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Landgericht Heilbronn Urteil vom 28.09.2017 - 21 O 45/17 KfH - Irreführende Werbung einer Kosmetikerin mit der Bezeichnung "para. med."

LG Heilbronn v- 28.09.2017: Irreführende Werbung einer Kosmetikerin mit der Bezeichnung "para. med."


Das Landgericht Heilbronn (Urteil vom 28.09.2017 - 21 O 45/17 KfH) hat entschieden:

   Die Werbung einer Kosmetikerin, die sich als „para.med. Therapeutin für Hautgesundheit“ und als „para.med. Therapeutin“ bezeichnet, ist irreführend und unlauter i.S. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG, weil sie im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke der Werbung den Eindruck erweckt, als wirke sie im Sinne der Prüfung, Erkennung und Behandlung von Hauterkrankungen, was sie unstreitig weder kann noch darf.




Siehe auch

Kosmetika - Kosmetikartikel - Pflegemittel - Hygieneprodukte

und

Stichwörter zum Thema Onlinehandel mit verschiedenen Produkten


Tenor:


     1.  Die Beklagte wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

        a)  sich als "para. med. Therapeutin für Hautgesundheit" und/oder als "para-med.thera-peutin" zu bezeichnen und/oder

        b)  ihr Kosmetikstudio als "para. med. Kosmetikstudio" zu bezeichnen.


     2.  Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von EUR 267,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.04.2017 zu bezahlen.

     3.  Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

     4.  Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.





Tatbestand:


Der Kläger macht wettbewerbliche Unterlassungsansprüche geltend.

Der Kläger ist gerichtsbekannter Verband zur Förderung gewerblicher Interessen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die Beklagte hat den Beruf einer Kosmetikerin erlernt und betreibt in ... ein Kosmetikstudio, für das sie im Internet unter der Adresse "..." wirbt (Auszug aus der Internetseite Anlagenkonvolut MB 1). Betreffend das Kosmetikstudio liegt eine "Urkunde" (Anlage B 1) vor, wonach dieses als "cosmetologisches Institut nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Hautgesundheit e.V. (DGfH) bewertet" worden sei und es "die Anforderungen der DGfH-​Fachverordnung" erfülle und "offiziell als anerkanntes para. med. Fachinstitut gemäß der Registrierungs-​Urkunde ... vom ... ausgezeichnet" sei.

Der Kläger beanstandet die Werbung der Beklagten auf der Internetseite insofern als wettbewerbswidrig, als darauf folgende Textpassagen zu finden sind:

   "von der Deutschen Gesellschaft für Hautgesundheit zertifiziertes para.med. Kosmetikstudio"

sowie unterhalb der Namensnennung und der Berufsbezeichnung als staatlich geprüfte Kosmetikerin und Visagistin

   "Zertifizierte para.med Therapeutin für Hautgesundheit".



Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 12.12.2016 (Anlage MB 2) unter Fristsetzung zum 22.12.2016 abgemahnt. Mit Schreiben vom 27.12.2016 (Anlage MB 3) hat die Beklagte eine vom Entwurf des Klägers abweichende Unterlassungserklärung mit folgendem Wortlaut abgegeben:

   "Insofern verpflichte ich mich, es ab dem 01.01.2017 zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die isolierte Bezeichnung "para. med® Therapeutin für Hautgesundheit und/oder "paramed.Therapeutin" zu benutzen. Von dieser Unterlassungsverpflichtung sind die Fälle nicht erfasst, in denen die Bezeichnung para. med.® Therapeutin für Hautgesundheit und/oder paramed.Therapeutin mit einem weiteren aufklärenden Hinweis versehen sind, wie z.B. kosmetische para. med. Therapeutin oder kosmetolgische para. med. Therapeutin, etc.

Für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung verpflichte ich mich, eine angemessene Vertragsstrafe an Sie zu zahlen, die von Ihnen nach billigem Ermessen bestimmt und im Streitfall vom zuständigen Gericht überprüft werden kann."

Der Kläger hält die Erklärung nicht für ausreichend und begehrt mit der Klage nach erfolgloser erneuter Mahnung entsprechende Unterlassung sowie Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von EUR 267,50 nebst Zinsen. Wegen der Höhe der Abmahngebühr wird auf den Vortrag in der Klageschrift gemäß Bl. 8 ff. Bezug genommen wird.

Der Kläger trägt vor. die Beklagte verstoße mit der Werbung gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot gem. §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG. Durch die Werbung werde der Eindruck erweckt, dass die Beklagte in ihrem Kosmetikstudio alternative medizinische Heilbehandlungen im Hinblick auf die Hautgesundheit anbiete und fähig sei, abweichend von der Schulmedizin medizinische Heilbehandlungen von Hautkrankheiten vornehmen zu können.

Der Kläger beantragt,

   wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, mit der durch sie abgegebenen Unterlassungserklärung jedenfalls sei das Rechtschutzbedürfnis für eine Klage entfallen. Spätestens hierdurch sei sie so weit von einem medizinischen Bezug entfernt, dass eine Irreführung nicht erfolgen könne.

