Webshoprecht.de



A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Landgericht Berlin Urteil vom 21.04.2009 - 16 O 729/07 Kart - Zum Ausschluss des Vertriebs über das Internet

LG Berlin v. 21.04.2009: Zum Ausschluss des Vertriebs über das Internet




Das Landgericht Berlin (Urteil vom 21.04.2009 - 16 O 729/07 Kart) hat entschieden:

   Der in den Auswahlkriterien eines Herstellers hochwertiger Schulranzen vorgesehene Ausschluss des Vertriebs über das Internet auf der Handelsplattform eBay stellt eine Einschränkung des Wettbewerbs dar, weil dadurch die Handlungsfreiheit der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen beschränkt wird. Das generelle Verbot des Warenabsatzes über eBay stellt kein qualitatives Merkmal für die Auswahl der Wiederverkäufer dar.




Siehe auch
Vertikale Vertriebsverbote - selektive Vertriebsbindung
und
Vertriebsformen


Tatbestand:


Der Kläger will der Beklagten nach vorangegangenem Verfügungsverfahren untersagen lassen, seine Belieferung mit Produkten der Marken ... und ... davon abhängig zu machen, dass er diese Waren nicht über ... anbietet.

Ferner verlangt er Erstattung von Abmahnkosten.

Der Kläger betreibt ein Einzelhandelsgeschäft unter der Bezeichnung "..." sowie ein weiteres Fachgeschäft. Er bietet u. a. Schul- und Schreibwaren an. Hierzu gehören auch Schulrucksäcke und -ranzen. Diese vertreibt er auch im Internet auf der Handelsplattform ... . Er unterschreitet dabei die von der Beklagten empfohlenen Preise.

Die Beklagte stellt im Wesentlichen Koffer, Taschen, Schulranzen und Rucksäcke aus Leder und anderen Materialien her und vertreibt diese u. a. unter ihren Marken "Der ... " (folgend nur "...") und "..." (folgend nur "..").

Für den Vertrieb dieser Produkte bedient sie sich bestimmter Auswahlkriterien, die als Anlage K 26 vorliegen, auf die hier ergänzend verwiesen wird. Unter Ziffer 10 dieser Auswahlkriterien stellt die Beklagte für Vertriebspartner, die neben dem stationären Verkauf auch über das Internet vertreiben, Grundsätze auf. Als letzter Punkt ist festgehalten, dass der Verkauf über ... und vergleichbare Auktionsplattformen im Internet nach dem derzeitigen Stand der Ausgestaltung dieser Formate nicht den zuvor aufgestellten Grundsätzen entspreche und daher nicht gestattet sei.

Die Beklagte vertreibt ihre Produkte u. a. auch selbst über das Internet. Sie beliefert ferner die Versandhändler ... und ... .

Mit Schreiben vom 26. März 2007 beanstandete die Beklagte, dass das bei ... eingestellte Angebot des Klägers die Auswahlkriterien nicht erfülle und forderte ihn auf, das Angebot von ... und ... Produkten bei ... unverzüglich einzustellen. Hieran schloss sich eine umfangreiche Korrespondenz der Parteien an, in deren Rahmen der Kläger von der Beklagten mehrfach unter Fristsetzung die Abgabe einer Erklärung verlangte, dass sie ihn weiterhin beliefern werde. Die Einzelheiten sind den Anlagen K 22 bis K 27 zu entnehmen.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24. August 2007, wegen dessen Inhalts auf die Anlage K 35 verwiesen wird, forderte der Kläger die Beklagte unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 02. August 2007 auf, die außergerichtlich entstandenen Abmahnkosten in Höhe von 4.926,60 Euro (1,25 Geschäftsgebühr nach 562.000,00 Euro zzgl. Auslagenpauschale und 19 % Umsatzsteuer) zu erstatten.

Der Kläger behauptet, die von ihm angebotenen Schul- und Schreibwaren bildeten den Schwerpunkt seiner Vertriebstätigkeit. Die Beklagte sei Marktführerin in den Segmenten Schulranzen und -rucksäcke.

Der Kläger meint, die Beklagte sei gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 GWB dazu verpflichtet, es zu unterlassen, seine Belieferung davon abhängig zu machen, dass er den Vertrieb ihrer Produkte über ... einstelle. Die von der Beklagten gesetzte Lieferbedingung sei kartellrechtswidrig.

