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OVG Münster Urteil vom 22.06.2005 - 13t A 53/03.T - Zur berufsrechtlichen Unzulässigkeit der Anzeigen- und Internetwerbung eines Augenarztes

OVG Münster v. 22.06.2005: Zur berufsrechtlichen Unzulässigkeit der Anzeigen- und Internetwerbung eines Augenarztes


Das OVG Münster (Urteil vom 22.06.2005 - 13t A 53/03.T) hat entschieden:

   Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Werbeverbote für Ärzte grundsätzlich gerechtfertigt, sie dürfen aber nicht in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eingreifen. Demgegenüber ist das Verbot berufswidriger Werbung verfassungsrechtlich unbedenklich. Das Werbeverbot für Ärzte soll dem Schutz der Bevölkerung dienen. Es soll das Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente verordnet. Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Das Werbeverbot beugt einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor, die einträte, wenn der Arzt Werbemethoden verwendete, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind.




Siehe auch Arztwerbung - Werbemaßnahmen von Ärzten, Zahnärzten und Kliniken und Stichwörter zum Thema Werbung


Zum Sachverhalt:


Der im Jahre ... geborene Beschuldigte erhielt die Approbation als Arzt mit Wirkung vom ... Er war von ... bis Ende ... als Facharzt für Augenheilkunde in eigener Praxis in I. niedergelassen. Während dieser Zeit war er zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen und am Ersatzkassenvertrag beteiligt. Seit Anfang ... ist er regelmäßig als Praxisvertreter in B. tätig.

Aufgrund eines entsprechenden Vorstandsbeschlusses beantragte die Antragstellerin, ein berufsgerichtliches Verfahren gegen den Beschuldigten zu eröffnen. Mit Beschluss vom 15. Mai 2002 eröffnete das Berufsgericht das Verfahren antragsgemäß. Gleichzeitig erteilte es ihm wegen Berufsvergehens einen Verweis und erlegte ihm eine Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro auf. Dem Beschuldigten wurde zur Last gelegt, gegen das Werbeverbot für Ärzte verstoßen zu haben,

   "indem er
unter der Überschrift "Neueröffnung einer chirurgischen augenärztlichen Abteilung" am ... sowohl in der "S. Zeitung" als auch in der "I. Allgemeinen Zeitung" eine Anzeige mit in Teilen berufswidriger Werbung veröffentlichte, - in der "I. Allgemeinen Zeitung" vom ... (richtig: ...) die Veröffentlichung eines Artikels über seine ärztliche Tätigkeit unter der Überschrift "Künstliche Augenlinse sorgt für Durchblick - Grauer Star: I. Arzt eröffnet chirurgische Abteilung" mit berufswidriger Werbung für seine ärztliche Tätigkeit als niedergelassener Augenarzt mindestens duldete,

die Anzeige vom ... in der "I. Allgemeinen Zeitung" vom ... (richtig: ...) - mit leicht geändertem Inhalt wiederholte und (in derselben Zeitung vom ...) einen Artikel unter der Überschrift 'Modernste Technik; Neue augenärztliche Chirurgie-Abteilung' mit berufswidriger Werbung für seine Tätigkeit als niedergelassener Augenarzt mindestens duldete,

Verstoß gegen § 29 Abs. 1 des Heilberufsgesetzes NRW (HeilBerG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2000, GVBl. NW 2000, 403 ff., § 27 Abs. 1 und 2 der Berufsordnung (BO) der Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 25. November 2000."

Zur Begründung hat das Berufsgericht ausgeführt: Die Anzeigen des Beschuldigten sowie die veröffentlichten Berichte über seine Praxis stellten in ihrer Gesamtheit eine berufswidrige Werbung dar. Die Anzeigen seien wegen der äußeren Aufmachung (Größe), der Art der Präsentation (aufdringliche, z.T. missverständliche Formulierung) und der Aufzählung diverser Leistungen zeitgleich mit den ebenfalls werbenden Artikeln in demselben Veröffentlichungsorgan als überzogene Werbung anzusehen, die über das Maß notwendiger Informationen hinausgehe. Auch die beiden Artikel hätten eindeutig werbenden Charakter. Bei der Auswahl der Maßnahme habe das Berufsgericht berücksichtigt, dass der Beschuldigte nicht vorbelastet sei; wegen der starken Werbewirkung müsse jedoch eine deutliche Sanktion erfolgen.

