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OLG Hamm Beschluss vom 09.12.2008 - 2 Ws 312/08 - Strafbarkeit progressiver Kundenwerbung nur gegenüber Verbrauchern und nicht gegenüber Handelsvertretern
OLG Hamm v. 09.12.2008: Strafbarkeit progressiver Kundenwerbung nur gegenüber Verbrauchern und nicht gegenüber Handelsvertretern
Das OLG Hamm (Beschluss vom 09.12.2008 - 2 Ws 312/08) hat entschieden:
Unter Berücksichtigung des Zweckes der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien zum Verbraucherschutz und des UWG bedürfen Existenzgründer keines besonderen Schutzes als wirtschaftlicher schwächerer oder unerfahrener Vertragspartei. Denn wer sich zur Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit entschieden hat und vorbereitende oder unmittelbar eröffnende Geschäfte vornimmt, begibt sich in den unternehmerischen Geschäftsverkehr. Er handelt in diesem Fall nicht mehr zu privaten Zwecken. Der Umstand, dass der Zweck des Handelns nicht auf eine bereits bestehende, sondern erst zukünftige berufliche oder gewerbliche Tätigkeit gerichtet ist, ändert nichts an ihrer beruflichen oder gewerblichen Natur. Auch startende Teilnehmer an einem progressiven Vertriebssystem sind als Existenzgründer keine Verbraucher, sonder Gewerbetreibende.
Siehe auch Schneeballsystem und Stichwörter zum Thema Vertriebsformen
Gründe:
I.
Der Beschuldigte ist alleiniger Geschäftsführer und Alleingesellschafter der G.F.O.M. (G.F.O.). Das am 05. Juli 2006 in C. gegründete Unternehmen hat seine Firmenzentrale in I2 (Westfalen) und ist seit dem Sommer 2006 geschäftlich aktiv. Unternehmensgegenstand sind vornehmlich Damen-Jeans, die von dem Unternehmen in einer Preisspanne in Höhe von 6 bis 8,00 € erworben und von ihm direkt vertrieben werden. G.F.O. schließt mit Erstinteressenten (Im Weiteren: E.), die als selbstständige Handelsvertreter ein Gewerbe anmelden, sogenannte Partnerverträge ab. Danach sind die E. verpflichtet, einmalig ein sogenanntes Starter-Paket mit acht Varianten zwischen 99.00 € und 16.300,00 € je nach Umfang der Abnahme von der G.F.O. per Barzahlung oder Vorausüberweisung zu erwerben und von dem Zentrallager in I2 oder über eines der deutschlandweiten Depots zu beziehen. Das kleinste Starterpaket (sogenanntes Mini-Paket) beinhaltet 5 Jeanshosen zum Preis von 99,00 €, das umfangreichste (sogenanntes Investment-Paket) für 16.300,00 € besteht aus insgesamt 1.150 Jeanshosen. Nach der zugrundeliegenden Kalkulation erhalten die E. jede Hose im Starterpaket – mit Ausnahme des Mini-Pakets – für 16,30 €, wobei die Verdienstmöglichkeiten mit der Größe des gewählten Starter-Pakets steigen. Weitere Abnahmeverpflichtungen und Kosten gegenüber der G.F.O. bestehen für die E. nicht.
Die E. sind verpflichtet, die Hosen zu einem vorgeschriebenen Verkaufspreis von 23,50 € an Endabnehmer zu veräußern; die Differenz zum Einkaufspreis ist ihr Verdienst. Nicht veräußerte Produkte können nach den Bestimmungen des Partnervertrages in der Regel bis zwei Monate nach Erwerb in andere Produkte oder Produktgrößen kostenlos – mit Ausnahme von Versandkosten – umgetauscht werden. Dabei behält sich G.F.O. vor, unter bestimmten Voraussetzungen diesen Umtausch kostenpflichtig zu gestalten oder abzulehnen. Eine Rückerstattung des gezahlten Preises ist nicht möglich.
