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EuGH Urteil vom 19.11.2020 - C-663/18 - Nationale Rechtsvorschriften, die die industrielle Nutzung und die Vermarktung von Hanf auf Fasern und Samen beschränken – Cannabidiol (CBD)

EuGH v. 19.11.2020: Nationale Rechtsvorschriften, die die industrielle Nutzung und die Vermarktung von Hanf auf Fasern und Samen beschränken – Cannabidiol (CBD)


Der EuGH (Urteil vom 19.11.2020 - C-663/18) hat entschieden:

   Die Art. 34 und 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es verbietet, in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltes Cannabidiol (CBD) zu vermarkten, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, es sei denn, diese Regelung ist geeignet, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates und die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates sind dahin auszulegen, dass sie auf eine solche Regelung nicht anwendbar sind.




Siehe auch
CBD - cannabinoidhaltige Extrakte - Hanföl
und
Nahrungsergänzungsmittel - Lebensmittelsupplemente - Aufbaumittel


In der Rechtssache C-663/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel d’Aix-en-Provence (Berufungsgericht Aix-en-Provence, Frankreich) mit Entscheidung vom 23. Oktober 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Oktober 2018, in dem Strafverfahren gegen

B S,

C A,

Beteiligte:

Ministère public,

Conseil national de l’ordre des pharmaciens,

erlässt DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter N. Piçarra, D. Šváby und S. Rodin (Berichterstatter) sowie der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: V. Giacobbo, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– von B S, vertreten durch X. Pizarro und I. Metton, avocats,

– von C A, vertreten durch E. van Keymeulen, M. De Vallois, A. Vey und L.-M. De Roux, avocats,

– der französischen Regierung, vertreten durch A.-L. Desjonquères, C. Mosser und R. Coesme als Bevollmächtigte,

– der griechischen Regierung, vertreten durch G. Kanellopoulos und A. Vasilopoulou als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Lewis, M. Huttunen und M. Kaduczak als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Mai 2020

folgendes Urteil:

Gründe:


Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 34 und 36 AEUV und der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 608) sowie die Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 671).

Es ergeht im Rahmen eines in Frankreich gegen B S und C A eingeleiteten Strafverfahrens wegen der Vermarktung und des Vertriebs einer elektronischen Zigarette mit Hanföl.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

HS und Erläuterungen zum HS

Der Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation (WZO), wurde durch das am 15. Dezember 1950 in Brüssel geschlossene Abkommen über die Gründung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens errichtet. Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) wurde von der WZO ausgearbeitet und mit dem am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS-Übereinkommen) eingeführt, das mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. 1987, L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt wurde.

Die in Kapitel 29 („Organische chemische Erzeugnisse“) der HS-Nomenklatur enthaltene Position 2932 stellt sich wie folgt dar:

   [folgt eine Tabelle

Zur Position 5701 der HS-Nomenklatur, jetzt Position 5302, gehört „Hanf (Cannabis sativa L.), roh oder bearbeitet, jedoch nicht versponnen; Werg und Abfälle von Hanf (einschließlich Garnabfälle und Reißspinnstoff)“.

Erläuterungen zum HS

Die Erläuterungen zum HS werden in der WZO nach den Bestimmungen des HS-Übereinkommens ausgearbeitet.

In der Anmerkung zu Kapitel 29 der HS-Nomenklatur heißt es:

   „Zu Kapitel 29 gehören im Prinzip nur isolierte chemisch einheitliche Verbindungen ... Eine isolierte chemisch einheitliche Verbindung ist ein Stoff, der aus einer einzigen Molekülart (insbesondere mit kovalenten oder ionischen Bindungen) besteht, deren Aufbau durch ein konstantes Verhältnis seiner Elemente untereinander definiert ist und die durch eine einzige Strukturformel dargestellt werden kann. ... Die isolierten chemisch einheitlichen Verbindungen dieses Kapitels dürfen Verunreinigungen enthalten.“

Nach der Anmerkung zu Position 5302 der HS-Nomenklatur gehören zu dieser Position:

  1)  "Roher Hanf, wie er ausgerauft wird, auch mit Samen.

  2)  Gerösteter Hanf, bei dem die Fasern, zum Teil von den Schäben gelöst, noch an diesen haften.

  3)  Geschwungener Hanf, d. h. reiner Bast, der aus Faserbündeln besteht, die manchmal mehr als 2 m lang sind.

  4)  Gehechelter Hanf oder Hanffasern, die anders für die Spinnerei vorbereitet (jedoch nicht versponnen) sind, in der Regel in Form von Bändern oder Vorgarnen.

  5)  Werg und andere faserige Abfälle von Hanf, die im Allgemeinen beim Schwingen und vor allem beim Hecheln, sowie Garnabfälle aus Hanf, die insbesondere beim Spinnen und Weben anfallen, und Reißspinnstoff aus Hanf, der durch Reißen von altem Tauwerk, Lumpen usw. gewonnen wird. Diese Abfälle sind hier erfasst, gleichviel, ob sie für die Spinnerei verwendbar sind (sie können dann auch in Form von Bändern oder Vorgarnen vorkommen) oder nicht; im letzteren Fall werden sie z. B. als Material zum Polstern, Abdichten oder zur Papierherstellung verwendet.“

Einheits-Übereinkommen

Das am 30. März 1961 in New York geschlossene Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der durch das Protokoll von 1972 zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 geänderten Fassung (United Nations Treaty Series, Bd. 520, Nr. 7515, im Folgenden: Einheits-Übereinkommen) sieht in Art. 1 vor:

   „(1) Soweit nicht ausdrücklich etwas anderes ausdrücklich angegeben oder auf Grund des Zusammenhangs erforderlich ist, gelten für das gesamte Übereinkommen folgende Begriffsbestimmungen:

...

b) Der Ausdruck ‚Cannabis‘ bezeichnet die Blüten- oder Fruchtstände der Cannabispflanze, denen das Harz nicht entzogen worden ist, und zwar ohne Rücksicht auf ihre Benennung; ausgenommen sind die nicht mit solchen Ständen vermengten Samen und Blätter.

c) Der Ausdruck ‚Cannabispflanze‘ bezeichnet jede Pflanze der Gattung Cannabis.

