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Verwaltungsgerichtshof Mannheim Beschluss vom 16.10.2019 - 9 S 535/19 - Novel Food-Verordnung und Produkte, die, die Cannabidiol enthalten

VGH Mannheim v. 16.10.2019: Novel Food-Verordnung und Produkte, die, die Cannabidiol enthalten


Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (Beschluss vom 16.10.2019 - 9 S 535/19) hat entschieden:

   Bei CBD-Tropfen handelt es sich um ein ohne Genehmigung vertriebenes sog. Novel Food-Produkt. Die zuständige Behörde ist wegen dieses lebensmittelrechtlichen Verstoßes unionsrechtlich zum Eingreifen verpflichtet und muss das Inverkehrbringen mit sofortiger Wirkung untersagen.




Siehe auch
CBD - cannabinoidhaltige Extrakte - Hanföl
und
Nahrungsergänzungsmittel - Lebensmittelsupplemente - Aufbaumittel


Gründe:


I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Anordnung der Lebensmittelüberwachungsbehörde.

Die Antragstellerin vertreibt über einen Online-Shop und ein Ladengeschäft in ... das Produkt "... CBD Tropfen (5%, 10%, 15%)", das nach den Herstellerangaben aus Cannabidiol-Extrakt sowie natürlichem Hanfsamenöl besteht. Im Internet weist die Antragstellerin darauf hin, CBD-Tinkturen seien reine Ölextrakte, die oral eingenommen würden. Sie wirkten krampflösend, schmerzlindernd und entspannend.

Mit Gutachten vom 19.04.2018 kam das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (im Folgenden CVUA) zu dem Ergebnis, das Produkt sei als neuartiges Lebensmittel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der VO (EU) 2015/2283 zu beurteilen, das ohne erteilte Genehmigung nicht verkehrsfähig sei. Ferner habe die Antragstellerin nicht zulässige krankheitsbezogene Angaben gemacht und die Kennzeichnung des Produkts entspreche nicht den lebensmittelrechtlichen Vorschriften.

Daraufhin erließ das Landratsamt Konstanz unter dem 03.05.2018 eine lebensmittelrechtliche Anordnung, mit der es der Antragstellerin das Inverkehrbringen des Produkts "... CBD Tropfen (5%, 10%, 15%)" ab sofort untersagte, sofern kein ausreichender Nachweis erbracht werde, dass es sich bei dem Produkt um kein neuartiges Lebensmittel i.S. der VO (EU) 2015/2283 handele (Ziffer 1). Für den Fall, dass entsprechende Nachweise vorlägen, dass es sich bei dem Produkt "... CBD Tropfen" um kein neuartiges Lebensmittel handele und es als Nahrungsergänzungsmittel in Verkehr gebracht werden solle, sei dies spätestens beim ersten Inverkehrbringen dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit unter Vorlage eines Musters des für das Erzeugnis verwendeten Etiketts anzuzeigen (Ziffer 2). Für den Fall, dass entsprechende Nachweise vorlägen, dass es sich beim Produkt "... CBD Tropfen" um kein neuartiges Lebensmittel handele, werde das Inverkehrbringen von "... CBD Tropfen" unter Verwendung von krankheitsbezogenen Angaben verboten (Ziffer 3). Das Landratsamt ordnete hinsichtlich der Anordnungen in Ziffern 1 und 3 die sofortige Vollziehung an (Ziffer 4).

Mit Bescheid vom 18.02.2019 wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch der Antragstellerin gegen die lebensmittelrechtliche Anordnung zurück.

Den am 20.12.2018 gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung des Landratsamts vom 03.05.2018 wiederherzustellen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31.01.2019 - 6 K 7019/18 - abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung falle zu Lasten der Antragstellerin aus, weil sich die Verfügung voraussichtlich als rechtmäßig erweisen werde und dem Interesse der Verbraucher, vor nicht sicheren Lebensmitteln geschützt zu werden, der Vorrang gegenüber dem Interesse der Antragstellerin am weiteren Vertrieb ihres Produkts einzuräumen sei.





II.

Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte sowie fristgerecht eingelegte (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO) Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern sein soll und auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, ergeben nicht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin zu Unrecht abgelehnt hat.

