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Oberlandesgericht Schleswig Urteil vom 30.07.2020 - 6 U 49/19 - Angabe des Pfandbetrages ohne Einberechnung in den Gesamtpreis

OLG Schleswig v. 30.07.2020: Gesonderte Ausweisung von „Pfand“: Kein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch bei einer Preisauszeichnung, die einer gültigen nationalen, jedoch europarechtswidrigen Vorschrift entspricht


Das Oberlandesgericht Schleswig (Urteil vom 30.07.2020 - 6 U 49/19) hat entschieden:

  1.  § 1 Abs. 4 PAngV findet weder in der UGP-RL noch der PAng-RL eine Grundlage. Bis zum 12.06.2013 war dies unschädlich. Art. 3 Abs. 5 UGP-RL gestattete es den Mitgliedstaaten, für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12.06.2007 in dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beizubehalten, die restriktiver oder strenger sind als die Richtlinie, zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten. § 1 Abs. 4 PAngV gilt als strenger als Art. 3 Abs. 1 PAng-RL, wonach der Verkaufspreis als Endpreis angegeben werden muss. Bis zum Ablauf der Frist konnte § 1 Abs. 4 PAngV deshalb noch auf die Übergangsregelung in Art. 3 Abs. 5 UGP-RL gestützt werden. Nachdem diese Grundlage mit Fristablauf weggefallen ist, ist die Regelung zur Preisangabe in § 1 Abs. 4 PAngV ohne europarechtliche Grundlage. Sie verstößt damit gegen das insbesondere Art. 4 UGP-RL zu entnehmende Gebot der Vollharmonisierung in diesem Bereich.

  2.  Folge der Richtlinienwidrigkeit ist allerdings nicht, dass nun die Richtlinie unmittelbar verpflichtend für die Beklagte wäre. Wird eine Richtlinie nicht oder nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt, kann der Einzelne zwar unter Umständen unmittelbar aus ihr Rechte gegenüber dem Staat herleiten (EuGH NJW 1982, 499 Ls. 1) oder sie zur Grundlage eines Anspruchs auf Staatshaftung machen (EuGH NJW 2006, 2465, 2467 Rn. 112; EuGH NJW 1992, 165, 166 f Rnrn. 27 - 46). Eine Richtlinie begründet aber niemals Verpflichtungen zwischen Privaten (EuGH NJW 2010, 427, 429 Rn. 46). Wegen ihrer fehlenden unmittelbaren Wirkung führt der Verstoß gegen Richtlinien auch nicht zu einem Verstoß nach § 3a UWG (jurisPK UWG § 3a Rn. 82; Metzger in Teplitzky/Pfeifer, UWG, 2. Aufl. 2013, § 4 Rn. 30).

  3.  Folge der Richtlinienwidrigkeit des § 1 Abs. 4 PAngV ist vielmehr, dass die Vorschrift nicht mehr angewandt werden darf (KG wrp 2018, 226, 229 Rn. 33; Köhler wrp 2013, 723 und ders. u.a./ders. § 1 PAngV Rn. 28). Eine vorrangige richtlinienkonforme Auslegung dahingehend, dass das Pfand in den Gesamtpreis einzuberechnen sei, kommt angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift und ihrer eindeutig gegenteiligen Zweckrichtung nicht in Betracht. Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung darf nicht zu einer Auslegung contra legem des nationalen Gesetzes führen (EuGH NJW 2006, 2465, 2467 Rn. 110; BGH NJW-RR 2018, 424, 426 Rn. 19 - Energieausweis).
  4.  Auf der Grundlage der dargelegten Rechtsauffassung des Senats käme es für das Vorliegen des Rechtsbruchtatbestandes darauf an, ob unter dem Begriff des Gesamtpreises nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV bei richtlinienkonformer Auslegung mit oder ohne Einberechnung des Pfandes zu bilden ist. Der Senat kann diese Frage jedoch offenlassen und deshalb auch von einer Vorlage der Frage an den EuGH absehen. Auch dann nämlich, wenn alle Voraussetzungen des Rechtsbruchtatbestandes vorlägen, sähe sich der Senat gehindert, dem Unterlassungsantrag stattzugeben. Einerseits nämlich ist § 1 Abs. 4 PAngV nicht mehr anwendbar (s. o.). Gleichwohl ist die Vorschrift geltendes Recht. Es wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, die Beklagte zu verurteilen, weil sie sich daran gehalten hat. - Der aus der Nichtanwendbarkeit der Vorschrift einerseits, ihrer Gültigkeit andererseits entstehende Widerspruch ist nicht auflösbar.




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Preisangaben im Internethandel
und
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Gründe:


A.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der satzungsgemäß das Interesse seiner Mitglieder an der Einhaltung des Wettbewerbsrechts überwacht. Die Beklagte vertreibt Lebensmittel. In einem Faltblatt mit Angeboten für den Zeitraum vom 17. bis zum 22.09.2018 bewarb sie unter anderem Getränke in Pfandflaschen und Joghurt in Pfandgläsern. Das Pfand war in die angegebenen Preise nicht einberechnet, sondern eigens mit dem Zusatz „zzgl. ... € Pfand“ angegeben (Anlage K3). Der Kläger hält dies für unzulässig. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV müsse ein Gesamtpreis angegeben werden. Die Ausnahmeregelung in Absatz 4 sei seit dem Auslaufen der Übergangsregelung in Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG (UGP-RL) europarechtswidrig. Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung der beanstandeten Werbung für Getränke und Joghurt in Anspruch. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie stellt die Aktivlegitimation des Klägers in Abrede, hält § 1 Abs. 4 PAngV weiterhin für anwendbar und einen etwaigen Verstoß dagegen jedenfalls nicht für eine spürbare Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher.

Wegen des weiteren Parteivortrags und der im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Die Klage sei zulässig. Die Klagebefugnis des Klägers ergebe sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Dem Kläger gehörten ausweislich der eidesstattlichen Versicherung seines Geschäftsführers mit dem E.-Verband und wiederum dessen Mitgliedern eine erhebliche Anzahl von Unternehmen an, die Waren gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertrieben wie die Beklagte. Auch berühre der Wettbewerbsverstoß deren Interessen. Werde das Pfand nicht in den Preis eingerechnet und dadurch ein geringerer Preis ausgewiesen als bei Einbeziehung des Pfandes, so bestünde die Gefahr, dass der Verbraucher dem vermeintlich günstigeren Angebot den Vorzug gebe. Unerheblich sei, ob auch Mitglieder des Klägers ihre Preise ohne Pfand auswiesen, weil in diesem Falle der Kläger auch gegen diese vorgehen könne. Hierzu sei er zur Vermeidung des Vorwurfs rechtsmissbräuchlichen Verhaltens sogar gehalten. Dann aber bestünde die Gefahr, dass der Kläger erfolgreich gegen Mitglieder vorgehe und diese durch die Preisauszeichnung der Beklagten einen Wettbewerbsnachteil erlitten.

