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Landgericht Würzburg Urteil vom 07.08.2018 - 1 HK O 434/18 - Pflichten des Verkäufers auf einer Handelsplattform

LG Würzburg v. 07.08.2018: Zu den Pflichten des Verkäufers auf einem E-Marktplatz


Das Landgericht Würzburg (Urteil vom 07.08.2018 - 1 HK O 434/18) hat entschieden:

   Einem Verbraucher, der auf Grund einer auf einer Verkaufsplattform erschienenen Werbeanzeige einen Vertrag schließt, steht – wie sich aus § 312 g Abs. 1 i.V.m. § 312 c Abs. 1 BGB ergibt – ein Widerrufsrecht zu, woraus folgt, dass der auf einer Handelsplattform tätige Anbieter die Anforderungen gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, § 312 d Abs. BGB zu beachten hat.




Siehe auch
Handeslplattformen - E-Marktplätze - Internetverkaufsplätze
und
Amazon - Marketplace


Tatbestand:


Die Klägerin begehrt Unterlassen im Hinblick auf irreführende Handlungen der Beklagten im geschäftlichen Verkehr. Auf Grund ihrer Mitgliederstruktur hat die Wettbewerbszentrale die umfassende Verbandsklagebefugnis für das gesamte Bundesgebiet.

Die Beklagte bietet im Internet auf der Onlinehandelsplattform … unter dem Verkäufernamen … Waren zum Zwecke des Verkaufs an bzw. fordert sie die angesprochenen Verkehrskreise im Fernabsatz auf, darunter im wesentlichen auch Verbraucher, verbindliche Angebote für den Erwerb dieser Waren abzugeben. Mit Schreiben vom 29.09.2017 mahnte die Klägerin die Beklagte hinsichtlich der nachbenannten geschäftlichen Handlungen ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Hierfür setzte sie eine Frist bis 12.10.2017 und drohte für den Fall nicht rechtzeitiger Reaktion gerichtliche Schritte ernstlich an.

Mit Schreiben vom 04.10.2017 teilte die Beklagte mit, dass sie die Unterlassungserklärung nicht abgeben werde. Ein Verfahren vor der Einigungsstelle verlief erfolglos.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe es am 29.09.2017 unterlassen, in ihrem Internet-Verkäuferprofil eine den Vorgaben der §§ 312 g, 356 BGB i.V.m. Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 und Nr. 1 EGBGB entsprechende Widerrufsbelehrung bereitzuhalten und legt insoweit einen Ausdruck der Infoseite der Beklagten als Anlage … vor.

Die Klägerin beantragt:

  1.  Der Beklagten wird zur Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten

   untersagt,
   im geschäftlichen Verkehr im Fernabsatz vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers nicht deutlich auf das bestehende Widerrufsrecht hinzuweisen und zwar in der Form, dass die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Name und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufsrechts klar und verständlich angegeben werden.


  2.  Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 355,50 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, ein Herr … aus … habe bereits vor dem 29.09.2017 eine vollständige und regelrechte Widerrufsbelehrung auf der Verkaufsseite der Beklagten auf der Handelsplattform … bereitgehalten und veröffentlicht. Im Übrigen sei der Ausdruck vom 29.09.2017 (Anlage K1) kein taugliches Beweismittel. Denn offensichtlich könne bei Screenshots bzw. Ausdrucken von Internetseiten die Wiedergabe des Datums im „Zeitstempel“ nachträglich modifiziert werden, was hier geschehen sei.

Eine Beweisaufnahme erfolgte nicht. Mit Zustimmung der Parteien wurde das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO durchgeführt.




Entscheidungsgründe:


A.

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen und gerichtsbekannt aktiv legitimiert i.S.d. § 8 Abs. III Nr. 2 UWG (Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, Einl. Rd. Nr. 2.45/§ 8, Rd. Nr. 3.30 ff). Die Beklagte führt ein Gewerbe und ist im Internet unter der geschäftlichen Bezeichnung … aufgetreten.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch und einen Aufwandserstattungsanspruch nach § 12 Abs. I S. 2 UWG geltend. Somit ist die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Handelskammer des Landgerichts Würzburg nach § 13 Abs. I UWG i.V.m. § 95 Abs. I Nr. 5 GVG begründet. Die Beklagte unterhält ihren Geschäftssitz im Gerichtsbezirk des Landgerichts … womit nach § 14 Abs. I S. 1 UWG die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg gegeben ist. I. Klageantrag zu 1. (Unterlassungsantrag)

Dieser Antrag ist begründet, wie sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, § 3 Abs. 1, § 3 a UWG, Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, § 312 g Abs. 1, § 312 d Abs. 1, § 312 c Abs. 1 BGB ergibt.