Neben der Erwerbsmöglichkeit aus dem Verkauf der Jeans-Hosen an Endabnehmer besteht für die E. die Möglichkeit, Provisionsansprüche gegen G.F.O. auf Einkäufe/Bestellungen eines „Teams“ zu erwerben. Dieses „Team“ setzt sich aus direkt von den E. geworbenen weiteren Interessenten (E 1) sowie weiteren angeworbenen Personen (E 2, E 3, E 4, E 5 usw.) zusammen. Der Ablauf ist wie folgt: Jeder E. kann unbegrenzt E 1 für G.F.O. akquirieren. Schließen diese ebenfalls einen Partnervertrag mit der G.F.O. ab, bilden diese weiteren Interessenten im „Team“ des E. die sogenannte erste Downline – Ebene. Direkte Rechtsbeziehungen zwischen den E und den E1 bestehen nicht. Auch die E. 1 können ihrerseits unbegrenzt weitere Personen (E 2) gewinnen, die bei Abschluss eines Partnervertrages mit der G.F.O. im „Team“ des E die sogenannte zweite Downline – Ebene darstellen. Werben die E 2 weitere Teilnehmer (E 3) an, die einen Partnervertrag mit der G.F.O. abschließen, bilden diese im „Team“ des Erstinteressenten die sogenannte dritte Downline-Ebene und so weiter.
Allein für die Anwerbung weiterer Interessenten erhalten die Erstinteressenten keine Provision (sogenannte Kopfprämie). Die Provision wird vielmehr auf sämtliche Einkäufe/Umsätze des „Teams“ bei G.F.O. bis zur fünften Ebene gezahlt. Die Provision wird nach den Bestimmungen des Partnervertrages erst fällig, wenn das Einkaufsvolumen des E. in Addition mit den Einkäufen der E 1 seiner ersten Downline – Ebene einmalig ein Gesamt-Einkaufsvolumen in Höhe von 1.500,00 € erreicht. Die Provision für den E. wird grundsätzlich nur bis zur Downline der fünften Ebene gezahlt. Im Einzelnen beträgt die Provision der E. an allen Einkäufen seines „Teams“ ausweislich des ab August 2007 gültigen Provisionsplans 2 % auf der ersten Ebene, 3 % auf der zweiten Ebene, 4 % auf der dritten Ebene, 5 % auf der vierten Ebene und 6 % auf der fünften Ebene. Ausweislich des G.F.O. – Karriereplans kann der E. ferner einen Sonderbonus von maximal 1 % des Gesamtumsatzes seines „Teams“ ab der sechsten Ebene erzielen. Ab einer Anzahl von mindestens 25 aktiven Partnern erhält er ¼ % an deren Gesamtumsatz, bei 50 aktiven Partnern ½ % und ab 100 Partnern maximal 1 %. Mittels einer speziellen Software der G.F.O. werden sämtliche Umsätze und Provisionsansprüche der einzelnen Partner aufgelistet und nachgehalten. Sämtliche Partner werden über eine Internetverbindung über ihr Umsatz- und Provisionskonto informiert.
Bis zum Juni des Jahres 2008 hat die G.F.O. Umsätze in Höhe von etwa 2, 4 Millionen Euro erzielt. Für die G.F.O. waren im Juni 2008 54 Mitarbeiter tätig, davon 26 Festangestellte. Ferner sind etwa 10 000 Vertriebspartner registriert. Neben dem Zentrallager in I2 existieren bundesweit 66 Depots, ferner fünf in P. sowie jeweils eines in Belgien und Luxemburg.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bochum vom 05. Juni 2008 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 19. Juni 2008 ein dinglicher Arrest in das Vermögen der G.F.O. in Höhe von 2 399 638,10 € angeordnet.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die G.F.O. betreibe ein dem § 16 Abs. 2 UWG unterfallendes sogenanntes Schneeballsystem. Auf regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen mache sie Interessenten mit dem System vertraut. Diese sollten Starterpakete erwerben und animiert werden, selbst neue Teilnehmer zu gewinnen, die wiederum neue Mitglieder anwerben sollten. Durch dieses Schneeballsystem sei es gelungen, bis zum Juni 2008 Umsätze in einer Gesamthöhe von 2 399 638,10 € zu generieren.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschuldigte durch anwaltlichen Schriftsatz vom 26. Juni 2008 Beschwerde eingelegt und diese unter dem 30. Juni 2008 weiter begründet. Zur Begründung wurde unter Darstellung des Provisionssystems im Wesentlichen ausgeführt, bei dem Vertriebssystem der G.F.O handele es sich um ein Direktvertriebsunternehmen im Sinne des Multi-Level-Marketing-Verfahrens. Von den etwa 10 000 angeschlossenen Vertriebspartnern seien etwa 2.000 provisionsberechtigt und erhielten ausschließlich Provisionen auf verkaufte Waren. Es sei jedem Vertriebspartner selbst überlassen, ob er lediglich Waren an Endkunden verkaufen oder von Warenumsätzen der von ihm direkt oder indirekt angeworbenen Vertriebspartner im Wege von Provisionen profitieren wolle. Im Gegensatz zu den unter § 16 Abs. 2 UWG fallenden Systemen werde der Endkunde gerade nicht dazu veranlasst, Waren über den persönlichen Bedarf hinaus zu ordern.