Der Sache nach ergebe sich der Anspruch aus den §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 a UWG, § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV - einer Marktverhaltensregelung - sei der Gesamtpreis anzugeben, als der in richtlinienkonformer Auslegung der Verkaufspreis anzusehen sei. Dieser Preis müsse notwendigerweise die unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteile enthalten, die obligatorisch vom Verbraucher zu tragen seien und die Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses bildeten. Zu diesen Bestandteilen gehöre auch das Pfand für eine Verpackung. Ohne diese nämlich könne der Verbraucher Getränke und Joghurt, die mit einem Pfand belastet seien, nicht erwerben. Damit stelle sich das Pfand als notwendiger Teil der Gegenleistung für den Erwerb der Waren dar. Dieser Teil der Gegenleistung werde dem Verbraucher auch nicht zurückerstattet, wenn er die Verpackung nicht zurückgebe. § 1 Abs. 4 PAngV, wonach die Höhe des Pfands neben dem Preis für die Ware anzugeben und insoweit kein Gesamtpreis zu bilden sei, seien nicht mehr anzuwenden, weil diese Vorschrift keine unionsrechtliche Grundlage habe. Sie könne weder zur Begründung eines Verstoßes gegen das UWG herangezogen werden noch zur Ablehnung eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV, weil die UGP-RL zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt habe und nationale Bestimmungen eine Unlauterkeit nach § 3a UWG daher grundsätzlich nur noch zu begründen vermöchten, wenn die betreffenden Regelungen eine Grundlage im Unionsrecht hätten. Die Unionsstaaten dürften im Anwendungsbereich der UGP-RL jedoch grundsätzlich weder mildere noch strengere Maßnahmen als in der Richtlinie festgelegt erlassen. Im Übrigen könne dem Verbraucherschutz in Fällen der vorliegenden Art auch im gewissen Umfang durch den deutlichen Hinweis Rechnung getragen werden, dass der angegebene Gesamtpreis ein Pfand in Höhe des jeweiligen Pfandbetrages enthalte. Ausnahmen seien in der UGP-RL nur für besonders bezeichnete nationale Regelungen vorgesehen, zu denen weder Vorschriften über die Angabe von Preisen noch die von der Beklagten angesprochenen Vorschriften mit umweltpolitischen Zielsetzungen gehörten, weshalb es unerheblich sei, ob § 1 Abs. 4 PAngV einem umweltpolitischen Ziel dienen sollte. Unerheblich sei auch, ob die Beklagte bei ihrer Preisauszeichnung auf § 1 Abs. 4 PAngV als ausreichende Rechtsgrundlage vertraut habe. Der Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG setze kein Verschulden voraus. Im Übrigen habe die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag auch aufgrund eines Hinweises der IHK Bonn/Rhein-Sieg (Anlage B3) um die rechtliche Problematik gewusst und sich auch fachkundigen Rechtsrat einholen können und müssen, bevor sie sich für die Anwendung des § 1 Abs. 4 PAngV entschied. Die Wiederholungsgefahr sei wegen der bereits erfolgten Zuwiderhandlung der Beklagten zu vermuten. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergebe sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.

In der Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihren bisherigen Vortrag.

Sie beanstandet weiterhin die Klagebefugnis des Klägers nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Es fehle bereits an einer erheblichen Anzahl von Mitgliedsunternehmen, deren Interessen betroffen sein könnten. Abgesehen davon sei ein rechtsfähiger Verband nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nur aktivlegitimiert, wenn die ihm angehörigen Unternehmen durch die Zuwiderhandlungen in ihren Interessen berührt würden. Es stünde fest, dass dies hier nicht der Fall sei, weil die Mitglieder des Klägers ihre Preise unstreitig in gleicher Weise wie sie, die Beklagte, auszeichneten. Wenn das Landgericht darauf abstelle, dass der Kläger auch seine Mitglieder in Anspruch nehmen könne, übersehe es, dass ihm auch hierfür aus gleichem Grund die Aktivlegitimation fehlte. Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG genüge für eine die Interessen der Mitglieder berührende Zuwiderhandlung nicht, dass dies zukünftig theoretisch denkbar der Fall sein könne. Der Wettbewerbsverstoß müsse die Interessen der Mitglieder gegenwärtig berühren. Derzeit hielten nach ihrem, der Beklagten, Kenntnisstand sogar alle Lebensmittelfilialisten an der bisherigen Praxis der Preisauszeichnung fest.

In der Sache liege kein Rechtsverstoß nach § 3a UWG vor.

§ 1 Abs. 4 PAngV bleibe auch nach Wegfall der Übergangsvorschrift aus Art. 3 Abs. 5 der UGP-Richtlinie anwendbar. Das Landgericht habe nicht erörtert, dass für Vorschriften, welche außerhalb des Anwendungsbereich der UGP-RL lägen, umstritten sei, ob die Übergangsvorschrift nach Art. 3 Abs. 5 UGP-RL oder auch die Vollharmonisierungsklausel nach Art. 4 UGP-RL anzuwenden sei. Es sei bislang nicht abschließend geklärt, inwiefern diese Vorschriften von der UGP-RL betroffen seien. Auch könne eingewandt werden, dass eine Vollharmonisierung des Gemeinschaftsrechts nicht mit einer Generalklausel erfolgen könne, zumal nicht in Verknüpfung mit dem Herkunftslandprinzip. Insoweit entstünden gerade dort Schwierigkeiten zwischen voll- und teilharmonisierten Bereichen des Lauterkeitsrechts, wo im Recht der Mitgliedstaaten bereits spezielle Vorschriften eingriffen. Diese fänden sich nicht zuletzt in Richtlinien, die das Verbrauchervertragsrecht behandelten. Die besseren Argumente sprächen dafür, die UGP-RL im Hinblick auf verbraucherschützende Vorschriften wie den § 1 Abs. 4 PAngV nicht als voll-, sondern nur als mindestharmonisierend zu betrachten und einen weitergehenden Verbraucherschutz zuzulassen. Zur Begründung dieser Auffassung verweist die Beklagte auf den Sinn und Zweck der UGP-RL, der darin liege, zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen. Diesem Sinn und Zweck werde nicht Rechnung getragen, wenn ursprüngliche (verbraucherschützende) Regelungen, welche ebenfalls auf EU-Ebene getroffen worden seien, außer Kraft gesetzt würden. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die UGP-RL in Art. 3 Abs. 3 ausdrücklich Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten aus ihrem Anwendungsbereich ausnehme. Es sei nicht abschließend geklärt, ob auch umweltpolitische Aspekte, die für die Einführung des § 1 Abs. 4 PAngV maßgeblich gewesen seien, ebenfalls aus ungeschriebene Ausnahme gälten, soweit man überhaupt von einer Betroffenheit des Anwendungsbereiches der UGP-RL ausgehen könne. Letztlich müsse berücksichtigt werden, dass § 1 Abs. 4 PAngV neben dem umweltpolitischen Ziel auch dem Ziel der Wahrung von Preisklarheit und Preiswahrheit gedient habe. Die einheitlichen Preisangaben für alle Produkte, unabhängig davon, ob der Verbraucher ein Pfand entrichten müsse oder nicht, solle es diesem ermöglichen, die Preise zu vergleichen. Insoweit spiegele sich der Verbraucherschutz in der UGP-RL wieder. Es wäre wertungswidersprüchlich, eine verbraucherschützende Vorschrift nicht länger anzuwenden, weil innerhalb der UGP-RL eine entsprechende Regelung fehle.

Aber selbst wenn § 1 Abs. 4 PAngV aufgrund der UGP-RL nicht mehr anzuwenden, mithin nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV ein Gesamtpreis auszuweisen wäre, so unterfalle doch die rückerstattbare Sicherheit - das Pfand - nicht dem Gesamtpreis. Das Kammergericht Berlin, auf dessen Entscheidung sich das Landgericht gestützt habe, habe zu Unrecht auf eine Entscheidung des EuGH Bezug genommen, weil diese die Überführungskosten eines Pkw betreffe und auf eine rückerstattbare Sicherheit wie das Pfandgeld nicht anwendbar sei.

