungen über den Zeitpunkt der Werbeaktionen und der Inhalte nahmen die Mitarbeiter der Nebenbetroffenen und der Hersteller während des Jahres vor. Die Nebenbetroffene übersandte den Herstellern dazu alle zwei Wochen einen detaillierten Werbeplan, aus dem sich die Einzelheiten (Platzierungsform und Zeitpunkt) mit einem Vorlauf von mehreren Wochen ergaben. Der Plan besaß für die Hersteller die Funktion, dass sie die Einhaltung der Vereinbarung über den Umfang der Werbeaktionen überprüfen, zum anderen die eigene Produktion daran ausrichten konnten. Für die Nebenbetroffene bildete die geplante Werbung die Grundlage für eine Bevorratung mit Regal- und Aktionsware. Zu Meinungsverschiedenheiten über Inhalt und Umfang der Werbung kam es zwischen den Beteiligten nicht. Wäre es dazu gekommen, hätten die Hersteller der Nebenbetroffenen Gelegenheit zu einer Anpassung der Werbung gegeben, bevor sie die Werbekostenzuschüsse gekürzt hätten.

Ferner verhandelten die Beteiligten anlässlich der Jahresgespräche die beim Bezug von Drogeriewaren zu gewährenden Einkaufskonditionen, zu denen auch der Werbekostenzuschuss zählte. Die erzielten Einigungen wurden in den Jahresvereinbarungen oder -abkommen oder auch in Ergebnisprotokollen oder entsprechenden Schreiben der Drogeriewarenhersteller dokumentiert. Diese folgten alle einem vergleichbaren Muster und beinhalteten nur die Rahmenvorgaben. In den genannten Vereinbarungen waren keine Vorgaben über die Verwendung der Werbekostenzuschüsse enthalten. Sie regelten lediglich die von den Herstellern gewährten Vergütungen, wie z.B. (Mengen-)Rabatte, (Sofort-)Boni, Logistikvergütungen, Palettenvergütungen, Skonti, Retourenvergütungen, oder auch „Steigerungs-“ (Schwarzkopf & Henkel, Beiersdorf) und „Zielerreichungsvergütungen“ sowie sogenannte Werbekostenzuschüsse. Die Bezeichnung des Werbekostenzuschusses differierte zum Teil nach Herstellern: So bezeichnete Garnier in der Jahresvereinbarung 2005 den Werbekostenzuschuss als „Leistungsvergütung Aktivität (LVA)“, GlaxoSmithKline ihn als „Leistungsvergütung Vermarktung“, Henkel versah ihn mit der Abkürzung „WFF“. Die Werbekostenzuschüsse – aber auch nahezu alle anderen vor- und nachgelagerten Konditionen – wurden als ein Prozentsatz vom fakturierten Jahresgesamtumsatz der Nebenbetroffenen beim jeweiligen Hersteller ausgewiesen. Auch im Jahr 2005 lagen die Werbekostenzuschüsse für die Nebenbetroffene zwischen knapp ... und ca. ... %.

Teilweise wurden Werbekostenzuschüsse „Aktionsrabatte“ oder „Sonder-WKZ“ oder „Category Vergütung“ genannt) von Herstellern aber auch produkt- und aktionsspezifisch gewährt, insbesondere für Nivea-Produkte von Beiersdorf, Odol Mundwasser und Odol Mundspray von GlaxoSmithKline und für Fructis Shampoo/Spülung von Garnier.

Die von der Nebenbetroffenen mit der Beiersdorf AG und der Schwarzkopf & Henkel GmbH geschlossenen Jahresvereinbarungen 2005 enthielten ferner folgende, identische Klausel:
Eine anteilige Kostenübernahme für Produktwerbung, die einen EVP (Bem.: Endverbraucherpreis) unter Einstandspreis enthalten, schließen wir von vornherein aus.
Die Jahresvereinbarungen enthielten auch keine Herstellerlistenpreise. Die Listenpreise ergaben sich aus den jeweils gültigen Preisblättern der Hersteller. In der Regel einmal im Jahr kam es zu Preiserhöhungen, welche die Hersteller durch Übersenden neuer Preislisten bekanntgaben, die nach einer Vorlaufzeit von zumeist einigen Monaten in Kraft traten.

Die Hersteller kündigten auch zum bzw. im Jahr 2005 Preiserhöhungen an, die sich in einem Umfang von 1 bis 20 % bewegten. Abhängig vom Grad der Preiserhöhung, den Lagerkapazitäten und den Refinanzierungskosten sowie vom Warenbedarf (z.B. im Rahmen von Werbeaktionen) bevorratete sich die Nebenbetroffene mit den betreffenden Drogeriewaren des jeweiligen Herstellers zum bisherigen Preis. Eine Bevorratung wurde wirtschaftlich in der Regel bei Preiserhöhungen um 5 % interessant. Sie erfolgte für die Dauer von bis zu fünf Monaten und im Durchschnitt für eine Dauer von drei Monaten. Entsprechende Lagerkapazitäten waren im Jahr 2005 in ..., ...und ... vorhanden.

Anlässlich der Jahresgespräche erarbeiteten die Hersteller für die Händler, so auch für die Nebenbetroffene, Preisberechnungsvorschläge (unverbindliche Preisempfehlungen oder auch Endverbraucherpreise (EVP) genannt). Bei der dabei vorgenommenen Kalkulation der Endverbraucherpreise legten die Hersteller die Werbekostenzuschüsse auf den gesamten Sortimentsbezug und nicht auf die beworbenen Waren um.

Im Jahr 2005 gab die Nebenbetroffene bundesweit in zwei- bis dreiwöchigen Abständen als Zeitungsbeilagen Werbeprospekte heraus, in denen unter anderen die 55 hier in Rede stehenden Drogerieartikel für eine Dauer von ein oder zwei Wochen zu Sonderpreisen angeboten wurden. Die Drogeriewaren wurden von den Herstellern „frei Lager“ an die Nebenbetroffene geliefert.