Aufgrund der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Bochum vom 27. Juni 2008, in der im Wesentlichen die Qualifizierung des Vertriebssystems als sogenanntes Schneeballsystem wiederholt wird und auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Bochum der Beschwerde durch Beschluss vom 27. Juni 2008 nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Bochum vorgelegt.
Letzteres hat durch den angefochtenen Beschluss die Beschwerde verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf seinen weiteren Beschluss vom selben Tage, der die Durchsuchung der Geschäftsräume der G.F.O. zum Gegenstand hatte, Bezug genommen. Das Landgericht geht wegen der „explosionsartigen“ Zunahme von Vertriebspartnern von einem § 16 Abs. 2 UWG unterfallenden Schneeballsystem aus und stellt ferner auf die Provisionszahlungen bis über die fünfte Ebene hinaus ab.
Gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 26. Juli 2008 hat der Beschwerdeführer durch anwaltlichen Schriftsatz vom 10. Oktober 2008 weitere Beschwerde eingelegt. Zur Begründung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wird unter nochmaliger Darstellung des Vertriebs- und Provisionssystems ausgeführt, es handele sich nicht um ein sogenanntes Schneeballsystem, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 2 UWG nicht vorlägen.
Die Staatsanwaltschaft hat unter dem 27. Oktober 2008 dazu Stellung genommen und beantragt, der weiteren Beschwerde nicht abzuhelfen.
Das Landgericht Bochum hat der weiteren Beschwerde durch Beschluss vom 30. Oktober 2008 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat über die Generalstaatsanwaltschaft, die unter dem 19. November 2008 beantragt hat, die weitere Beschwerde zu verwerfen, zur Entscheidung vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat die weitere Beschwerde durch anwaltlichen Schriftsatz vom 27. November 2008 unter nochmaliger Darstellung des Vertriebs- und Provisionssystems ergänzend begründet.
II.
1. Die weitere Beschwerde ist gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO wegen Überschreitens der 20.000,00 €-Grenze zulässig. Die Zulassung einer weiteren Beschwerde trägt „ dem Aspekt Rechnung, dass dem Betroffenen mit einer Arrestierung oftmals erhebliche Vermögenswerte entzogen werden, was insbesondere bei Firmenvermögen den Fortbestand des Unternehmens und damit die wirtschaftliche Existenz sowohl des Betroffenen als auch der Firmenangehörigen (Arbeitnehmer) in Frage stellen kann.“ Es erschien deshalb dem Gesetzgeber angemessen, „ dem Betroffenen jedenfalls bei einem dinglichen Arrest über mehr als 20 000 Euro das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde zu eröffnen. …“ (BT-Dr. 16/2021, S. 13).
2. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die angefochtenen Beschlüsse waren aufzuheben. Die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz gemäß §§ 73a Abs. 1 S. 1, 73 Abs. 1 S. 1 StGB liegen nicht vor. Der Beschuldigte ist einer Straftat nach § 16 Abs. 2 UWG nicht hinreichend verdächtig.