Selbst wenn ein Wettbewerbsverstoß vorläge, führte er doch nicht zu der nach § 3a UWG erforderlichen spürbaren Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher, sonstiger Marktteilnehmer oder Mitbewerber. Allein die Tatsache, dass der Kläger eine seit zwanzig Jahren im Gesetz verankerte und bundesweit einhellig gelebte Preisauszeichnungspraxis angreife, spreche dafür, dass niemand spürbar beeinträchtigt werde, wenn sich ein Unternehmen an diese Preisauszeichnungspraxis halte.

Die Beklagte führt weiter aus, dass der Wettbewerbsverstoß geeignet sein müsse, den durchschnittlichen Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Der Wettbewerbsverstoß müsse geeignet sein, den Durchschnittsverbraucher davon abzuhalten, die Vor- und Nachteile einer geschäftlichen Entscheidung zu erkennen und abzuwägen. Die Preisauszeichnungspraxis der Beklagten, die in Übereinstimmung mit dem § 1 Abs. 4 PAngV stünde, bevorteile die Verbraucher aber sogar und beeinträchtige sie keinesfalls. Die Beklagte erläutert, dass die Vorschrift eingeführt worden sei, nachdem der BGH in einem Urteil aus dem Jahr 1993 (NJW RR 1994 301) verlangt habe, dass bei Mehrweggebinden sowohl der Gesamtpreis als auch der Getränkepreis und der Pfandbetrag auszuweisen seien. Diese Dreifachpreisangabe habe nach Auffassung des Gesetzgebers zu einer optischen Benachteiligung von Mehrweg- gegenüber Einweggebinden geführt, die auf den ersten Blick preiswerter wirkten. Die Einführung des § 1 Abs. 4 PAngV (ursprünglich Abs. 3) habe dazu dienen sollen, dass der Verbraucher die Preise von Mehrweg- und Einweggebinden einfacher vergleichen könne. Die Gesetzesänderung habe damit umweltpolitischen und verbraucherschützenden Zielen gedient. Der Kläger fordere nun von ihr, der Beklagten, dass sie sich gemäß Rechtslage aus der Zeit vor 1997 verhalte und einen Gesamtpreis bilde, obwohl dies unweigerlich wieder zu der Intransparenz führe, die vor der Einführung des § 1 Abs. 4 PAngV (ursprünglich Abs. 3) geherrscht habe. Hielte sie, die Beklagte, sich daran, so werde der Verbraucher nicht entlastet, sondern im Gegenteil sogar spürbar beeinträchtigt.

Auch die Interessen von Mitbewerbern seien durch den beanstandeten Wettbewerbsverstoß nicht spürbar beeinträchtigt. Es liege auf der Hand, dass sie, die Beklagte, sich keinen Wettbewerbsvorsprung verschaffe, wenn sie die Preisgestaltung in gleicher Weise vornehme wie ihre Mitbewerber. Es könne dem Kläger nicht gestattet werden, eine unlautere Wettbewerbshandlung dadurch künstlich zu erzeugen, dass er eine einhellige Marktpraxis angreife, ein Marktteilnehmer seinem Druck nachgebe und dadurch erst die spürbare Beeinträchtigung geschaffen werde.

Letztlich sei vor Augen zu führen, dass eine Handlung nach § 3 Abs. 2 UWG nur dann unlauter sei, wenn diese nicht der unternehmerischen Sorgfalt entspräche. Das Landgericht habe ihr, der Beklagten, vorgeworfen, dass sie sich keinen fachkundigen Rechtsrat eingeholt habe. Hierzu sei zunächst festzuhalten, dass der Gesetzgeber seit dem Auslaufen der Übergangsfrist aus der UGP-Richtlinie am 12.06.2013 § 1 PAngV mehrfach geändert habe, dabei aber Abs. 4 unangetastet gelassen habe. Sowohl der bei ihrem Prozessbevollmächtigten eingeholte fachkundige Rechtsrat als auch der aus einem Merkblatt der IHK Bonn/Rhein-Sieg (Anlage B3) zu entnehmende Rat könne derzeit nur sein, trotz der Ungewissheit an der bestehenden nationalen Regelung - § 1 Abs. 4 PAngV - festzuhalten, da eine Abweichung von der marktüblichen und national-gesetzeskonformen Preisauszeichnung gegen den Willen des Gesetzgebers verstoße und unweigerlich zu Abmahnungen von Mitbewerbern führte.

Die Beklagte beantragt,

   das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Insbesondere verweist er darauf, dass er nicht nur gegen die Beklagte, sondern auch gegen andere Mitbewerber vorgehe. Er sei nicht gehalten, die ungeklärte Rechtsfrage der richtigen Preisauszeichnung zunächst in einem Verfahren gegen ein eigenes Mitglied klären zu lassen. Er hält daran fest, dass das Pfand in den Gesamtpreis einzuberechnen sei. Dem Verbraucher werde die Ware nur als Einheit, bestehend aus Getränk und Verpackung, angeboten. Der Verbraucher könne das Getränk nicht ohne die Flasche oder Dose, in die es abgefüllt sei, erwerben. Er wolle wissen, wieviel er hierfür an der Kasse zu bezahlen habe. Darüber werde er durch die Preisauszeichnung der Beklagten nicht informiert. Es liege zumindest ein Wettbewerbsverstoß durch unlauteres Verschweigen einer wesentlichen Information im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG vor. Als wesentlich gälten nach § 5a Abs. 4 UWG Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien nicht vorenthalten werden dürften. Zu den Informationspflichten in diesem Sinne zählten die Regelungen der Richtlinie 98/6/EG (PAng-Richtlinie). Die Beklagte habe dem Verbraucher eine sich hieraus ergebende verpflichtende Information vorenthalten. Darauf, ob sich die Beklagte in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden habe, komme es nicht an. Der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG sei verschuldensunabhängig.





B.

Die Berufung hat Erfolg. Der Unterlassungsantrag ist abzuweisen. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. I.

Die Klage ist zulässig.

1. Der Kläger ist prozessführungsbefugt.

a) Wettbewerbsrechtliche Ansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG stehen nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie personell, sachlich und finanziell hinreichend ausgestattet sind und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Die Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG hat eine Doppelnatur. Sie betrifft neben der Aktivlegitimation auch die Prozessführungsbefugnis und stellt insoweit eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage dar, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Die maßgeblichen Tatsachen können im Wege des Freibeweises festgestellt werden (BGH GRUR 2015, 1240 Rn. 13 - Der Zauber des Nordens; Goldmann in Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewíg, UWG, 4. Aufl. 2016, § 8 Rnrn. 256 f; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/ Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, Rnrn. 3.9 - 3.11).

b) Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen.

aa) Die Beklagte stellt in Abrede, dass dem Kläger eine ausreichende Anzahl von Mitgliedern angehörten, die auf demselben Markt tätig seien wie sie. Insoweit vermisst sie insbesondere näheren Vortrag zu den Mitgliedern des E.-Verbandes, der seinerseits Mitglied des Klägers ist. Dessen Vortrag ist indes ausreichend.