...

j) Der Ausdruck ‚Suchtstoff‘ bezeichnet jeden in den Anhängen I und II aufgeführten natürlichen oder synthetischen Stoff.

...“

Übereinkommen über psychotrope Stoffe

Das am 21. Februar 1971 in Wien geschlossene Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe (United Nations Treaty Series, Bd. 1019, Nr. 14956, im Folgenden: Übereinkommen über psychotrope Stoffe) sieht in Art. 1 Buchst. e vor:

   „Sofern nicht etwas anderes ausdrücklich angegeben oder auf Grund des Zusammenhangs erforderlich ist, haben die nachfolgenden Ausdrücke in diesem Übereinkommen die unten angegebene Bedeutung:

...

e) der Ausdruck ‚psychotroper Stoff‘ bezeichnet jeden in Anhang I, II, III oder IV [dieses Übereinkommens] aufgeführten natürlichen oder synthetischen Stoff oder natürlichen Ausgangsstoff.“


Unionsrecht

Rahmenbeschluss 2004/757/JI

Der Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. 2004, L 335, S. 8) sieht in Abs. 1 vor:

   „Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Begriff

1. ‚Drogen‘ sämtliche Stoffe, die in folgenden Übereinkommen der Vereinten Nationen erfasst sind:

a) [Einheits-Übereinkommen];

b) [Übereinkommen über psychotrope Stoffe]. Erfasst werden auch die Stoffe, die im Rahmen der vom Rat angenommenen [und auf Art. K 3 des Vertrags über die Europäische Union gestützten] Gemeinsamen Maßnahme 97/396/JI vom 16. Juni 1997 betreffend den Informationsaustausch, die Risikobewertung und die Kontrolle bei neuen synthetischen Drogen [(ABl. 1997, L 167, S. 1)] der Kontrolle unterworfen wurden.“„Sofern nicht etwas anderes ausdrücklich angegeben oder auf Grund des Zusammenhangs erforderlich ist, haben die nachfolgenden Ausdrücke in diesem Übereinkommen die unten angegebene Bedeutung:

...

e) der Ausdruck ‚psychotroper Stoff‘ bezeichnet jeden in Anhang I, II, III oder IV [dieses Übereinkommens] aufgeführten natürlichen oder synthetischen Stoff oder natürlichen Ausgangsstoff.“

Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Rahmenbeschlusses 2004/757 trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgende vorsätzliche Handlungen unter Strafe gestellt werden, wenn sie ohne entsprechende Berechtigung vorgenommen wurden: das Gewinnen, Herstellen, Ausziehen, Zubereiten, Anbieten, Feilhalten, Verteilen, Verkaufen, Liefern – gleichviel zu welchen Bedingungen –, Vermitteln, Versenden – auch im Transit –, Befördern, Einführen oder Ausführen von Drogen. In Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses wird klargestellt, dass die Handlungen nach Art. 2 Abs. 1 nicht in den Anwendungsbereich dieses Rahmenbeschlusses fallen, wenn die Täter sie ausschließlich für ihren persönlichen Konsum im Sinne des nationalen Rechts begangen haben.




Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen

Das am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichnete und am 26. März 1995 in Kraft getretene Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 19) (im Folgenden: Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen), ist Teil des Schengen-Besitzstands gemäß Artikel 1 Absatz 2 des Beschlusses 1999/435/EG des Rates vom 20. Mai 1999 zur Bestimmung des Schengen-Besitzstands zwecks Festlegung der Rechtsgrundlagen für jede Bestimmung und jeden Beschluss, die diesen Besitzstand bilden, nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Vertrags über die Europäische Union (ABl. 1999, L 176, S. 1).

Nach Art. 71 Abs. 1 dieses Übereinkommens verpflichten sich die Vertragsparteien, in Bezug auf die unmittelbare oder mittelbare Abgabe von Suchtstoffen und psychotropen Stoffen aller Art einschließlich Cannabis und den Besitz dieser Stoffe zum Zwecke der Abgabe oder Ausfuhr unter Berücksichtigung der bestehenden Übereinkommen der Vereinten Nationen, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, die zur Unterbindung des unerlaubten Handels mit Suchtstoffen erforderlich sind.

Verordnung Nr. 1307/2013

Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1307/2013 sieht vor:

   „Mit dieser Verordnung wird Folgendes festgelegt:

a) gemeinsame Vorschriften für die Betriebsinhabern direkt gewährten Zahlungen im Rahmen der in Anhang I aufgeführten Stützungsregelungen (‚Direktzahlungen‘)“.

Art. 4 Abs. 1 Buchst. d dieser Verordnung bestimmt:

   „Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Begriff

...

d) ‚landwirtschaftliche Erzeugnisse‘ die in Anhang I der Verträge aufgeführten Erzeugnisse, ausgenommen Fischereierzeugnisse, sowie Baumwolle.“

Art. 32 Abs. 6 der Verordnung lautet:

   „Zum Hanfanbau genutzte Flächen sind nur beihilfefähig, wenn der Tetrahydrocannabinolgehalt der verwendeten Sorten nicht mehr als 0,2 % beträgt.“

Art. 35 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1307/2013 sieht vor:

   „Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit wird die [Europäische] Kommission ermächtigt, gemäß Artikel 70 delegierte Rechtsakte zur Festlegung von Vorschriften, durch die die Gewährung von Zahlungen von der Verwendung zertifizierten Saatguts bestimmter Hanfsorten abhängig gemacht wird, und zur Festlegung des Verfahrens für die Auswahl solcher Hanfsorten und zur Überprüfung ihres Tetrahydrocannabinolgehalts gemäß Artikel 32 Absatz 6 zu erlassen.“

Verordnung Nr. 1308/2013

Art. 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1308/2013 bestimmt:

   „(1) Mit dieser Verordnung wird eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse errichtet, d. h. alle Erzeugnisse, die in Anhang I der Verträge aufgeführt sind, ausgenommen Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur im Sinne der Gesetzgebungsakte der Union über die gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur.

