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Landgericht Hamburg Urteil vom 07.07.2009 - 312 O 142/09 - Zugang und Beweislast bei einer per E-Mail ausgesprochenen Abmahnung

LG Hamburg v. 07.07.2009: Zugang und Beweislast bei einer per E-Mail ausgesprochenen Abmahnung


Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 07.07.2009 - 312 O 142/09) hat entschieden:

   Da für die Abmahnung keine Formvorschriften bestehen, kann diese auch per E-Mail zugestellt werden. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Abmahnung nicht zugegangen ist, liegt beim Adressaten, also dem Abgemahnten. Das Risiko, dass die Abmahnung auf dem Postweg verloren geht, trägt der Abgemahnte, da es sich bei der Abmahnung letztlich um eine Wohltat für den Schuldner handelt, der auf diese Weise Gelegenheit erhält, die Angelegenheit kostengünstig beizulegen.

Siehe auch
Stichwörter zum Thema Abmahnung
und
Wettbewerbsrecht - Unlauterer Wettbewerb

Tatbestand:


Die Parteien streiten vorliegend noch über die Kosten des Verfahrens, nachdem die Antragsgegnerin die von dem Antragsteller gegen sie erwirkte einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12 (Az.: 312 O 142/09), vom 17.3.2009 hinsichtlich des Ausspruches zu I. anerkannt und einen auf die Kostenregelung beschränkten Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt hat.

In der Sache ging es bei der einstweiligen Verfügung um Folgendes:

Die Antragsgegnerin betreibt unter der Domain ... ein Portal, welches u.a. ein Branchenverzeichnis beinhaltet. In diesem Branchenverzeichnis fand sich am 10.02.2009 eine Eintragung für einen Rechtsanwalt, die die Bezeichnung „Fachanwalt für Markenrecht" beinhaltete (Anlage A 2). Der Antragsteller entdeckte diese Eintragung und schickte der Antragsgegnerin per Email die aus Anlage A 5 ersichtliche Abmahnung. Diese Email schickte er gleichzeitig per „Bcc"-Adressierung an seinen Kanzlei-Kollegen Rechtsanwalt L..., der den Zugang der Email eidesstattlich versichert. Bei der Antragsgegnerin wurde die Email-Abmahnung nicht zur Kenntnis genommen, weil sie von der „Firewall" abgefangen wurde. Die Antragsgegnerin gab eine Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht ab.

Der Antragsgegnerin ist auf Antrag des Antragstellers per einstweiliger Verfügung vom 17.03.2009 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden,

   im Rahmen ihres Branchenverzeichnisses unter der Domain „b... .de" mit der Bezeichnung „Fachanwalt für Markenrecht" für einen Rechtsanwalt zu werben.

Dabei wurden der Antragsgegnerin auch die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Die Antragsgegnerin hat in ihrem Widerspruchsschreiben vom 08.04.2009 die einstweilige Verfügung vom 17.03.2009 unter Verzicht der Rechte aus §§ 924, 926 und 927 ZPO als rechtsverbindlich anerkannt, gleichzeitig aber Kostenwiderspruch erhoben, die Festsetzung des Streitwertes auf € 25.000 gerügt und um Herabsetzung des Streitwertes auf € 10.000,-- gebeten.

Sie meint, dass die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen seien. Weiter ist sie der Auffassung, dass der Streitwert überhöht und auf € 10.000,-- herabzusetzen sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,

   die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt aufzuheben und dem Antragsteller die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens aufzuerlegen.

Der Antragsteller beantragt,

   den Kostenwiderspruch zurückzuweisen.

Der Antragsteller meint, dass es ihm nicht anzulasten sei, dass die Antragsgegnerin eine Firewall installiert habe, die Emails aufhalte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.




Entscheidungsgründe:


Der Kostenwiderspruch ist zulässig, aber nicht begründet. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens und die weiteren Kosten des Verfahrens nach § 91 ZPO zu tragen.