Der Beschuldigte beantragte fristgerecht mündliche Verhandlung. Die Hauptverhandlung fand am 6. November 2002 in Anwesenheit des Beschuldigten statt. Das Berufsgericht erkannte erneut auf einen Verweis und auf eine Geldbuße von 1.000, -- Euro. Es hielt eine Verletzung der Berufspflichten des Beschuldigten aus den in dem Beschluss vom 15. Mai 2002 festgehaltenen Erwägungen und in demselben Umfang für gegeben und führte zusätzlich aus: Die Einlassung des Beschuldigten in der Hauptverhandlung verdeutliche, dass dieser die Veröffentlichung der Artikel entgegen seiner früheren Darstellung ausdrücklich genehmigt habe.

Mit seiner Berufung machte der Beschuldigte geltend:

Mit der Anzeige vom ... habe er nur zutreffende Tatsachen verlautbart; der Rahmen sachlicher Information sei nicht überschritten worden. In dem Hinweis auf IGEL- Leistungen liege kein Gewinnstreben. Das Gegenteil sei der Fall. Er habe auf die mangelnde Erstattung kosmetischer Eingriffe durch die Krankenkasse und damit auf die Aussicht der Eigenzahlung hinweisen wollen. Die Größe der beiden Anzeigen sei im Hinblick auf die regelmäßig durch Alter und Erkrankung eingeschränkte Sehfähigkeit seiner Patienten gerechtfertigt. Es sei auch nicht unklar geblieben, ob die "chirurgische augenärztliche Abteilung" als Teil seiner Praxis anzusehen sei. Aus dem Kontext ergebe sich deutlich, dass der Operationsraum sich in der Praxis des Dr. T. befinde. Der Hinweis "Besuchen Sie mich demnächst im Internet" entspreche einer zeitgemäßen, üblichen Kommunikationsart. Der Zeitungsartikel vom ... bereite Informationen journalistisch, nicht aber marktschreierisch auf. Der Artikel mache den Leser mit einer Operationsmethode bekannt, die bundesweit bereits 4...0 mal jährlich - und nunmehr auch in der Nähe - angewendet werde. Der weitere Artikel vom ... enthalte eine Wiederholung, aber keine Neuerung oder Verstärkung in der Aussage.

Der Beschuldigte hat beantragt,

   das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass eine Verletzung von Berufspflichten nicht vorliegt.

Die Antragstellerin hat die Zurückweisung der Berufung beantragt.

Sie trägt vor: Bereits die Anzeige vom ... in zwei Tageszeitungen stelle für sich allein eine berufsrechtswidrige Werbung dar. Die Überschrift "Neueröffnung einer chirurgischen augenärztlichen Abteilung" sei in mehrfacher Hinsicht missverständlich. So entstehe der Eindruck, der Beschuldigte sei auch Facharzt für Chirurgie (was durch den Internet-Hinweis "ihr-k.chirurg.de" unterstützt werde). Auch könne der Leser irrtümlich annehmen, der Beschuldigte habe eine eigene Abteilung eröffnet, in der Operationen durchgeführt würden. Schließlich sei der Begriff "Kosmetische Chirurgie" missverständlich, da er auf ein eigenständiges Fachgebiet hindeute. Im Übrigen sei es ohnehin berufswidrig, mit bestimmten Leistungen eines ärztlichen Fachgebietes zu werben, die Teil des Fachgebietes seien. Auch die Anzeige vom ... sei nach Art und Umfang marktschreierisch. Der Text zur Internetadresse des Beschuldigten stelle eine kommerzialisierte Präsentation dar. Auch in den beiden Zeitungsartikeln werde suggeriert, der Beschuldigte sei Facharzt für Chirurgie. Zudem enthielten diese ebenfalls unzulässige Anpreisungen.

Die Berufung hatte teilweise hinsichtlich der erhobenen Vorwürfe und hinsichtlich des Strafmaßes Erfolg.





Aus den Entscheidungsgründen:


"...

