Mit Adressdaten, insbesondere auch Telefonnummern und E-Mail-Adressen, wird ein schwunghafter Handel getrieben. Dabei stoßen die rein geschäftlichen Interessen von Unternehmen einerseits und die berechtigten datenschutzrechtlichen Interessen der Privatpersonen aufeinander. Diejenigen Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen anbieten, wollen möglichst qualitativ wertvolle Adressbestände erwerben, um durch Vermeidung profilfremder Werbung unnötige und Kosten verursachende Werbung zu vermeiden. Die Verbraucher hingegen wollen in der Regel von überflüssigem Spam verschont bleiben.
Der Adresshandel - das sog. Listbroking - wird von Listbrokern betrieben; es handelt sich dabei um Makler, die Adressen und sonstige personenbezogene Daten von Unternehmen und Privatpersonen zu Marketingzwecken vermieten oder verkaufen.
Nach derzeit geltender Rechtslage gilt noch immer das sog. Listenprivileg. Dabei handelt es sich um eine datenschutzrechtliche Ausnahmeregelung, wonach es gestattet ist, personenbezogene Daten zu Werbezwecken und zu Zwecken der Markt- und Meinungsforschung zu nutzen und an Dritte weiterzugeben. Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz ist es erlaubt, Adresslisten (Name, Anschrift, Geburtsjahr, Beruf und einem weiteren Merkmal) zu speichern, an Dritte weiterzugeben sowie für die Werbeansprache beim Direktmarketing oder bei der Marktforschung zu nutzen, ohne dass der Betroffene zugestimmt hat; soweit jedoch anzunehmen ist, dass eine solche Nutzung gegen schutzwürdige Interessen des Adressaten verstößt, gilt dieses Listenprivileg nicht.
Zu beachten ist zudem, dass die E-Mail-Adresse oder die Telefon- oder Faxnummer ausdrücklich nicht als Bestandteil der zulässig gelisteten Daten gehören. Hier ist also in jedem Fall eine ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen nötig.
OLG Stuttgart v. 22.02.2007:
Ein Unternehmen (hier: Telekommunikations-Dienstleister), das Daten einschließlich Bankverbindung seiner Kunden ohne deren Einverständnis an ein anderes mit ihm durch Provisionsvereinbarung verbundenes Unternehmen (hier: Lotterieeinnahmestelle) bewusst für dessen Wettbewerbszwecke weitergibt, kann gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 28 BDSG als Teilnehmer einer Wettbewerbswidrigkeit des Partnerunternehmens auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
VG Frankfurt am Main v. 17.10.2007:
Ein kostenloses Pokerturnier, bei dem zum Zwecke der Teilnahme eine Benutzerkennung vergeben wird, die die Angaben von persönlichen Daten der Spieler verlangt, ist unzulässig. Die Einwerbung elektronischer Verbindungsdaten wie Name, E-Mail-Anschrift usw. stellt auch mit dem Angebot der kostenlosen Teilnahme an einem Pokerturnier ein strafbares Verhalten, nämlich Werbung für unerlaubtes Glücksspiel, dar.
LG Hamburg v. 14.02.2008:
Eine Einwilligungsklausel stellt dann eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar, wenn sie sich nicht auf Werbung im Rahmen des angebahnten konkreten Vertragsverhältnisses beschränkt, sondern auch die Werbung für sonstige Vertragsschlüsse ermöglichen soll. Denn damit wird ein vom Kunden nicht überschaubares und von seinem Interesse nicht abgedecktes Risiko geschaffen.
OLG Stuttgart v. 26.08.2008:
Der Basisvertrag, mit dem sich der Betreiber eines Call Centers gegenüber einem Auftraggeber verpflichtet, bei Dritten ohne deren Einwilligung Telefonwerbung zu betreiben, ist nach § 134 BGB nichtig. Dem Betreiber des Call Centers stehen auch keine Ansprüche nach § 683 BGB oder § 812 BGB auf Aufwendungsersatz zu, namentlich im Hinblick darauf, dass er seine Telefonisten bezahlt hat.
OLG Brandenburg v. 22.04.2010:
Verlangt der Verfügungskläger von einem Konkurrenten Unterlassung der Verwendung einer in dessen Hände geratenen, der Geheimhaltung unterliegenden Kundenliste, muss diese so genau beschrieben sein, dass sie im Zwangsvollstreckungsverfahren eindeutig identifiziert werden kann. Dabei muss wenigstens in bestimmbarer Weise beschrieben werden, wer zu seinen Kunden zählt.
OLG Duesseldorf v. 07.12.2010:
Kundendaten eines Unternehmens können ein Geschäftsgeheimnis darstellen. Eine Kundenliste muss dann aber detaillierte Angaben zu einzelnen Kunden enthalten, die auf ihre Präferenzen zugeschnittene Angebote erlaubt oder es muss sich um eine Adressenliste handeln, die auf Grund ihres Umfangs nicht jederzeit ohne großen Aufwand aus allgemein zugänglichen Quellen erstellt werden kann. Eine nur acht Firmen umfassende Liste, die neben dem Namen lediglich die E-Mailadresse enthält, begründet kein geschütztes Geschäftsgeheimnis.
OLG Düsseldorf v. 30.07.2004:
Es bleibt unentschieden, ob ein Vertrag über den entgeltlichen Adresserwerb dem Kaufrecht oder dem Werkvertragsrecht unterfällt, wenngleich die Anwendung des Werkvertragsrechts näher liegt.