(2) Landwirtschaftliche Erzeugnisse im Sinne von Absatz 1 werden in folgende, in den verschiedenen Teilen des Anhangs I aufgeführte Sektoren unterteilt:

...

h) Flachs und Hanf, Teil VIII;

...“

In Anhang I Teil VIII dieser Verordnung wird in der Liste der Erzeugnisse im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung u. a. „Hanf (Cannabis sativa L.), roh oder bearbeitet, jedoch nicht versponnen; Werg und Abfälle von Hanf (einschließlich Garnabfälle und Reißspinnstoff)“ aufgeführt.

Art. 189 der Verordnung Nr. 1308/2013, der besondere Bestimmungen für die Einfuhr von Hanf enthält, sieht vor:

   „(1) Folgende Erzeugnisse dürfen in die [Europäische] Union nur eingeführt werden, wenn die nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:

a) Rohhanf des KN-Codes 5302 10 00 muss den in Artikel 32 Absatz 6 und Artikel 35 Absatz 3 der Verordnung [Nr. 1307/2013] [genannten Bedingungen] entsprechen;

b) bei zur Aussaat bestimmten Samen von Hanfsorten des KN-Codes ex 1207 99 20 muss nachgewiesen werden, dass der Tetrahydrocannabinolgehalt der betreffenden Sorte nicht über dem gemäß Artikel 32 Absatz 6 und Artikel 35 Absatz 3 der Verordnung [Nr. 1307/2013] [festgelegten] Wert liegt;

c) nicht zur Aussaat bestimmte Hanfsamen des KN-Codes 1207 99 91 werden nur durch vom Mitgliedstaat anerkannte Einfuhrunternehmen eingeführt, um sicherzustellen, dass sie nicht zur Aussaat verwendet werden.

(2) Dieser Artikel lässt strengere Bestimmungen unberührt, die die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem [AEU-Vertrag] und den Verpflichtungen aus dem [Übereinkommen über die Landwirtschaft (ABl. 1994, L 336, S. 22), das im Anhang 1 A des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (ABl. 1994, L 336, S. 3) zu finden ist, das mit Art. 1 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche genehmigt wurde (ABl. 1994, L 336, S. 1),] erlassen haben.“

Französisches Recht

Gesetzbuch über das öffentliche Gesundheitswesen

Art. L. 5132-1 des Code de la santé publique (Gesetzbuch über das öffentliche Gesundheitswesen) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: CSP) bestimmt:

   „Als giftige Stoffe gelten:

...

2. Suchtstoffe;

3. Psychotrope Stoffe;

...

Unter ‚Stoffe‘ sind chemische Elemente und deren Verbindungen zu verstehen, wie sie natürlich vorkommen oder industriell hergestellt werden und gegebenenfalls alle für ihr Inverkehrbringen erforderlichen Zusatzstoffe enthalten.

...“

Art. L. 5132-8 Abs. 1 CSP sieht vor:

   „Die Erzeugung, die Herstellung, der Transport, die Einfuhr, die Ausfuhr, der Besitz, das Angebot, die Veräußerung, der Erwerb und der Gebrauch von Pflanzen, Stoffen oder Zubereitungen, die als giftig eingestuft sind, unterliegen Bedingungen, die durch Dekrete des Conseil d’État [Staatsrat (Frankreich)] festgelegt werden.“

Art. R. 5132-86 Abs. 1 und 2 CSP lautet:

   „I. Verboten sind die Erzeugung, die Herstellung, der Transport, die Einfuhr, die Ausfuhr, der Besitz, das Angebot, die Veräußerung, der Erwerb oder der Gebrauch

1. von Cannabis, seiner Pflanze oder seines Harzes, von Erzeugnissen, die Cannabis enthalten oder die aus Cannabis, seiner Pflanze oder seines Harzes gewonnen werden,

2. von Tetrahydrocannabinol mit Ausnahme von Delta-9-Tetrahydrocannabinol, seiner Ester, Ether und Salze sowie von Salzen der genannten Derivate und von Erzeugnissen, die diese enthalten.

II. Von den oben genannten Bestimmungen können Ausnahmen für Zwecke der Forschung und Kontrolle sowie der Herstellung von durch den Generaldirektor der Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé [Nationale Agentur für die Sicherheit von Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten] genehmigten Derivaten gewährt werden.

Der Anbau, die Einfuhr, die Ausfuhr und die industrielle und gewerbliche Nutzung von Cannabissorten, die keine Suchtstoffeigenschaften aufweisen, oder von Erzeugnissen, die solche Sorten enthalten, können auf Vorschlag des Generaldirektors der Agentur durch Verordnung der Minister für Landwirtschaft, für Zoll, für Industrie und für Gesundheit genehmigt werden.“

Verordnung vom 22. August 1990

Art. 1 der Verordnung vom 22. August 1990 über die Anwendung von Art. R. 5132-86 CSP auf Cannabis (JORF vom 4. Oktober 1990, S. 12041) in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Verordnung vom 22. August 1990) bestimmt:

   „Im Sinne von Art. R. 5181 [CSP] sind der Anbau, die Einfuhr, die Ausfuhr und die industrielle und gewerbliche Nutzung (Fasern und Samen) von Cannabis-sativa-L.-Sorten zulässig, die die folgenden Kriterien erfüllen:

der Gehalt an Delta-9-Tetrahydrocannabinol dieser Sorten ist nicht höher als 0,20 %;

die Bestimmung des Gehalts an Delta-9-Tetrahydrocannabinol und die Entnahme von Stichproben zu dieser Bestimmung werden nach der im Anhang vorgesehenen [Unionsmethode] durchgeführt.