1. Die Klägerin ist aktiv legitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (BGH WRP 2015, 444).

2. Ihr steht auch ein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG zu, weil die von ihr zur Begründung ihres Unterlassungsantrages herangezogene, auf der Verkaufsplattform … im Auftrag der Beklagten veröffentlichte Bewerbung ihrer Produkte sich im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG als unlautere geschäftliche Handlung darstellte, wie sich aus § 3 a UWG ergibt. Danach handelt derjenige unlauter, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, wenn der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen.




a) Die Bewerbung der Produkte durch die Beklagte zu Rückgaben und Widerrufsrecht, wie sie von der Klägerin zur Begründung des Unterlassungsantrages herangezogen wird – die inhaltliche Richtigkeit dieser Wiedergabe durch die Klägerin wird von der Beklagten nicht bestritten mit der sich aus § 138 Abs. 3 Hs. 1 ZPO ergebenden Rechtsfolge, dass dieser klägerische Vortrag als zugestanden gilt – entspricht nicht den Anforderungen gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB:

aa) Die Regelung ist anwendbar. Denn einem Verbraucher, der mit der Beklagten auf Grund der genannten, auf der Verkaufsplattform von … erschienenen Werbeanzeige einen Vertrag schloss, stand – wie sich aus § 312 g Abs. 1 i.V.m. § 312 c Abs. 1 BGB ergibt – ein Widerrufsrecht zu, woraus folgt, dass die Beklagte die Anforderungen gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, § 312 d Abs. BGB zu beachten hatte.

bb) Nach dieser Regelung ist bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 312 g Abs. 1 BGB der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher u.a. deutlich auf das bestehende Widerrufsrecht hinzuweisen und zwar in der Form, dass die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Name und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufsrechts klar und verständlich angegeben werden. Diesen Anforderungen ist die Beklagte nicht nachgekommen:

b. Soweit die Beklagte behauptet das Datum bzw. der Zeitstempel des als Anlage A1 vorgelegten Ausdrucks sei manipuliert und daher könne dieser Ausdruck als Beweismittel nicht verwendet werden, geht sie im Ergebnis fehl. Es kommt nicht darauf an, ob sie diese wettbewerbswidrige Handlung am 29.09.2017 verübte, sondern nur darauf, dass sie diese in der Vergangenheit tatsächlich verübt hatte und diesbezüglich weiterhin Wiederholungsgefahr anzunehmen ist.

aa) Zunächst bestreitet die Beklagte nicht, dass sie in der Vergangenheit die genannten Vorgaben zur Widerrufsbelehrung nicht erfüllt hat.

bb) Bei der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage entspräche ein zu feingliedriger Streitgegenstandsbegriff, der sich streng an dem vorgetragenen Lebenssachverhalt orientiert und bereits jede Variante – wie beispielsweise jede auch nur geringfügig abweichende, durch ein und dieselbe Werbeaussage bewirkte Fehleinschätzung der Verbraucher – einem neuen Streitgegenstand zuordnet, nicht der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise und würde darüber hinaus zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, kann für die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage an dem feingliedrigen Streitgegenstandsbegriff, den der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit vertreten hatte, nicht mehr festgehalten werden. Daher bietet es sich an, in Fällen, in denen sich die Klage gegen die konkrete Verletzungsform richtet, in dieser Verletzungsform den Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (so BGH GRUR 2013, 401; BGH, GRUR 2012, 184 Rdnr. 15 = NJW 2012, 1449 = WRP 2012, 194 – Branchenbuch Berg; vgl. auch BGH, GRUR 2011, 742 Rdnrn. 17 f. = NJW 2011, 2787 = WRP 2011, 873 – Leistungspakete im Preisvergleich). Das Klagebegehren richtet sich in diesem Fall gegen ein konkret umschriebenes Verhalten, das gerade auch bei einer vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise den Tatsachenkomplex und damit die Beanstandungen umschreibt, zu der die konkrete Verletzungsform Anlass geben kann. Hier hat die Klägerin lediglich begehrt, dass beim Internetauftritt der Beklagten korrekt auf das Widerrufsrecht hingewiesen wird.
cc) Der Klägerin war nicht verwehrt, in der Klagebegründung auf die konkrete Verletzungsform Bezug zu nehmen (…). Die führt jedoch nicht dazu, dass nur die Verletzungshandlung vom 29.09.2017 Streitgegenstand ist, sondern bedingt lediglich dass in diesem Fall das Gericht, die beanstandete Anzeige unter dem geltend gemachten Gesichtspunkte zu prüfen hat. Der 29.09.2017 diente lediglich als ein Beispielstag im Rahmen einer in der Vergangenheit erfolgten Verletzungsform. Dass die Beklagte in der Vergangenheit im Internet ohne die erforderlichen Angaben zur Widerrufsbelehrung ihre Produkte beworben hat, hat sie gerade nicht bestritten.

3. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Tatsache, dass davon auszugehen ist, dass die streitgegenständlichen Werbeaussagen der Beklagten nicht mehr verwendet werden.

Dies steht dies der Haftung der Beklagten als Störer für die streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen nicht entgegen. Zwar ist ein Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet, so dass grundsätzlich Konstellationen denkbar sein mögen, in denen der Wegfall einer maßgeblichen tatsächlichen Prämisse für ein Verbot Auswirkungen auf den Fortbestand des Unterlassungsanspruchs haben kann. Hier indes geht es um Verletzungsfälle, die in der Vergangenheit stattfanden, was eine Wiederholungsgefahr bezogen auf den streitgegenständlichen Titel begründet hat. Diese ist indes nicht dadurch ausgeräumt, dass die Beklagte die streitgegenständliche Werbung mittlerweile abgeändert hat.

Ist es zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, streitet eine tatsächliche Vermutung für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, die sich nicht auf die identische Verletzungsform beschränkt, sondern auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen umfasst (st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 8 UWG Rz. 1.33). Diese Vermutung ist zwar widerleglich, die Widerlegung obliegt aber dem Verletzer (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 8 UWG Rz. 1.34). An den Fortfall der Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 8 UWG Rz. 1.33). Dies gelingt im Allgemeinen nur dadurch, dass der Verletzer eine bedingungslose und unwiderrufliche Unterlassungsverpflichtungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung abgibt (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 8 UWG Rz. 1.34).

Dementsprechend führt die Einstellung einer als wettbewerbswidrig beanstandeten Werbung schon im Allgemeinen nicht dazu, dass die Wiederholungsgefahr entfällt (BGH GRUR 1974, 225, 227 – Lager-Hinweiswerbung; Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 8 UWG Rz. 1.40). Rein tatsächliche Änderungen der Verhältnisse beseitigen die Wiederholungsgefahr nicht, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Wiederaufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist (BGH GRUR 1988, 38, 39 – Leichenaufbewahrung).

II.

Die Beklagte ist der Klägerin zum Kostenersatz nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG hinsichtlich der Kosten für die Abmahnung verpflichtet, da diese berechtigt ist. Eine Abmahnung ist berechtigt, wenn der mit ihr geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht und sie erforderlich ist, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (BGH, GRUR 2010, 354 Tz. 8 – Kräutertee). Dies ist hier der Fall. Die Beklagte ist mit Ablauf der in der Abmahnung und Rechnung gesetzten Frist mit Zahlung der Abmahnkosten in Verzug. Die Verzugszinsen sind über §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 1 BGB ersatzfähig.




B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Unterlassung und der Kostentragung auf § 709 S. 1 ZPO. Hängt – wie hier – die Befugnis des Gläubigers zur vorläufigen Vollstreckung nach § 709 S. 1 ZPO von der vorherigen Erbringung einer Sicherheitsleistung ab, so dient diese Sicherheitsleistung dem Interesse des Schuldners und soll ihm einen Ersatz für diejenigen Nachteile gewähren, die er bei einer etwaigen Zwangsvollstreckung erleidet; er soll davor geschützt werden, dass er zwar die Zwangsvollstreckung dulden muss, aber bei einem objektiv unrechtmäßigen Vollstreckungszugriff eventuelle Ersatzansprüche gegen den vollstreckenden Gläubiger nicht realisieren kann, wozu vor allem ein etwaiger Ersatzanspruch des Vollstreckungsschuldners nach § 717 II ZPO gehört. (OLG Düsseldorf NJOZ 2007, 451). Diesen Betrag hat das Gericht mit 5.000 € angesetzt. Im Übrigen beruht die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gemäß § 51 Abs. 2 GKG ist in Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Im Hinblick auf den geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch ist das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers für die Bemessung des Streitwerts maßgeblich (BGH GRUR 1990, 1052, 1053 – Streitwertbemessung). Der Umfang dieses Interesses hängt insbesondere von der Gefährlichkeit der zu verbietenden Handlung („Angriffsfaktor“) ab, welche anhand des drohenden Schadens (Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) zu bestimmen ist und von den weiteren Umständen abhängt. Vorliegend sind 15.000 € angemessen.

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