Auch bei dieser Werbung verfuhr die Nebenbetroffene so, dass sie die Werbekostenzuschüsse auf die Rechnungspreise der konkret beworbenen Artikel anrechnete. Dazu schätzten die Mitarbeiter der Nebenbetroffenen den voraussichtlichen Jahresumsatz und berechneten den prozentualen Werbekostenzuschuss. Eine derartige Schätzung war ihnen aufgrund der Umsatzzahlen des Vorjahres möglich, da es der Nebenbetroffenen regelmäßig gelang, den im abgelaufenen Geschäftsjahr erzielten Jahresumsatz mit den Produkten der jeweiligen Hersteller im laufenden Geschäftsjahr um ca. ... % zu steigern. Dann stellten sie anhand der vorhandenen Vorjahresdaten fest, welchen Anteil die zu bewerbenden Drogerieartikel am Gesamtumsatz mit dem Herstellersortiment im vorangegangenen Geschäftsjahr erzielt hatten. Darauf gestützt schätzten sie den voraussichtlichen Anteil der Artikel am Gesamtumsatz des laufenden Jahres. Den Betrag des Werbekostenzuschusses setzten sie in Relation zu dem geschätzten anteiligen Umsatz des zu bewerbenden Drogerieprodukts. Den auf diese Weise ermittelten prozentualen Werbekostenzuschuss für das einzelne Produkt zogen die Mitarbeiter der Nebenbetroffenen vom Rechnungspreis des jeweils zu bewerbenden Produkts ab und ermittelten so unter Berücksichtigung der sonstigen Rabatte, Boni, Skonti, Palettenvergütungen etc. den Einstandspreis.

Auf der Grundlage des solchermaßen festgestellten Einstandspreises kalkulierte die Nebenbetroffene vor der jeweiligen Werbemaßnahme auch im gesamten Jahr 2005 die Endverbraucherpreise in der Weise, dass sie die von ihren Mitarbeitern beobachteten Angebotspreise der Konkurrenten regelmäßig unterschritten, aber gleichwohl oberhalb des Einstandspreises lagen. Der Geschäftsführer A. genehmigte den Endverbraucherpreis. Der Betroffene erhielt von den Preisen keine Kenntnis. Mindestens einmal im Quartal kontrollierten die Mitarbeiter den Werbekostenzuschuss und passten ihn bei einer Abweichung von mehr als einem Prozent an. Dies galt zum Beispiel für den Fall, dass während eines Jahres ein neuer Artikel oder ein neues Produkt von einem Hersteller bezogen wurde und beworben werden sollte. Die Nebenbetroffene unterschritt mit den von ihr angebotenen Endverbraucherpreisen die berechneten Einstandspreise in keinem Fall. Die Art und Weise, wie die Nebenbetroffene den Einstandspreis (Rechnungspreis) feststellte, war den Herstellern seit langem bekannt. Sie konnten die Bildung der Endverbraucherpreise durch die Nebenbetroffene auch anhand der ihnen bekannten Rechnungspreise und Konditionen im Jahr 2005 nachvollziehen.

Die Nebenbetroffene war im Jahr 2005 zudem Mitglied der Einkaufsgemeinschaft Markant Handels und Service GmbH, Offenburg, von der sie einige der verfahrensgegenständlichen Produkte im Jahr 2005 zu günstigeren Sonderkonditionen bezog. Auch diese Sonderkonditionen, deren Höhen für sie ebenfalls im Vorhinein abschätzbar waren, berücksichtigte die Nebenbetroffene bei der Feststellung des Einstandspreises. 4. Mitte 2005 kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen einigen Herstellern, namentlich den Herstellern Schwarzkopf & Henkel GmbH, Henkel Wasch- und Reinigungsmittel GmbH und Unilever/Lever Fabergé und der Nebenbetroffenen, vertreten durch den Geschäftsführer A., über deren Preiswerbung und die Abgabepreise. Die Hersteller kündigten in im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben Ende Juni/Anfang Juli 2005 an, keine Bestellungen der Nebenbetroffenen mehr entgegenzunehmen. Zur Begründung beriefen sie sich auf Markeninteressen. Zu einer Einstellung der Belieferung der Nebenbetroffenen kam es jedoch praktisch nicht.

Gleichzeitig wandten die Hersteller sich an den Markenverband e.V., der die Nebenbetroffene wegen des Verdachts des Angebots von Waren unter Einstandspreis beim Bundeskartellamt Ende Juli 2005 anzeigte.

Anfang des Jahres 2005 wandte sich auch die R... GmbH & Co. KG an das Bundeskartellamt und äußerte anonym den Verdacht, dass die Nebenbetroffene mit Preisen werbe, die unter Einstandspreisen lägen.

5. Das Bundeskartellamt leitete daraufhin im Juli 2008 ein Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen und die Nebenbetroffene wegen des Verdachts des Angebots von Drogeriewaren unter Einstandspreisen ein.

Im Rahmen der sachlichen Marktabgrenzung ist das Bundeskartellamt von der Existenz von ca. 4 150 inhabergeführten Drogerien ausgegangen. Cirka 400 bis 500 inhabergeführte Drogerien sollten eine vergleichbare Sortimentsbreite wie ein Drogeriemarkt aufweisen.

Bei der räumlichen Marktabgrenzung ist das Bundeskartellamt im Bußgeldbescheid zunächst von 329, im Verlauf des gerichtlichen Bußgeldverfahrens von 345 regionalen Märkten ausgegangen, wobei ein Radius von 20 km bzw. eine Fahrtzeit von 20 min um jeweilige Oberzentren zugrunde gelegt und regionale Besonderheiten berücksichtigt wurden. Auf 228 Märkten soll die Nebenbetroffene im Jahr 2005 inhabergeführten Drogerien als Wettbewerber gegenüber gestanden haben.