...“

Rundschreiben vom 23. Juli 2018

Im Rundschreiben des Justizministeriums vom 23. Juli 2018 über die rechtliche Regelung für Einrichtungen, die Cannabisprodukte zum öffentlichen Verkauf anbieten (coffee shops) (2018/F/0069/FD2) (im Folgenden: Rundschreiben vom 23. Juli 2018), wird die Verordnung vom 22. August 1990 wie folgt ausgelegt:

   „Der Anbau, die Einfuhr, die Ausfuhr und die Verwendung von Hanf sind daher nur zulässig, wenn

die Pflanze aus einer der in der Verordnung [vom 22. August 1990] vorgesehenen Cannabis-Sativa-L.-Sorten hervorgegangen ist,

nur Fasern und Samen der Pflanze verwendet werden,

die Pflanze ihrerseits weniger als 0,20 % Delta-9-Tetrahydrocannabinol enthält.

Entgegen dem Vorbringen der Einrichtungen, die Cannabidiolprodukte zum Verkauf anbieten, gilt der zulässige Gehalt an Delta-9-Tetrahydrocannabinol von 0,20 % für die Cannabispflanze und nicht für das daraus gewonnene Endprodukt.

...

Das Cannabidiol findet sich hauptsächlich in den Blättern und den Blüten der Pflanze, nicht aber in den Fasern und Samen. Nach geltendem Recht ist daher eine Extraktion von Cannabidiol unter Bedingungen, die mit dem [CSP] im Einklang stehen, nicht möglich.

...“




Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

B S und C A sind ehemalige Geschäftsführer der Catlab SAS, einer 2014 für die Vermarktung von Kanavape, von Alpha-Cat-Kits zur Analyse der Qualität von Cannabidiol (CBD) und von Hanföl gegründeten Gesellschaft. Kanavape ist eine elektronische Zigarette, deren Flüssigkeit CBD enthält. Ihr Vertrieb sollte über das Internet und ein Netz von Verkäufern elektronischer Zigaretten erfolgen. CBD wird im Allgemeinen aus „Cannabis sativa“ oder „Hanf“ gewonnen, da diese Sorte von Natur aus einen hohen Anteil von CBD und einen niedrigen Anteil von Tetrahydrocannabinol (im Folgenden: THC) enthält.

Das in Kanavape verwendete CBD wurde in der Tschechischen Republik unter Nutzung der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze, die auch vor Ort angebaut wurde, hergestellt. Es wurde von Catlab nach Frankreich eingeführt, die es in Patronen für elektronische Zigaretten füllte.

Nach einer 2014 von Catlab durchgeführten Informationskampagne zur Bewerbung der Markteinführung von Kanavape wurde eine Untersuchung eingeleitet und die Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé (Nationale Agentur für die Sicherheit von Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten, ANSM) mit der Sache befasst.

Das Labor der ANSM prüfte auf dem Markt angebotene Kanavape-Patronen. Es konnten zwar erhebliche Abweichungen in der CBD-Konzentration dieser Patronen festgestellt werden, der THC-Gehalt in den geprüften Erzeugnissen lag aber immer unter der gesetzlich zulässigen Schwelle. Im Juli 2016 teilte die ANSM im Anschluss an die Sitzung ihres Ausschusses für Suchtstoffe und psychotrope Stoffe mit, dass sie Kanavape nicht als „Arzneimittel“ ansehe.

Mit Urteil vom 8. Januar 2018 befand das Tribunal correctionnel de Marseille (Strafgericht Marseille, Frankreich) u. a. B S und C A wegen mehrerer Taten für schuldig, darunter Verstöße gegen die Rechtsvorschriften über giftige Stoffe. Die Kläger des Ausgangsverfahrens wurden zu einer Freiheitsstrafe von 18 bzw. 15 Monaten auf Bewährung und zu je 10.000,00 Euro Geldstrafe verurteilt. In zivilrechtlicher Hinsicht wurden sie als Gesamtschuldner zur Zahlung von 5.000,00 Euro als Ersatz des Schadens verurteilt, der dem Conseil national de l’ordre des pharmaciens (CNOP) (Nationaler Rat der Apothekerkammer, Frankreich) entstanden sei, und von 600,00 Euro in Anwendung der Strafprozessordnung verurteilt.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens legten am 11. bzw. 12. Januar 2018 bei der Cour d’appel d’Aix-en-Provence (Berufungsgericht Aix-en-Provence, Frankreich) Berufung gegen dieses Urteil ein. Vor dem vorlegenden Gericht machen sie insbesondere geltend, dass das Verbot der Vermarktung von aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze gewonnenem CBD gegen das Unionsrecht verstoße.

Das vorlegende Gericht führt aus, dass CBD keine „bekannten psychoaktiven Wirkungen“ zu haben scheine. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe nämlich in einem Bericht aus dem Jahr 2017 empfohlen, es aus der Liste der Dopingsubstanzen zu streichen, CBD sei nicht als solches im Einheits-Übereinkommen aufgeführt, die ANSM sei am 25. Juni 2015 zu dem Ergebnis gelangt, dass es keine ausreichenden Daten gebe, um es als „schädlich“ einzustufen, und schließlich sei der Sachverständige, der im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen bestellt worden sei, die zu den gegen die Kläger des Ausgangsverfahrens eingeleiteten Strafverfahren geführt hätten, zu dem Ergebnis gelangt, dass sich CBD „schwach oder gar nicht auf das zentrale Nervensystem“ auswirke. CBD sei außerdem weder in den Texten, die auf Industriehanf Anwendung fänden, noch in denen zu Cannabis als Suchtstoff ausdrücklich genannt.

Da jedoch das in Kanavape vorhandene CBD aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze stamme, sei es als ein Erzeugnis anzusehen, das aus anderen Teilen dieser Pflanze als Samen und Fasern gewonnen werde und dessen Vermarktung nach Art. 1 der Verordnung vom 22. August 1990 in der Auslegung durch das Rundschreiben vom 23. Juli 2018 nicht zulässig sei.

In diesem Zusammenhang wirft das vorlegende Gericht die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit dem Unionsrecht auf, da „Hanf (Cannabis sativa), roh, geröstet, geschwungen, gehechelt oder anders bearbeitet, jedoch nicht versponnen; Werg und Abfälle (einschließlich Reißspinnstoff)“ in Kapitel 57 der HS-Nomenklatur aufgeführt sei, auf die in Anhang I der Verträge Bezug genommen werde. Er sei daher als landwirtschaftliches Erzeugnis im Sinne von Art. 38 AEUV anzusehen. Dieser schaffe einen auf dem freien Warenverkehr beruhenden Binnenmarkt.