OLG Düsseldorf v. 17.02.2010:
Der entgeltliche Erwerb von Adressenbeständen ist als Kaufvertrag zu beurteilen. Das bloße Behaupten des Erwerbers, dass für viele Adressen das "Opt-In" gefehlt habe, genügt nicht, um die Kaufpreisforderung zu Fall zu bringen. Die Einwände müssen substantiiert auf die einzelnen Adressen bezogen dargelegt werden.
OLG Karlsruhe v. 11.11.1998:
Auf CD-ROM gespeicherte Telefonteilnehmerverzeichnisse sind keine Datenbankwerke im Sinne des UrhG § 4 Abs 2, sondern Datenbanken gemäß UrhG § 87a. Ein Verbot jeder gewerblichen Verwertung von in einer Datenbank gespeicherten Adressen als Grundlage für eine Werbeaktion verstößt gegen UrhG § 87e und kann daher nicht wirksam vereinbart werden. Um eine erlaubte Benutzung handelt es sich, wenn ein Unternehmen aus einer mehrere Millionen Einträge umfassenden Datenbank im Rahmen einer Werbeaktion zum Zweck der Erstellung von Werbebriefen die Anschriften von einigen tausend Telefonteilnehmern in eine eigene Datei übernimmt.
OLG Hamm v. 15.11.2007:
Eine mit der Teilnahme an einem Preisausschreiben vorformulierte Einverständniserklärung zu Telefonanrufen durch Dritte ist unwirksam.
VG Köln v. 07.08.2008:
Von Verbrauchern formularmäßig abgegebene Einwilligungserklärungen in Telefonwerbung durch Automaten, die der Unternehmer im Wege der "Vermietung" anderen Unternehmen für ihre zukünftige automatisierte Telefonwerbung zur Verfügung stellen will, stellen keine wirksame Zustimmung zu den Werbeanrufen dar, weil sie den Verbraucher unangemessen benachteiligen. Für diesen ist bei Abgabe der Erklärung nicht überschaubar, wer sich auf das erklärte Einverständnis in Zukunft berufen könnte.
OVG Münster v. 26.09.2008:
Im Wege des sog. Listbrokings von Drittunternehmen eingeholte formularmäßige Einverständniserklärungen sind keine wirksamen Einwilligungen der Verbraucher in Werbeanrufe mittels Telefoncomputern.
BGH v. 09.11.2021
Der "Verkauf eines Patientenstamms" einer Arztpraxisn verstößt gegen berufsrechtliche Standesvorschriften und ist - anders als der Verkauf einer Arztpraxis im Ganzen - rechtlich nicht möglich.
AG Düsseldorf v. 21.04.2006:
Die mangelnde Überprüfung der Zusicherung des Adressenverkäufers über das Vorliegen einer Opt-In-Einwilligung ist eine fahrlässige Rechtsgutverletzung des späteren Werbeadressaten und führt zur Störerhaftung des Adressenkäufers im Außenverhältnis.
LG Traunstein v. 24.06.2008:
Wer entgeltlich Telefonnummern erwirbt, kann sich bei einem Anruf nicht auf das Einverständnis des Angerufenen mit Anrufen des Verkäufers berufen, sondern ist verpflichtet, sich selbst darüber zu vergewissern, ob eine Einwilligung des Angerufenen auch für seine eigenen Anrufe vorliegt; ist dies nicht der Fall, liegt eine unzumutbare Belästigung vor, die einen Wettbewerbsverstoß darstellt.
OLG Düsseldorf v. 24.11.2009:
Kauft eine GmbH E-Mail-Adressen im Adressenhandel, so ist sie verpflichtet, sich vor dem Versand von E-Mails über die Einwilligung der Betroffenen zu vergewissern. Wird die GmbH wegen fehlender Einwilligung in Anspruch genommen, so haftet neben ihr auch der Geschäftsführer persönlich als Störer.
Haftung des Betreibers eines Adressenverzeichnisses:
OLG Frankfurt am Main v. 05.01.2016:
Der Herausgeber eines Adressverzeichnisses haftet unter dem Gesichtspunkt der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten für irreführende Einträge und Anzeigen auch nach einem entsprechenden Hinweis nur dann, wenn die Rechtsverletzung ohne weitere Nachforschungen zweifelsfrei und unschwer zu erkennen ist; daran fehlt es, wenn ein Dritter zwar behauptet, eingetragene Unternehmen seien unter den angegebenen Adressen nicht existent und auch nicht im Handelsregister eingetragen, hierfür jedoch als einzigen Beleg nur seine eigene eidesstattliche Versicherung vorlegt.
OLG Düsseldorf v. 30.07.2004:
Ist vertraglich ausdrücklich vereinbart, dass Adressdaten nicht im Rahmen internetspezifischer Serviceleistungen (z.B. Gewinnspielen) generiert werden dürfen, stellt jeder Verstoß hiergegen einen Mangel dar, der den Käufer zur Ausübung seiner gesetzlichen Gewährleistungsrechte berechtigt. Dies gilt auch, wenn die Adressdaten entgegen gesetzlichen Bestimmungen erhoben werden.
OLG München v. 08.10.2009:
Findet sich in dem Vertrag über den Verkauf von E-Mail-Adressen keine Vereinbarung einer Mindestkonversionsrate und auch keine ausdrückliche Vereinbarung, dass alle Adressen über eine Einwilligung der Betroffenen nach dem sog. Double-Opt-In-Verfahren abgedeckt seien, und haben die Parteien hinsichtlich Doubletten und Fakeadressen keine Vereinbarung getroffen, dann bestehen für den Käufer keine Gewährleistungsansprüche, wenn er lediglich behaupten kann, dass die mit den Adressen durchgeführt Werbekampagne im Wesen "ohne Resonanz" und nur zu "einem geringen Prozentsatz" erfolgreich geblieben sei.