Das Bundeskartellamt hat den Feststellungen zur räumlichen und sachlichen Marktabgrenzung Schätzungen des Zeugen B2., Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Drogisten, zur Zahl der im Jahre 2005 noch existierenden inhabergeführten Drogerien zu Grunde gelegt.

Weitere Ermittlungen zur Sortimentszusammensetzung der inhabergeführten Drogerien und Feststellungen zur Ansässigkeit von inhabergeführten Drogerien auf stichprobenartig ausgewählten regionalen 57 Märkten hat die Staatsanwaltschaft cirka vier Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung veranlasst (s. Anlage 2 zum Schriftsatz der Staatsanwaltschaft vom 19.10.2009 und Anlage 7 im Anlagenordner II zum Schriftsatz vom 04.11.2009). Kurz vor (mit Schriftsätzen vom 12.10.2009 und 04.11.2009) und während der Hauptverhandlung hat das Bundeskartellamt die Ergebnisse seiner Ermittlungen vorgelegt (s. Sitzungsprotokoll vom 09.11.2009). Sie sind in die Hauptverhandlung eingeführt worden.

Die Betroffene und der Nebenbetroffene bezweifeln die Zuverlässigkeit und Richtigkeit dieser Ermittlungen aufgrund eigener angestellter Überprüfungen, deren schriftliche Ergebnisse ebenfalls in der Hauptverhandlung eingeführt wurden. Sie wenden ein: Inhabergeführte Drogerien wiesen nicht die gleiche Sortimentstiefe und -breite wie ein Drogeriemarkt auf. Zudem seien die auf regionalen Märkten ermittelten Drogerien entweder nicht mehr existent oder aber in Wahrheit nach ihrer Sortimentszusammensetzung als Parfümerien einzuordnen, auch wenn sie noch unter der Bezeichnung „Drogerie“ aufträten. Als Parfümerien schieden sie aber als potenzielle Wettbewerber aus, da ihnen die Depotverträge mit Parfümherstellern regelmäßig eine Sortimentsumstellung auf Drogeriewaren nicht erlaubten. Soweit heute noch vereinzelt inhabergeführte Drogerien existierten, gehörten diese einem anderen sachlichen und räumlichen Markt an als die Drogeriemärkte.

Auch Ermittlungen zu der Sortimentstiefe und -breite von Kaufhäusern und zu deren Ansässigkeit auf regionalen Märkten hat das Bundeskartellamt auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft erst kurz vor der Hauptverhandlung aufgenommen und das vollständige Ergebnis in der Hauptverhandlung vorgelegt.

Bei Erlass des Bußgeldbescheids gegen den Betroffenen und die Nebenbetroffene hat das Bundeskartellamt angenommen, dass u.a. die Einzelhändler der K...- und Spar-Gruppe zu den durch § 20 Abs. 4 Satz 2 GWB geschützten kleinen und mittleren Wettbewerbern der Nebenbetroffenen zu zählen sind und dieser im Wettbewerb im Jahr 2005 gegenüberstanden. Im Rahmen des Fusionskontrollverfahrens K.../T.../Plus hat das Bundeskartellamt mit Beschluss vom 30. Juni 2008 (B 2 – 333/07) festgestellt, dass die wirtschaftlich zwar selbständigen annähernd 4 800 K...-Einzelhändler geschäftspolitisch und strategisch durch die K...-Zentrale geführt werden und sie wegen ihrer genossenschaftlichen Einbindung als Eigentümer der K...-Zentrale sowie der regionalen K...-Handelsgesellschaften und der bestehenden Konzeptvereinbarungen (Franchisevereinbarungen) nicht über die erforderliche rechtliche Selbständigkeit verfügen. Ermittlungen zu den Einzelhändlern der Spar-Gruppe hat das Bundeskartellamt im vorliegenden Verfahren nicht durchgeführt.

Das Bundeskartellamt hat ferner im Bußgeldbescheid offen gelassen, ob die R... GmbH & Co. KG und die U... GmbH & Co. KG im Jahr 2005 zu den kleinen und mittleren Unternehmen im Sinne des § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB zu zählen waren. Diesbezügliche Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft ebenfalls vier Wochen vor der Hauptverhandlung eingeleitet. Das Ergebnis von Ermittlungen hat sie kurz vor der Hauptverhandlung mit dem Schriftsatz vom 12. Oktober 2009 vorgelegt.

Eine verantwortliche Vernehmung des Betroffenen und des Geschäftsführers der Nebenbetroffenen A. unterblieb im Verwaltungsverfahren ebenso wie eine Vernehmung der Zeugen G., E2. und M2.. Die Zeugen der Hersteller und Großhändler wurden telefonisch angehört.


B.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Einlassungen des Betroffenen und des Geschäftsführers A. der Nebenbetroffenen sowie auf den übrigen sich aus der Sitzungsniederschrift und den Anlagen ergebenden und in die Hauptverhandlung eingeführten und nachfolgend genannten Beweismitteln. Im Einzelnen:

1. Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen beruhen auf seiner glaubhaften Einlassung.

