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Landgericht Münster Urteil vom 15.10.2019 - 23 O 36/19 - Laienwerbung bei Provisionen für Mitarbeiter einer Pflegeeinrichtung

LG Münster v. 15.10.2019: Laienwerbung bei Provisionen für Mitarbeiter einer Pflegeeinrichtung


Das Landgericht Münster (Urteil vom 15.10.2019 - 23 O 36/19) hat entschieden:

  1.  Unter Laienwerbung ist die Kundenwerbung durch nicht unternehmerisch tätige natürliche Personen ("Laien") zu verstehen, die für einen Unternehmer gegen Gewährung einer Werbeprämie tätig werden.

  2.  Laienwerbung ist generell zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2006, I ZR 145/03). Insofern ist auch eine Haustürwerbung durch unangemeldete Hausbesuche grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, WRP 2014, 1050).

  3.  Pflegedienste sind bei der Tätigkeit gegenüber den von ihnen betreuten Senioren zwar unternehmerisch tätig. Dies beschränkt sich jedoch auf den Bereich der Pflege und gegebenenfalls der Alltagsbetreuung insbesondere im Haushalt (z.B. Einkäufe, Arztbesuche, Spaziergänge). Davon umfasst ist nicht die Beratung bei der Nutzung und dem Verkauf von Immobilien. In diesem Bereich treten der Pflegedienst und dessen Mitarbeiter den von ihnen betreuten Senioren als Laien gegenüber.

  4.  Unter Berücksichtigung des besonderen Nähe- und Vertrauensverhältnisses zwischen den Pflegedienst leistenden Miarbeitern und den von ihnen betreuten Senioiren kann der Eiinsatz von Laienwerbungsmaßnahmen eines Immobilienmaklers in Form von Provisionsnachlässen eine unzumutbare Belästigung darstellen.




Siehe auch
Laienwerbung - Kunden werben Kunden - Freunde werben Freunde
und
Stichwörter zum Thema Werbung


Tatbestand:


Der Kläger begehrt von der Beklagten Unterlassung einer als wettbewerbswidrig beanstandeten Werbung und Zahlung der Abmahnkosten.

Der Kläger betreibt die Wettbewerbszentrale. Es handelt sich um einen Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Ihm gehören mehr als 100 Verbände und Körperschaften sowie 1200 Unternehmen als Mitglieder an. Zu seinen Mitgliedern zählen auch die Industrieund Handelskammern in Deutschland mit Ausnahme der Industrieund Handelskammer Aachen sowie zahlreiche Handwerks-, Ärzteund Apothekerkammern.

Die Beklagte ist als Grundstücksmaklerin tätig und verwaltet Grundbesitz.

Der seinerzeit bei der Beklagten beschäftigte Immobilienberater S versandte ein Schreiben vom 25.05.2018 über die Zweigstelle der Beklagten in der I-Straße .../... in ...# C mit dem im Tenor wiedergegebenen Inhalt, welches an Pflegedienste gerichtet war.

Nachdem der Kläger Kenntnis von dem Schreiben erhalten hatte, mahnte er mit Schreiben vom 23.08.2018 (Anl. K3, Bl. 22-25 der Akten) die Beklagte ab und forderte diese zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung unter Fristsetzung bis zum 03.09.2018 auf. Darin rügte er, Ziel des Anschreibens sei es, potentielle Kunden für die Geschäftstätigkeit der Beklagten zu akquirieren und die vom Adressaten des Anschreibens zu betreuenden Senioren beispielsweise bei einem möglichen Verkauf einer Immobilie oder sonstigen Tätigkeiten als Kunden zu gewinnen. Die Beklagte wolle die Pflegeeinrichtungen und deren Pflegeteam dazu animieren, die betreuten Senioren an die Beklagte für ihre Geschäftstätigkeit zu vermitteln. Das sei ein Fall sogenannter Laienwerbung. Diese sei hier unzulässig, weil sie sich als unsachliche Beeinflussung nach § 4a Abs. 1 Nr. 3 UWG darstelle.

Nach weiteren Schreiben des Klägers an die Beklagte, auf welche diese nicht reagierte, stellte der Kläger am 10.01.2019 einen Antrag bei der Einigungsstelle der IHK Münster gemäß § 15 UWG zur Herbeiführung eines gütlichen Ausgleichs hinsichtlich der Wettbewerbsstreitigkeit (Anlage K11, Bl. 34-39 der Akten).