Da der THC-Gehalt in Hanf, der in den anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig vertrieben werde, unter 0,2 % liege, wie es im Ausgangsverfahren der Fall sei, könne CBD nicht als „Suchtstoff“ eingestuft werden. Nach den Urteilen vom 26. Oktober 1982, Wolf (221/81, EU:C:1982:363), und vom 28. März 1995, Evans Medical und Macfarlan Smith (C-324/93, EU:C:1995:84), könne nämlich nur ein Erzeugnis als „Suchtstoff“ eingestuft werden, dessen Schädlichkeit nachgewiesen oder allgemein bekannt sei und dessen Einfuhr und Vermarktung in allen Mitgliedstaaten verboten sei.

Außerdem seien die Verordnungen Nrn. 1307/2013 und 1308/2013 auf Hanf anwendbar.

Art. 189 der Verordnung Nr. 1308/2013 gestatte zwar die Einfuhr von Rohhanf unter bestimmten Bedingungen und lege Beschränkungen für bestimmte Samen fest, doch lasse er „strengere Bestimmungen unberührt, die die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem [AEU-Vertrag] und den Verpflichtungen aus dem [Übereinkommen über die Landwirtschaft in Anhang 1 A des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation] erlassen haben“.

Die kumulativen Voraussetzungen, die der Gerichtshof aufgestellt habe, um eine „strengere“ nationale Maßnahme im Sinne von Art. 189 der Verordnung Nr. 1308/2013 als mit dem AEU-Vertrag vereinbar anzusehen, seien nicht erfüllt.

Das Ziel der öffentlichen Gesundheit scheine nämlich bereits in der Verordnung Nr. 1308/2013 berücksichtigt worden zu sein, da diese Verordnung ihren Anwendungsbereich auf Sorten beschränke, die hinsichtlich des Gehalts an rauscherzeugenden Stoffen Garantien böten, und eine Beschränkung in Bezug auf Samen und einen THC-Gehalt von 0,2 % für Hanf festlege.

Außerdem könne der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wohl nicht herangezogen werden, da sich die Französische Republik im Rundschreiben vom 23. Juli 2018 zur Rechtfertigung des Verbots von CBD natürlichen Ursprungs auf ein Verbot berufe, das auf die Vermarktung von synthetischem CBD mit denselben Eigenschaften und Wirkungen keine Anwendung finden könne.



Unter diesen Umständen hat die Cour d’appel d’Aix-en-Provence (Berufungsgericht Aix-en-Provence) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

   Sind die Verordnungen Nrn. 1307/2013 und 1308/2013 sowie der Grundsatz des freien Warenverkehrs dahin auszulegen, dass die mit der Verordnung vom 22. August 1990 eingeführten Ausnahmebestimmungen eine mit dem Unionsrecht unvereinbare Beschränkung vorsehen, indem sie den Anbau von Hanf, seine industrielle Nutzung und seine Vermarktung allein auf Fasern und Samen beschränken?


Zur Vorlagefrage

Das vorlegende Gericht bezieht sich zwar in seiner Frage auf die Beschränkung des „Anbau[s] von Hanf, seine[r] industriellen Nutzung und seine[r] Vermarktung allein auf Fasern und Samen“, doch geht aus seinen eigenen Erläuterungen hervor, dass die Vorlagefrage nur insoweit für das Ausgangsverfahren erheblich ist, als sie die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung, die es verbietet, CBD zu vermarkten, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus deren Fasern und Samen gewonnen wird, mit dem Unionsrecht betrifft.

Daher ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage wissen möchte, ob die Verordnungen Nrn. 1307/2013 und 1308/2013 sowie die Art. 34 und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, sofern sie es verbietet, CBD zu vermarkten, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus deren Fasern und Samen gewonnen wird.

Zur Auslegung der Verordnungen Nrn. 1307/2013 und 1308/2013

Der Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1308/2013 wird in ihrem Art. 1 Abs. 1 definiert als Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse, d. h. alle Erzeugnisse, die in Anhang I der Verträge aufgeführt sind, ausgenommen Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur im Sinne der Gesetzgebungsakte der Union über die gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur.

Die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1307/2013 beziehen sich, wenn sie auf landwirtschaftliche Erzeugnisse verweisen, nach ihrem Art. 4 Abs. 1 Buchst. d auf die in Anhang I der Verträge aufgeführten Erzeugnisse, ausgenommen Fischereierzeugnisse, sowie auf Baumwolle.

Anhang I der Verträge, auf den diese Bestimmungen Bezug nehmen, enthält u. a. einen Verweis auf die Position 5701, jetzt Position 5302, der HS-Nomenklatur. Zu dieser Position gehört „Hanf (Cannabis sativa), roh, geröstet, geschwungen, gehechelt oder anders bearbeitet, jedoch nicht versponnen; Werg und Abfälle (einschließlich Reißspinnstoff)“.

Nach den Erläuterungen zum HS, die erheblich zur Auslegung der einzelnen Tarifpositionen beitragen, ohne jedoch rechtsverbindlich zu sein (Urteil vom 13. September 2018, Vision Research Europe, C-372/17, EU:C:2018:708, Rn. 23), erfasst die Position 5302 „[r]ohe[n] Hanf, wie er ausgerauft wird, auch mit Samen“, „[g]eröstete[n] Hanf, bei dem die Fasern, zum Teil von den Schäben gelöst, noch an diesen haften“, „[g]eschwungene[n] Hanf, d. h. reine[n] Bast, der aus Faserbündeln besteht, die manchmal mehr als 2 m lang sind“, „[g]ehechelte[n] Hanf oder Hanffasern, die anders für die Spinnerei vorbereitet (jedoch nicht versponnen) sind, in der Regel in Form von Bändern oder Vorgarnen“ und „Werg und andere faserige Abfälle von Hanf“.

C A hat, ohne dass ihm die anderen Beteiligten des Verfahrens vor dem Gerichtshof widersprochen hätten, vorgetragen, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze durch Extraktion mittels Kohlendioxid (CO2) gewonnen werde.

