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BGH Urteil vom 22.10.2009 - I ZR 73/07 - Zur Beweislast bei Inanspruchnahme wegen Behauptung einer Spitzenstellung

BGH v. 22.10.2009: Zur Beweislast bei Inanspruchnahme wegen Behauptung einer Spitzenstellung


Der BGH (Urteil vom 22.10.2009 - I ZR 73/07) hat entschieden:
Nimmt ein Wettbewerber den anderen wegen der Behauptung einer Spitzenstellung gerichtlich in Anspruch, trifft den Beklagten zwar grundsätzlich eine prozessuale Aufklärungspflicht hinsichtlich der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Alleinstellungsbehauptung. Dies gilt aber nicht, wenn der Kläger ausnahmsweise selbst über die erforderlichen Kenntnisse verfügt, um die Richtigkeit der beanstandeten Behauptung beurteilen zu können.




Siehe auch Alleinstellungswerbung und Werbung allgemein


Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Oberflächenbearbeitung. Die durch Gesellschaftsvertrag vom 4. Januar 2006 errichtete Beklagte ist seit Februar 2006 auf demselben räumlichen und sachlichen Markt wie die Klägerin tätig. Die Geschäftsführer der Beklagten, die zugleich ihre Gesellschafter sind, waren zuvor als Vertriebsleiter und Betriebsleiter bei der Klägerin tätig. Sie schieden dort ebenso wie weitere Mitarbeiter zum 31. Januar 2006 aufgrund eigener Kündigung aus und wurden danach für die Beklagte tätig.

Die Klägerin wendet sich gegen Werbeaussagen in dem nachstehend verkleinert wiedergegebenen Werbeprospekt, den die Beklagte nach ihrer Gründung verteilt hat und der nach Ansicht der Klägerin eine unzulässige Alters- und Alleinstellungswerbung enthält. Sie nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

[folgen Abbildungen]
Das Landgericht hat die Klage – soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung – abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt,
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, in Bezug auf ihr Unternehmen zu behaupten,

  1. Hier spiegelt sich Erfahrung.

    hotec
    Hochglanzpolitur
    Laserschweißen
    Oberflächenschutz;

  2. Der Name Hotec ist neu für Sie?

    Das wundert uns nicht. Vielleicht kommen Ihnen aber die Gesichter von hotec bekannt vor. Hinter unserer noch jungen Firma stecken erfahrene Spezialisten der Branche. Jeder in unserem Team bringt fundiertes Know-how in die Werkzeugoberflächenbearbeitung und -reparatur ein. In der Summe bündeln wir für Ihre Werkzeuge eine Material- und Verfahrenskompetenz in Politur, Laserschweißen und Oberflächenschutz, die am Markt ihresgleichen sucht,

jeweils wie dies mit dem vorgelegten Gesamtprospekt der Beklagten geschehen ist.

Ferner hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Auskunft verurteilt, ihre Verpflichtung zum Schadenersatz festgestellt und der Klägerin 2 065,03 € für Abmahnkosten zugesprochen.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin tritt der Revision entgegen.


Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat die Unterlassungsansprüche der Klägerin unter den Gesichtspunkten einer unlauteren Alterswerbung (Antrag zu a) und einer unlauteren Spitzenstellungswerbung (Antrag zu b) für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

Die Aussage „Hier spiegelt sich Erfahrung“ beziehe sich nach der Gesamtwirkung der Werbung auf das Unternehmen der Beklagten. Gerade der hervorgehobene Mittelteil des Prospekts mit der Aussage „100 Jahre gebündelte Spezialisten-Erfahrung – von diesem Kapital werden Sie profitieren“ mit Abbildungen von acht Mitarbeitern zeige im Zusammenhang mit der einleitend angesprochenen eigenen Erfahrung der Beklagten, dass eine Bündelung der Erfahrung in dem Unternehmen selbst bestehe und konkret dort über die Jahre gesammelt worden sei. Der Hinweis auf eine Erfahrung von hundert Jahren werde nicht dahin aufgelöst, dass die einzelnen Mitarbeiter diese Erfahrungszeiten – auch aus anderen Unternehmen – mitbrächten. Soweit an späterer Stelle – nachrangig klein und schnell zu überlesen – mitgeteilt werde, dass hinter der noch jungen Firma erfahrene Spezialisten der Branche steckten, werde dadurch der zuvor erzeugte Eindruck nicht in dem Sinne korrigiert, dass hier eine junge Mannschaft tätig sei, die nicht aus Anfängern bestehe.