Der Beschuldigte hat durch die Veröffentlichung der beiden Anzeigen sowie durch die Duldung der beiden Zeitungsartikel seine Berufspflichten verletzt, indem er gegen das in der Berufsordnung (BO) geregelte Verbot berufswidriger Werbung verstoßen hat (§ 32 Satz 2 Nr. 9 HeilBerG vom 9. Mai 2000, GV.NRW. S. 641, zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. März 2005, GV.NRW S. 148, i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 3 BO der Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 25. November 2000 - BO a.F. - bzw. § 27 Abs. 3 Satz 1 BO vom 15. November 2003 - BO n.F.). Der Senat kann offen lassen, ob wegen der Tatzeitpunkte ( ... und ...) von der alten Berufsordnung oder wegen des Rechtsgedankens der Meistbegünstigung (vgl. § 2 Abs. 3 StGB) von der erst im Februar 2004 in Kraft getretenen neuen Berufsordnung auszugehen ist, durch die das Werberecht der Ärzte grundlegend neu gestaltet wurde (hierzu 1.). Denn bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise führt die frühere Berufsordnung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu einer strengeren Beurteilung; vielmehr verbieten beide Fassungen eine berufswidrige Werbung (2.). Gegen dieses Verbot hat der Beschuldigte durch verschiedene irreführende Angaben in den Anzeigen und Zeitungsartikeln verstoßen (3).




1. Nach § 2 Abs. 3 StGB ist das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert wird. Der Senat hat erwogen, den in dieser Vorschrift angelegten Gedanken der Meistbegünstigung auch im Heilberufsrecht anzuwenden und die angeschuldigten Taten allein an der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen Lippe vom 15. November 2003 (BO n.F.) zu messen.

Nach der neueren disziplinarrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Regelung nach dem Meistbegünstigungsprinzip zwar nicht verfassungsrechtlich geboten. In Ansehung des Art. 3 Abs. 1 GG bedürfe es aber einer "gewichtigen Veranlassung", wenn auf die Anwendung dieser Regelung verzichtet werden soll. Ohne einen solchen wichtigen Grund käme es nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts "einer Vergewaltigung der materiellen Gerechtigkeit nahe, wenn der Richter noch ein Gesetz anwenden müsste, zu dessen Strenge der Gesetzgeber sich im Entstehungszeitpunkt nicht mehr bekennt."

   Vgl. im einzelnen Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. März 2004 - 1 D 23.03 -, BVerwGE 120, 218 (225); Urteil vom 8. September 2004 - 1 D 18.03 -, ZBR 2005, 91 (94); Urteil vom 23. Februar 2005 - 1 D 13.04 -, Jurisdokument.

Diese Rechtsprechung dürfte auf die hier zu beurteilende berufsrechtliche Frage übertragbar sein. Die disziplinarrechtlichen Maßnahmezwecke (Reinigung und Erziehung) sind nämlich weitgehend identisch mit den Zielen, die das (sonstige) Berufsrecht - auch dasjenige der Ärzte - verfolgt. Hinzu tritt, dass die Lockerung der Werbevorschriften durch die Berufsordnung vom 15. November 2003 dem schon seit langem erkannten Bedürfnis Rechnung trug, das Werberecht den verfassungs- und europarechtlichen Maßgaben anzupassen. Hierin liegt eine Parallele zur Neufassung der Regelung in § 14 Bundesdisziplinargesetz, die den Anlass für die Entwicklung der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gesetzt hat. Die Absicht der Ärztekammer Westfalen-Lippe, das ärztliche Werberecht im vorstehend dargelegten Sinne zu bereinigen, wird insbesondere belegt durch die von der Ärztekammer herausgegebene Broschüre "Arzt - Werbung - Öffentlichkeit 2003", in der nach Darstellung der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts die Musterberufsordnung der Bundesärztekammer vom 10. September 2002 i.d.F. vom 12. August 2003 mit zusätzlichen Hinweisen und Erläuterungen wiedergegeben wird. Die neugefassten Bestimmungen in der Berufsordnung 2003 gehen erklärtermaßen auf diese Beschlüsse der Bundesärztekammer zurück

   - vgl. Flenker, Westfälisches Ärzteblatt 2004, 12 -

und stimmen mit der Musterberufsordnung weitgehend überein.