Die Beklagte verstoße gegen § 1 GWB. Ihre Auswahlkriterien bewirkten eine Einschränkung des Wettbewerbs. Die Beklagte sei auch nicht gemäß § 2 GWB von dem Verbot des § 1 GWB freigestellt. Nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 2790/1999 gelte die Freistellung nur dann, wenn der Anteil des Lieferanten an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren verkauft, 30 % nicht übersteige. Aufgrund ihrer Inanspruchnahme der Marktführerschaft, ihrem Schreiben vom 13. März 2003 (Anlage K 2) und der Berichterstattung in der Presse sei davon auszugehen, dass die Beklagte einen Marktanteil von 40 % im Schulwarenbereich besitze. Ferner schlössen Art. 4 a - c Verordnung (EG) 2790/1999 eine Freistellung aus.

Die Beklagte verstoße auch gegen § 20 Abs. 1 und 2 GWB. Sie sei zumindest ein marktstarkes Unternehmen. Er werde unbillig behindert und ohne sachlich gerechtfertigten Grund gegenüber gleichartigen Unternehmen unterschiedlich behandelt. So würden reine Versandhändler entgegen Ziffer 9 der Auswahlkriterien beliefert, nicht aber er, der Kläger, obwohl der Verstoß gegen Ziffer 9 schwerwiegender sei als der gegen Ziffer 10.

Die Beklagte verstoße auch gegen § 21 Abs. 3 Nr. 3 GWB, weil sie mit der Nichtbelieferung mit Schulrucksäcken und -ranzen drohe, um zu erreichen, dass die Produkte nicht über ... vertrieben werden.

Schließlich verletze sie auch § 21 Abs. 2 GWB, weil ihr Verhalten darauf gerichtet sei, der sog. "Preis-​Mengen-​Politik" beim Verkauf über das Internet entgegenzuwirken.

Letztlich ergebe sich der Anspruch auch aus den Auswahlkriterien selbst, denen er bei der Gestaltung seines Internetauftritts Rechnung trage. Es sei unrichtig sei, dass die Kriterien bei einem Verkauf über ... nicht erfüllt würden.

Der Kläger beantragt,

   die Beklagte zu verurteilen,

  1.  es unter Androhung eines in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungshaft von bis zu 2 Jahren, letztere zu vollziehen an einem Geschäftsführer ihrer Komplementärin, zu unterlassen,

die Belieferung entsprechend den Bestellungen des Klägers mit von der Beklagten hergestellten Produkten, insbesondere solchen der Marke ... und ... , davon abhängig zu machen, dass der Kläger die Ware nicht über ... oder gleichartige Auktionsplattformen anbietet und verkauft,

  2.  an den Kläger 4.140,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Ihr gehe es allein darum, Vertriebsformen zu unterbinden, die dem Image ihrer Produkte massiv schadeten. Dazu gehöre der Vertrieb ihrer Produkte über ... . Die Auktionsplattform sei in der öffentlichen Wahrnehmung zu einem "Flohmarkt" verkommen, auf dem nur "Schnäppchen" erhältlich seien. Dort eingestellten Angeboten fehle schon per se die Eignung, ihre Auswahlkriterien zu erfüllen. So sei es nicht möglich, die Sortimentsbreite und –tiefe fachhandelsgemäß zu präsentieren, verlinkte (Wort)Bildmarken einzusetzen, Herstellerkataloge zum Download bereit zu halten und Links zum Hersteller oder zu Dritten zu setzen. Es gehe ihr nicht darum, die Einhaltung von Preisempfehlungen durchzusetzen.




Sachlich relevant sei vorliegend der Markt für Behältnisse wie Koffer, Taschen, Schulranzen und Rucksäcke. Auf diesem Markt nehme sie keine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung ein. Ihrer Behauptung nach kämen als potentielle Käufer für Schulbuchbehältnisse alle Schüler der allgemeinbildenden und Berufsschulen und zumindest teilweise Schüler in Ausbildungsförderungsmaßnahmen und in der Weiterbildung sowie Studierende an Hochschulen in Betracht. Davon nähmen, so behauptet die Beklagte, 20 % bis 30 % jährlich einen Kauf vor. Daraus errechne sich ein Marktvolumen von 2,5 bis 3,8 Mio Teilen jährlich. Ausweislich ihrer in den Geschäftsjahren 2005 / 2006 und 2006 / 2007 mit den Produkten ... und ... erzielten Verkaufszahlen liege ihr Marktanteil in den einzelnen Kategorien zwischen 10,3 und 12,2 %.