Bei der Angabe, die Beklagte bündele in der Summe eine Material- und Verfahrenskompetenz in Politur, Laserschweißen und Oberflächenschutz, die am Markt ihresgleichen suche, handele es sich um eine irreführende und damit unlautere Spitzenstellungswerbung. Diese Aussage enthalte einen objektiv nachprüfbaren Tatsachenkern, weil Material- und Verfahrenskompetenz quantifiziert und gemessen werden könnten. Es handele sich nicht lediglich um eine reklamehafte Übertreibung. Dass die Beklagte über die beworbene Spitzenstellung verfüge, lasse sich nicht feststellen.


II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die beanstandete Werbung der Beklagten ist weder als Alters- noch als Spitzenstellungswerbung unlauter.

1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des am 30. Dezember 2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949) anzuwenden, mit dem die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umgesetzt worden ist. Der im Streitfall auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn die beanstandete Verhaltensweise auch schon zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2005 – I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 – Direkt ab Werk; Urt. v. 28.6.2007 – I ZR 153/04, GRUR 2008, 186 Tz. 17 = WRP 2008, 220 – Telefonaktion). Demgegenüber kommt es für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (vgl. BGH, Urt. v. 19.4.2007 – I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 15 = WRP 2007, 1337 – 150 % Zinsbonus), während für die Feststellung der Schadensersatzpflicht und die Auskunftserteilung die Rechtslage zum Zeitpunkt der Begehung der angegriffenen Handlung maßgeblich ist ( BGH GRUR 2005, 442 – Direkt ab Werk).

Der hier allein in Betracht kommende Unlauterkeitstatbestand der irreführenden unternehmensbezogenen Werbung hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG keine Änderung erfahren. Sowohl § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 wie auch § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG nennen als Beispiele für Irreführung insbesondere irreführende Angaben über Eigenschaften oder Befähigung des Unternehmers. Es ist deshalb nicht erforderlich, zwischen der vor und nach dem 30. Dezember 2008 geltenden Rechtslage zu unterscheiden.

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht für die Beurteilung der Aussage „Hier spiegelt sich Erfahrung“ darauf abgestellt, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung aufgrund des Gesamteindrucks des Prospekts versteht (vgl. BGH, Urt. v. 24.10.2002 – I ZR 100/00, GRUR 2003, 361, 362 = WRP 2003, 1224 – Sparvorwahl). Aus Rechtsgründen zu beanstanden ist dagegen, wie das Berufungsgericht den Gesamteindruck der beanstandeten Werbung gewürdigt hat. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wird es für den situationsadäquat aufmerksamen Vertreter der durch die Werbung (ausschließlich) angesprochenen Fachkreise nach dem Gesamtzusammenhang des Prospekts hinreichend deutlich, dass sich die zunächst nicht näher spezifizierte Aussage der Titelseite „Hier spiegelt sich Erfahrung“ nur auf die Erfahrung der bei dem neu gegründeten Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter beziehen kann.

Wie die Beklagte unter Bezugnahme auf den Originalprospekt ausgeführt hat, handelt es sich um ein Faltblatt, das aus drei zweiseitig bedruckten DIN-A4-Blättern besteht, wobei das dritte Blatt nach innen geklappt ist und das erste Blatt wie ein Titelblatt oben aufliegt. Es kann dahinstehen, ob die von der Werbung angesprochenen Personen bei Öffnen des Prospekts zunächst, wie es das Berufungsgericht angenommen hat, dessen erst nach vollständigem Aufklappen sichtbaren Mittelteil oder zuvor den Text auf der nach innen geklappten Seite zur Kenntnis nehmen. In beiden Fällen werden sie durch den Text der Werbung deutlich darauf hingewiesen, dass sich die in Anspruch genommene Erfahrung auf die Mitarbeiter des Unternehmens der Beklagten bezieht und keine Aussage über das Alter des Unternehmens enthält.

Der Mittelteil des Prospekts zeigt unter der Überschrift
„100 Jahre gebündelte Spezialisten-Erfahrung – von diesem Kapital werden Sie profitieren“
acht Abbildungen von Geschäftsführern und Mitarbeitern der Beklagten. Die im Titelblatt mit „Hier spiegelt sich Erfahrung“ angesprochene Erfahrung wird dadurch auf die abgebildeten Spezialisten „im Bündel“, also im Sinne der Summe der einschlägigen Berufserfahrung dieser Fachleute bezogen. Es wird mitgeteilt, dass die Spezialisten zusammengenommen über eine Erfahrung von einhundert Jahren verfügen. Der Eindruck, dass die Beklagte seit einhundert Jahren besteht, kann dabei nicht entstehen.

Wer dagegen nach Aufschlagen des Prospekts zuerst die nach innen geklappte Seite zur Kenntnis nimmt, liest folgenden Text:
Der Name hotec ist neu für Sie?