2. Wendet man den Grundsatz der Meistbegünstigung an, so ist das mildeste Gesetz nach dem "Grundsatz der strikten Alternativität" dasjenige, das bei einem Gesamtvergleich im konkreten Einzelfall nach dessen besonderen Umständen die dem Täter günstigste Beurteilung zulässt.

   BGH, std. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 28. Oktober 1999 - 4 StR 460/99 - NStZ 2000, 136.

Vor diesem Hintergrund kann die aufgeworfene Frage letztlich offen bleiben, denn die frühere - in bezug auf Werbevorschriften restriktivere - Fassung der Berufsordnung hat aus verfassungsrechtlichen Gründen teilweise keinen Bestand. Soweit sie in zulässiger Weise eine berufswidrige, insbesondere anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung verboten hat, ist sie wortgleich mit der Neufassung (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 3 und 4 BO a.F. und § 27 Abs. 3 Satz 1 und 2 BO n.F.), so dass im Ergebnis nicht entschieden werden muss, welche der beiden Fassungen zur Anwendung kommt.

Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BO a.F. waren dem Arzt sachliche Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet; berufswidrige Werbung war untersagt (§ 27 Abs. 1 Satz 3 BO). Berufwidrig war nach § 27 Abs. 1 Satz 4 BO a.F. insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Für Praxisschilder, Anzeigen, Verzeichnisse, Patienteninformationen in Praxisräumen und öffentlich abrufbare Arztinformationen in Computerkommunikationsnetzen verwies § 27 Abs. 1 Satz 2 BO a.F. hinsichtlich Form, Inhalt und Umfang auf die Grundsätze des Kapitels D I Nrn. 1-6 der BO a.F. Die hier in Betracht kommende Nr. 3 (Anzeigen) lautete:
"(1)Anzeigen über die Niederlassung oder Zulassung dürfen nur in Zeitungen erfolgen. Sie dürfen außer der Anschrift der Praxis nur die für die Praxisbeschilderung gestatteten Angaben enthalten und nur dreimal in der gleichen Zeitung innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten zur Bekanntgabe der Niederlassung oder der Aufnahme der Vertragsarztpraxis veröffentlicht werden.

(2) Im übrigen sind Anzeigen in den Zeitungen nur bei Praxisaufgabe, Praxisübergabe, längerer Abwesenheit von der Praxis oder Krankheit sowie bei der Verlegung der Praxis und bei der Änderung der Sprechstundenzeit oder der Fernsprechnummer gestaltet. Derartige Anzeigen dürfen aus diesem Anlass höchstens dreimal veröffentlicht werden.

(3) Form und Inhalt dieser Zeitungsanzeigen müssen sich nach den örtlichen Gepflogenheiten richten.

(4) Ärztinnen und Ärzte, welche sich zu einem zugelassenen Praxisverbund (Kapitel D II Nr. 11) zusammengeschlossen haben, dürfen dies als Verbund in Zeitungsanzeigen bis zu dreimal bekanntgeben."
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Werbeverbote für Ärzte grundsätzlich gerechtfertigt, sie dürfen aber nicht in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eingreifen. Dies ist hier in bezug auf die zuletzt genannte Regelung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BO a.F. i.V.m. Kapitel D I Nr. 3 BO a.F.) der Fall; die Bestimmung ist unwirksam und kann daher als Grundlage für eine Berufspflichtverletzung des Beschuldigten nicht herangezogen werden. Demgegenüber ist das Verbot berufswidriger Werbung (§ 27 Abs. 1 Satz 3 und 4 BO a.F., wortgleich mit § 27 Abs. 3 Satz 1 und 2 BO n.F.) verfassungsrechtlich unbedenklich.



Das Werbeverbot für Ärzte soll dem Schutz der Bevölkerung dienen. Es soll das Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente verordnet. Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Das Werbeverbot beugt einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor, die einträte, wenn der Arzt Werbemethoden verwendete, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind.