Sie meint, sie unterhalte durch ihre Auswahlkriterien zulässiges selektives Vertriebssystem, das die vom EuGH formulierten Anforderungen erfülle. Ihr Handeln sei sachlich gerechtfertigt. Sie wende ihre Auswahlkriterien auf alle Vertriebspartner diskriminierungsfrei an. Anerkannt sei zudem, dass es eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstelle, wenn der Hersteller einer Markenware seinen Händlern den Verkauf im Internet nur unter der Voraussetzung gestattet, dass die Internetumsätze nicht mehr als die Hälfte der im stationären Handel erzielten Umsätze ausmachen. Es könnten auch qualitative Anforderungen an den Vertrieb durch den Händler gestellt werden. Daher sei schon der Anwendungsbereich des § 1 GWB nicht eröffnet; denn nach der Rechtsprechung des EuGH seien selektive Vertriebssysteme ein mit Art. 81 Abs. 1 EG vereinbarer Bestandteil des Wettbewerbs.

Die Auswahlkriterien seien jedenfalls nach § 2 Abs. 1 GWB vom Verbot des § 1 GWB freigestellt. Sie erziele durch den Ausschluss des Warenabsatzes über ... Effizienzvorteile, weil das Verbot den hohen Standard der Service- und Beratungsleistungen fördere. Dieser Vorteil komme auch den Verbrauchern zugute.

Aus § 2 Abs. 2 GWB in Verbindung mit Art. 2, 3 und 4 der VertikalVO (VO 2790/1999) ergebe sich nichts anderes. Da sie die Marktanteilsschwelle von 30 % nicht erreiche, gelte die Freistellung nach Art. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 VertikalVO uneingeschränkt. Die Voraussetzungen der sog. Kernbeschränkungen des Art. 4 VertikalVO, die einer Freistellung entgegen stünden, lägen nicht vor. Weder nehme sie auf die Preisgestaltung des Klägers Einfluss, noch handle es sich bei ...-​Mitgliedern um einen bestimmten Kundenkreis.

Sie sei darüber hinaus weder ein marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB, noch Normadressatin des § 20 Abs. 2 GWB, denn dazu fehle ihr angesichts der oben dargestellten Marktanteile die erforderliche Marktstärke.

Der Kläger sei von ihr auch nicht unternehmens- oder sortimentsbedingt abhängig, weil er Handtaschen, Handschuhe, Kofferprodukte, Schirme, Reisetaschen, Kleinlederwaren, Freizeitartikel und Schulartikel vertreibe.

Wegen des übrigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.




Entscheidungsgründe:

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus §§ 33, 2 Abs. 1 GWB zu.

§ 1 GWB verbietet Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken.

Bei den von der Beklagten verwendeten "Auswahlkriterien" handelt es sich um die Grundlage der gemeinsamen Geschäftsbeziehungen, die von dem Begriff der Vereinbarung erfasst werden (vgl. Bechtold, a. a. O., § 1, Rn. 11).

Der in den Auswahlkriterien vorgesehene Ausschluss des Vertriebs über das Internet auf der Handelsplattform ... stellt eine Einschränkung des Wettbewerbs dar, weil dadurch die Handlungsfreiheit der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen beschränkt wird (vgl. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-​J.-​B. Nordemann, Kartellrecht Bd. 2, § 1 GWB, Rn. 98; Bechtold, a. a. O., § 1, Rn. 24).

Allerdings scheidet die Annahme einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne der Vorschrift nach der Rechtsprechung des EuGH aus, wenn sie Folge eines qualitativen selektiven Vertriebssystem ist. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn die Auswahl der Wiederverkäufer aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die sich auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers, seines Personals und seiner sachlichen Ausstattung beziehen und sofern diese Voraussetzungen einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierungen angewendet werden (Zimmer in Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Kommentar zum Europäischen Kartellrecht, 4. Aufl., Rdnr. 371 zu Art. 81 Abs. 1 EGV unter Bezugnahme auf EuGH 25.10.1977, Rs. 26/76, Slg. 1977, 1905 Tz. 20 "Metro I"). Qualitative und diskriminierungsfreie Kriterien wirken nach Ansicht des EuGH aber nur dann rechtfertigend, wenn die Eigenschaften des in Rede stehenden Erzeugnisses zur Wahrung seiner Qualität und seines richtigen Gebrauchs ein solches selektives Vertriebssystem erfordert. Das ist bejaht worden für Unterhaltungselektronik, Tafelgeschirr, Uhren, Presseerzeugnisse und Parfum unter dem Gesichtspunkt der "Aura prestigeträchtiger Exklusivität" (Immenga, aaO Rdnr. 373 m. w. N.).