Nach dieser Vorschrift, die im Zuge der UWG – Reform 2004 eingeführt wurde und seit dem 08. Juli 2004 gültig ist, macht sich strafbar, wer es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, Verbraucher zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, sie würden entweder vom Veranstalter selbst oder von einem Dritten besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen, die ihrerseits nach Art dieser Werbung derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer erlangen sollen.
a) Vor der UWG – Reform 2004 wurde die Strafbarkeit progressiver Kundenwerbung durch § 6c UWG geregelt. Diese Vorschrift war durch Artikel 4a Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15. Mai 1986 eingeführt worden, da der Gesetzgeber den zivilrechtlichen Schutz und die abschreckende Wirkung durch Unterlassungsgebot, einstweilige Verfügungen und Schadenersatzansprüche als nicht ausreichend ansah und die Einführung eines speziellen Straftatbestandes für erforderlich hielt (BT-Dr. 10/5058 S. 38). Die Vorschrift entsprach im Wesentlichen dem § 16 Abs. 2 UWG. Allerdings stellte sie in sämtlichen Fassungen ausdrücklich auf das Vorteilsversprechen gegenüber Nichtkaufleuten ab.
Erst mit der Einführung des § 16 Abs. 2 UWG wurde der geschützte Personenkreis auf Verbraucher beschränkt, da der Gesetzgeber „ nur insoweit ein erhebliches Gefährdungspotential „ sah (amtliche Begründung, BT-Dr. 15/1487 S. 26). Dies stellte der Gesetzgeber im Zuge der UWG – Reform 2004 auch durch das Einfügen des § 1 S. 1 UWG in der Fassung vom 03. Juli 2004 klar. Danach ist unter anderem „ der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher „ ausdrücklich als Gesetzeszweck aufgeführt.
b) Nach der Auffassung des Senates handelt es sich bei dem von der G.F.O. akquirierten Personenkreis nicht um „ Verbraucher „ im Sinne des § 16 Abs. 2 UWG.
aa) Durch die Verwendung des Begriffes des „Verbrauchers“ hat der Gesetzgeber nicht gegen das Bestimmtheitsgebot aus Artikel 103 Abs. 2 GG verstoßen, so dass es nicht etwa seitens des Senats einer Vorlage nach Artikel 100 GG bedurfte. Artikel 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen (BVerfGE 73, 206, 234; 75, 329, 341; 78, 374, 381 f.; 105, 135, 152 /153). Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die der Auslegung bedürfen, ist dadurch nicht ausgeschlossen (BVerfGE 73, 206, 234; 75, 329, 341) . Die äußerste Grenze der Auslegung ist dabei der Wortlaut, es ist aber auch der verfolgte Gesetzeszweck zu berücksichtigen.
bb) Nach dem § 2 Abs. 2 UWG gilt für den wettbewerbsrechtlichen Verbraucherbegriff der § 13 BGB entsprechend. Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, das weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.
Der Verbraucherbegriff des § 13 BGB geht auf Artikel 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (– Fernabsatzrichtlinie –) zurück und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Ziel der Richtlinie war es, den Verbraucher vor irreführenden und aggressiven Verkaufsmethoden im Fernabsatz zu schützen. In Artikel 2 Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie ist Verbraucher als jede natürliche Person definiert, die beim Abschluss von Verträgen zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
Auch die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern ist für die Auslegung des UWG von besonderer Bedeutung. Gemäß Artikel 19 Abs. 1 und 2 der Richtlinie sollten die Mitgliedsstaaten die Richtlinie rechtzeitig in innerstaatliches Recht umsetzen und ab dem 12. Dezember 2007 anwenden. Da Deutschland dem noch nicht nachgekommen ist, ist ab dem 12. Dezember 2007 das derzeit geltende UWG entsprechend der Richtlinie auszulegen. Nach Artikel 2 lit. a) der Richtlinie ist Verbraucher jede natürliche Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Wie sich aus den Regelungen zu Artikel 5 bis 8 der Richtlinie ergibt, soll sie den Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken schützen, die seine Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit beeinträchtigen und ihn dazu veranlassen können, geschäftliche Entscheidungen zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ihre Zielrichtung ist es, den Verbraucher besonders zu schützen, weil er gegenüber seinem beruflich oder gewerblich handelnden Kontrahenten wirtschaftlich schwächer oder weniger erfahren ist. Diesen besonderen Schutzzweck hat auch der Europäische Gerichtshof bei der Auslegung des Verbraucherbegriffes zugrunde gelegt (EuGH, WM 1997, 1549, 1551; NJW 2005, 653, 654, jeweils zu Artikel13 ff. EuGVÜ). Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis des Verbraucherbegriffs kann für die Auslegung des § 13 BGB herangezogen werden, weil – wie ausgeführt – die Vorschrift eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift zum Vorbild hatte (Artikel 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (– Fernabsatzrichtlinie –). Unter Berücksichtigung des besonderen Schutzzwecks ist der gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherbegriff eng auszulegen. Darunter fallen lediglich Endverbraucher, die ausschließlich zu privaten Zwecken im Geschäftsverkehr auftreten. Dies ist nach der Stellung der Person innerhalb des konkreten Vertrages in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung, nicht aber nach der subjektiven Stellung der Person zu beurteilen (EuGH, WM 1997, 1549, 1550).