In der Verhandlung vor der Einigungsstelle der Industrie- und Handelskammer unter anderem für Nord Westfalen vom 26.03.2019 erklärte die Einigungsstelle das Verfahren für gescheitert.

Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Unterlassung der beanstandeten Werbung und Zahlung von Abmahnkosten i.H.v. 299,60 € (einschließlich 7 % Umsatzsteuer).

Der Kläger meint, die Kundenwerbung der Beklagten sei eine sogenannte Laienwerbung. Hier sollten nicht unternehmerisch tätige Personen gegen Gewährung einer Werbeprämie für die Beklagte tätig werden. Das sei gemäß § 3 Abs. 1 UWG unlauter und unzulässig.

Der Kläger meint, bereits der Einsatz von Laienwerbern durch ein Unternehmen stelle eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Die streitgegenständliche geschäftliche Handlung sei eine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 UWG. Die Beklagte beabsichtige nach dem Inhalt des Anschreibens ein vom Pflegepersonal aufgedrängtes Werbegespräch. Dieses stelle eine unzumutbare Belästigung dar, weil die angesprochenen Senioren dieses Gespräch gegenüber ihrem Pflegepersonal nicht so leicht und folgenlos abwehren könnten wie den Werbekontakt eines berufsmäßigen Bewerbers. Es bestehe eine besondere Vertrauensstellung sowie ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen betreuten Senioren und Pflegepersonal, welches die Senioren an einem Abbruch der Werbegespräche hindere.

Weiter meint der Kläger mit näherem Vorbringen, aufgrund der besonderen Vertrauensstellung zwischen Pflegepersonal und betreuten Senioren liege auch eine aggressive Beeinflussung in Form einer unzulässigen Beeinflussung im Sinne von § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG vor. Es bestehe die Gefahr, dass der Laienwerber seine Machtposition gegenüber den von ihm abhängigen und ihm vertrauenden Verbrauchern zur Ausübung von Druck einsetze, um sie an die Beklagte zu vermitteln und auf diese Weise einen finanziellen Vorteil zu erlangen. Das sei die Strategie der Beklagten.

Weiter rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 5a Abs. 2 UWG. Er meint, es liege eine Irreführung durch Unterlassen vor. Soweit der Laienwerber die von ihm betreuten Personen nicht darüber aufkläre, dass er im Falle einer erfolgreichen Vermittlung eine Tipp-Provision erhalte, enthalte er den Verbrauchern eine wesentliche Information vor, die sie nach den Umständen für eine informierte geschäftliche Entscheidung benötigten.

Ferner stützt der Kläger den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf § 3a UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 WTG NRW und § 14 Abs. 5 HeimG.

Der Kläger ist der Auffassung, die geschäftliche Handlung sei unlauter, weil die Beklagte besondere Abhängigkeits- und Vertrauensverhältnisse ausnutzen möchte, um durch Anwendung von Druck zu erreichen, dass die pflegebedürftigen Senioren das in ihrem Eigentum stehende Grundstück über die Beklagte vertrieben. Dazu behauptet er, die Beklagte rechne zu Recht damit, dass der Heimbetreiber Druck auf seine Pflegeteammitarbeiter ausüben werde, um diese dazu zu bewegen, ihrerseits Druck auf die Pflegebedürftigen auszuüben, um die in Aussicht gestellte Provision sowohl für den Heimbetreiber als auch für das Pflegeteam zu erlangen. Die übliche Maklerprovision liege in Berlin bei 7,14 % des Kaufpreises.Typischerweise werde als Tipp-Provision ein Betrag in Höhe von 1 % bis 2 % des Kaufpreises vom Makler an den Tipp-Geber abgegeben. Beim Verkauf einer durchschnittlichen Immobilie zu einem Wert in Höhe von beispielsweise 650.000,00 € betrage die Tipp-Provision zwischen 6.500,00 € und 13.000,00 €. Selbst wenn dem Pflegeteammitglied nur die Hälfte der angekündigten Provision zufließe, könne er mit einer Zahlung rechnen, die sein Monatsgehalt deutlich übersteige.