Somit stellt dieses Erzeugnis, wie der Generalanwalt in Nr. 35 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, weder rohen Hanf dar, da es nicht ausgerauft wird, noch gerösteten, geschwungenen oder gehechelten Hanf, da der Extraktionsprozess nicht die Trennung der Fasern vom Rest der Pflanze umfasst.

Entgegen dem Vorbringen der Kläger des Ausgangsverfahrens ist folglich davon auszugehen, dass das aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze gewonnene CBD nicht unter die von Anhang I der Verträge erfasste Position 5701, jetzt Position 5302, der HS-Nomenklatur fällt.

Allerdings ist festzustellen, dass Kapitel 29 der HS-Nomenklatur die organischen chemischen Erzeugnisse und die Position 2932 die heterocyclischen Verbindungen, nur mit Sauerstoff als Heteroatom(e), umfasst, zu denen u. a. THC, ein Cannabinoid wie CBD, gehört.

Nach den Erläuterungen zum HS fallen isolierte chemisch einheitliche Verbindungen unter Kapitel 29 der HS-Nomenklatur, da es sich bei diesen Verbindungen um Stoffe handelt, die aus einer einzigen Molekülart bestehen, deren Aufbau durch ein konstantes Verhältnis seiner Elemente untereinander definiert ist und die durch eine einzige Strukturformel dargestellt werden können.

Da das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis so dargestellt wird, dass es keine andere Verbindung als CBD mit Ausnahme von Verunreinigungen enthält, fällt es somit unter die Position 2932 der HS-Nomenklatur.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass, da die Liste der in Anhang I der Verträge genannten landwirtschaftlichen Erzeugnisse die Position 2932 der HS-Nomenklatur nicht aufführt, das in der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze vorkommende CDB nicht als landwirtschaftliches Erzeugnis angesehen werden kann und daher nicht als ein Erzeugnis, das unter die Verordnungen Nrn. 1307/2013 und 1308/2013 fällt.

Wie der Generalanwalt in Nr. 36 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, werden von diesen Verordnungen nur die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1307/2013 und Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1308/2013 genannten Erzeugnisse erfasst.

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Verordnungen Nrn. 1307/2013 und 1308/2013 dahin auszulegen sind, dass sie nicht für CBD gelten.




Zur Auslegung der Art. 34 und 36 AEUV

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass, da die Schädlichkeit von Suchtstoffen, einschließlich derjenigen auf Hanfbasis, allgemein anerkannt ist, ihr Inverkehrbringen in allen Mitgliedstaaten verboten ist; lediglich ein streng überwachter Handel, der der Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke dient, ist davon ausgenommen (Urteil vom 16. Dezember 2010, Josemans, C-137/09, EU:C:2010:774, Rn. 36).

Diese Rechtslage steht im Einklang mit verschiedenen völkerrechtlichen Übereinkünften, an denen die Mitgliedstaaten mitgewirkt haben oder denen sie beigetreten sind, wie etwa dem Einheits-Übereinkommen und dem Übereinkommen über psychotrope Stoffe. Die in diesen Übereinkommen vorgesehenen Maßnahmen wurden später durch das am 20. Dezember 1988 in Wien geschlossene Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen (United Nations Treaty Series, Bd. 1582, Nr. 1-27627), dem alle Mitgliedstaaten und die Union als Vertragsparteien angehören, verstärkt und ergänzt. Diese Rechtslage ist auch im Hinblick auf das Unionsrecht, insbesondere den Rahmenbeschluss 2004/757 und Art. 71 Abs. 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen, gerechtfertigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2010, Josemans, C-137/09, EU:C:2010:774, Rn. 37 bis 40).

Demnach fallen Suchtstoffe außerhalb des von den zuständigen Stellen streng überwachten Handels zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke bereits ihrem Wesen nach unter ein Einfuhr- und Verkehrsverbot in allen Mitgliedstaaten (Urteil vom 16. Dezember 2010, Josemans, C-137/09, EU:C:2010:774, Rn. 41).

Da die Einführung von Suchtstoffen in den Wirtschafts- und Handelsverkehr der Union außerhalb eines solchen streng überwachten Handels verboten ist, können sich Personen, die diese Erzeugnisse vermarkten, hinsichtlich des Verkaufs von Cannabis nicht auf die Anwendung der Verkehrsfreiheiten oder des Diskriminierungsverbots berufen (Urteil vom 16. Dezember 2010, Josemans, C-137/09, EU:C:2010:774, Rn. 42).

Daher ist zu prüfen, ob es sich bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden CBD um einen Suchtstoff im Sinne der in den Rn. 59 bis 62 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung handelt.

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass dieser Stoff weder vom Übereinkommen über psychotrope Stoffe noch von der Gemeinsamen Maßnahme 97/396 erfasst ist, auf die in Art. 1 Nr. 1 Buchst. b des Rahmenbeschlusses 2004/757 Bezug genommen wird.

Es ist somit zu prüfen, ob das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD unter das Einheits-Übereinkommen fällt, auf das in Art. 1 Nr. 1 Buchst. a des Rahmenbeschlusses 2004/757 Bezug genommen wird und das auch von Art. 71 Abs. 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen erfasst wird.

Zur Auslegung eines völkerrechtlichen Übereinkommens wie des Einheits-Übereinkommens ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung ein völkerrechtlicher Vertrag nach seinem Wortlaut und im Licht seiner Ziele auszulegen ist. Die Art. 31 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (United Nations Treaty Series, Bd. 1155, S. 331) und des Wiener Übereinkommens vom 21. März 1986 über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen (Official Records of the United Nations Conference on the Law of Treaties between States and International Organizations or between International Organizations, Bd. II, S. 91), die Ausdruck des Völkergewohnheitsrechts sind, bestimmen insoweit, dass ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Licht seines Ziels und Zwecks auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA, C-344/04, EU:C:2006:10, Rn. 40).