cc) Daraus folgt für die Auslegung des wettbewerbsrechtlichen Verbraucherbegriffes, dass ausschließlich der Zweck des Handelns maßgebliches Beurteilungskriterium ist. „Verbraucher“ ist demnach jede natürliche Person, die im Geschäftsverkehr zu Zwecken handelt, die weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen sind (so auch: Piper, in: Piper, UWG, 4. Aufl. 2006, § 2 Rn. 82; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl. 2008, § 2 Rn. 76). Soweit § 13 BGB im Gegensatz zu den gemeinschaftsrechtlichen Definitionen nur bei einem Handeln zu selbstständigen beruflichen Zwecken den Verbraucherbegriff verneint, ist dies unschädlich. Denn eine Verstärkung des Verbraucherschutzes über den Umfang der Richtlinien hinaus, ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar (Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl. 2008, § 2 Rn. 84).
Demnach ist „Verbraucher“ im Sinne des § 16 Abs. 2 UWG in Verbindung mit §§ 2 Abs. 2 UWG, 13 BGB jede natürliche Person, die im Geschäftsverkehr zu privaten Zwecken handelt. Privat ist alles, was dem privaten Konsum oder der sonstigen individuellen Bedarfsdeckung und der persönlichen Daseinsvorsorge dient (Piper, in: Piper, UWG, 4. Aufl. 2006, § 2 Rn. 83).
Diese Gruppe bedarf des besonderen Schutzes, da sie im Vergleich zu den beruflich oder gewerblich handelnden Vertragspartnern als wirtschaftlich schwächer und weniger erfahren angesehen wird.
dd) Unter diesen engen Verbraucherbegriff fallen nach Ansicht des Senates die durch die G.F.O. akquirierten Erstinteressenten aber nicht.
Sie handeln bei Abschluss des Partnervertrages bei objektiver Betrachtung nicht ausschließlich zur privaten Bedarfsdeckung. Dies wäre der Fall, wenn die Erstinteressenten den Partnervertrag nur deshalb abschlössen, um die im Starter-Paket enthaltenen Jeans-Hosen für den Eigenbedarf zu erwerben. Dies mag im Einzelfall vorkommen, entspricht jedoch nicht dem erstrebten Geschäftsmodell der G.F.O.. Dieses ist gerade darauf ausgelegt, dass der Erstinteressent sich durch den Abschluss des Partnervertrages die Möglichkeit eröffnet, a) Jeans-Hosen als selbstständiger Handelsvertreter an Endabnehmer zu veräußern, um die Handelsmarge zu erzielen und b) weitere Interessenten zu werben und dadurch in den Genuss von Provisionszahlungen zu kommen.
Diese Zielrichtung ergibt sich zum einen aus dem Umfang der zur Verfügung stehenden Starter-Pakete. Mit Ausnahme des Mini-Pakets, welches fünf Hosen umfasst, sind die weiteren Pakete derart umfangreich bis zu einer Stückzahl von über 1000 Hosen, dass eine private Verwendung nicht nachvollziehbar ist. Ferner ist es zur Deckung des Eigenbedarfs nicht nötig, den Partnervertrag abzuschließen, zumal der Verkaufspreis von 23,50 € den Einkaufspreis von 16,30 € nicht wesentlich übersteigt.