Dem Arzt ist allerdings nicht jede, sondern lediglich solche Werbung verboten, die keine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt. Dem Arzt ist neben der auf seiner Leistung und seinem Ruf beruhenden Werbewirkung eine Reihe von Ankündigungen mit werbendem Charakter unbenommen: Er darf rechtmäßig erworbene Titel führen, seine Tätigkeit z.B. durch ein Praxisschild nach außen kundtun und auch durch Zeitungsanzeigen werben, sofern diese nicht nach Form, Inhalt oder Häufigkeit übertrieben wirken.

   BVerfG, std. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 18. Februar 2002 - 1 BvR 1644/01 - Tierarztwerbung -, NJW 2002, 3091; Beschluss vom 26. August 2003 - 1 BvR 1003/02 - Zahnarztwerbung im Internet und in den Gelben Seiten -, NJW 2003, 3470; Beschluss vom 29. April 2004 - 1 BvR 649/04 - Zahnarztwerbung in Tageszeitung -, NJW 2004, 2659; ebenso BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 - I ZR 167/01 - Internetwerbung eines Zahnarztes -, NJW 2004, 440.

In Bezug auf - auch hier in Frage stehende - Veröffentlichungen in der Presse ist die wesentliche Rolle zu beachten, welche die Presse in einer demokratischen Gesellschaft erfüllt; es ist ihre Aufgabe, Informationen und Ideen über alle Fragen öffentlichen Interesses mitzuteilen. Standesregeln zum Werbeverbot dürfen im Übrigen nicht so ausgelegt werden, dass Ärzten die unverhältnismäßige Last einer inhaltlichen Kontrolle von Presseveröffentlichungen auferlegt wird.

   EGMR, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 37928/97 (Stambuk/Deutschland), NJW 2003, 497 (499).

Vorschriften, die - wie hier Kapitel D I Nr. 3 BO a.F. - die Arztwerbung derart restriktiv einschränken, dass sie nur anlassbezogene Werbung (bei Niederlassung, Praxisaufgabe usw.) erlauben und zudem bestimmte Medien vollkommen ausschließen (z.B. persönliche Schreiben oder den Rundfunk) sind verfassungswidrig. Berufliche Werbung bedarf keiner besonderen Anlässe.

   BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 2002, a.a.O., S. 3092 f., zur vergleichbaren Regelung in § 14 BO für Tierärzte in Nordrhein-Westfalen.

Den Fachgerichten obliegt es, die Grenze zwischen erlaubten und verbotenen Handlungsformen - unter Abwägung des Grundrechts auf Berufsausübungsfreiheit mit der Sicherung des Werbeverbots - im Einzelfall zu ziehen.

  

BVerfG, std. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 26. September 2003 - 1 BvR 1608/02 - Werbung für eine zahnärztliche Klinik -, NJW 2003, 3472. 3. In Anwendung dieser Maßgaben hält der Senat die vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Grenzen bei den beiden Anzeigen und den Zeitungsartikeln wegen der Verwendung verschiedener irreführender Angaben für überschritten.

a) Der in den beiden Anzeigen enthaltene Hinweis auf die "Neueröffnung einer chirurgischen augenärztlichen Abteilung" ist insofern irreführend, als der unzutreffende Eindruck erweckt wird, der Beschuldigte biete nunmehr in seinen eigenen Praxisräumen (F.---- straße 12) auch chirurgische Leistungen an. Dass diese in Wirklichkeit in den Praxisräumen des Dr. T. , L. -T. -Straße, erfolgen, ergibt sich lediglich aus dem Zeitungsartikel vom ...; ausdrücklich falsch ist demgegenüber die Darstellung in dem Artikel vom ...("...eröffnete in seiner Praxis an der F.---- straße diese operative Abteilung und stattete sie mit modernsten Geräten aus."). Der Senat sieht allerdings durch die irreführende Ortsangabe allein noch nicht die Grenze zu einem ahndungswürdigen beruflichen Unrechtsverhalten als überschritten an. Hierbei hat er sich auch von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts leiten lassen, wonach - ebenso wie nach der Konzeption der neuen Berufsordnung - die "Beweislast" für die Annahme einer verbotenen Werbung bei der Ärztekammer liegt. Versteht man mit dem Bundesverfassungsgericht das Werbeverbot als Ausnahme von der erlaubten Regel, so bedarf es der Feststellung, dass die durch ein Werbeverbot geschützten Gemeinwohlbelange im Einzelfall tatsächlich gefährdet sind.
Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. Februar 2002 - 1 BvR 1644/01 -, NJW 2002, 3091, 3092.
Anhaltspunkte dafür, warum ein möglicher Irrtum der Adressaten über den Ort der vom Beschuldigten angebotenen ambulanten Behandlung die Gesundheit der Bevölkerung oder das Vertrauen der Patienten in die Ärzteschaft gefährden könnte, sind jedoch schwerlich erkennbar. Denn aus Patientensicht ist die - inhaltlich zutreffende - Information über eine ambulante Behandlungsmöglichkeit vor Ort von Interesse, nicht aber der genaue Behandlungsort, den er gegebenenfalls erfragen kann und der hier zudem in unmittelbarer Nähe zu der Praxis des Beschuldigten lag.