2. Die Verhältnisse der Nebenbetroffenen insbesondere die Gesellschaftsverhältnisse sind durch die urkundlich in die Hauptverhandlung eingeführten Abschriften der Handelsregisterauszüge (Anlage 4 im Anlagenordner I zum Schriftsatz der GStA vom 12.10.2009) sowie durch die Einlassung des Betroffenen nachgewiesen. Die Angaben zu den Umsatzzahlen beruhen auf den urkundlich eingeführten Lageberichten und Jahresabschlüssen sowie auf dem Konzernabschluss der Nebenbetroffenen zum 31. Dezember 2005 und auf dem Lagebericht zum Rumpfgeschäftsjahr vom 1. Mai 2005 bis 31. Dezember 2005 der X... Südwest GmbH (Anlage 7 im Anlagenordner I zum Schriftsatz der GStA v. 12.10.2009), der KPMG Studie Einkaufsverhalten im Drogeriemarkt, 2006 (Anlage 5 im Anlagenordner I zum Schriftsatz der GStA v. 12.10.2009) und der eigenen Internetseite (Anlage 6 im Anlagenordner I zum Schriftsatz der GStA v. 12.10.2009). Die Angaben zu der Zahl der Verkaufsstellen der Nebenbetroffenen gründet der Senat auf Auszüge aus der Internetseite der Nebenbetroffenen (Anlage 6 im Anlagenordner I zum Schriftsatz der GStA v. 12.10.2009), zu den Umsatzsteigerungen und Renditeerwartungen auf die Einlassung des Betroffenen. Die Feststellungen zu den geschäftlichen Verhältnissen der Nebenbetroffenen, den Akquisitionen und Lagerkapazitäten beruhen auf der Einlassung des Geschäftsführers A. der Nebenbetroffenen. Die Feststellungen zu den Fusionskontrollverfahren „X.../D...“, „X... /D.../T...“ und „X.../U...“ stützt der Senat auf die Einlassungen des Betroffenen und den Inhalt der Verfahrensakten B 9 – 116/03, B 9 – 59/09, B 2 – 323/07, die urkundlich in die Hauptverhandlung eingeführt wurden.

3. Die Feststellungen zu den geschäftlichen Verhältnissen und den Umsätzen der ... R... GmbH & Co. KG gründen sich auf die Handelsregisterauszüge der ... R... GmbH, auf die Auszüge aus der Internetpräsentation der ... R...GmbH & Co. KG sowie auf die Jahresabschlüsse der ... R... GmbH & Co. KG zum 28. Februar 2007 und 29. Februar 2009 (Anlage 11 und 12 im Anlagenordner I zum Schriftsatz der GStA v. 12.10.2009) sowie auf die Einlassung des Betroffenen und die Aussagen der Zeugen W. und V., beide Geschäftsführer der Komplementärin.

Die Feststellungen zu den Umsätzen der U... GmbH & Co. KG stützt der Senat auf die Jahresabschlüsse der U... GmbH zum 31. Dezember 2005, 31. Dezember 2006 und 31. Dezember 2007 (Anlage 14 und 15 im Anlagenordner I zum Schriftsatz der GStA vom 12.10.2009) sowie auf die Auszüge aus dem Internetauftritt der U... GmbH (Anlage 13 im Anlagenordner I zum Schriftsatz der GStA vom 12.10.2009). Die Feststellungen zum bundesweit erzielten Gesamtumsatz mit Drogeriewaren basieren auf dem urkundlich in die Hauptverhandlung eingeführten Gutachten EE & MC vom August 2009 (Anlage E 5 zur urkundlich eingeführten Einlassung der Betroffenen und der Nebenbetroffenen vom 27. August 2009). Die Feststellungen zum Lebensmitteleinzelhandel entnimmt der Senat aus dem urkundlich eingeführten Beschluss des Bundeskartellamts in dem Fusionskontrollverfahren „K.../T...“ (Anlage 1 im Anlagenordner I zum Schriftsatz der GStA vom 12.10.2009) sowie der Aussage der Zeugin L..

4. Die Feststellungen zu Drogeriesortimenten und zur wirtschaftlichen Entwicklung auf den räumlichen und sachlichen Drogeriemärkten beruhen auf der glaubhaften Einlassung des Betroffenen sowie auf den Aussagen der Zeugen E. (Geschäftsführer des Großhändlers C...), N. (Geschäftsführer der Ä... Bielefeld) sowie B2. (Geschäftsführer des Verbands deutscher Drogisten). Die Feststellungen zu der den Drogeriemärkten vorgelagerten Beschaffungsebene gründen sich auf die Aussagen der Zeugen E. und N..

5. Die Feststellungen zur Berechnung und Umlegung der Werbekostenzuschüsse und zur Berücksichtigung der Rabatte, Boni und Skonti durch die Nebenbetroffene beruhen auf den Einlassungen des Betroffenen und des Geschäftsführers A. der Nebenbetroffenen, der Aussage der Zeugin G. sowie auf den urkundlich eingeführten Einlassungen des Betroffenen vom 18. Mai 2006 und vom 29. Juni 2006 und der Nebenbetroffenen vom 18. Mai 2006 und vom 29. Juni 2006 einschließlich der den Schriftsätzen beigefügten Anlagenkonvolute 1 bis 18, die mit dem Einverständnis des Betroffenen und der Nebenbetroffenen urkundlich in die Hauptverhandlung eingeführt wurden.

6. a) Die Feststellungen zum Inhalt der Jahresvereinbarungen aus dem Jahre 2005 basieren auf den urkundlich in die Hauptverhandlung eingeführten Abschriften der Jahresvereinbarungen (enthalten in den Anlagenkonvoluten 1 – 18 zu den urkundlich eingeführten Einlassungen des Betroffenen und der Nebenbetroffenen vom 18. Mai 2006 und vom 29. Juni 2006). Die Feststellungen zu Art und Umfang der Werbung im Jahr 2005 beruhen auf den urkundlich eingeführten Werbeprospekten.

Die Feststellungen dazu, dass bei Umlegung des Werbekostenzuschusses auf die von der Nebenbetroffenen beworbenen Waren und der sonstigen Konditionen die die Verkaufspreise der Nebenbetroffenen über den Einstandspreisen lagen, stützt der Senat auf die in die Hauptverhandlung urkundlich eingeführten Kalkulationsbögen (Anlagenkonvolute 1 – 18 der Schriftsätze vom 18.5.2006 und 29.6.2006) und die glaubhafte Aussage der Zeugin L..