Die Antragsgegnerin kann sich auf § 93 ZPO nicht berufen. Denn sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie nicht durch ihr Verhalten Anlass zur Klageerhebung i.S.d. Vorschrift gegeben hätte. Denn unstreitig hat der Antragsteller an die Antragsgegnerin eine Abmahnung per Email geschickt, die von der Firewall der Antragsgegnerin aufgehalten und nicht an den Antragsteller zurückgesendet wurde.

Das Risiko, dass eine abgesandte Email die Antragsgegnerin nicht erreicht, hat die Antragsgegnerin zu tragen.



Die Kammer vertritt mit der herrschenden Meinung (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 27. Aufl., § 93, S. 431, Stichwort „Wettbewerbsstreitigkeiten") die Auffassung, dass die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Abmahnung nicht zugegangen ist, beim Adressaten, also dem Abgemahnten liegt (zum Sach- und Streitstand Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 12, Rz. 1.29 ff m.w.N.). Nach zutreffender Ansicht trägt das Risiko, dass die Abmahnung auf dem Postweg verloren geht, der Abgemahnte, da es sich bei der Abmahnung letztlich um eine Wohltat für den Schuldner handelt, der auf diese Weise Gelegenheit erhält, die Angelegenheit kostengünstig beizulegen (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 09.01.2007, Az. 416 O 307/06, Rz. 18 zit. n. juris). Auch wenn nicht festgestellt werden kann, ob das Abmahnschreiben dem Beklagten zugegangen ist oder nicht, ist für eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO kein Raum (BGH, GRUR 2007, 629).

Diese Grundsätze wirken sich auch im vorliegenden Fall aus, in dem die Abmahnung per Email unstreitig abgeschickt, aber von der Firewall der Antragsgegnerin aufgehalten worden ist. Das Risiko, dass die Email verloren geht, hat der Abgemahnte zu tragen.

Darüberhinaus hat nach Auffassung der Kammer die Email vorliegend als zugegangen zu gelten. Denn von einem Zugang ist auszugehen, wenn eine Willenserklärung und dementsprechend eine geschäftsähnliche Handlung so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (BGHZ 67, 271, 275; BGH, NJW 2004, 1320, 1321). Abmahnungen, die per Email übermittelt werden, sind zugegangen, wenn sie an eine vom Empfänger im geschäftlichen Verkehr verwendete Email-Adresse geschickt wurden und in der entsprechenden Mailbox des Empfängers angekommen sind (Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009, § 12 Rz. 1.30; Münchener Kommentar zum BGB-Einsele, 5. Aufl. Band 1, § 130 Rz. 17 f.). Wenn die Email in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, ist der Zugang für den Zeitpunkt anzunehmen, zu dem mit einer Kenntnisnahme üblicherweise gerechnet werden kann.



Dem Ankommen in der Mailbox entspricht es, wenn eine Email üblichen Umfangs, die wie hier bei Rechtsanwalt L... laut dessen eidesstattlicher Versicherung vom 27.05.2009 problemlos angekommen ist, in anderen Mailboxen von einem Sicherungssystem des Empfängers wie einer so genannten Firewall aufgehalten und an anderer Stelle als der Mailbox zwischengespeichert wird. Auch in einem solchen Fall kann mit der Kenntnisnahme innerhalb ein oder zweier Arbeitstage üblicherweise gerechnet werden. Denn der Zugang der Kontrollmail und der Umstand, dass die Email nicht „zurückkommt" begründen eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Email auch an anderer Adresse angekommen ist.

Auch bei einem während Krankheit, Urlaub oder Haft im Briefkasten oder einer Mailbox eingegangenen Schriftsatz ist Zugang anzunehmen, da unter normalen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen ist (vgl. Münchener Kommentar zum BGB-Einsele, 5. Aufl. Band 1, § 130 Rz. 19). Vorliegend hat es, wie die Antragsgegnerin vorgetragen hat, einen Zustellversuch gegeben, die Mail wurde aber von der Firewall aufgehalten, so dass kein Sachbearbeiter sie gesehen hat. Die Email ist auch unstreitig nicht an den Antragsteller zurückgesendet worden. Demnach war die Email in der Firewall im Machtbereich der Antragsgegnerin angekommen und gilt als zugegangen, weil unter normalen Umständen damit gerechnet werden konnte, dass die Email zur Kenntnis genommen werden würde.

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