Zum anderen wird diese von der G.F.O. verfolgte Zielrichtung auch an den hohen Verdienstmöglichkeiten durch Provisionszahlungen deutlich, deren erheblicher Umfang sich aus den eigenen Einkommensbeispielen der G.F.O. unter Ziff. 2.6 des „Schnelleinstiegs in die G. Geschäftsgelegenheit“, der Bestandteil des Partnervertrages ist, ergibt.
Damit verfolgt der Erstinteressent bei Abschluss des Partnervertrages mangels privater Bedarfsdeckung keine ausschließlich privaten Zwecke, ist also nicht Verbraucher.
Selbst wenn – wie der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung vorträgt – es nach den Geschäftsmodell der G.F.O. möglich und erwünscht ist, durch den Abschluss des Partnervertrages lediglich die Hosen des Starter-Pakets für den Eigenbedarf zu erwerben, andererseits aber weitere Interessenten zu werben, um Provisionszahlungen zu erhalten, ändert dies nichts. In diesem Fall handeln die Erstinteressenten sowohl zu einem privaten Zweck, als auch zu einem gewerblichen bzw. selbstständig beruflichen Zweck. Auch dann fallen sie nicht unter den engen wettbewerbsrechtlichen Verbraucherbegriff. Dies ergibt sich aus dem gemeinschaftsrechtlichen Verständnis des Verbraucherbegriffs bei Verträgen mit doppeltem Zweck.
Nach „ ihrem Wortlaut, ihrem Geist und ihrer Zielsetzung „ (EuGH, WM 1997, 1549, 1551 – zu Artikel 13, 14 EuGVÜ) sind gemeinschaftsrechtliche Verbraucherschutzvorschriften so zu verstehen, dass ihr besonderer Schutz nur für solche Verträge gilt, die „ ohne Bezug zu einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen geschlossen werden „ (EuGH, a.a.O., 1549, 1551). Wenn aber Zweck dieser Vorschriften ist, denjenigen zu schützen, der gegenüber seinem Vertragspartner als der wirtschaftlich schwächere und weniger erfahrene Teil angesehen wird, dann folgt daraus für Verträge, die teilweise einem beruflichen-gewerblichen Zweck dienen, dass sie nicht unter diese besonderen Schutzvorschriften fallen. Er ist dann als „ auf gleicher Stufe wie der Vertragspartner „ anzusehen. (EuGH, NJW 2005, 653, 654). Eine Ausnahme kommt nur dann in Betracht, wenn „ die Verbindung zwischen diesem Vertrag und der beruflich-gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen so schwach wäre, dass sie nebensächlich würde (….) und insgesamt betrachtet nur eine ganz untergeordnete Rolle spielte „ (EuGH, a.a.O., 653, 654, 655). Die Abgrenzung hat das angerufene Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher, sich aus den Akten ergebender objektiver Umstände zu treffen (EuGH, a.a.O., 653).
Die Abgrenzung ergibt, dass die Erstinteressen mit dem Abschluss des Partnervertrages nach dem intendierten Geschäftsmodell der G.F.O. im Regelfall nicht lediglich nebensächliche und ganz untergeordnete gewerbliche oder selbstständige berufliche Zwecke verfolgen. Sie sollen als selbstständige Handelsvertreter Jeans-Hosen an Endabnehmer verkaufen und durch die Anwerbung weiterer Interessenten ein „Team“ aufbauen, auf dessen Umsätze sie Provisionszahlungen erhalten. Bereits angesichts des Umfangs der Starter-Pakete und der erheblichen Verdienstmöglichkeiten durch die Provisionen ist ein ganz untergeordneter gewerblich oder selbstständig beruflicher Zweck nicht anzunehmen.
Das Geschäftsmodell der G.F.O. ist ferner darauf ausgelegt, dass der Erstinteressent sich mit Abschluss des Partnervertrages ein selbstständiges Gewerbe aufbaut. Dadurch erhalten die Erstinteressenten den Status von Existenzgründern. Das sind natürliche Personen, die zum Zwecke der Vorbereitung und Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit handeln. Diese fallen gerade nicht unter den engen Verbraucherbegriff des § 16 Abs. 2 UWG in Verbindung mit §§ 2 Abs. 2 UWG, 13 BGB (EuGH, WM 1997, 1549, 1551; BGH, ZIP 2005, 622, 623).