Von Unternehmern vertriebene Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art sind solche, die sich ihrer Art nach so gleichen oder nahe stehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch ein wettbewerbswidriges Handeln des anderen Unternehmers beeinträchtigt werden kann. Es genügt, wenn eine Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist. Dafür bedarf es nicht notwendig gleicher oder verwandter Branchenzugehörigkeit (Harte-Bavendamm u.a./Goldmann, § 8 Rn. 323; Köhler u.a./Feddersen, § 8 Rn. 3.38). Hier ist jedoch sogar gleiche Branchenzugehörigkeit belegt. Der Kläger verweist auf 130 Unternehmen aus der Lebensmittelbranche, die zu seinen Mitgliedern zählen. Er nennt namentlich den Edeka-Verband, Norma, Lidl und Vitalia, deren Zugehörigkeit zum Verband er durch die mit der Klagschrift vorgelegten Mitgliederliste belegt. Diese Mitgliedschaften sind unstreitig.

bb) Die Beklagte stellt ferner in Abrede, dass der gerügte Wettbewerbsverstoß die Interessen der Mitglieder des Klägers berühre, weil diese - unstreitig - ihre Ware in gleicher Weise wie sie auszeichneten und das Pfand gesondert auswiesen.

Die Beklagte macht mit diesem Einwand nicht etwa den - unbeachtlichen - Einwand der „Unclean Hands“ gegen einen an sich berechtigten Anspruch geltend. Sie ist vielmehr der Auffassung, dass der Kläger den Anspruch nicht geltend machen könne, weil eine Tatbestandsvoraussetzung zur Begründung der Klagebefugnis nicht erfüllt sei. Klagebefugt ist ein Verband nicht schon dann, wenn ihm eine hinreichende Anzahl von Unternehmen angehören, die auf demselben räumlichen und sachlichen Markt wie der beklagte Wettbewerber tätig sind. Daneben ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 a. E. auch von Bedeutung, dass die Zuwiderhandlung die Interessen dieser Verbandsmitglieder berühren muss. Wie die Tatbestandsvoraussetzungen voneinander abzugrenzen sind, ist umstritten. Goldmann (in Harte-Bavendamm u.a. in § 8 Rnrn. 307 f, 335 f.) stellt darauf ab, dass es für das erstgenannte Tatbestandsmerkmal auf das abstrakte Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Anspruchsgegner und Verbandsmitgliedern ankomme und für das Tatbestandsmerkmal einer Berührung von Mitgliederinteressen zu prüfen sei, dass diese Interessen gerade durch die beanstandete Zuwiderhandlung betroffen sein müssten. Auch seien Beeinträchtigungen von einer gewissen Erheblichkeit zu verlangen. Nach anderer, wohl herrschender Auffassung liegt eine Berührung von Mitgliederinteressen vor, wenn die Mitglieder aufgrund der Zuwiderhandlung einen eigenen Anspruch aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG hätten. Dies setze eine Spürbarkeit der Beeinträchtigung i. S. v. § 3 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 8 UWG voraus (Holweg in Büscher, UWG 2019, § 8 Rn. 316; Köhler u. a./ders./Feddersen, § 8 Rn.3.51; Ohly in ders./Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 8 Rn. 108; unklar Seichter in Ullmann Juris PK-UWG, Stand: 17.12.2019, § 8 Rn. 185).

Auch der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Bedenken geäußert, ob die Interessen der Mitglieder des Klägers durch die beanstandete Handlung berührt sein könnten, wenn - darin liegt die Besonderheit des Falles - diese durchweg selbst ebenso agieren wie die Beklagte. Letztlich ist eine Interessenberührung jedoch anzunehmen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es darauf an, dass die Interessen der Mitglieder „berührt“ werden; dass es zu einer „Beeinträchtigung“ kommt, ist hingegen nicht erforderlich. Im Hinblick hierauf hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar geltend gemacht, dass seine Mitglieder sich davor scheuten, ihre eigene Preisauszeichnung umzustellen, solange die Beklagte dies nicht tue. Sie befürchteten einen Wettbewerbsnachteil, wenn die von ihnen angebotenen Waren durch die Angabe des Gesamtpreises vermeintlich teurer wirkten als die der Beklagten. Damit hat der Kläger zwar nicht dargelegt, dass seine Mitglieder durch die gegenwärtige allseits gleichartig gehandhabte Preisauszeichnung beeinträchtigt würden. Wenn die Preise für Waren in Pfandgebinden allseits in gleicher Weise ausgezeichnet werden, wird kein Wettbewerber bevorteilt oder benachteiligt. „Berührt“ werden die Interessen eines Wettbewerbers jedoch schon dann, wenn er sich durch das beanstandete Verhalten des Anderen an der seines Erachtens ordnungsgemäßen Preisauszeichnung gehindert sieht. Diese Interessenberührung ist nicht nur zukünftig, denn die Sorge vor wirtschaftlichen Nachteilen im Falle einer Änderung der eigenen Preisauszeichnung betrifft eine gegenwärtig zu treffende Entscheidung.

2. Es ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn ein Verband, der die Frage der Wettbewerbswidrigkeit eines Verhaltens höchstrichterlich klären lassen will, zunächst gegen einen Dritten und nicht gegen ein eigenes Mitglied gerichtlich vorgeht (BGH GRUR 2012, 411, 413 Rn. 21 - Rechtsmissbrauch; BGH GRUR 1997, 537, 537 f unter Ziff. II. 1 b - Lifting-Creme). Etwas anderes gälte zwar dann, wenn ein Verband planmäßig nur außenstehende Dritte belangte (BGH GRUR 2012, 411, 413 Rn. 22 - Rechtsmissbrauch; Senat, Urteil vom13.12.2018 - 6 U 24/17 -, SchlHAnz 2020, 152, 154 - Serviceentgelt bei Kreuzfahrt), doch ist für ein solches Vorgehen des Klägers nichts vorgetragen.

II.

Eine Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der beanstandeten Preisauszeichnung kommt jedoch der Sache nicht in Betracht. Der Senat kann offenlassen, ob die Preisauszeichnung ohne Einberechnung des Pfandes unlauter und damit unzulässig ist (§§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1 UWG). Er sieht sich aus rechtsstaatlichen Gründen an einer Stattgabe des Klagantrags gehindert. Dies gilt sowohl für den Fall einer Unlauterkeit wegen Rechtsbruchs nach § 3a UWG (nachfolgend 1) als auch wegen irreführenden Unterlassens (§ 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 UWG, nachfolgend 2). Ob die Voraussetzungen eines der Unlauterkeitstatbestände vorliegen, kann deshalb offenbleiben.