… Hinter unserer noch jungen Firma stecken erfahrene Spezialisten der Branche. Jeder in unserem Team bringt fundiertes Know-how in die Werkzeugoberflächenbearbeitung und -reparatur ein.
Die Aufmerksamkeit des Lesers wird damit gezielt darauf gelenkt, dass die Beklagte ein noch junges Unternehmen ist, jedoch erfahrene Spezialisten der Branche als Mitarbeiter gewonnen hat. Die textliche Gestaltung der Informationen auf der nach innen geklappten Seite mit dem Absatz „Der Name hotec ist neu für Sie?“ ist – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – auch keineswegs nachrangig klein. Sie entspricht vielmehr dem Text auf den anderen Seiten.

Auch der übrige Inhalt der Werbung rechtfertigt es nicht, in dem beanstandeten Satz „Hier spiegelt sich Erfahrung“ eine unzulässige Alterswerbung zu sehen. Die langjährige Erfahrung der Mitarbeiter der Beklagten hat die Klägerin nicht bestritten.

3. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht auch die Angabe „In der Summe bündeln wir für Ihre Werkzeuge eine Material- und Verfahrenskompetenz in Politur, Laserschweißen und Oberflächenschutz, die am Markt ihresgleichen sucht“ als irreführende und damit unlautere Spitzenstellungswerbung qualifiziert.

a) Nach Ansicht des Berufungsgerichts wird mit der Formulierung
„die am Markt ihresgleichen sucht“
zum Ausdruck gebracht, dass man erst richtig suchen müsse, um etwas Adäquates zu finden. Darin sei die Behauptung enthalten, dass die Beklagte zu einer Spitzengruppe gehöre und sich – zusammen mit anderen – vor sonstigen Mitbewerbern auszeichne. Es sei indes nicht festzustellen, dass die Beklagte über die beworbene Spitzenstellung verfüge.

b) Bei diesen Ausführungen ist das Berufungsgericht von einer rechtsfehlerhaften Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zwischen den Parteien ausgegangen.

Wenn die Beklagte von einer Kompetenz spricht, die am Markt ihresgleichen sucht, so wird dies der verständige Leser des Prospekts dahin verstehen, dass die Mitarbeiter des Teams der Beklagten ein in der Branche nicht alltägliches Know-how bündeln. Aus dem beanstandeten Prospekt ergibt sich eindeutig, dass eine besondere Material- und Verfahrenskompetenz nur für die als Team bei der Beklagten tätigen Mitarbeiter in Anspruch genommen wird. Es heißt:
… Jeder in unserem Team bringt fundiertes Know-how in der Werkzeugoberflächenbearbeitung und -reparatur ein. In der Summe bündeln wir für Ihre Werkzeuge eine Material- und Verfahrenskompetenz …
Die Kernaussage des Prospekts liegt gerade in der Gegenüberstellung von noch jungem Unternehmen und erfahrenen Mitarbeitern. Die beanstandete Aussage gibt der Einschätzung der Beklagten Ausdruck, dass sie im Hinblick auf die Kompetenz ihrer Mitarbeiter den Vergleich mit ihren Mitbewerbern nicht scheuen muss.

Unter diesen Umständen oblag es der Klägerin darzulegen und zu beweisen, dass die Mitarbeiter der Beklagten tatsächlich nicht über die in Anspruch genommene Kompetenz verfügen. Zwar besteht im Bereich der Spitzenstellungswerbung grundsätzlich eine prozessuale Aufklärungspflicht des Werbenden (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 5 Rdn. 2 155 und 3.25). Hier ist aber zu berücksichtigen, dass die als erfahren beworbenen Mitarbeiter der Beklagten zuvor bei der Klägerin beschäftigt waren. Es war der Klägerin also ohne weiteres möglich, gegebenenfalls eine mangelnde fachliche Qualifikation dieser Mitarbeiter darzulegen und zu beweisen. Für eine Beweiserleichterung zugunsten der Klägerin besteht deshalb kein Anlass. Die Klägerin hat aber die langjährigen Erfahrungen und die Qualifikation der Mitarbeiter der Beklagten nicht in Abrede gestellt.

4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht unter dem Aspekt einer unzulässigen vergleichenden Werbung als richtig. Zwar fordert der Hinweis auf „bekannte Gesichter“ den Leser dazu auf zu erkennen, dass die Mitarbeiter der Beklagten zuvor bei der Klägerin beschäftigt waren. Die Offenlegung dieser zutreffenden Tatsache führt aber zu keiner nach § 6 Abs. 2 UWG unzulässigen vergleichenden Werbung, weil weder Unternehmen noch deren Produkte oder Dienstleistungen gegenübergestellt werden.

5. Da der Klägerin kein Unterlassungsanspruch zusteht, kann das Berufungsurteil auch insoweit keinen Bestand haben, als die Beklagte zur Auskunft verurteilt, ihre Verpflichtung zum Schadenersatz festgestellt und der Klägerin Abmahnkostenersatz zugesprochen wurde.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.






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