Die Feststellungen zur Vorhersehbarkeit der Höhe des prozentual im Nachhinein gewährten Werbekostenzuschusses im Zeitpunkt der Kalkulation der Endverbraucherpreise beruhen auf der Einlassung des Geschäftsführers der Nebenbetroffenen A., den Aussagen der Zeuginnen G., E2. und des Zeugen M2. sowie den Aussagen der Zeugen S2., S1. und K2..

Die Feststellungen zur Funktion und Abstimmung der Werbepläne beruhen auf der überzeugenden Einlassung des Geschäftsführers A. der Nebenbetroffenen, den Aussagen der Zeuginnen G. und E2. sowie des Zeugen M2. und der Zeugen H., K1., S1., M., S2., K2. und T..

b) Die Nebenbetroffene hat die Einstandspreise unter Berücksichtigung der von den Herstellern vorgegebenen Zweckbestimmung der Werbekostenzuschüsse richtig berechnet. Nach dem Willen der Hersteller durften die Werbekostenzuschüsse zum Zwecke der Absatzförderung und der Kalkulation der Preise von der Nebenbetroffenen eingesetzt werden. Der Werbekostenzuschuss stellte nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten weder eine bloße Kostenbeteiligung der Hersteller an den tatsächlich entstandenen Werbekosten noch einen pauschal auf das vom Hersteller bezogene Sortiment umzulegenden Zuschuss dar. Es handelte sich – insoweit einem Rabatt oder Bonus vergleichbar – um eine Maßnahme der Hersteller zur Förderung des eigenen Absatzes und zur Förderung des Umsatzes der Nebenbetroffenen. Die Zweckbestimmung der von den Herstellern gezahlten Werbekostenzuschüsse bestand nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung jedenfalls im Verhältnis der Nebenbetroffenen darin, dass sie unabhängig von ihrer Bezeichnung zur Herabsetzung der Rechnungspreise der beworbenen Drogeriewaren eingesetzt werden durften.

Das ergibt sich aus den glaubhaften Einlassungen des Betroffenen und des Geschäftsführers der Nebenbetroffenen A., den ebenfalls glaubhaften Aussagen der Zeuginnen G. und E2. sowie des Zeugen M2. und aus den überzeugenden Aussagen der Zeugen H., K1., S1., S2., K2. und W.. Die genannten Einlassungen und die Zeugenaussagen ergänzen und stützen sich inhaltlich gegenseitig.

Der Betroffene und der Geschäftsführer A. der Nebenbetroffenen haben sich in dem oben dargestellten Sinn eingelassen. Ihren Einlassungen ist zu glauben. Dabei handelte es sich bei dem bis zu den 90er Jahren gezahlten Werbekostenzuschuss – so auch der Zeuge W. (R...) – im Ansatz zwar um eine individuelle und gezielte Bezuschussung einzelner Werbeaktionen der Drogerieunternehmen, und zwar in Bezug auf bestimmte (beworbene) Produkte. Die Gewährung der Werbekostenzuschüsse erschöpfte sich – wie aus den Aussagen der Zeugen H. (Henkel), S2. (Schwarzkopf & Henkel), K2. (Unilever), K1. (Beiersdorf) und S1. (GlaxoSmithKline) hervorgeht – indes nie in einer bloßen Beteiligung der Drogeriewarenhersteller an den Werbekosten. Sie dienten nach dem erklärten Willen der Hersteller darüber hinaus vielmehr einer Absatzsteigerung und Förderung der Vermarktung der beworbenen Produkte. Tatsächlich hat die Nebenbetroffene in Abstimmung mit den Herstellern auch nie in besonders aufwändiger Weise geworben. Ihre Werbeaktivitäten haben sich stets auf das (eher kostengünstigere) Verteilen von mehrseitigen bebilderten Prospekten (zumeist als Zeitungsbeilagen) beschränkt. Nach den Worten des Zeugen H. waren die Werbekostenzuschüsse von Henkel – jedenfalls im Verhältnis zur Nebenbetroffenen – deshalb nicht nur ein Aufwendungsausgleich für Werbung, sondern sie dienten zugleich gezielt der „Absenkung des Verkaufspreises auf einen Aktionspreis und damit der Umsatzstimulierung von X...“ und der eigenen Absatzförderung. Im gleichen Sinn haben sich die Zeugen K1. (Beiersdorf), S1. (Glaxo SmithKline), S2. (Schwarzkopf & Henkel) und M. (GlaxoSmithKline) geäußert. Nicht zuletzt sind nach Auskunft der Zeugen die diesbezüglichen Erwartungen der Hersteller auch eingetreten; auf die von der Nebenbetroffenen durchgeführten Werbeaktionen waren jedes Mal signifikante Umsatzsteigerungen zu verzeichnen.