1. Die Preisauszeichnung der Beklagten wäre nach § 3a UWG unlauter, wenn sie gegen § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV verstieße.

a) Die Anwendbarkeit des § 3a UWG im Regelungsbereich der UGP-RL ist umstritten. Vielfach wird vertreten, es gelte hier nur der vorrangige § 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG (so etwa Harte-Bavendamm u. a./Dreyer § 5 A Rn. 103, § 5a Rn. 14; Köhler u.a./ders. § 3a Rn. 1.19; Alexander in MüKo UWG, 3. Aufl. 2020, § 5a Rnrn. 85, 88 jew. mit Darstellung des Streitstands). Der Gesetzgeber ging von einer gleichzeitigen Anwendbarkeit beider Vorschriften aus; Überschneidungen seien unschädlich (Begr. RegE BT-Drucks. 16/10145 S. 27). Auch der BGH greift - sogar vorrangig - auf § 3a UWG zurück (BGH GRUR 2017, 286, 287 Rn. 6, S. 288 Rn. 15 - Hörgeräteausstellung; BGH GRUR 2015, 1240, 1241 Rn. 17 - Der Zauber des Nordens; Köhler u.a./ders. § 3a Rn. 1.19; MüKo UWG/Alexander § 5a Rn. 84). Dem folgt der Senat. Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 3a UWG dahin, dass eine spürbare Interessenbeeinträchtigung nur vorliegt, wenn die verschwiegene Information geeignet ist, die Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, wirkt sich der Streit im Ergebnis ohnehin nicht aus (Büscher/Hohlweck § 3a Rn. 49).

b) Nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV ist bei der geschäftsmäßigen Bewerbung von Waren der Gesamtpreis anzugeben (in der bis zum 13.06.2014 geltende Fassung: Endpreis). Darin liegt eine Marktverhaltensregelung im Sinn des § 3a UWG (BGH GRUR 2016, 516, 516 Rn. 12 - Wir helfen im Trauerfall; BGH GRUR 2015, 1240, 1241 Rn. 18 - Der Zauber des Nordens; Büscher/Schilling Einl. PAngV Rn. 48; Köhler u. a./ders. Vor § 1 PAngV Rn. 5).

c) Die Vorschrift ist anwendbar. Im Anwendungsbereich der RL 2005/29/EG (UGP-RL) kann eine nationale Marktverhaltensregelung die Unlauterkeit nach § 3a UWG allerdings nur begründen, wenn diese nationale Bestimmung eine unionsrechtliche Grundlage hat (vgl. Erwägungsgrund 15 BGH GRUR 2016, 516, 517 Rn. 13 - Wir helfen im Trauerfall; BGH GRUR 2015, 1240, 1241 Rn. 19 - Der Zauber des Nordens), denn die UGP-Richtlinie bezweckt in ihrem Anwendungsbereich eine vollständige Harmonisierung des Lauterkeitsrechts. Sie regelt abschließend, welche Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern unlauter sind (Art. 3, 4 UGP-RL; Büscher/Schilling Einl. PAngV Rn. 41; Link in jurisPK-UWG, Stand 11.02.2020, § 3a UWG Rnrn. 29, 213; Köhler u. a./ders. Vor § 1 PAngV Rn. 10; Ernst in Müko UWG, 2. Aufl. 2014, Einl. zu §§ 1 - 11 PAngV Rn. 8).




Der Anwendungsbereich der UGP-RL ist eröffnet. Die Richtlinie gilt für unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts (Art. 1 UGP-RL), wobei unter „Produkt“ sowohl Waren wie auch Dienstleistungen zu verstehen sind (Art. 2 c UGP-RL). Nach Art. 7 Abs. 1 UGP-RL ist die Vorenthaltung wesentlicher Informationen irreführend. Als wesentlich gelten nach Art. 7 Abs. 4 lit. c UGP-RL die Angabe des Preises einschließlich aller Steuern und Abgaben sowie nach Abs. 5 ebd. die Informationsanforderungen nach Art. 3 Abs. 4 der RL 98/6/EG (PAng-RL). Aufgrund der Kollisionsnorm des Art. 3 Abs. 4 UGP-RL, wonach die Regelungen zu unlauteren Geschäftspraktiken in anderen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften den Bestimmungen der UGP-RL vorgehen, ist im Hinblick auf Preisangaben für Waren die PAng-RL die maßgebliche gemeinschaftsrechtliche Vorschrift (EuGH GRUR 2016, 945, 946 Rnrn. 42 - 45 - Citroën; BGH GRUR 2016, 516, 517 Rn. 18 - Wir helfen im Trauerfall; BGH GRUR 2015, 1240, 1241 Rn. 24 - Der Zauber des Nordens; Köhler u. a./ders. Vor § 1 PAngV Rn. 10a). Nach Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 PAng-RL sind bei Erzeugnissen, die Verbrauchern von Händlern angeboten werden, der Verkaufspreis und - hier nicht einschlägig und deshalb im Folgenden vernachlässigt - der Preis je Maßeinheit anzugeben. Mit „Verkaufspreis“ ist der Endpreis für eine Produkteinheit, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt, gemeint (Art. 2 lit. a PAng-RL). § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV findet somit in der PAng-RL seine - alleinige - europarechtliche Grundlage (BGH GRUR 2017, 286, 287 Rn. 11 - Hörgeräteausstellung; Büscher/Schilling Einl. PAngV Rn. 31).

d) Der Gesamtpreis ist nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV der Preis, der einschließlich der Umsatzsteuer und sonstigen Preisbestandteile zu zahlen ist.

Im Jahr 1993 hat der BGH entschieden, dass das Pfand Teil des Gesamt- (damals: End-)preises sei (BGH GRUR 1994. 222. 223 f - Flaschenpfand I). Diese Auffassung hat auch der Senat vertreten (Senat, Urteil vom 08.02.1996 - 6 U 44/95 -, OLGR 1996, 314, 315; insoweit nicht beanstandet in der Revisionsentscheidung BGH GRUR 1998, 955 - Flaschenpfand II). Begründen lässt sich die Einbeziehung des Pfandes in den End- oder Gesamtpreis damit, dass der Verbraucher notwendig auch das Pfand entrichten muss, um die in Pfandgebinden enthaltene Ware erwerben zu können (BGH GRUR 1994. 222. 223 f - Flaschenpfand I). Der Senat hat jedoch erhebliche Bedenken, dass an dieser Auffassung festgehalten werden kann, zumal das Verständnis der Verbraucher von der Preisauszeichnung von „Pfandwaren“ seit mittlerweile über 20 Jahren durch die Preisauszeichnung nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 PAngV geprägt worden ist. Es ist deshalb in letzter Zeit obergerichtlich auch entschieden worden, dass das Pfand nicht in den Gesamtpreis im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV einzuberechnen sei (OLG Dresden, Urteil vom 17.09.2020 - 6 U 49/19; OLG Köln wrp 2020, 646 Ls. 4; a. A. KG wrp 2018, 226 Ls. 4).

Der Gesamtpreis bildet die Gegenleistung, die erbracht werden muss, um die Leistung - die angebotene Ware oder Dienstleistung – erwerben zu können. Bei in Mehrweggebinden gelieferter Ware besteht diese Gegenleistung einerseits in dem Geldbetrag für die Ware selbst und andererseits in dem Geldbetrag, der für die Gebinde gezahlt werden muss. Werden beide Beträge zusammengerechnet, führt dies aber zu einem verzerrten Ergebnis. Der Wert der als Pfand erbrachten Gegenleistung ist niedriger als der Nominalbetrag des Pfandes, denn der Kunde kann sich den Betrag durch Rückgabe der Pfandbehälter zurückerstatten lassen. Der Wert des Pfandes besteht deshalb nur in dem Wert, den die Nutzung der Sicherheit für den Verkäufer - oder die fehlende Nutzungsmöglichkeit für den Käufer - hat und mit dem außerdem das Risiko des endgültigen Verfalls des Pfandes wegen Verlusts des Pfandguts zu bemessen ist. Dieser Wert ist im Voraus allerdings nicht berechenbar und bräuchte - und könnte - deshalb nicht in den anzugebenden Gesamtpreis einbezogen zu werden.