Der Kläger meint, neben der Höhe der Provision sei auch das besondere Vertrauensverhältnis zwischen dem Pfleger und dem pflegebedürftigen Menschen als Unlauterkeitskriterium zu bewerten. Bereits die Versendung des streitgegenständlichen Schreibens sei wettbewerbswidrig. Deshalb sei unerheblich, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt Gespräche mit dem Pflegepersonal oder der Heimleitung geführt worden sein.

Der Kläger beantragt,

  1.  die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

   selbst oder durch Dritte Pflegeeinrichtungen zu kontaktieren und für den Fall einer erfolgreichen Vermittlung eines dort zu betreuenden Senioren eine Tipp-Provision für die Pflegeeinrichtungen und/oder das jeweilige Pflegeteammitglied anzukündigen und/oder auszuzahlen, wenn dies geschieht wie in Anlage K2 wiedergegeben,

  2.  die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag i.H.v. 299,60 € nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 02.07.2019 (Rechtshängigkeit) an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, das beanstandete Verhalten erfülle keinen Unlauterkeitstatbestand der §§ 3-7 UWG. Es fehle schon an einer geschäftlichen Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Im Streitfall habe überhaupt keine Laienwerbung stattgefunden. Es habe noch nicht einmal eine konkrete Verabredung zur Durchführung von Laienwerbung gegeben. Der konkrete Einsatz von Laienwerbern und die tatsächliche Werbung durch diese seien eine geschäftliche Handlung des den Laienwerber einsetzenden Unternehmens. Die bloße Möglichkeit oder abstrakte Gefahr eines unlauteren Tätigwerdens von Laienwerbern führe hingegen nicht bereits zur Unzulässigkeit. Das beanstandete Schreiben enthalte keine konkrete Aufforderung zur Laienwerbung. Die Beklagte behauptet, in der Folge sei auch keine Laienwerbung vereinbart worden. Aufgrund oder anlässlich des Schreibens hätten keine Laienwerberaktivitäten stattgefunden. Eine Tippvergütung sehe das Schreiben nicht vor. Dies sei nur eine von verschiedenen Optionen für eine Belohnung. Das Schreiben enthalte auch keine Aufforderung zu einer sogenannten verdeckten Laienwerbung.

Die Beklagte behauptet, das Pflegepersonal habe die von diesem betreuten Senioren nach dem Willen der Beklagten nicht direkt in ein Werbegespräch ziehen sollen, um Senioren davon zu überzeugen, ihre Immobilie über die Beklagte vertreiben zu lassen. Die Betreuer hätten insbesondere nicht die vertrauensvolle Ansprache der pflegebedürftigen Menschen ausnutzen sollen, um diesen die Vorzüge des Immobilienverkaufs durch die Beklagte einzureden.

Die Beklagte meint, der Einsatz von Pflegepersonal als Laienwerber stelle keine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 UWG dar. Die Grenze zur unzumutbaren Belästigung sei erst überschritten, wenn der Unternehmer fordere, wisse oder damit rechnen müsse, dass der Laienwerber zu Methoden greife, die auch berufsmäßigen Werbern nach § 7 UWG verboten seien, insbesondere Telefon-, Telefax- oder E-Mail-Werbung ohne vorheriges Einverständnis. An diesen Voraussetzungen fehle es hier. Ausweislich des beanstandeten Schreibens seien auch keine unangemeldeten Hausbesuche durch Laienwerber zu befürchten.

Ferner ist die Beklagte mit näherem Vorbringen der Ansicht, dass keine unlautere aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG vorliege. Auch fehle es an einer Irreführung durch Unterlassen gemäß § 5 Abs. 2 UWG.

Weiter meint die Beklagte, es liege kein Verstoß gegen § 3a UWG i.V.m. § 7 WTG NRW oder § 14 Abs. 5 HeimG vor. Dabei handele es sich schon nicht um Marktverhaltensregeln im Sinne von § 3a UWG. Zudem seien auch die Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 WTG NRW und § 14 Abs. 5 HeimG nicht erfüllt. Diese verhielten sich über Geld- oder geldwerte Leistungen über das vertraglich vereinbarte Entgelt hinaus von Patienten an die Pflegeorganisation oder das Pflegepersonal. Die Tippvergütung habe hingegen, wenn überhaupt, die Beklagte zahlen sollen.