1. Die Antragstellerin macht geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien die formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht gewahrt. Der Antragsgegner habe selbst Begründungsmängel hinsichtlich des Sofortvollzugs für möglich gehalten.

Diese Rüge greift nicht durch. Die Begründung des Sofortvollzugs genügt dem Erfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO.

Erforderlich ist danach eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehung notwendig ist und hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, von dem angefochtenen Verwaltungsakt einstweilen nicht betroffen zu werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 30.06.2016 - 5 S 1984/15 -, NuR 2016, 649, und vom 29.11.2016 - 5 S 2137/16 -, VBlBW 2017, 212; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 80 Rn. 85, m.w.N.).

Diesen formellen Anforderungen wird die Begründung in dem Bescheid vom 03.05.2018 gerecht. Das Landratsamt hat unter anderem darauf abgestellt, dass CBD vor dem 15.05.1997 nicht in nennenswertem Umfang als Lebensmittel im Verkehr gewesen sei, so dass Erfahrungswerte für eine sichere Verwendung nicht vorlägen und eine wissenschaftliche Bewertung der Sicherheit bisher nicht erfolgt sei. Angesichts dessen bestünde die Gefahr, dass ein nicht sicheres Lebensmittel in Verkehr gebracht werde und gesundheitliche Beeinträchtigungen bei den Verbrauchern hervorgerufen werden könnten. Mit den krankheitsbezogenen Angaben werde suggeriert, dass ein Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel einerseits und der Gesundheit andererseits bestehe. Es bestünde die Gefahr, dass aufgrund der dem Lebensmittel zugeschriebenen medizinischen Eigenschaften dieses als Ersatz für ein Arzneimittel angesehen werde und aufgrund einer unterlassenen fachgerechten Heilbehandlung gesundheitliche Beeinträchtigungen beim Verbraucher hervorgerufen werden könnten. Die sofortige Vollziehung sei daher erforderlich und angemessen sowie verhältnismäßig, da aufgrund der Gefahr für die Verbraucher eine Zeitverzögerung durch ein langwieriges Verfahren nicht akzeptiert werden könne. Ein weiteres Inverkehrbringen könnte nicht abzusehende Schäden für die Gesundheit des Verbrauchers zur Folge haben. Der Schutz der Verbraucher werde höher bewertet als das Interesse der Antragstellerin, bis zur Rechtswirksamkeit der Entscheidung von der Vollziehung befreit zu werden. Vor diesem Hintergrund kann von einer unzureichenden, bloß formelhaften Begründung nicht gesprochen werden.




2. Ferner rügt die Beschwerde, die CBD-Tropfen seien kein neuartiges Lebensmittel im Sinne der VO (EU) 2015/2283. Da der Novel Food-Katalog der Europäischen Kommission rechtlich unverbindlich und eine bloße Orientierungshilfe sei, habe sich das Verwaltungsgericht zu Unrecht auf diesen sowie eine darauf basierende ministeriale österreichische Publikation gestützt. Unabhängig davon habe die Europäische Kommission am 03.03.1998 eine Übereinkunft dahingehend erzielt, "dass Lebensmittel, die Teile der Hanfpflanze enthalten, nicht unter die Verordnung EG-Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten fallen". Die Behauptung des Antragsgegners und der Europäischen Union, CBD-Extrakte seien generell neuartig, sei im Übrigen durch die E-Mail der zuständigen Behörde in Großbritannien vom 13.12.2017 widerlegt. Ferner sei die Pflanze Cannabis Sativa sowohl in einer italienischen als auch in einer belgischen Positivliste zu finden. Aus dem Gutachten der ... GmbH ergebe sich gleichfalls, dass Hanfextrakte bereits vor dem 15.05.1997 verwendet worden seien. Schließlich gebe es keine Hinweise dafür, dass das Produkt gesundheitlich bedenklich sein könnte. Die Rechtsprechung lege hinsichtlich des Vorliegens von Gesundheitsrisiken strenge Maßstäbe an und lasse bloße Spekulationen nicht ausreichen. Ungeachtet dessen habe die Weltgesundheitsorganisation die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Cannabis- und Cannabidiol-Zubereitungen festgestellt.