Wegen des Gebots richtlinienkonformer Auslegung kommt es letztlich allerdings maßgeblich darauf an, wie der europarechtliche Begriff des Verkaufspreises nach Art. 2 a PAng-RL zu verstehen ist. Dies vermag der Senat nicht zweifelsfrei zu beantworten. Weder aus der UGP-RL noch aus der PAngRL lassen sich Hinweise dazu entnehmen, wovon der europäische Gesetzgeber ausging. Eine Entscheidung des EuGH dazu, ob das Pfand als Teil des Verkaufspreises oder als eigenständig daneben stehender Betrag gelten soll, fehlt bislang. Entschieden hat der EuGH zwar, dass die Überführungskosten bei einem Fahrzeug einen unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteil des Preises ausmachten und deshalb in den Verkaufspreis einzuberechnen seien (EuGH GRUR 2016, 945, 946 Rn. 40 - Citroën). Für die Frage, wie es sich bei einem Pfand verhält, gibt diese Entscheidung nichts her. Das OLG Köln ist davon ausgegangen, dass der Verkaufspreis das Pfand nicht erfasse. Verkaufspreis sei nach der Rechtsprechung des EuGH die Summe der unvermeidbaren und notwendigen Bestandteile des Preises, die obligatorisch vom Verbraucher zu tragen seien, und die Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses bilde. Das Pfand sei eine reine Sicherheit im Interesse der Wiederverwertung des Gebindes, kein Bestandteil des Warenwertes und stelle als „rückerstattbare Sicherheit“ gerade keine Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses dar (OLG Köln wrp 2020, 846, 848 Rn. 20). Schilling (in Büscher, UWG, 2019, § 1 PAngV Rn. 58), auf den sich das OLG Köln dabei bezieht, bezeichnet es allerdings nur als „zweifelhaft“, dass der EuGH das Pfand als Teil des Verkaufspreises ansähe.

e) Auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung jedenfalls verstieße die Preisauszeichnung der Beklagten gegen § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV, weil das Pfand eigens ausgewiesen wird. Damit wäre der Rechtsbruchstatbestand des § 3a UWG erfüllt, denn die verordnungswidrige Angabe ist geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinflussen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie vom Kauf einer Ware abgesehen hätten, wenn ihnen der aktuell dafür zu entrichtende Gesamtbetrag deutlich vor Augen gestanden hätte.

f) Der Rechtsbruchtatbestand wäre jedoch nicht erfüllt, wenn für die Preisauszeichnung nicht § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV, sondern die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV zur Anwendung käme. § 1 Abs. 4 PAngV enthält eine Ausnahmevorschrift für den Fall, dass außer dem Entgelt für die Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit (Pfand) gefordert wird. Diese ist nach § 1 Abs. 4 PAngV neben dem Preis für die Ware oder Leistung anzugeben, ein Gesamtbetrag ist nicht zu bilden. Dem entspricht die Preisauszeichnung der Beklagten. § 1 Abs. 4 PAngV ist jedoch wegen Europarechtswidrigkeit nicht mehr anwendbar.

aa) § 1 Abs. 4 PAngV findet weder in der UGP-RL noch der PAng-RL eine Grundlage. Bis zum 12.06.2013 war dies unschädlich. Art. 3 Abs. 5 UGP-RL gestattete es den Mitgliedstaaten, für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12.06.2007 in dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beizubehalten, die restriktiver oder strenger sind als die Richtlinie, zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten. § 1 Abs. 4 PAngV gilt als strenger als Art. 3 Abs. 1 PAng-RL, wonach der Verkaufspreis als Endpreis angegeben werden muss. Bis zum Ablauf der Frist konnte § 1 Abs. 4 PAngV deshalb noch auf die Übergangsregelung in Art. 3 Abs. 5 UGP-RL gestützt werden. Nachdem diese Grundlage mit Fristablauf weggefallen ist, ist die Regelung zur Preisangabe in § 1 Abs. 4 PAngV ohne europarechtliche Grundlage. Sie verstößt damit gegen das insbesondere Art. 4 UGP-RL zu entnehmende Gebot der Vollharmonisierung in diesem Bereich.

bb) Folge der Richtlinienwidrigkeit ist allerdings nicht, dass nun die Richtlinie unmittelbar verpflichtend für die Beklagte wäre. Wird eine Richtlinie nicht oder nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt, kann der Einzelne zwar unter Umständen unmittelbar aus ihr Rechte gegenüber dem Staat herleiten (EuGH NJW 1982, 499 Ls. 1) oder sie zur Grundlage eines Anspruchs auf Staatshaftung machen (EuGH NJW 2006, 2465, 2467 Rn. 112; EuGH NJW 1992, 165, 166 f Rnrn. 27 - 46). Eine Richtlinie begründet aber niemals Verpflichtungen zwischen Privaten (EuGH NJW 2010, 427, 429 Rn. 46). Wegen ihrer fehlenden unmittelbaren Wirkung führt der Verstoß gegen Richtlinien auch nicht zu einem Verstoß nach § 3a UWG (jurisPK UWG § 3a Rn. 82; Metzger in Teplitzky/Pfeifer, UWG, 2. Aufl. 2013, § 4 Rn. 30).



Folge der Richtlinienwidrigkeit des § 1 Abs. 4 PAngV ist vielmehr, dass die Vorschrift nicht mehr angewandt werden darf (KG wrp 2018, 226, 229 Rn. 33; Köhler wrp 2013, 723 und ders. u.a./ders. § 1 PAngV Rn. 28). Eine vorrangige richtlinienkonforme Auslegung dahingehend, dass das Pfand in den Gesamtpreis einzuberechnen sei, kommt angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift und ihrer eindeutig gegenteiligen Zweckrichtung nicht in Betracht. Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung darf nicht zu einer Auslegung contra legem des nationalen Gesetzes führen (EuGH NJW 2006, 2465, 2467 Rn. 110; BGH NJW-RR 2018, 424, 426 Rn. 19 - Energieausweis).
cc) Gegen dieses Ergebnis wird angeführt, dass mit der Pfandregelung insbesondere auch umweltpolitische Zielsetzungen verfolgt wurden, die außerhalb des Regelungsbereiches der UGP-RL liegen. Die Vorschrift falle daher nicht in den von der UGP-RL vollharmonisierten Bereich und Art. 3 Abs. 5 S. 1 UGP-RL stünde der Anwendung nach dem 12. Juni 2013 nicht entgegen (OLG Köln wrp 2020, 646, 647 Rn. 17; Büscher/Schilling § 1 PAngV Rn. 58; Harte-Bavendamm/u.a./Weidert, PAngV § 1 Rn. 73; für Anwendbarkeit ohne nähere Begründung MüKo UWG/Ernst § 1 PAngV Rnrn. 46 f).