Die Zeugen M. (GlaxoSmithKline), S2., K2. (Unilever) und T. (L'Oréal) haben im Übrigen ebenfalls bestätigt, dass auf Seiten der Drogeriewarenhersteller bekannt war, wie die Nebenbetroffene die Werbekostenzuschüsse verwandte, um die Rechnungspreise zu reduzieren. Wie der Zeuge T. bekundet hat, ist darüber mit Vertretern der Nebenbetroffenen von Herstellerseite sogar gesprochen worden, allerdings – wie der Zeuge ausgesagt hat – ohne ein Missfallen darüber auszudrücken oder die Nebenbetroffene um eine Aufgabe ihrer Verrechnungspraxis zu ersuchen; dergleichen ist ebenso wenig aus Anlass von Jahresgesprächen geschehen. Auch dem Betroffenen war nach seiner insoweit glaubhaften Einlassung bekannt, dass die Hersteller von der in seinem Unternehmen praktizierten Verrechnungsweise wussten. Wenn das aber so war, dann durften der Betroffene und die für die Nebenbetroffene Handelnden das Verhalten der Drogeriewarenhersteller so deuten, dass sie die Verwendung der Werbekostenzuschüsse bei der Kalkulation der Aktionspreise guthießen, mindestens jedoch duldeten, dass im Interesse einer Absatzförderung die Werbekostenzuschüsse bei den beworbenen Waren preiswirksam eingesetzt wurden. So haben insbesondere die Zeugen S2. (Schwarzkopf & Henkel) und K2. (Unilever) bei ihrer Vernehmung zum Ausdruck gebracht, dass die Nebenbetroffene Werbekostenzuschüsse nach ihrer Einschätzung in dieser Art einsetzen durfte, und dass es sich dabei um eine – in ihren Augen – jedenfalls vertretbare Kalkulationsweise handelte. Soweit die Zeugen sich in diesem Punkt zurückhaltender geäußert haben – so die Zeugen H. (Henkel), M. (GlaxoSmithKline) und T. (L'Oréal) –, haben sie aber betont, die Nebenbetroffene sei bei der Verwendung der Werbekostenzuschüsse im Rahmen ihrer Kalkulation durch keine Absprachen mit den Herstellerunternehmen oder Vorgaben eingeschränkt gewesen, sondern habe insoweit einen freien Handlungsspielraum besessen. Dies haben auch die Zeugen K1. (Beiersdorf) und S1. (GlaxoSmithKline) nicht in Abrede gestellt. Die genannten Zeugen sind zwar nicht sämtlich so lange bei den genannten Drogeriewarenherstellern beschäftigt (oder beschäftigt gewesen), dass sie alle aus eigener Anschauung von den Absprachen und Erwartungen sowie vom Verständnis der Beteiligten in Bezug auf die in den siebziger Jahren aufgenommenen Werbekostenzuschüsse zu berichten gewusst haben. Die Zeugen haben beim Eintritt in ihre Funktionen bei den Herstellerunternehmen nach ihrem Bekunden jedoch bestimmte Kenntnisstände und Handhabungen vorgefunden, die sie übernommen und fortgeführt haben.

Der festgestellte Befund ist dahin zu werten, dass die Nebenbetroffene die seit den siebziger Jahren von Drogeriewarenherstellern gewährten Werbekostenzuschüsse mindestens kraft stillschweigender Billigung der Hersteller dazu verwenden durfte, deren Rechnungspreise bei den im Rahmen von Werbeaktionen beworbenen Produkten abzusenken. Am bloßen Ausdruck (Werbekostenzuschuss) ist insoweit nicht zu haften, da die Beteiligten im oben dargestellten Sinn übereinstimmend Weitergehendes darunter verstanden haben.

c) Nach dem Ergebnis der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme hat sich an der Duldung der Verrechnung der Werbekostenzuschüsse auf die Einstandspreise für die im Rahmen von Werbeaktionen der Nebenbetroffenen jeweils beworbenen Waren durch die genannten Drogeriewarenhersteller aufgrund der Umstellung der Zuschüsse auf einen Prozentsatz vom jährlichen Warengesamtumsatz in den neunziger Jahren nichts geändert.

Die Umstellung hatte nach den Aussagen der daran unmittelbar beteiligten Zeugen K1. (Beiersdorf), S2. (Schwarzkopf & Henkel), K2. (Unilever) sowie G. (von der Nebenbetroffenen), E2. (von der Nebenbetroffenen) und M2. (von der Nebenbetroffenen), aber auch nach den damit übereinstimmenden Einlassungen des Betroffenen und des Geschäftsführers A. der Nebenbetroffenen ausschließlich verfahrenstechnische Gründe „administrative“ Gründe, wie der Zeuge M2. es formuliert hat). Die bei den Werbekostenzuschüssen bisher nötig gewesenen Verhandlungen, Rechnungsstellungen sowie deren Überprüfung und die Zahlungen sollten abgeschafft, die Verfahren sollten vereinfacht werden. Nach den insoweit übereinstimmenden Zeugenaussagen und Einlassungen versprachen sich – was die Kosten betraf – alle Seiten davon zudem eine höhere Planungs- und Kalkulationssicherheit. Infolgedessen wurde lediglich die Berechnungsweise der Werbekostenzuschüsse geändert, nicht aber deren Grund und die Zweckbestimmung. Die Werbekostenzuschüsse blieben im Interesse der Absatzförderung – dies jedenfalls im Verhältnis zur Nebenbetroffenen – eine produktorientierte Bezuschussung der Rechnungs-(Einstands-)Preise bei den im Rahmen von Werbeaktionen beworbenen Artikeln, nur waren sie nicht mehr an den (gegebenenfalls nachzuweisenden) Kosten einzelner Werbemaßnahmen ausgerichtet.