Es bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, ob es für den Vertrieb von Schulmappen der hier in Rede stehenden Art eines solchen Vertriebssystems überhaupt bedarf. Bei den Schulranzen der Marken ... und ... handelt es sich um konfektionierte Produkte nichttechnischer Art, die eine besondere Unterweisung in Umgang und Gebrauch nicht erfordern. Sie werden von den als Käufern angesprochenen Erwachsenen auch nicht als Prestigeobjekte "mit der Aura des Exklusiven" empfunden, die sie aus der Masse des Alltäglichen herausragen lässt, sondern als ein für die Schulkarriere notwendiger Gebrauchsgegenstand. Hohe Absatzzahlen und Exklusivität schließen einander aus, denn exklusiv ist nur das, was nicht jeder hat oder trägt. Diese Wahrnehmung ändert sich auch nicht dadurch, dass sich die Schulmappen der Beklagten in Schülerkreisen besonderer Beliebtheit erfreuen und das Design einem ständigen Wechsel unterliegt.

Die Frage nach der Erforderlichkeit eines qualitativen selektiven Vertriebssystems und damit nach dem Anwendungsbereich von § 1 GWB, zu der sich das LG Mannheim in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung nicht geäußert hat, bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung, weil das generelle Verbot des Warenabsatzes über ... kein qualitatives Merkmal für die Auswahl der Wiederverkäufer darstellt. Qualitative Auswahlkriterien knüpfen ausschließlich an die Beschaffenheit der Ware an, sei es, dass dem Wiederverkäufer besondere, durch die Teilnahme an Schulungen fortlaufend aufzufrischende Kenntnisse über ihre Eigenschaften abverlangt werden oder er ein bestimmtes Serviceangebot, z. B. einen Reparaturservice bereit halten muss. Der Verkauf über ... weist indes keine Verbindung zu bestimmten Produkteigenschaften auf.

Das selektive Vertriebssystem steht daher der Anwendung des § 1 GWB nicht entgegen.

Die Vereinbarung, die die Vertriebsbeschränkung über ... enthält, ist nicht gemäß § 2 Abs. 2 GWB von dem Verbot des § 1 GWB freigestellt.

§ 2 Abs. 2 S. 1 GWB sieht eine entsprechende Geltung der EG-​Gruppenfreistellungsverordnungen vor (vgl. Bechtold, a. a. O., § 2, Rn. 25). Hier ist die VO 2790/1999 in Betracht zu ziehen.

Art. 2 VO 2790/1999 erlaubt in gewissem Umfang eine Freistellung sog. vertikaler Vertriebsvereinbarungen. Sie greift hier aber nicht.

Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte an dem relevanten Markt, auf dem sie die Vertragswaren verkauft, mehr als 30 % Marktanteil besitzt. Die Freistellung gilt daher gemäß Art. 3 Abs. 1 VO 2790/1999 nicht.




Als der maßgebende sachlich relevante Markt kann im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten nicht der Markt für "Schulbuchtransportbehältnisse" aller Art in dem von ihr zugrunde gelegten weiten Umfang angenommen werden. Es gilt das Bedarfmarktkonzept, d.h. maßgeblich ist die Substituierbarkeit der Waren aus der Sicht des Erwerbers. Die Beklagte spricht mit ihren Schulmappen der Marke ... schon ihrem äußeren, kindgerechten Erscheinungsbild nach vornehmlich Grundschüler an. Darauf deutet nicht zuletzt der eigene Internetauftritt der Beklagten hin, in dem sie unter der Überschrift "Unsere Marken sind immer dabei" das Logo ... mit der Anpreisung "...bequem und sicher mit dem Lieblingsranzen zum 1. Schultag" unterlegt. Es kann daher kein vernünftiger Zweifel daran aufkommen, dass diese Serie speziell auf die Bedürfnisse von Grundschülern abgestimmt ist. Damit ist sie nicht substituierbar mit Koffern und Taschen aller Art, weil Grundschüler diese Behältnisse weder zur Schule tragen wollen noch können. Ebenso erscheint der Kammer die Annahme abwegig, Oberschüler, Berufsschüler und Studenten bedienten sich zum Transport ihrer Unterlagen der Schulmappe eines Erstklässlers. Für die Marke ... mag eine Substituierbarkeit in weiterem Rahmen, insbesondere mit Tages- Rucksäcken oder bestimmten Schultertaschen angenommen werden, wenngleich auch hier eine Substituierbarkeit durch Koffer und Reisetaschen definitiv ausscheidet.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihr Anteil auf dem relevanten Markt die Schwelle von 30 % nicht überschreitet, trifft die Beklagte, die die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Gruppenfreistellungsverordnung und damit auch die Einhaltung von Marktanteilsschwellen darzulegen hat (Loewenheim/Meessen/Riesenkampff-​J.-​B. Nordemann, a. a. O., § 2 GWB, Rn. 204 a. E.).