Dem ist entgegenzuhalten, dass die entscheidende Zielsetzung der Pfandregelung nicht die umweltpolitische war. Der Verordnungsgeber nennt insoweit die Vereinfachung der Preisangabevorschriften sowie die Verbesserung der Preistransparenz insbesondere für Mehrweggebinde (BR-Drucks. 238/97 Präambel lit. A und S. 6). Mit der Änderung wollte der Verordnungsgeber der von ihm nicht gewünschten Auswirkung des BGH-Urteils vom 14.10.1993 auf die Preistransparenz entgegenwirken (BR-Drucks. 238/97 S. 8). Die Herstellung der Preistransparenz ist aber Kern der PAng-RL. Der nationale Verordnungsgeber verfolgte bei Erlass der PAngV zwar auch ein umweltpolitisches Ziel. Die Preisangabe bei Mehrweggebinden habe, so heißt es in der Verordnungsbegründung, in der Form, die sie durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gefunden habe, zu einer nicht tragbaren Benachteiligung von Mehrweg- gegenüber Einwegsystemen und zugleich zu einer dem Ziel der Preistransparenz nicht dienlichen Komplizierung der Preisauszeichnung geführt (ebd. S. 6). Die Beseitigung der optischen Benachteiligung von Mehrweg- gegenüber Einweggebinden werde aus umweltpolitischer Sicht positive Auswirkungen haben (ebd. Präambel lit. E und S. 7). Indes handelt es sich dabei doch nur um eine Erklärung dafür, weshalb die Preistransparenz (auch) zu einer am Umweltschutz ausgerichteten Kaufentscheidung führen könne. Auf ein solches, hinter dem Ziel der Preistransparenz stehendes mittelbares Ziel abzustellen, ließe jedoch das Bestreben nach einer Vollharmonisierung des Lauterkeits- und hier im Besonderen des Preisangabenrechts weitgehend leerlaufen. Der Schutz des lauteren Geschäftsverkehrs und der Preistransparenz sind niemals Selbstzweck. Sie dienen immer einem dahinterstehenden Ziel, sei es, Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil von Mitbewerbern zu verhindern oder aber auch dem Verbraucherschutz oder der Förderung gewünschter oder Verdrängung unerwünschter Verhaltensweisen.

g) Auf der Grundlage der dargelegten Rechtsauffassung des Senats käme es für das Vorliegen des Rechtsbruchtatbestandes darauf an, ob unter dem Begriff des Gesamtpreises nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV bei richtlinienkonformer Auslegung mit oder ohne Einberechnung des Pfandes zu bilden ist. Der Senat kann diese Frage jedoch offenlassen und deshalb auch von einer Vorlage der Frage an den EuGH absehen. Auch dann nämlich, wenn alle Voraussetzungen des Rechtsbruchtatbestandes vorlägen, sähe sich der Senat gehindert, dem Unterlassungsantrag stattzugeben. Einerseits nämlich ist § 1 Abs. 4 PAngV nicht mehr anwendbar (s. o.). Gleichwohl ist die Vorschrift geltendes Recht. Es wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, die Beklagte zu verurteilen, weil sie sich daran gehalten hat.

aa) Der aus der Nichtanwendbarkeit der Vorschrift einerseits, ihrer Gültigkeit andererseits entstehende Widerspruch in Bezug auf das von der Beklagten geforderte Verhalten ist nicht auflösbar.

Das OLG Köln hat sich in einem gleichartigen Fall zugunsten des Unterlassungsgegners für eine Anwendung des § 1 Abs. 4 PAngV entschieden. Es hat einen gerügten Verstoß gegen § 1 Abs. 4 PAngV selbst dann, wenn die Vorschrift richtlinienwidrig wäre - was das OLG Köln allerdings nicht angenommen hat -, für folgenlos gehalten, weil EU-Richtlinien keine unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten hätten. Dagegen sei § 1 Abs. 4 PAngV geltendes deutsches Recht, das als solches nach Art. 20 Abs. 3 GG Anwendung beanspruche. Das Gericht sei an das geltende Recht gebunden (OLG Köln wrp 2020, 646 Rn. 10). Dies überzeugt jedoch nicht, weil die Richtlinienwidrigkeit einer nationalen Vorschrift durchaus zur Folge haben kann und sogar muss, dass die nationale Vorschrift nicht angewandt werden darf. Die Träger öffentlicher Gewalt in dem betreffenden Mitgliedstaat sind gehalten, bei der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts der Richtlinie weitestgehend zur Wirksamkeit zu verhelfen (EuGH NJW 2010, 427, 429 Rnrn. 47 f). Erforderlichenfalls muss die der Richtlinie entgegenstehende Bestimmung unangewendet bleiben (EuGH NJW 2010, 427, 429 f Rn. 51).

Im Einklang mit diesen Grundsätzen hat das KG Berlin die Unterlassungsklage gegen einen Lieferdienst, der das Pfand nicht gesondert ausgewiesen hatte, abgewiesen. Da § 1 Abs. 4 PAngV gegen die PAng-RL verstoße, sei die Vorschrift nicht anwendbar. Das Pfand sei demnach nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV in den Endpreis einzubeziehen (KG wrp 2018, 226, 229 Rnrn. 30 - 32). Dieser Entscheidung kann sich der Senat jedoch nicht anschließen, weil der Fall hier gerade gegenteilig liegt: Das im dortigen Fall beanstandete unlautere Verhalten bestand in einem Verstoß gegen § 1 Abs. 4 PAngV. Der Verstoß blieb folgenlos, weil die Vorschrift aufgrund ihrer Richtlinienwidrigkeit nicht zur Anwendung kam. Die hiesige Beklagte wird jedoch gerade deshalb in Anspruch genommen, weil sie sich an die Vorgaben aus § 1 Abs. 4 PAngV gehalten hat.




Der Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV kann auch nicht mit der Begründung folgenlos bleiben, dass der Beklagten ein unvermeidbarer Verbotsirrtum zugute zu halten wäre. Vor Einführung der Ausnahmevorschrift zur Pfandauszeichnung hat der BGH in der Entscheidung „Flaschenpfand I“ die Werbung für Getränke in Mehrwegflaschen mit der Angabe des Flaschenpreises und dem Zusatz „o. Pf.“ zwar als Rechtsbruch nach § 4 Nr. 11 UWG wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 PAngV angesehen. Jedoch sei die beklagte Getränkelieferantin hinsichtlich der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der Preisangabenverordnung in einem Rechtsirrtum befangen gewesen, der ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden könne (BGH GRUR 1994, 222, 224 - Flaschenpfand I). Die Entscheidung beruht jedoch auf der Gesetzeslage bis zur UWG-Reform im Jahr 2004. Bis dahin wurde die Auffassung vertreten, dass, sofern die außerwettbewerbsrechtliche Norm zusätzliche subjektive Tatbestandsvoraussetzungen verlange, diese ebenfalls erfüllt sein müssten (jurisPK UWG/Link § 3a Rn. 110). Seit der Reform gilt, dass die Zuwiderhandlung gegen eine Marktverhaltensregelung allein ein objektiv rechtswidriges Verhalten voraussetzt. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Verstoß gegen eine Vorschrift wissentlich oder unwissentlich geschieht. Ein etwaiger Verbotsirrtum ist unbeachtlich (BGH GRUR 2017, 409, 412 Rn. 36; Harte-Bavendamm u. a./v.Jagow § 3 a Rn. 36; jurisPK UWG/Link § 3a Rn. 111; Köhler u. a./ders. § 3a Rn. 1.89).

bb) Die Folge des nicht auflösbaren Widerspruchs zwischen Nichtanwendbarkeit und Gültigkeit des § 1 Abs. 4 PAngV kann nur die Klagabweisung sein.