In der Präambel des Einheits-Übereinkommens erklären die Vertragsparteien u. a., besorgt um die Gesundheit und das Wohl der Menschheit zu sein und sich ihrer Pflicht bewusst zu sein, die Rauschgiftsucht zu verhüten und zu bekämpfen.

Nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. j des Einheits-Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck „Suchtstoff“ jeden in den Anhängen I und II dieses Übereinkommens aufgeführten natürlichen oder synthetischen Stoff. In Tabelle I des Übereinkommens sind u. a. Cannabis, Cannabisharz sowie Cannabisextrakte und Cannabistinkturen aufgeführt.

Außerdem werden die Ausdrücke „Cannabis“ und „Cannabispflanze“ in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und c des Einheits-Übereinkommens definiert als „die Blüten- oder Fruchtstände der Cannabispflanze, denen das Harz nicht entzogen worden ist, und zwar ohne Rücksicht auf ihre Benennung; ausgenommen sind die nicht mit solchen Ständen vermengten Samen und Blätter“ bzw. als „jede Pflanze der Gattung Cannabis“.

Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze gewonnen wird und nicht nur aus den Samen und Blättern unter Ausschluss der Blüten- oder Fruchtstände.

Unter diesen Umständen könnte zwar eine wörtliche Auslegung der Bestimmungen des Einheits-Übereinkommens zu dem Schluss führen, dass CBD, soweit es aus einer Pflanze der Gattung Cannabis gewonnen wird und diese Pflanze einschließlich ihrer Blüten- oder Fruchtstände als Ganzes verwendet wird, ein Cannabisextrakt im Sinne der Tabelle I dieses Übereinkommens und damit einen „Suchtstoff“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. j dieses Übereinkommens darstellt.

Aus den in Rn. 34 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Angaben in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich jedoch, dass nicht ersichtlich ist, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Daten psychotrope Wirkungen und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat. Im Übrigen hat die Cannabissorte, aus der dieser Stoff gewonnen wurde und die in der Tschechischen Republik rechtmäßig angebaut wurde, nach dem Akteninhalt einen THC-Gehalt von unter 0,2 %.

Wie sich aus Rn. 67 des vorliegenden Urteils ergibt, gründet sich das Einheits-Übereinkommen u. a. auf das Ziel des Schutzes der Gesundheit und des Wohls der Menschheit. Dieses Ziel ist daher bei der Auslegung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu berücksichtigen.

Ein solcher Ansatz ist umso mehr geboten, als eine Lektüre der von der Organisation der Vereinten Nationen veröffentlichten Kommentare zum Einheits-Übereinkommen, die sich auf die Definition von „Cannabis“ für die Zwecke dieses Übereinkommens beziehen, zu dem Schluss führt, dass diese Definition in Anbetracht des Ziels und des Grundgedankens des Übereinkommens untrennbar mit dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Schädlichkeit von Cannabiserzeugnissen für die menschliche Gesundheit verbunden ist. Aus diesen Kommentaren geht beispielsweise insbesondere hervor, dass sich der Ausschluss von Blüten- oder Fruchtständen, denen das Harz entzogen wurde, aus der Definition von Cannabis in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b des Übereinkommens durch den Umstand rechtfertigt, dass diese Blüten- oder Fruchtstände nur eine völlig unbedeutende Menge des psychoaktiven Wirkstoffs enthalten.

In Anbetracht dieser Umstände, deren Überprüfung Sache des vorlegenden Gerichts ist, würde es dem Ziel und dem Grundgedanken des Einheits-Übereinkommens widersprechen, CBD als Cannabisextrakt in die Definition der „Suchtstoffe“ im Sinne dieses Übereinkommens einzubeziehen, da es beim gegenwärtigen Stand der in Rn. 34 des vorliegenden Urteils angeführten wissenschaftlichen Erkenntnisse keinen psychoaktiven Wirkstoff enthält.

Folglich handelt es sich bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden CBD nicht um einen Suchtstoff im Sinne des Einheits-Übereinkommens.

Ferner ist noch hinzuzufügen, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD, wie auch die Kommission ausgeführt hat, in der Tschechischen Republik rechtmäßig hergestellt und vermarktet wurde.

Nach alledem ist festzustellen, dass die Art. 34 und 36 AEUV auf das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD anwendbar sind.

Der freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ist ein elementarer Grundsatz des AEU-Vertrags, der in dem in Art. 34 AEUV niedergelegten Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie aller Maßnahmen gleicher Wirkung seinen Ausdruck gefunden hat (Urteil vom 18. Juni 2019, Österreich/Deutschland, C-591/17, EU:C:2019:504, Rn. 119).

Das in Art. 34 AEUV aufgestellte Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen erfasst nach ständiger Rechtsprechung jede Maßnahme der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (Urteil vom 18. Juni 2019, Österreich/Deutschland, C-591/17, EU:C:2019:504, Rn. 120).

Zudem fällt eine Maßnahme, auch wenn sie weder bezweckt noch bewirkt, Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten weniger günstig zu behandeln, unter den Begriff der „Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen“ im Sinne von Art. 34 AEUV, wenn sie den Zugang von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten zum Markt eines Mitgliedstaats behindert (Urteil vom 18. Juni 2019, Österreich/Deutschland, C-591/17, EU:C:2019:504, Rn. 121).

Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass das Verbot der Vermarktung von in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltem CBD, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne von Art. 34 AEUV darstellt.

Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch eine solche Maßnahme durch einen der in Art. 36 AEUV genannten Gründe des Allgemeininteresses oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein. In beiden Fällen muss die nationale Bestimmung geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was dazu erforderlich ist (Urteil vom 18. Juni 2019, Österreich/Deutschland, C-591/17, EU:C:2019:504, Rn. 122).

Ferner kann eine beschränkende Maßnahme nur dann als geeignet angesehen werden, die Erreichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (Urteil vom 23. Dezember 2015, Scotch Whisky Association u. a., C-333/14, EU:C:2015:845, Rn. 37).