Die Beklagte ist der Ansicht, es fehle an einer Wiederholungsgefahr, da kein Verstoß vorliege. Es fehle auch an einer Erstbegehungsgefahr. Eine Erstbegehungsgefahr erfordere, dass Umstände vorlägen, die eine ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr einer erstmaligen Begehung begründet sind. Die bloß theoretische Möglichkeit der zukünftigen Begehung reiche nicht aus. Im Streitfall sei durch das beanstandete Schreiben keine ernstliche und unmittelbar drohende Gefahr geschaffen worden. Das Schreiben enthalte keine konkreten Vorgaben für eine Laienwerbung und auch keine Verabredung zur Laienwerbung. Es bitte ausdrücklich lediglich vorab um ein Kennenlerngespräch. Ein Kennenlerngespräch und Verhandlungen über die Konditionen der Laienwerbung seien wesentliche Zwischenakte, so dass auch in zeitlicher Hinsicht eine unmittelbar bevorstehende Gefahr nicht zu bejahen sei.

Schließlich erhebt die Beklagte die Verjährungseinrede.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien und deren Anlagen verwiesen.





Entscheidungsgründe:


Die Klage hat Erfolg.

I. Der zulässige Klageantrag zu 1. ist auch begründet. Der Kläger hat gegen Beklagte einen nicht verjährten Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 7 Abs. 1 UWG.

1. Dem Kläger steht gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG gegen die Beklagte zu.

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, dessen Zweck unter anderem die Bekämpfung unlauterer geschäftlicher Handlungen sowie die Aufklärung und Belehrung zur Förderung des lauteren Geschäftsverkehrs ist.

Dem Kläger gehört auch eine erhebliche Anzahl von Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher Art wie die Beklagte, nämlich Maklerdienste auf demselben Markt insbesondere in Berlin anbieten. Dabei müssen diese Unternehmen nicht direkt Mitglieder des Klägers sein. Es reicht, wenn diese indirekt Mitglieder des Klägers dadurch sind, dass sie Mitglieder der Industrie- und Handelskammer sind und diese wiederum Mitglied des Klägers ist. Aufgrund seiner Mitgliederstruktur (die Industrie- und Handelskammern in Deutschland lediglich mit Ausnahme der Industrie- und Handelskammer Aachen sind Mitglieder des Klägers) hat der Kläger die umfassende Verbandsklagebefugnis für das gesamte Bundesgebiet (vgl. BGH, WRP 2015, 444 - Monsterbacke; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., Einleitung UWG, Rn. 2.45).

2. Die Werbung der Beklagten in dem Schreiben vom 25.05.2018 für "Synergien" bei der Betreuung von Senioren gegenüber Pflegediensten in Berlin mit dem Beispiel, dass ein Ansatz "eine wirklich attraktive Tippprovision" für den Pflegedienst und das Pflegeteammitglied "für jeden erfolgreich übergeleiteten Immobilienverkäufer" sei, stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

Eine geschäftliche Handlung im Sinne dieser Vorschrift ist jedes Verhalten einer Person zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen oder dem Abschluss eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen zusammenhängt.

Die Beklagte ist unter anderem als Immobilienmaklerin tätig. Sie wirbt in dem Schreiben um erfolgreich auf sie übergeleitete Immobilienverkäufer. Das setzt nach dem Geschäftsmodell, mit dem Immobilienmakler arbeiten, den Abschluss eines Maklervertrages zwischen den Senioren und der Beklagten sowie den durch die Beklagte vermittelten Verkauf der Immobilie der Senioren voraus.

Dieses Handeln ist gerichtet auf die Förderung der Dienstleistung der Beklagten, nämlich den Abschluss von Makleraufträgen und die Erbringung von Maklerdienstleistungen. Dies stellt damit eine geschäftliche Handlung und nicht nur eine Vorbereitungshandlung dar.



3. Diese Handlung ist unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 UWG.

a) Gemäß § 7 Abs. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung unzulässig, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird.