Dieser Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen.

Es genügt nicht, von der im Schreiben vom 13. März 2003 enthaltenen eigenen Angabe, mit ca. 40 % Marktanteil sei ... mit Abstand Marktführer, mit der Begründung abzurücken, es handle sich um werbliche Anpreisungen. Es darf unterstellt werden, dass die Beklagte eine derartige Spitzenstellungsberühmung nicht ohne Kenntnis der Marktverhältnisse ins Blaue hinein vornimmt. Mithin ist jedenfalls für das Jahr 2003 vom Überschreiten der Marktanteilsschwelle auszugehen. Dass sich die Marktverhältnisse seitdem zu ihren Lasten verändert hätten, ist weder den vom Kläger eingereichten Ausdrucken noch dem prozessualen Vorbringen der Beklagten zu entnehmen. Sie war vielmehr gehalten, substantiiert zu ihrem Marktanteil vorzutragen.

Ihre dazu vorgelegten Berechnungen kranken bereits daran, dass sie Oberstufen- und Berufsschüler, Studenten sowie Jugendliche und Erwachsene in Weiterbildungsmaßnahmen als potentielle Nutzer ihrer Produkte einbezieht, obwohl dieser Personenkreis für den Transport von Unterlagen gerichtsbekannt weder Schulmappen der Marke ... noch solche der Marke ... kauft. Darüber hinaus fehlt es auch an einem substantiierten Vortrag dazu, auf welchen Tatsachen die Annahme einer "Kaufquote" von 20 % bis 30 % des Marktpotentials beruht. Die Prozentsätze erscheinen willkürlich herausgegriffen.

Schließlich lassen sich auch aus der bloßen Benennung einer Reihe von Wettbewerbern keine ausreichenden Schlüsse auf die Einhaltung der Marktanteilsschwelle ziehen, weil nicht angegeben wird, welche Marktanteil die Wettbewerber besitzen.

Da die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist, muss von der Nichteinhaltung der Marktanteilsschwelle und der Nichtanwendbarkeit der Freistellung ausgegangen werden.

Ihr Verhalten stellt sich daher als ein Verstoß gegen das Kartellrecht dar.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ferner aus §§ 677, 683, 670 BGB in Verbindung mit der vorgerichtlichen Korrespondenz ein – der Höhe nach reduzierter - Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten zu. Danach kann der Kläger den Betrag verlangen, den er zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung den Umständen nach für erforderlich halten durfte.



Das ist hier nur eine Geschäftsgebühr in Höhe von 1,5. Zwar rechtfertigt die Art der Angelegenheit eine Erhöhung des in RVG-​VV Nr. 2300 festgelegten Durchschnittswertes, weil es sich bei der Kartellsache um eine überdurchschnittlich schwierige Beratung handelt. Da sie andererseits in tatsächlicher Hinsicht nicht von überdurchschnittlichen Umfang war, hält die Kammer eine Erhöhung auf 1,5 für angemessen.

Unter Berücksichtigung von Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-​VVV verbleibt ein Gebührensatz von 0,75 nach einem Wert von 562.500,00 Euro. Zuzüglich Auslagenpauschale und 19 % MwSt ergibt das 2.965,48 Euro.

Wegen des weitergehenden Anspruchs war die Klage abzuweisen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 ZPO.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 08. April 2009 gibt zu einem Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung keine Veranlassung.

- nach oben -



Datenschutz    Impressum