1. |
§ 1 Abs. 4 PAngV findet weder in der UGP-RL noch der PAng-RL eine Grundlage. Bis zum 12.06.2013 war dies unschädlich. Art. 3 Abs. 5 UGP-RL gestattete es den Mitgliedstaaten, für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12.06.2007 in dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beizubehalten, die restriktiver oder strenger sind als die Richtlinie, zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten. § 1 Abs. 4 PAngV gilt als strenger als Art. 3 Abs. 1 PAng-RL, wonach der Verkaufspreis als Endpreis angegeben werden muss. Bis zum Ablauf der Frist konnte § 1 Abs. 4 PAngV deshalb noch auf die Übergangsregelung in Art. 3 Abs. 5 UGP-RL gestützt werden. Nachdem diese Grundlage mit Fristablauf weggefallen ist, ist die Regelung zur Preisangabe in § 1 Abs. 4 PAngV ohne europarechtliche Grundlage. Sie verstößt damit gegen das insbesondere Art. 4 UGP-RL zu entnehmende Gebot der Vollharmonisierung in diesem Bereich.
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2. |
Folge der Richtlinienwidrigkeit ist allerdings nicht, dass nun die Richtlinie unmittelbar verpflichtend für die Beklagte wäre. Wird eine Richtlinie nicht oder nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt, kann der Einzelne zwar unter Umständen unmittelbar aus ihr Rechte gegenüber dem Staat herleiten (EuGH NJW 1982, 499 Ls. 1) oder sie zur Grundlage eines Anspruchs auf Staatshaftung machen (EuGH NJW 2006, 2465, 2467 Rn. 112; EuGH NJW 1992, 165, 166 f Rnrn. 27 - 46). Eine Richtlinie begründet aber niemals Verpflichtungen zwischen Privaten (EuGH NJW 2010, 427, 429 Rn. 46). Wegen ihrer fehlenden unmittelbaren Wirkung führt der Verstoß gegen Richtlinien auch nicht zu einem Verstoß nach § 3a UWG (jurisPK UWG § 3a Rn. 82; Metzger in Teplitzky/Pfeifer, UWG, 2. Aufl. 2013, § 4 Rn. 30).
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3. |
Folge der Richtlinienwidrigkeit des § 1 Abs. 4 PAngV ist vielmehr, dass die Vorschrift nicht mehr angewandt werden darf (KG wrp 2018, 226, 229 Rn. 33; Köhler wrp 2013, 723 und ders. u.a./ders. § 1 PAngV Rn. 28). Eine vorrangige richtlinienkonforme Auslegung dahingehend, dass das Pfand in den Gesamtpreis einzuberechnen sei, kommt angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift und ihrer eindeutig gegenteiligen Zweckrichtung nicht in Betracht. Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung darf nicht zu einer Auslegung contra legem des nationalen Gesetzes führen (EuGH NJW 2006, 2465, 2467 Rn. 110; BGH NJW-RR 2018, 424, 426 Rn. 19 - Energieausweis).
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4. |
Auf der Grundlage der dargelegten Rechtsauffassung des Senats käme es für das Vorliegen des Rechtsbruchtatbestandes darauf an, ob unter dem Begriff des Gesamtpreises nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV bei richtlinienkonformer Auslegung mit oder ohne Einberechnung des Pfandes zu bilden ist. Der Senat kann diese Frage jedoch offenlassen und deshalb auch von einer Vorlage der Frage an den EuGH absehen. Auch dann nämlich, wenn alle Voraussetzungen des Rechtsbruchtatbestandes vorlägen, sähe sich der Senat gehindert, dem Unterlassungsantrag stattzugeben. Einerseits nämlich ist § 1 Abs. 4 PAngV nicht mehr anwendbar (s. o.). Gleichwohl ist die Vorschrift geltendes Recht. Es wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, die Beklagte zu verurteilen, weil sie sich daran gehalten hat. - Der aus der Nichtanwendbarkeit der Vorschrift einerseits, ihrer Gültigkeit andererseits entstehende Widerspruch ist nicht auflösbar.
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