Diese Darlegungen geben keinen Anlass, den angegriffenen Beschluss zu ändern. Das Verwaltungsgericht dürfte zutreffend davon ausgegangen sein, dass es sich bei den von der Antragstellerin vertriebenen "... CBD-Tropfen" um ein neuartiges Lebensmittel i.S.d. Art. 6 Abs. 2 der VO (EU) 2015/2283 handelt und der Antragsgegner deren Inverkehrbringen ermessensfehlerfrei untersagt hat. Die insoweit beweisbelastete Antragstellerin (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 23.10.2017 - 9 S 1887/17 -, juris Rn. 23 m.w.N.) dürfte den Nachweis für die fehlende Novel Food-Eigenschaft nicht erbracht haben. Sie hat nach Aktenlage nicht nachgewiesen, dass die von ihr vertriebenen CBD-Tropfen bereits vor dem 15.05.1997 in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden (vgl. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der VO (EU) 2015/2283).

Nach dem - nicht rechtsverbindlichen (vgl. hierzu BayVGH, Beschluss vom 30.01.2014 - 20 CS 13.1769 -, juris; Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 13.12.2016 - 1 B 74/16 -, juris; VG Dresden, Beschluss vom 31.01.2014 - 6 L 212/13 -, juris) - sog. Novel Food-Katalog (http://ec.europa.eu), der von einer Arbeitsgruppe der Europäischen Gemeinschaft als Orientierungshilfe im Hinblick auf die VO (EG) Nr. 258/97 erarbeitet worden ist, ist die VO (EU) 2015/2283 zwar nicht anwendbar auf Lebensmittel und Lebensmittelzutaten aus der Hanfpflanze (Cannabis sativa L.), wenn die Sorte laut EU-Sortenkatalog zugelassen ist und nicht mehr als 0,2 % Tetrahydrocannabinol (THC) enthält. Extrakte aus Cannabis sativa L. und daraus gewonnene Produkte, die Cannabinoide enthalten, gelten nach den Ausführungen im Novel Food-Katalog jedoch als neuartige Lebensmittel, da in der Vergangenheit kein Verbrauch nachgewiesen wurde (zu der im Januar 2019 erfolgten Aufnahme von Cannabinoiden in den Novel Food-Katalog vgl. auch BT-Drs. 19/11922 vom 25.07.2019). Dies gilt sowohl für die Extrakte selbst als auch für alle Produkte, denen sie als Zutat zugesetzt werden (z.B. das - hier in Rede stehende - Hanfsamenöl). Dies gilt ferner für Extrakte anderer Pflanzen, die Cannabinoide enthalten, sowie für synthetisch gewonnene Cannabinoide.

Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht auf den sog. Novel Food-Katalog gestützt, da dieser nicht rechtsverbindlich sei. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich, dass sich das Verwaltungsgericht der fehlenden Rechtsverbindlichkeit bewusst war. Angesichts dessen hat es den Ausführungen in dem Katalog auch lediglich eine Indizwirkung beigemessen und ist gerade nicht von einer Bindungswirkung ausgegangen. Ferner übersieht die Antragstellerin mit ihrer diesbezüglichen Rüge, dass sie die materielle Beweislast für die fehlende Novel Food-Eigenschaft trägt (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 23.10.2017, a.a.O. Rn. 23 m.w.N.) und daher auch eine bloße Indizwirkung für die Neuartigkeit eines Lebensmittels widerlegen muss.

Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht für die Novel Food-Eigenschaft auf den Erlass des österreichischen Bundesministeriums Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz vom 04.12.2018 Bezug genommen. Darin heißt es, Cannabinoid-haltige Extrakte, die als solche oder in Lebensmitteln - vorwiegend als Nahrungsergänzungsmittel (z.B. CBD Öl) - auf den Markt gebracht werden, seien in der Regel als neuartige Lebensmittel gemäß der Verordnung (EU) 2015/2283 über neuartige Lebensmittel zu betrachten. Auch nach den Ausführungen des schweizerischen Bundesamts für Gesundheit "Produkte mit Cannabidiol (CBD) - Überblick und Vollzugshilfe" - damaliger Stand: 30.11.2018, unverändert im aktuellen Stand vom 05.07.2019 - werden mit CBD angereicherte Lebensmittel - u.a. Hanfsamenöl mit Zusatz von CBD - als sog. neuartige Lebensmittel klassifiziert.

b) Die Antragstellerin vermag mit ihrer Beschwerde den erforderlichen Nachweis der fehlenden Novel Food-Eigenschaft nicht zu führen.