Der Begriff "Therapeut" habe keinen ausschließlichen Bezug zur Gesundheit sondern finde universale Anwendung. Er werde auch auf Personen angewandt, die nicht heilbezogene Verfahren anwendeten. Insofern benennt die Beklagte Beispiele, auf die Bezug genommen wird (Bl. 21 f.d.A.).

Die Buchstabenfolge "med" sei nicht mit einer Heilbehandlung zu identifizieren, da sie im Bereich der Kosmetik vielfach verwandt werde. Namentlich sei sie Bestandteil von 518 eingetragenen Marken. Wegen deren Auflistung wird auf die Darstellung im Schriftsatz vom 04.09.2017, Seite 5 ff. (Bl. 44 ff.d.A.), und den Inhalt der Anlage B 7 verwiesen.




Die Buchstabenfolge "para" bedeute ebenfalls keine Bezugnahme auf den medizinischen Bereich, vielmehr einen wissenschaftlich fundierten Ansatz für die Kosmetik gegenüber einer schieren Wellnessbehandlung. Jene beinhalte auch eine ganzheitliche Betrachtung und Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse, wie sie auch große Firmen unter dem Sammelbegriff "medical Kosmetik" betrieben.

Wegen des weitergehenden Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Erklärungen im Termin sowie im Übrigen auf die vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:


I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht auch für das Unterlassungsbegehren das notwendige Rechtschutzinteresse, indem die durch die Beklagte abgegebene Unterlassungserklärung den Unterlassungsanspruch des Klägers nicht hinreichend erfüllt. Hierzu wird auf die nachfolgenden Ausführungen Bezug genommen.

II.

Die Klage ist begründet.




1. Der Kläger ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt, was von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird.

2. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 8 Abs. 1 UWG Unterlassung im geltend gemachten Umfang verlangen. Die Werbung der Beklagten ist irreführend und unlauter i.S. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG. Indem die Beklagte sich als "para.med. Therapeutin für Hautgesundheit" und als "para.med. Therapeutin" bezeichnet, erweckt sie im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke der Werbung den Eindruck, als wirke sie im Sinne der Prüfung, Erkennung und Behandlung von Hauterkrankungen, was sie unstreitig weder kann noch darf.

a. Der Vorsitzende kann die Frage der Täuschung und Irreführung selbst beurteilen, weil er Angehöriger derjenigen Verkehrskreise ist, an die sich die Werbung wendet, nämlich den Letztverbraucher. Die Werbung im Internet richtet sich ersichtlich an jede beliebige Person; potentiell kann sich jeder Mensch einer kosmetischen Behandlung durch die Beklagte angedeihen lassen und stellt damit Zielgruppe für die Werbung dar.

b. Entgegen der Auffassung der Beklagten bewirkt die Umschreibung ihres Kompetenzbereichs in der Werbung eine Identifikation mit medizinischer Tätigkeit im genannten Sinn.

aa. Die Gesamtwürdigung ergibt, dass die Werbung gerade auf ein solches Verständnis abzielt, indem die Assoziation der Buchstabenfolge "med." mit "medizinisch" beabsichtigt ist und durch die angesprochenen Verbraucher auch entsprechend verstanden wird. Die Buchstabenfolge ist die allgemein verwendete Abkürzung für das Wort "medizinisch" oder dem Wortstamm zugehörige Begriffe, wie bspw. in Dr. med. für "doctor medicinae". Für den vorliegenden Fall ergibt sich nichts anderes. Die Beklagte hat auf die im Termin gestellte Frage, für welches Wort die Abkürzung steht, auf die "Urkunde" gemäß Anlage B 1 verwiesen. Gerade unter Würdigung des Textes dieses Schriftstücks aber wird deutlich, dass es darum geht, die Buchstabenfolge als zentrale Botschaft die Auszeichnung mit dem "med." zu kommunizieren, wobei wiederum nicht ersichtlich ist, welches Wort denn "medizinisch" gemeint sein solle.

bb. Entsprechend verhält es sich mit der Buchstabenfolge "para.". Auch insofern ist kein Ansatzpunkt für eine abweichende Interpretation als in dem Sinne ersichtlich, dass es sich um eine alternative medizinische Methode im oben dargelegten Sinne handele.

(1) Die Silbenfolge "para." ist in ihrer Herkunft aus dem griechischen und der Wortbedeutung im Sinne der Abgrenzung von etwas (neben/bei) nicht jedermann bekannt. Zudem wird die Buchstabenfolge nicht allgemein als Abkürzung für ein bestimmtes Wort gebraucht; vielmehr ist die Buchstabenfolge "para" meist als Vorsilbe in ein Wort integriert.