Vor allem war mit der Umstellung keine Änderung dahin verbunden, dass die Werbekostenzuschüsse bei der Preiskalkulation von da an nur noch auf das Gesamtwarensortiment umgelegt werden durften. Auch im in Rede stehenden Jahr 2005 hat es sich nicht anders verhalten. Denn eine Änderung der Bestimmung der Werbekostenzuschüsse und ihrer allseits bekannten Verwendung durch die Nebenbetroffene ist nach den Bekundungen der oben genannten Zeugen und nach den Einlassungen des Betroffenen sowie des Geschäftsführers A. der Nebenbetroffenen bei den Verhandlungen von keiner Seite angesprochen sowie ebenso wenig erörtert oder sogar vereinbart worden – dies, obwohl alle Beteiligten wussten, wie die Nebenbetroffene die Werbekostenzuschüsse bei ihrer Kalkulation bislang einzusetzen pflegte. Auch enthalten insbesondere die Jahresvereinbarungen für 2005 insoweit keine einschränkenden Abreden. Die Werbekostenzuschüsse wurden nach den insoweit stellvertretend anzuführenden Aussagen der Zeugen H. (Henkel), K1. (Beiersdorf) und S2. (Schwarzkopf & Henkel) weiterhin für die Werbeleistung und die Absatzförderung gewährt, womit nicht nur weiterhin ein Bezug zu den Warenkaufverträgen, sondern auch zur Berechnung der Einstandspreise bestand und die Nebenbetroffene sich dazu berechtigt fühlen durfte, die Werbekostenzuschüsse im Rahmen von Werbeaktionen bei der Kalkulation der Rechnungspreise (Einstandspreise) zu verwenden.

In der Hauptverhandlung sind keine diesem Beweisergebnis widerstreitenden Gesichtspunkte hervorgetreten. Dass es neben den allgemein gewährten Werbekostenzuschüssen auch einzelfall- und produktbezogene Werbekostenzuschüsse der Hersteller gab, die in solchen Fällen spezifisch auf die beworbenen Preise verrechnet werden sollten, spricht nicht gegen die Zulässigkeit einer ebensolchen Vorgehensweise bei den allgemein gewährten Werbekostenzuschüssen. Die Sachlage war nach den insoweit übereinstimmenden und unwidersprochenen Aussagen der Zeugen H. (Henkel), K1. (Beiersdorf), M. (GlaxoSmithKline) und K2. (Unilever) insofern anders gelagert. Produktbezogene und in Einzelfällen geleistete Werbekostenzuschüsse betrafen Erzeugnisse, deren Absatz in besonderer Weise gefördert werden sollte (z.B. Nivea von Beiersdorf), oder solche (insbesondere vom Gewohnten abweichende Gebinde), bei denen sich die Hersteller noch nicht sicher waren, ob sie in die Werbepläne aufgenommen zu werden verdienten.

Die von der Nebenbetroffenen praktizierte Verrechnung der Werbekostenzuschüsse war auch nicht aufgrund der in die mit der Beiersdorf AG und der Schwarzkopf & Henkel GmbH für das Jahr 2005 geschlossenen Jahresvereinbarungen aufgenommenen Klausel verboten, wonach diese Hersteller eine „Kostenübernahme für Produktwerbung, die einen Endverbraucherpreis unter Einstandspreis enthalten“, ausgeschlossen sein sollte. Wie die Zeugen K1. (Beiersdorf) und S2. (Schwarzkopf & Henkel) übereinstimmend bekundet haben, dienten solche Klauseln lediglich einer rechtlichen Absicherung der Hersteller. Sie waren als allgemeiner Hinweis auf die Rechtslage zu verstehen und wurden gewissermaßen formularmäßig in die Jahresvereinbarungen aufgenommen, sollten aber keine Aussagekraft bei der Frage haben, ob die Werbekostenzuschüsse zur Absenkung der Rechnungspreise verwendet werden durften. Der Umstand, dass einige Herstellerunternehmen (Henkel, Schwarzkopf & Henkel, Unilever/Lever Fabergé) im Juli 2005 gegen die Nebenbetroffene einen Lieferstopp (Bestellannahmestopp) verhängten und dies mit ihren Markeninteressen begründeten, ist insofern gleichermaßen unergiebig. Die Liefersperren sind alsbald rückgängig gemacht worden. Aufgrund der Aussage des Zeugen K2. (Unilever) bestehen im Ergebnis auch nicht ausräumbare Zweifel daran, ob mit ihrer Hilfe das Kalkulationskonzept der Nebenbetroffenen bei den Werbekostenzuschüssen bekämpft, nicht aber nur bestimmten preislichen „Auswüchsen“ in deren Geschäftspolitik entgegengetreten werden sollte. Der Zeuge K2. hat anschaulich den Zwiespalt beschrieben, dem sich die Hersteller von Drogeriemarkenwaren bei den Preisen ausgesetzt sehen und der einerseits vom Interesse an einer Absatzförderung durch Aktionspreise sowie andererseits von dem Bestreben bestimmt ist, die Endverbraucherpreise bei Markenwaren nicht unter ein – wie sich der Zeuge ausgedrückt hat – bestimmtes „strategisches Preisniveau“ sinken zu lassen, wodurch das „Preisempfinden“ der Verbraucher gestört werde. Zu solchen Störungen scheint es durch die Nebenbetroffene gekommen zu sein. Die Reaktion der Hersteller sagt jedoch nichts darüber aus, dass die Nebenbetroffene mittels der Werbekostenzuschüsse nicht die Rechnungspreise bei den beworbenen Waren absenken durfte. Wäre dieses Kalkulationsverhalten im Verhältnis zu den Drogeriewarenherstellern abredewidrig gewesen, hätte nichts näher gelegen, als die Nebenbetroffene an die Einhaltung ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu erinnern und das Verhalten dadurch abzustellen. Gerade dies ist von Seiten der Hersteller jedoch nicht geschehen.

Richtig ist zwar, dass einige Hersteller (Schwarzkopf & Henkel, Unilever/Lever-Fabergé, L'Oréal) anlässlich der Jahresgespräche sog. Musterkalkulationen oder Preisempfehlungen ausarbeiteten und diese der Nebenbetroffenen vorlegten, in denen die Werbekostenzuschüsse auf das gesamte Warensortiment umgelegt worden waren. Nach Auskunft der darüber in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen S2., K2. und T. waren solche Musterkalkulationen oder Preisempfehlungen jedoch rechtlich unverbindlich. Sie dienten lediglich dazu, den Verhandlungen der Beteiligten über die Höhe der Werbekostenzuschüsse eine übereinstimmende Grundlage zu geben. Anderenfalls wäre auch gegen das Preisbindungsverbot nach § 14 GWB in der Fassung vom 26.8.1998 verstoßen worden.