Dies gilt zunächst, soweit sie auf eine vorgelegte Kopie einer E-Mail aus Großbritannien von "..." (... - ...) vom 13.12.2017 verweist. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, lässt sich dieser E-Mail bereits nicht entnehmen, auf welches Produkt sie sich konkret bezieht. Es heißt darin lediglich, dass ein - anonymisiertes - mit C02 angereichertes CBD-Produkt kein Novel Food sei und in der Europäischen Union vertrieben werden könne. Ungeachtet der fehlenden Begründung dieser Aussage kann der E-Mail jedenfalls nicht entnommen werden, dass CBD-Tropfen mit Cannabidiol und natürlichem Hanfsamenöl bereits vor dem 15.05.1997 in der Union in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Im Übrigen ist der Inhalt der zitierten Mitteilung der britischen ... zwischenzeitlich überholt, da sich die ... der Auffassung der Europäischen Kommission angeschlossen hat, dass CBD-Extrakte neuartige Lebensmittel sind (VG Düsseldorf, Beschluss vom 27.09.2019 - 16 L 2333/19 -, juris Rn. 41).




Auch die Bezugnahme der Antragstellerin auf - nicht rechtsverbindliche - Positivlisten der EU-Mitgliedstaaten Italien und Belgien reicht nicht aus, die Neuartigkeit der in Rede stehenden CBD-Tropfen zu widerlegen. Soweit die Antragstellerin auf einen angeblichen Auszug aus einer italienischen Positivliste verweist, kann dem vorgelegten einseitigen tabellarischen Auszug weder Datum noch Quelle entnommen werden. Unabhängig davon verhält sich das Dokument nicht ansatzweise dazu, ob CBD-Tropfen schon vor dem 15.05.1997 in der Union in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. In der rechten Spalte werden für "Cannabis sativa L." lediglich die medizinischen Einsatzgebiete benannt. Die vorgelegte umfangreichere Liste des Königreichs Belgien erbringt gleichfalls nicht den erforderlichen Nachweis der fehlenden Novel Food-Eigenschaft der CBD-Tropfen. Im Zusammenhang mit "Cannabis sativa L." wird lediglich ausgeführt, dass eine Ausnahme nur genehmigt werden darf, wenn bestimmte THC-Grenzwerte nicht überschritten werden. Dass "Cannabis sativa L." schon vor dem maßgeblichen Stichtag des 15. 05.1997 in der Union in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde, kann indes auch der belgischen Liste nicht entnommen werden.

Auch wenn die Antragstellerin jedoch den Nachweis für "Cannabis sativa L." erbracht hätte, käme es darauf nicht entscheidungserheblich an. Denn selbst der Umstand, dass alle Zutaten eines Lebensmittels für sich genommen die Voraussetzung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der VO (EU) 2015/2283 erfüllen oder unbedenklich sind, reicht nicht dafür aus, die Anwendung der Verordnung auf das erzeugte Lebensmittel auszuschließen. Die Entscheidung, ob ein Lebensmittel als neuartig im Sinne der Verordnung einzustufen ist, ist für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Merkmale des Lebensmittels und des Herstellungsverfahrens zu treffen (EuGH, Urteil vom 15.01.2009 - C-383/07 -, Slg. I-115 Rn. 30; Senatsbeschluss vom 23.10.2017, a.a.O. m.w.N.). Da nicht ausgeschlossen ist, dass der Herstellungsvorgang in der Struktur eines Lebensmittels zu physikalischen, chemischen oder biologischen Änderungen der verwendeten Zutaten mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die öffentliche Gesundheit führen kann, ist die Prüfung, welche Folgen dieser Vorgang hat, selbst dann geboten, wenn das Enderzeugnis aus Zutaten besteht, die jeweils für sich genommen die Voraussetzung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der VO (EU) 2015/2283 erfüllen (Senatsbeschluss vom 23.10.2017, a.a.O. unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 15.01.2009, a.a.O. Rn. 27 zur Vorgängerregelung in Art. 1 Abs. 2 VO EG/258/97 und BGH, Urteil vom 16.04.2015 - I ZR 27/14 -, GRUR 2015, 1140).