b) Darüber hinaus bewertet der Senat auch den Hinweis auf die Neueröffnung einer "Abteilung", der in den Überschriften beider Anzeigen und beider Zeitungsartikel enthalten ist ("chirurgischen augenärztlichen Abteilung", "chirurgischen Abteilung", "augenärztliche Chirurgie-Abteilung") als irreführend, weil dieser aus dem Krankenhausrecht entlehnte Begriff (vgl. nur § 9 Abs. 2 Nr. 6 KHG, § 13 Abs. 2 BPflV oder § 36 Abs. 2 KHG NRW den unzutreffenden Eindruck erwecken konnte, der Beschuldigte verfüge neuerdings über eine Belegabteilung in einem Krankenhaus. Insoweit kann auch durchaus eine durch den fehlerhaft verwendeten Ausdruck hervorgerufene Gefährdung des Patientenwohls angenommen werden, denn "Abteilung" suggeriert bei dem unbefangenen Leser eine - in Wirklichkeit nicht vorhandene - organisatorische Einbindung in eine Krankenhausstruktur und verspricht damit eine größere Sicherheit als eine ambulante Behandlung in einer Arztpraxis bieten kann.

c) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erweckt die in beiden Anzeigen mehrfach verwendete Formulierung "chirurgisch" aber auch bei einem medizinischen Laien nicht die Vorstellung, der werbende Arzt sei zugleich Facharzt für Chirurgie. Hiergegen spricht nicht nur der übliche Sprachgebrauch, in dem "chirurgisch" allgemein mit "operativen Eingriffen" gleichgesetzt wird, sondern vor allem der Zusammenhang mit der in beiden Anzeigen hervorgehobenen korrekten Angabe "Augenarzt Dr. med. ... Facharzt für Augenheilkunde" (Kursivschrift nicht im Original).

d) Die Formulierung "Kosmetische Chirurgie" ist zwar ebenfalls missverständlich, da nicht deutlich wird, dass der Beschuldigte, wie er in der Hauptverhandlung erläutert hat, sein Angebot ausschließlich auf ästhetische Korrekturen am Augenlid beschränkt. Aus den vorgenannten Gründen (allgemeiner Sprachgebrauch, korrekte Wiedergabe der Facharztbezeichnung, erforderliche Feststellung einer Gemeinwohlgefährdung) vermag der Senat insoweit aber letztlich ebenfalls noch keine irreführende Werbung zu bejahen.
Vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003, a.a.O., Seite 442, wonach ein Arzt, der lediglich seine Schwerpunktbereiche benennt, sich nicht zugleich einer besonderen rechtsförmlich erworbenen Qualifikation berühmt.
e) Ebensowenig hält der Senat die Formulierung "Neben meinen allgemeinen Leistungen als Augenarzt biete ich Ihnen zusätzlich..." für unklar, denn sie suggeriert nicht, dass jede Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen - insbesondere auch der privat zu zahlenden "Individuellen Gesundheitsleistungen", sog. IGEL-Leistungen - eine Inanspruchnahme allgemeiner augenärztlicher Leistungen voraussetzt.