Dies ergibt ebenfalls die richtlinienkonforme Auslegung des Verbraucherbegriffes unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des Gemeinschaftsrechts.
Unter Berücksichtigung des Zweckes der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien zum Verbraucherschutz und des UWG bedürfen Existenzgründer keines besonderen Schutzes als wirtschaftlicher schwächerer oder unerfahrener Vertragspartei. Denn wer sich zur Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit entschieden hat und vorbereitende oder unmittelbar eröffnende Geschäfte vornimmt, begibt sich in den unternehmerischen Geschäftsverkehr. Er handelt in diesem Fall nicht mehr zu privaten Zwecken. Der Umstand, dass der Zweck des Handelns nicht auf eine bereits bestehende, sondern erst zukünftige berufliche oder gewerbliche Tätigkeit gerichtet ist, ändert nichts an ihrer beruflichen oder gewerblichen Natur (EuGH, a.a.O., 1549, 1551).
Für diese Auslegung spricht auch § 507 BGB, der durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (– Schuldrechtsmodernisierungsgesetz –) vom 26. November 2001 mit Geltung ab dem 01. Januar 2002 eingeführt wurde. Nach dieser Norm gelten die Vorschriften über Verbraucherdarlehn, Zahlungsaufschub, sonstige Finanzierungshilfen und Ratenkreditlieferungsverträge (§§ 491 bis 506 BGB) auch für entsprechende Geschäfte im Rahmen der Existenzgründung bis zu einer Höhe 50.000,00 €. In diesem Umfang werden damit Existenzgründer vom Gesetzgeber ausdrücklich den Verbrauchern gleichgestellt. Aus dem Umkehrschluss ergibt sich, dass Existenzgründer den Verbrauchern grundsätzlich nicht gleichgestellt sind (BGH, ZIP 2005, 622, 623). Die Gegenmeinung (Heinrichs, in: Palandt, § 13 Rn. 3; Micklitz, in: Münchener Kommentar, UWG, § 13 Rn. 41; so wohl auch OLG Hamm, Urteil vom 08.09.2005 – 28 U 60/05, NZV 2006, 421, 423 ohne weitere Begründung) steht nicht in Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat bewusst die §§ 491 bis 506 BGB auf Existenzgründer für anwendbar erklärt, ohne sie als Verbraucher einzustufen, um eine „Aufweichung“ der Definition des Verbrauchers in § 13 BGB zu vermeiden (BT-Dr. 14/6857, S. 33).
Nach alledem sind die Erstinteressenten keine „Verbraucher“ im Sinne des § 16 Abs. 2 UWG in Verbindung mit §§ 2 Abs. 2 UWG, 13 BGB. Hinreichender Tatverdacht bezüglich einer rechtswidrigen Tat, wie § 111d Abs. 1 S. 1 StPO in Verbindung mit §§ 73 Abs. 1, 73a StGB voraussetzt, ist damit nicht gegeben.
c) Zwar ist damit bei Anwendung des engen Verbraucherbegriffes der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 UWG stark eingeengt. Dies ist aber unter Berücksichtigung des Gebotes der gemeinschaftsrichtlinienkonformen Auslegung und des verfassungsrechtlich garantierten Analogieverbotes aus Artikel 103 Abs. 2 GG hinzunehmen.
Das Gebot der gemeinschaftsrichtlinienkonformen Auslegung verbietet eine Erweiterung des Verbraucherbegriffes im nationalen Recht (Fezer, in: Fezer, UWG, Bd. I, Lauterkeitsrecht, § 2 Rn. 149), da andernfalls die einheitliche Anwendung der Verbraucherschutzvorschriften in allen Mitgliedsstaaten nicht gewährleistet ist (EuGH, WM 1997, 1549, 1550 zu Artikel 13, 14 EuGVÜ).