Die hierbei berücksichtigten Umstände müssen das Lebensmittel oder die Zutat selbst, auf das oder die sich die Prüfung erstreckt, betreffen und nicht ein ähnliches oder vergleichbares Lebensmittel oder eine ähnliche oder vergleichbare Zutat. Auf dem Gebiet der neuartigen Lebensmittel oder neuartigen Lebensmittelzutaten lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass selbst gering erscheinende Abweichungen ernst zu nehmende Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung nach sich ziehen können, zumindest solange nicht die Unschädlichkeit des fraglichen Lebensmittels oder der fraglichen Zutat durch angemessene Verfahren nachgewiesen wurde (Senatsbeschluss vom 23.10.2017, a.a.O. m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund wäre ein Nachweis der fehlenden Novel Food-Eigenschaft selbst dann nicht geführt, wenn die Hanfpflanze als solche, "Cannabis sativa L.", - wie es der sog. Novel Food-Katalog indiziert - kein neuartiges Lebensmittel wäre. Denn allein maßgeblich ist der Nachweis, dass gerade die in den CBD-Tropfen enthaltene Kombination von Cannabidiol und natürlichem Hanfsamenöl nicht neuartig ist, sondern bereits vor dem 15.05.1997 in der Union in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde (vgl. auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 27.09.2019 - 16 L 2333/19 -, juris). Angesichts dessen kommt es vorliegend weder in entscheidungserheblicher Weise auf die von der Antragstellerin in Bezug genommene Übereinkunft der Europäischen Kommission vom 03.03.1998 noch auf das zitierte Gutachten der ... an. Denn beide Quellen beziehen sich unspezifisch auf die Hanfpflanze bzw. Hanfextrakte und verhalten sich nicht zu dem streitgegenständlichen und von der Antragstellerin vertriebenen Produkt.

c) Schließlich vermag die Beschwerde nicht mit der Begründung durchzudringen, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von möglichen durch die CBD-Tropfen hervorgerufenen Gesundheitsrisiken ausgegangen und habe hierbei einen zu strengen Maßstab angelegt. Da es sich bei den "... CBD-Tropfen" um ein ohne Genehmigung vertriebenes sog. Novel Food handelte, dürfte das Landratsamt vielmehr nach Maßgabe von Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 vom 29.04.2004 (ABl. L 165/1) i.V.m. Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl L 327/1) in ermessensfehlerfreier Weise das Inverkehrbringen mit sofortiger Wirkung untersagt haben. Aufgrund der Feststellung des lebensmittelrechtlichen Verstoßes war die zuständige Behörde nach Aktenlage unionsrechtlich zum Einschreiten verpflichtet. Die verfügte Untersagung des Inverkehrbringens des Produkts gehört dabei zu den nach Art. 54 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 zulässigen Maßnahmen (Buchst. b). Sie dürfte auch erforderlich und geeignet gewesen sein, um sicherzustellen, dass die von der Antragstellerin begangenen Verstöße gegen das Lebensmittelrecht beendet werden. Insbesondere in Ansehung des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 der VO (EU) 2015/2283 ist ein gleich geeignetes, milderes Mittel nach Aktenlage nicht erkennbar.



3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG und Nr. 1.5 Satz 2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2013. Nach § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 25.1 des Streitwertkatalogs und ständiger Rechtsprechung des beschließenden Senats (vgl. Senatsurteil vom 08.12.2010 - 9 S 783/10 -, juris, sowie Senatsbeschlüsse vom 13.12.2007 - 9 S 1958/07 -, NVwZ-RR 2008, 430, und vom 23.10.2017, a.a.O.) wird der Streitwert für Verkaufsverbote und ähnliche Maßnahmen im Lebens- und Arzneimittelrecht zwar anhand des Verkaufswerts der betroffenen Waren beziehungsweise der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen bestimmt. Da das Vorbringen der Antragstellerin insoweit allerdings keine genügenden Anhaltspunkte enthält, hat der Senat - wie auch bereits das Verwaltungsgericht - den Auffangwert angesetzt. Mit Blick auf die teilweise Vorwegnahme der Hauptsache wird von der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich angezeigten Halbierung abgesehen (vgl. Senatsbeschluss vom 23.10.2017, a.a.O.).

Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung).

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