Die Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV ist ungeachtet ihrer Richtlinienwidrigkeit geltendes Recht und für den Einzelnen bindend. Unanwendbar ist sie nur für die Träger öffentlicher Gewalt, also für Behörden und Gerichte. Für den Einzelnen ist sie gleichwohl bindend. Er ist weder verpflichtet noch befugt, darüber zu entscheiden, ob er sie beachtet oder nicht. Die von der Beklagten vorgenommene Preisauszeichnung entspricht damit dem, was von Rechts wegen von ihr verlangt wird. Ein rechtlich gebotenes Verhalten kann aber niemals Grundlage einer Verurteilung sein, in der unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, dieses Verhalten zu unterlassen. Eine solche Verurteilung wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. In einem Rechtsstaat muss der Einzelne im Voraus nachvollziehen können, ob sein Verhalten geduldet oder geahndet wird. Wer sich rechtstreu verhält, muss die Gewissheit haben, dafür nicht belangt zu werden. Eben dazu käme es aber, wenn die Beklagte wegen der § 1 Abs. 4 PAngV entsprechenden Preisauszeichnung verurteilt würde und sie überdies in allen künftigen Fällen vorschriftsmäßiger Preisauszeichnung einem Ordnungsmittelverfahren ausgesetzt wäre.

Der Senat sieht, dass die von ihm vertretene Auffassung zu der Gefahr unterschiedlicher Preisauszeichnung bei „Pfandware“ führt. Unternehmen, die das Pfand in den Gesamtpreis einberechnen, können sich auf § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV berufen (sofern man der Auffassung folgt, dass das Pfand ein Teil des Gesamtpreises ist). Der an sich vorrangige § 1 Abs. 4 PAngV kann ihnen nicht entgegengehalten werden, weil er wegen Richtlinienwidrigkeit nicht zu ihren Lasten angewandt werden darf (so im o. g. Fall des KG Berlin). Unternehmen, die das Pfand gesondert ausweisen, können sich hingegen auf § 1 Abs. 4 PAngV stützen, weil die Vorschrift trotz Richtlinienwidrigkeit geltendes Recht bleibt. Diese unbefriedigende Situation ist jedoch hinzunehmen. Sie ist unvermeidbare Folge dessen, dass bislang nicht geklärt ist, ob der Verkaufspreis im Sinne des Art. 2 a PAng-RL das Pfand mit umfasst und - falls ja - es an einer europarechtskonformen nationalen Regelung zur Preisauszeichnung von „Pfandwaren“ fehlt.

2. Der Anspruch kann auch nicht mit einem irreführenden Unterlassen der Angabe des Gesamtpreises (§ 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 UWG) begründet werden. Nach § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die er benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, sofern deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Als wesentliche Information gilt nach § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG die Angabe des Gesamtpreises.

a) Die Vorschrift kommt indes schon nicht zur Anwendung. § 5a Abs. 2 UWG dient der Umsetzung des Art. 7 Abs. 1 UGP-RL. Bei Preisangaben für Waren (nicht für Dienstleistungen) ergibt sich jedoch aus der Kollisionsnorm in Art. 3 Abs. 4 UGP-RL ein Vorrang der PAng-RL (s. o.). Der BGH geht deshalb davon aus, dass die UGP-RL hinsichtlich des in einer Werbung anzugebenden Verkaufspreises nicht zur Anwendung kommt (BGH 2017, 286, 288 Rn. 15).Gleiches muss dann auch für die nationalen Regelungen gelten, die der Umsetzung der UGP-RL dienen. § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG greift mithin nur ein, soweit keine vorrangigen Regelungen der Preisauszeichnung bestehen (MüKo UWG/Alexander § 5a Rn. 373).



b) Käme die Vorschrift zur Anwendung, könnte das Ergebnis nicht anders sein als bei § 3a UWG.

Ein Verstoß gegen die Informationspflicht zur Angabe des Gesamtpreises durch Angabe des Pfades neben dem Warenpreis käme von vornherein nur in Frage, wenn das Pfand Teil des Gesamtpreises ist. Daran hat der Senat aus den dargelegten Gründen erhebliche Zweifel (s. o. II. 1. d). Geht man davon jedoch aus, so ergäbe sich doch aus § 1 Abs. 4 PAngV die Verpflichtung der Beklagten, das Pfand gesondert auszuzeichnen und gerade keinen Gesamtpreis aus Ware und Pfand zu bilden. Die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht kann nicht als unlauteres Verschweigen wesentlicher Informationen gewertet werden und zur Grundlage einer ordnungsmittelbewehrten Unterlassungsentscheidung gemacht werden.

Mit dieser Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zur Auffassung des BGH in der Entscheidung „Energieausweis“, wonach sich eine nach § 5a Abs. 2 UWG mitzuteilende wesentliche Information auch aus einer Richtlinie ergeben könne, die unzureichend in nationales Recht umgesetzt worden sei. Einen Verstoß gegen § 3a UWG hat der BGH im betreffenden Fall verneint, weil der nationale Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hatte, die Berufsgruppe des dortigen Beklagten - Makler - als Informationspflichtige in das Gesetz aufzunehmen. Für die Verpflichtung des Maklers zur Angabe aller wesentlichen Informationen sei dies jedoch unschädlich, obwohl § 5 a IV UWG nicht auf die unionsrechtlichen Vorschriften, sondern auf die zu ihrer Umsetzung ergangenen Rechtsvorschriften abstelle. § 5a Abs. 4 UWG setze Art. 7 Abs. 5 UGP-RL um. Nach dieser Vorschrift seien die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen maßgeblich. Eine unzureichende Umsetzung einer Richtlinienbestimmung im Sinne von Art. 7 Abs. 5 der UGP-RL in deutsches Recht (im Fall die EnEV) stehe der Anwendung des § 5a Abs. 4 UWG nicht entgegen. Daher komme es nicht darauf an, dass der Verordnungsgeber die im Streitfall einschlägige Richtlinienbestimmung (Art. 12 Abs. 4 der RL 2010/31/EU) nicht richtig umgesetzt habe (BGH NJW-RR 2018, 424, 427 Rn. 28 - Energieausweis).

In dem vom BGH entschiedenen Fall war die Informationspflicht mithin in der einschlägigen nationalen Verordnung nicht eigens geregelt. Durch den Verweis in § 5a Abs. 4 UWG konnte jedoch auf die in der Richtlinie geregelten Informationsanforderungen zurückgegriffen werden. Im vorliegenden Fall jedoch gibt es mit § 1 Abs. 4 PAngV gerade eine nationale Vorschrift, aus der sich die die Beklagte treffenden Informationsanforderungen - hier im Hinblick auf die Preisauszeichnung - ergeben. Es stellt sich also nicht die Frage, inwieweit bei unvollständiger Umsetzung einer Richtlinie unmittelbar auf die in ihr geregelten Regelungen zurückgegriffen werden kann. Es fragt sich vielmehr, welche Rechtsfolgen es hat, wenn sich ein Unternehmen an ein zwar richtlinienwidriges, für sie aber bindendes nationales Recht hält. Aus den dargelegten Gründen kann ein dem nationalen Recht entsprechendes Verhalten nicht zu einer Verurteilung wegen unlauteren Verhaltens führen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den § 708 Nr. 10, 709 ZPO.

Die Revision war zuzulassen. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die Frage, ob das Pfand bei richtlinienkonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV Teil des Gesamtpreises ist, ferner die Europarechtskonformität des § 1 Abs. 4 PAngV und die Frage, welche Folgen aus einer etwaigen Europarechtswidrigkeit gezogen werden sollen, ist umstritten. Es besteht jedoch ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Rechtsprechung zur Auszeichnung von Waren in Pfandgebinden im gesamten Bundesgebiet.

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