Soweit die Französische Republik geltend macht, dass ihre Regelung, mit der die Vermarktung von Erzeugnissen aus anderen Teilen der Cannabispflanze als ihren Fasern und Samen verboten werde, dem Schutz der öffentlichen Gesundheit im Sinne von Art. 36 AEUV diene, ist darauf hinzuweisen, dass unter den vom AEU-Vertrag geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zuzuerkennen (Urteil vom 19. Oktober 2016, Deutsche Parkinson Vereinigung, C-148/15, EU:C:2016:776, Rn. 30).

Dieses den Schutz der öffentlichen Gesundheit betreffende Ermessen ist von besonderer Bedeutung, wenn nachgewiesen wird, dass beim gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung Unsicherheiten bei bestimmten von den Verbrauchern verwendeten Stoffen bestehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission/Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 86).

Da Art. 36 AEUV eine – eng auszulegende – Ausnahme vom Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der Union darstellt, haben die nationalen Behörden, die sich hierauf berufen, in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der Ergebnisse der internationalen wissenschaftlichen Forschung darzutun, dass ihre Regelung zum wirksamen Schutz der in dieser Bestimmung erfassten Interessen erforderlich ist, und insbesondere, dass die Vermarktung der in Frage stehenden Erzeugnisse eine tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt (Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission/Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 87 und 88).

in solches Verbot, das im Übrigen das restriktivste Hemmnis für den Handel mit in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellten und vermarkteten Produkten darstellt, kann nur erlassen werden, wenn die geltend gemachte tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit auf der Grundlage der letzten wissenschaftlichen Informationen, die bei Erlass eines solchen Verbots zur Verfügung stehen, als hinreichend nachgewiesen anzusehen ist. In einem solchen Zusammenhang ist Gegenstand der Risikobewertung, die der Mitgliedstaat vorzunehmen hat, die Beurteilung des Wahrscheinlichkeitsgrads der schädlichen Auswirkungen der Anwendung verbotener Erzeugnisse auf die menschliche Gesundheit sowie der Schwere dieser potenziellen Auswirkungen (Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission/Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 89).

Die Mitgliedstaaten müssen bei der Ausübung ihres Ermessens im Bereich des Schutzes der öffentlichen Gesundheit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Die von ihnen gewählten Maßnahmen sind daher auf das Maß dessen zu beschränken, was zum Schutz der öffentlichen Gesundheit tatsächlich erforderlich ist, und sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen, das nicht durch Maßnahmen zu erreichen sein darf, die den Handelsverkehr innerhalb der Union weniger beschränken (Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission/Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 90).

Gewiss könnte sich bei der von dem Mitgliedstaat vorzunehmenden Bewertung herausstellen, dass insoweit erhebliche wissenschaftliche und praktische Unsicherheit besteht. Eine solche Unsicherheit, die vom Begriff der Vorsorge nicht zu trennen ist, wirkt sich auf den Umfang des Ermessens des Mitgliedstaats und damit auch auf die Art und Weise der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. Unter solchen Umständen ist einem Mitgliedstaat zuzugestehen, dass er nach dem Vorsorgeprinzip Schutzmaßnahmen trifft, ohne abwarten zu müssen, dass das Vorliegen und die Größe dieser Gefahren klar dargetan sind. Allerdings darf die Risikobewertung nicht auf rein hypothetische Erwägungen gestützt werden (Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission/Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 91).

Eine korrekte Anwendung des Vorsorgeprinzips erfordert erstens die Bestimmung der möglicherweise negativen Auswirkungen der vorgeschlagenen Verwendung des Erzeugnisses, dessen Vermarktung verboten ist, auf die Gesundheit und zweitens eine umfassende Bewertung des Gesundheitsrisikos auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung (Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission/Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 92).

Wenn es sich als unmöglich erweist, das Bestehen oder den Umfang der geltend gemachten Gefahr mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unzureichend, nicht schlüssig oder ungenau sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die öffentliche Gesundheit jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintritt, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen, wenn sie objektiv und nicht diskriminierend sind (Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission/Frankreich, C-333/08, EU:C:2010:44, Rn. 93).

Es ist zwar Sache des vorlegenden Gerichts, anhand der in den Rn. 83 bis 92 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu beurteilen, ob das Verbot der Vermarktung des in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellten CDB, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, geeignet ist, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Der Gerichtshof hat dem vorlegenden Gericht jedoch alle erforderlichen Hinweise zu geben, die ihm bei dieser Beurteilung helfen.




Zu der Frage, ob dieses Verbot geeignet ist, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, ist darauf hinzuweisen, dass sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, dass dieses Verbot wohl nicht die Vermarktung von synthetischem CBD betrifft, das die gleichen Eigenschaften wie das aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze gewonnene CBD haben soll und wohl als Ersatz für dieses verwendet werden kann. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diesen Umstand zu überprüfen, der, wäre er erwiesen, darauf hindeuten könnte, dass die im Ausgangsverfahren streitige Regelung nicht geeignet ist, das genannte Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.

Zur Erforderlichkeit des Verbots der Vermarktung von CBD, wenn dieses aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, ist anzumerken, dass die Französische Republik nicht verpflichtet ist, nachzuweisen, dass die gefährliche Eigenschaft eines solchen Erzeugnisses identisch ist mit derjenigen von Suchtstoffen wie den in den Tabellen I und II des Einheits-Übereinkommens angeführten Stoffen. Gleichwohl ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die ihm zur Verfügung stehenden und vorgelegten wissenschaftlichen Daten zu würdigen, um sich im Licht der in den Rn. 88 bis 92 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der Erwägungen in Rn. 72 dieses Urteils zu vergewissern, dass die geltend gemachte tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit nicht auf rein hypothetischen Erwägungen beruht.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 34 und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es verbietet, in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltes CBD zu vermarkten, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, es sei denn, diese Regelung ist geeignet, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Die Verordnungen Nrn. 1307/2013 und 1308/2013 sind dahin auszulegen, dass sie auf eine solche Regelung nicht anwendbar sind.


Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Die Art. 34 und 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es verbietet, in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltes Cannabidiol (CBD) zu vermarkten, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, es sei denn, diese Regelung ist geeignet, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates und die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates sind dahin auszulegen, dass sie auf eine solche Regelung nicht anwendbar sind.

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