Belästigend ist eine geschäftliche Handlung, insbesondere eine Werbemaßnahme, die dem Empfänger gegen seinen erkennbaren oder doch mutmaßlichen Willen aufgedrängt wird und die bereits wegen ihrer Art und Weise unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden wird (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2011, I ZR 167/09, zitiert nach juris, Rn. 17 - Kreditkartenübersendung, mit weiteren Nachweisen). Das ist anzunehmen, wenn der Handelnde die Aufmerksamkeit und/oder die Einrichtungen und Ressourcen eines Marktteilnehmers gegen seinen erkennbaren oder mutmaßlichen Willen in Anspruch nimmt und ihn damit zwingt, sich mit der Handlung auseinanderzusetzen; es muss ein Eingriff in die private oder geschäftliche Sphäre eines Marktteilnehmers vorliegen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 7 Rn. 19). Dabei reicht nicht jede Belästigung aus, weil jede geschäftliche Handlung, insbesondere Werbung, mit einer gewissen Belästigung für den Adressaten verbunden ist und dieser sich damit auseinandersetzen muss und ein Wettbewerb ohne Einwirkung auf die Marktteilnehmer nicht möglich ist. Verhindert werden soll nur die als unerträglich empfundene und damit unzumutbare Belästigung (vgl. BGH, a. a. O.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 7 Rn. 20). Ob eine Belästigung und Beeinflussung dem jeweiligen Adressaten noch zumutbar ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach Zeitpunkt, Ort, Art und Dauer der Handlung, sowie nach der Schutzbedürftigkeit der angesprochenen Marktteilnehmer in der jeweiligen Situation, wobei an die Prüfung der Unzumutbarkeit im Interesse eines effektiven Schutzes der Marktteilnehmer vor Belästigung keine strengen Maßstäbe anzulegen sind (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, a. a. O.).

b) Im Streitfall ist die Werbung der Beklagten in dem beanstandeten Schreiben auf eine Belästigung der von den angesprochenen Pflegediensten und deren Mitarbeitern betreuten Senioren in unzumutbarer Weise gerichtet.

aa) Das ergibt sich allerdings noch nicht daraus, dass die Beklagte mit der Werbung in diesem Schreiben unter diesen Senioren über die angesprochenen Pflegedienste und deren Mitarbeiter im Wege der sogenannten Laienwerbung Kunden gewinnen wollte. Im Streitfall ist das beanstandete Schreiben auf eine sogenannte Laienwerbung gerichtet wird.

Unter Laienwerbung ist die Kundenwerbung durch nichtunternehmerisch tätige natürliche Personen ("Laien") zu verstehen, die für einen Unternehmer gegen Gewährung einer Werbeprämie tätig werden (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 3, Rn. 6.23) im Streitfall sind die Pflegedienste bei der Tätigkeit gegenüber den von ihnen betreuten Senioren zwar unternehmerisch tätig. Dies beschränkt sich jedoch auf den Bereich der Pflege und gegebenenfalls der Alltagsbetreuung insbesondere im Haushalt (z.B. Einkäufe, Arztbesuche, Spaziergänge). Davon umfasst ist nicht die Beratung bei der Nutzung und dem Verkauf von Immobilien. In diesem Bereich treten der Pflegedienst und dessen Mitarbeiter den von ihnen betreuten Senioren als Laien gegenüber.




Laienwerbung ist generell zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2006, I ZR 145/03, zitiert nach juris, Rn. 17 - Kunden werben Kunden; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 3 Rn. 33). Dabei ist an den Maßstäben der früheren Rechtsprechung nach der Übernahme des europäischen Verbraucherleitbildes und im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber sachfremde Zuwendungen nicht mehr so streng beurteilt wie früher, nicht mehr uneingeschränkt festzuhalten (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2006, I ZR 145/03, zitiert nach juris, Rn. 16 - Kunden werben Kunden). Eine Laienwerbung kann unzulässig sein, wenn die Gefahr einer Irreführung oder einer unzumutbaren Belästigung des umworbenen Kunden durch den Laienwerber besteht, die Werbung auf eine Verdeckung des Prämieninteresses und damit auf eine Täuschung über die Motive des Werbenden angelegt ist (sogenannte verdeckte Laienwerbung) oder sie sich auf Waren oder Dienstleistungen, für die besondere Maßstäbe gelten (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2006, I ZR 145/03, zitiert nach juris, Rn. 17 - Kunden werben Kunden). Dabei ist eine mit Werbemaßnahmen verbundene Belästigung grundsätzlich hinzunehmen und eine unzumutbare Belästigung auch nicht schon allein darin zu sehen, dass der Laienwerber sich in erster Linie an Personen wenden wird, zu denen er in einer bestimmten Beziehung steht, und diese sich einer solchen Werbemaßnahme möglicherweise weniger leicht entziehen können als den Werbeversuchen Fremder (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2006, I ZR 145/03, zitiert nach juris, Rn. 20 - Kunden werben Kunden). Eine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG ist regelmäßig erst gegeben, wenn die Gefahr besteht, dass der Laienwerber zu Mitteln greift, die auch berufsmäßigen Bewerbern verboten sind (vgl. BGH, a. a. O.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 3 Rn. 6.35).