(2) Dahingestellt kann bleiben, ob ein Teil der angesprochenen Konsumenten die Buchstabenfolge "para." überhaupt zu verstehen und ihre Bedeutung zu interpretieren vermag, denn hierauf kommt es nicht an. Für diese Verkehrskreise entfiele die mit der Buchstabenfolge vor dem "med" offenbar intendierte Abschwächung der Konnotation zu Medizin und allein das "med" für "medizinisch" bliebe in der Wahrnehmung bzw. im Verständnis des Inhalts der Werbung bestehen.

(3) Der Konsument hingegen, welchem das Wort "para" in seiner Bedeutung bekannt ist, versteht den Buchstabenzusatz als Hinweis auf die Anwendung alternativer Medizin mit ihren vielen Ausprägungen, in deren Bereich die Beklagte sich mit der entsprechenden Selbstbezeichnung unzulässiger Weise begibt. Es ist nicht ersichtlich, dass vorliegend etwas anderes intendiert sein sollte als beim Konsumenten eine entsprechende Assoziation hervorzurufen. Auch auf die Frage nach der Bedeutung dieser Buchstabenfolge wusste die Beklagte keine andere Antwort als den Verweis auf die Urkunde gemäß Anlage B 1. Mit dem Zusatz ist nach der Überzeugung des Gerichts beabsichtigt, mit der Voranstellung die oben dargestellte Identifikation von "med." mit "medizinisch" in ihrer Konsequenz abzuschwächen, um so die Einordnung in den offenkundig rechtswidrigen Bereich möglichst argumentativ angehen zu können, was im Ergebnis aber nicht gelingt.

(4) Der Verweis auf die "Urkunde" gem. Anlage B1 als solcher ändert hieran bereits deswegen nichts, weil die ihm eigene wissenschaftliche Attitüde in der Sache nicht nachvollzogen werden kann. Zudem wird die Buchstabenkombination durch die die Hinzufügung eines "Punktes", der gemeinhin zur Kennzeichnung einer Wortabkürzung gebraucht wird, noch nebulöser.

cc. Verstärkt wird der Bezug zum medizinischen Bereich durch die Bezeichnung "Therapeutin", der zwar verbreitet auch im außermedizinischen Bereich verwandt wird, dann aber in Abgrenzung zum medizinischen Bereich durch einen erklärenden oder klarstellenden Wortbestandteil, was sich in den von der Beklagten angeführten Beispielen deutlich erkennen lässt. Da der Schwerpunkt der Werbeaussage mit der Buchstabenfolge "med." für "medizinisch" liegt, bedeutet der besagte Zusatz "Therapeutin" mit Bezug auf den damit betroffenen Bereich keine Abschwächung sondern eine Verstärkung der Irreführung.

dd. Nichts anderes ergibt sich ferner daraus, dass die Buchstabenfolge "med." in der Tat von zahlreichen Kosmetikunternehmen als Bestandteil einer Marke Gebrauch findet. Zwar mag es sein, dass die Kosmetikbranche mit Blick auf die Werbewirksamkeit des Gesundheitsbezugs dazu tendiert, die Grenzen zum medizinischen Bereich auszuloten. Das kann dahinstehen, zumal jedenfalls die Beklagte die Grenze deutlich überschreitet. Ferner vermag die Beklagte aus den fraglichen Gegebenheiten bereits deswegen nichts für sie Günstiges herzuleiten, weil der jeweilige Sachverhalt, der vom Gebrauch der Marke betroffen ist, hier nicht zur Beurteilung steht und folglich auch nicht beurteilt werden kann.

3. Der Kläger kann von der Beklagten Unterlassung auch bezüglich der Bezeichnung des Kosmetikstudios als "para.med. Kosmetikstudio" verlangen. Wegen der Würdigung des Begriffs "para.med." wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Der Zusatz "Kosmetikstudio" beseitigt die irreführende Wirkung nicht, da die Begrifflichkeiten miteinander verbunden werden und folglich für den potentiellen Kunden lediglich eine größere Bandbreite an scheinbar angebotenen Leistungen sichtbar wird. Es wird nach der Würdigung der Wortfolge in ihrer Gesamtheit der Eindruck erweckt, als träten im Etablissement kosmetische neben Heilbehandlungen.



4. Die Wiederholungsgefahr entfällt nicht infolge der durch die Beklagte mit Schreiben vom 27.12.2016 (Anlage MB3) abgegebenen Unterlassungserklärung. Die oben dargelegte Irreführung entfällt durch die vorangestellten Begriffe "kosmetische" bzw. "kosmetologische" nicht. Sie bedeutet zwar eine Abschwächung der die Irreführung bewirkenden Gegebenheiten, indem die Buchstabenfolgen "med" zwar gewissermaßen eingerahmt wird, indes nicht in einem Maß, das nötig wäre, um die Irreführung grundsätzlich aufzuheben.

5. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 DWG. Die Beklagte hat die durch den Kläger hierzu behaupteten Tatsachen nicht bestritten. Das Gericht schätzt unter Anwendung des § 287 ZPO die zu ersetzenden Kosten in der geltend gemachten Höhe. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 ZPO.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

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