f) Eine anpreisende Werbung ist nicht gegeben. Zwar fallen beide Anzeigen schon ihrer äußeren Gestaltung nach wegen ihrer Größe (ca. 13x15 cm) und ihres Layouts deutlich auf (schwarz unterlegte Flächen, verschiedene Schriftgrößen, Gestaltung in der Art eines Handzettels durch Umrandung mit einer durchbrochenen Linie mit Scherensymbol). Dies allein genügt jedoch noch nicht für die Annahme einer anpreisenden Werbung, wobei der Senat ausdrücklich offen lässt, wann die Größe einer Anzeige die Grenze zur berufwidrigen Werbung überschreitet, insbesondere ob dies erst bei einer "eigenen Zeitungsbeilage" anzunehmen ist, wie sie in der bereits genannten Broschüre "Arzt - Werbung - Öffentlichkeit" (S. 7) als Beispiel für eine berufswidrige Werbung genannt wird.

g) Die angegebene Internetadresse - www.ihr-k-chirurg.de -, hält sich (noch) in den Grenzen einer erlaubten Sympathiewerbung,
vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 - 1 ZR 167/01 -, NJW 2004, 440, (443)
indem sie eine - auch in der geschäftlichen Korrespondenz nicht unübliche - Wendung zur persönlichen Ansprache des Adressaten ("Ihr...") benutzt.



h) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es auch nicht generell berufswidrig, mit bestimmten Leistungen eines ärztlichen Fachgebietes - wie hier mit IGEL-Leistungen oder ambulanten Operationen - zu werben, die Teil des Fachgebietes sind. Wie bereits dargelegt darf der Arzt berufsbezogen und sachangemessen auch ohne besondere Anlässe werben. Hierzu gehört auch die Wiedergabe einzelner Behandlungsleistungen, sofern die gewählten Formulierungen informativ und sachlich sind. Für Laien verständliche Umschreibungen medizinischer Fachausdrücke sind hierbei ebenfalls zulässig.
BVerfG, Beschluss vom 26. September 2003, a.a.O., Seite 3473.
Der Arzt befriedigt mit derartigen Hinweisen auf seine Behandlungsleistungen ein vorhandenes, an ihn herangetragenes Informationsinteresse.
BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003, a.a.O., Seite 441; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8. Januar 2002 - 1 BvR 1147/01 - Bezeichnung eines Klinikarztes als "Spezialist" -, NJW 2002, 1331.
Derartige Hinweise auf besondere Angebote sind nach neuer Rechtslage im Sinne der Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten auch ausdrücklich erlaubt ( § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BO n.F.).

i) Mit Ausnahme der genannten irreführenden Angaben halten sich die beiden Artikel im Übrigen noch im Rahmen zulässiger Werbung. Im Vordergrund der journalistisch aufbereiteten Texte steht jeweils eine sachliche Information über die Kataraktbehandlung. Der Leser erfährt außerdem, dass der Beschuldigte diese Operation nun auch vor Ort anbietet. Weitere Leistungen des Beschuldigten werden in dem Artikel vom ... nur kurz am Ende, in knapper sachlicher Form erwähnt. Auch die in dem Artikel vom ... verwendeten Formulierungen "modernste Technik", "modernsten Geräten" und auf dem "neuesten Stand der Technik" überschreiten trotz des wiederholten Gebrauchs des Superlativs noch nicht den Rahmen zulässiger Werbung. Sie beziehen sich auf die sachliche Ausstattung der Praxisräume und heben nicht die eigenen Leistungen des Beschuldigten - insbesondere auch nicht gegenüber den Leistungen anderer - in einer Weise hervor, die als anpreisend oder vergleichend beurteilt werden müsste.

Als berufsgerichtliche Maßnahme hält der Senat insgesamt die Verhängung eines Verweises nach § 60 Abs. 1 b HeilBerG für ausreichend. Zu sanktionieren ist allein die irreführende Werbung durch die mehrfache Verwendung des Begriffs "Abteilung". Die weitere irreführende Angabe in bezug auf den Behandlungsort bezieht sich aus Patientensicht - wie dargelegt - auf einen eher unwichtigen Umstand und rechtfertigt keine berufsrechtliche Maßnahme. Der verhängte Verweis genügt, um die von dem bislang berufsrechtlich nicht vorgeahndeten Beschuldigten begangene Berufspflichtverletzung zu ahnden und ihn künftig zur Beachtung der Berufspflichten, namentlich im Bereich der Werbung, anzuhalten. Der Senat hat hierbei auch zugunsten des Besch

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