Die vom Vertreter der Staatsanwaltschaft angenommenen Manipulationsgefahren bei der Ermittlung der Einstandspreise bestehen bei dem von der Nebenbetroffenen praktizierten Kalkulationsmodell nicht. Von der Zeugin G. und vom Geschäftsführer A. der Nebenbetroffenen ist nachvollziehbar und glaubhaft dargestellt worden, dass und auf welche Weise die Werbekostenzuschüsse auf sämtliche beworbenen Artikel eines Herstellers umgelegt werden. Dass es dabei zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, ist weder vom Bundeskartellamt noch von der Staatsanwaltschaft ermittelt worden.

7. Die die Verfahrenseinleitung und das Ermittlungsverfahren betreffenden Feststellungen beruhen auf der glaubhaften Aussage der Zeugin L..


C.

Der Betroffene ist vom Vorwurf der vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung des aus § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB abzuleitenden Verbots, als Unternehmen mit überlegener Marktmacht kleine und mittlere Unternehmen unbillig im Wettbewerb behindert zu haben, freizusprechen. Ebenso war der Betroffene vom Vorwurf der schuldhaft begangenen Aufsichtspflichtverletzung freizusprechen. Es entfällt auch die Möglichkeit einer Ahndung der Nebenbetroffenen, weil nicht erkennbar ist, dass möglicherweise andere vertretungsberechtigte Personen im Sinne des § 30 OWIG als der Betroffene, nämlich der Geschäftsführer A. oder der Geschäftsführer B., vorwerfbar gehandelt haben könnten.

Das Verbot des § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB 2005, welches besagt, dass Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegender Marktmacht ihre Marktmacht nicht anwenden dürfen, um diese zu behindern, indem sie Waren unter dem Einstandspreis nicht nur gelegentlich anbieten und dadurch die konkrete Gefahr einer Behinderung oder Verdrängung kleiner und mittlerer Unternehmen begründen oder verstärken, ist nicht verletzt.

Allerdings hat der Gesetzgeber auf eine allgemeingültige Legaldefinition des Begriffs Einstandspreis im Sinne des § 20 Abs. 4 GWB verzichtet. Einstandspreis ist der am (Beschaffungs-)Markt vom Hersteller/Lieferanten verlangte und vom Händler bezahlte Preis für die Beschaffung der Ware (der Kaufpreis einschließlich der vom Händler aufgewandten Transportkosten, sofern er diese zu tragen hat). Den Kaufpreis zu bestimmen ist Sache des Herstellers oder Lieferanten der Ware. Der Einstandspreis ist im jeweiligen Einzelfall festzustellen.

Im vorliegenden Fall haben die Drogeriewarenhersteller die ihnen obliegende Festsetzung des Kaufpreises als Teil des Einstandspreises (Rechnungspreises) jedenfalls im Verhältnis zur Nebenbetroffenen dahin vorgenommen, dass dieser, und zwar unverändert auch nach der Umstellung der Berechnung in den neunziger Jahren, eine Verrechnung der Werbekostenzuschüsse auf die Rechnungspreise der beworbenen Waren gestattet sein sollte. Dies ist das Ergebnis der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme. Die so ermittelten Einstandspreise hat die Nebenbetroffene nicht unterschritten. Auch das hat sich in der Hauptverhandlung erwiesen. Die Werbekostenzuschüsse hatten darüber hinaus ihren rechtlichen Grund in den mit den Drogeriewarenherstellern abgeschlossenen Warenbezugsverträgen. Sie waren in den Augen der Hersteller und der Nebenbetroffenen ein Mittel der Absatzförderung. Werbekostenzuschüsse sollten so wie Mengenrabatte im Wettbewerb preiswirksam einsetzbar sein und die Rechnungspreise (Einstandspreise) der bei den Herstellern bezogenen Drogeriewaren mindern. Auf den bloßen Ausdruck kommt es bei diesem von den Beteiligten übereinstimmend geteilten Verständnis nicht an. Die Gewährung der Werbekostenzuschüsse war auch vorhersehbar. Die Zahlungen und die Höhe entsprachen langjähriger Übung, die insbesondere von den Herstellern zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt worden ist. Auf der Grundlage verlässlicher Umsatzplanungen der Nebenbetroffenen konnten sie berechnet und konnten auch die Abschlagszahlungen in Rechnung gestellt werden. Schließlich kamen die Werbekostenzuschüsse auch nicht dritten Personen oder Unternehmen, sondern unmittelbar der Nebenbetroffenen zugute, die sie für Zwecke der Warenabsatzförderung verwenden konnte.

Hinsichtlich des Betroffenen scheidet in Ermangelung eines Warenangebots unter Einstandspreisen demnach eine Verurteilung wegen einer Zuwiderhandlung gegen § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB 2005 in Verbindung mit § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB 2005 aus.

Eine schuldhafte (vorsätzliche oder fahrlässige) Verletzung der Aufsichtspflichten des Betroffenen gemäß § 130 Abs. 1 OWiG, die er als Organ der Nebenbetroffenen wahrzunehmen hatte, ist infolgedessen ebenfalls nicht gegeben. Im Unternehmen der Nebenbetroffenen ist keine Zuwiderhandlung gegen § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB 2005 begangen worden, die der Betroffene durch Aufsichtsmaßnahmen hätte unterbinden müssen.

Haftet der Betroffene nicht wegen Zuwiderhandlung gegen § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB 2005 oder einer Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG), fehlt es auch an einer Anknüpfungstat im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG.

4. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 StPO i.V. mit § 46 Abs. 1 OWiG.



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