Ferner folgt aus dem verfassungsrechtlichen Analogieverbot, welches aus Artikel 103 Abs. 2 GG hergeleitet wird (BVerGE 73, 206, 236; 75, 329, 340), dass es der alleinigen Entscheidung des Gesetzgebers obliegt, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen will (BVerfGE 73, 206, 236). Strafbarkeitslücken sind hinzunehmen, auch wenn das in Rede stehende Verhalten strafwürdig erscheinen mag (BVerfGE 73, 206, 236; BayObLG, WRP 1990, 755, 757 zu § 6c UWG alte Fassung).
Durch die Entscheidung, den Begriff des Nichtkaufmanns aus § 6c UWG alte Fassung gegen den des Verbrauchers in § 16 Abs. 2 UWG zu ersetzen, hat der Gesetzgeber eine Einengung der Strafbarkeit progressiver Kundenwerbung bewusst in Kauf genommen. Wie bereits ausgeführt, hat er nur dem Verbraucher gegenüber ein „ erhebliches Gefährdungspotential „ gesehen (BT-Dr. 15/1487, S. 26). Dies ist aber von der Rechtsprechung hinzunehmen.
d) Ob möglicherweise Bedenken wettbewerbsrechtlicher Art ohne strafrechtliche Relevanz gegen das von G.F.O. praktizierte Vertriebssystem gegeben sind, hatte der Senat nicht zu entscheiden.
Immerhin finden sich aber Anhaltspunkte dafür, dass es sich um ein System handeln könnte, das Merkmale eines sogenannten Schneeballsystems, eventuell in Kombination mit Merkmalen sogenannter Pyramidensysteme, in abgewandelter Ausprägung aufweist. Solche Systeme sind in unterschiedlicher Ausgestaltung in der Rechtsprechung überwiegend als unlauter angesehen worden (vergleiche hierzu: bejahend: BGHZ, 15, 356 ff. = NJW 1955, 377 ff. – sogenannter Kaffeevertriebsfall – zu §§ 1, 3 UWG alte Fassung, in dem jeder Kunde für die Anwerbung eines neuen Kunden einen Preisnachlass von 20 % erhielt, so dass sich der Kaufpreis bei fünf angeworbenen Kunden amortisierte; OLG Hamburg, WRP 1986, 41 ff. zu § 15 GWB alte Fassung und § 1 UWG alte Fassung: Verkauf im Direktvertrieb über Laienberater; einmalige Verpflichtung zur Abnahme von „Verkaufsunterlagen“; Anwerben neuer Berater, die die Produkte über den Anwerber beziehen, mit Möglichkeit umsatzabhängiger Sonderzahlungen nach einem Punktesystem; Rückgabemöglichkeit der Produkte und Unterlagen bei Beendigung der Beratertätigkeit abzüglich 5 % Verwaltungskosten; OLG München, WRP 1996, 42 – „Herbalife“ – zu §§ 1, 3 UWG alte Fassung: Warenverkauf durch selbstständige Kommissionäre im Direktvertrieb an Endkunden und Anwerbung neuer Teilnehmer mit Möglichkeit von Sonderzahlungen auf deren Umsätze; LG Hamburg, Urteil vom 05. März 2007 – 408 O 340/06 – zu § 16 Abs. 2 UWG: Direktvertrieb durch Kunden, die zur monatlichen Mindestabnahme verpflichtet sind und die Möglichkeit haben, auf das Anwerben neuer Teilnehmer Sonderzahlungen im Sinne sogenannter Kopfprämien zu erhalten; verneinend: LG Offenburg ,WRP 1998, 85 zu § 6c alte Fassung: Direktvertrieb durch Laien als selbstständige Verkaufskommissionäre; keine Mindestabnahmeverpflichtung; Aufbau hierarchischer Struktur durch Anwerben neuer Teilnehmer, die ihre Produkte vom Anwerber oder dem Unternehmen direkt beziehen; Zahlung einer „Sicherheitsleistung“ bei Warenbestellungen in Höhe des Endverkaufspreises abzüglich umsatzabhängiger Provision).
Auch in der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern ist das Schneeballsystem ausdrücklich als verbotene unlautere Geschäftspraktik aufgeführt (Artikel 5 Abs. 1, Abs. 5 i.V.m. Anhang I Nr. 14).
III. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 StPO analog.