bb) Eine unzumutbare Belästigung für die betreuten Senioren ergibt sich auch noch nicht unter dem Gesichtspunkt eines unangemeldeten Hausbesuchs. Bei lebensnaher Betrachtung ist das Schreiben der Beklagten vom 25.05.2018, in dem ausdrücklich als "Ansatz" für eine Zusammenarbeit mit der Beklagten "eine wirklich attraktive Tippprovision" für den angesprochenen Pflegedienst und dessen Mitarbeiter, die als Pflegeteammitglieder eingesetzt sind, genannt ist, dahin auszulegen, dass die Beklagte den angeschriebenen Pflegediensten und deren Mitarbeitern für jeden von diesen an die Beklagte "erfolgreich übergeleiteten Immobilienverkäufer" eine Geldleistung oder geldwerte Leistung in Aussicht stellt. Damit sollen die Pflegedienste und deren Mitarbeiter veranlasst werden, bei ihren Kontakten mit den von ihnen betreuten Senioren und damit insbesondere bei deren Betreuung zu Hause für die Beklagte und deren Leistungen als Immobilienmaklerin zu werben. Das stellt bezogen auf diese Werbung einen unangemeldeten Hausbesuch dar. Denn die Hausbesuche erfolgen durch den Pflegedienst und deren Mitarbeiter, um Pflegedienstleistungen und gegebenenfalls andere Betreuungsleistungen zu erbringen, nicht jedoch um für Immobilienmakler zu werden.

Allerdings ist auch eine Haustürwerbung durch unangemeldete Hausbesuche grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, WRP 2014, 1050, Rn. 29 - Geschäftsführerhaftung). Damit eine Unzulässigkeit zu bejahen ist, müssen besondere Umstände hinzutreten.

cc) Im Streitfall liegen solche besonderen Umstände vor.

Zu berücksichtigen ist zunächst, dass zumindest ein nicht unerheblicher Teil der betreuten Senioren nicht dem Leitbild des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers entspricht. Senioren, die Pflegedienstleistungen und andere Betreuungsleistungen im Alltag in Anspruch nehmen, sind regelmäßig altersbedingt oder durch Erkrankungen körperlich eingeschränkt und geschwächt. Häufig geht das mit einer altersbedingten und/oder krankheitsbedingten Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit sowie einer Schwächung der psychischen Widerstandskraft gegen Einflüsse von insbesondere näherstehenden Personen einher, so dass diese die Senioren häufig nicht mehr die Anforderungen erfüllen, welche dem Leitbild eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers entsprechen. Darüber hinaus sind die betreuenden Pflegedienstmitarbeiter Personen, denen diese Senioren täglich begegnen und von denen sie Hilfe erfahren. Das führt in vielen Fällen dazu, dass diesen gegenüber auch ein Vertrauensverhältnis entwickelt wird. Hinzu kommt, dass wegen der Hilfeleistungen in einer Situation, in denen die Senioren diese Aufgaben nicht mehr allein und selbst bewältigen können, nicht selten auch ein Gefühl von Abhängigkeit entsteht.

Die Werbung der Beklagten ist darauf ausgerichtet, für ihre Zwecke diese Gesamtlage der betreuten Senioren und ihr Verhältnis zu den betreuenden Mitarbeitern der angeschriebenen Pflegedienste, die häufig eingeschränkten intellektuellen Fähigkeiten und geschwächte psychische Widerstandskraft der Senioren für die Zwecke der Beklagten und den Abschluss eines Maklervertrages zwischen den Senioren, die über Immobilieneigentum verfügen, auszunutzen.

Weiter kommt hinzu, dass durch das Inaussichtstellen einer attraktiven Tippprovision für den angesprochenen Pflegedienst und deren Mitarbeiter diese einen erheblichen finanziellen Anreiz erhalten, solche Maklerverträge zwischen den betreuten Senioren mit Immobilienbesitz und der Beklagter erfolgreich herbeizuführen. Es liegt nahe, dass dies erfolgreicher ist, wenn den betreuten Senioren nicht das eigene Provisionsinteresse offenbart wird. Nach der Lebenserfahrung besteht deshalb naheliegende Gefahr, dass von der Beklagten mit dem Schreiben für ihre Zwecke angesprochene Pflegedienste und deren Mitarbeiter bei der Gewinnung von Kunden für die Beklagte unter den von ihnen betreuten Senioren ihr finanzielles Interesse verschwiegen und deshalb verdeckte Laienwerbung betrieben. Dies war für die Beklagte auch erkennbar.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ist nach Ansicht der Kammer das Werbeschreiben der Beklagten vom 25.05.2018 auf eine unzumutbare Belästigung der von den angeschriebenen Pflegediensten betreuten Senioren mit Immobilienbesitz gerichtet.

Es handelt sich auch nicht lediglich um eine Vorbereitungshandlung. Vielmehr das Schreiben darauf gerichtet, über diese Werbung Pflegedienste für den unlauteren Zweck zu gewinnen.

4. Es besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Aufgrund des dargestellten Verstoßes wird die Wiederholungsgefahrgefahr vermutet.



5. Unterlassungsanspruch ist auch nicht verjährt.

a) Insoweit greift die sechsmonatige Verjährungsfrist gemäß § 11 Abs. 1 UWG.

b) Die Verjährungsfrist begann gemäß § 11 Abs. 2 UWG mit der Kenntnis des Klägers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (der Beklagten). Insoweit ist ein früherer Zeitpunkt als der 23.08.2018, dem Tag der Abmahnung, nicht festzustellen.

Von diesem Tag an lief die sechsmonatige Verjährungsfrist bis zum 22.02.2019.

c) Vor Ablauf der Verjährungsfrist ist die Verjährung gemäß § 15 Abs. 9 UWG durch die Anrufung der Einigungsstelle der Industrie- und Handelskammer zu Münster gehemmt worden. Die Anrufung erfolgte durch Schreiben des Klägers vom 10.01.2019. Die Hemmung dauerte gemäß § 15 Abs. 9 UWG bis zum Ende des Einigungsverfahrens an. Das Einigungsverfahrens endete am 26.03.2019.

Gemäß § 204 Abs. 2 S. 2 BGB dauerte die Hemmung sodann noch weitere sechs Monate und somit bis zum 26.09.2019 an.

d) Vor Ablauf dieser Hemmung trat durch die Klageerhebung im vorliegenden Rechtsstreit, welche durch die Zustellung der Klage an die Beklagte am 02.07.2019 bewirkt worden ist, gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB eine weitere Hemmung ein, die noch fortdauert.

e) Damit ist im Ergebnis aufgrund der eingetretenen Hemmungen der Unterlassungsanspruch nicht verjährt.

II.

Auch der Klageantrag zu 2. ist begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG auf Zahlung von Abmahnkosten i.H.v. 299,60 €.

a) Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 23.08.2018 wegen des mit der Klage geltend gemachten Verstoßes abgemahnt.

b) Diese Abmahnung war berechtigt. Dazu wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen I. 1. bis 4. verwiesen.

c) Die Klägerin hat deshalb gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Abmahnung. Diese belaufen sich unstreitig auf die von der Klägerin geltend gemachten 299,60 € (einschließlich 7 % Umsatzsteuer).

d) Auch dieser Anspruch ist nicht jährt. Dazu gelten die Ausführungen unter I. 5.entsprechend.

2. Der Zinsanspruch ist aus §§ 288 Abs. 1, bei 191 BGB begründet.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1 ZPO.

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