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Landgericht Hamburg Urteil vom 15.10.2015 - 327 O 22/15 - Persönliche Haftung des Geschäftsführers

LG Hamburg v. 15.10.2015: Persönliche Haftung des Geschäftsführers für Markenrechtsverstöße der GmbH


Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 15.10.2015 - 327 O 22/15) hat entschieden:

  1.  Auch Einzelbuchstaben sind von Haus aus normal kennzeichnungskräftig, wenn sie - wie die Klagemarke - über nicht zu vernachlässigende grafische Gestaltungen verfügen und keine Anhaltspunkte für eine vom Durchschnitt abweichende Kennzeichnungskraft vorliegen (BGH GRUR 2012, 930 f.). Auf eine Stärkung der Kennzeichnungskraft infolge intensiver Benutzung und Bewerbung kommt es nicht an.

  2.  Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für deliktische Handlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft besteht, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er sie aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen (BGHZ 201, 344 ff., Rn. 17 - Geschäftsführerhaftung). Bei der rechtsverletzenden Benutzung einer bestimmten Firmierung und dem allgemeinen Werbeauftritt eines Unternehmens, einschließlich des allgemeinen Internetauftritts, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird, ist davon auszugehen, dass die Zeichenverletzung auf einem Verhalten beruht, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer anzulasten ist (BGH a. a. O.)




Siehe auch
Störerhaftung des Geschäftsführers
und
Markenrecht für Onlinehändler


Tatbestand:


Die Klägerin macht gegen die Beklagten zeichenrechtliche Unterlassungs- und Annexansprüche geltend.

Die Klägerin ist eine bekannte deutsche Automobilherstellerin und stellt her und vertreibt u. a. die zu ihrer Sportwagenserie gehörenden straßenzugelassenen Automobile unter den Bezeichnungen „B.. M 3 Limousine“ u. Ä., mithin unter Verwendung des Buchstabens „M“.

Zur Bewerbung und Bezeichnung von Automobilen dieser Sportwagenserie verwendet die Klägerin ferner ein aus einem stilisierten Buchstaben „M“ und drei an dessen schräg nach links ausgestelltem linken Schenkel befindlichen, eine Raute bildenden Balken in den Farben Rot, Violett und Blau bestehendes Zeichen (Anlagen K 1 bis K 14). In den Anlagen K 3 und K 5 liegen Hochglanzprospekte der Klägerin vor, die in ihrem jeweiligen ©-Vermerk sämtlich und ausschließlich die Klägerin aufweisen und wegen derer Inhalte im Einzelnen auf die bezeichneten Anlagen verwiesen wird.

Ausweislich der Anlagen K 15 bis K 18 wird in Internet-Blogs sowie in der Presse und auch in der eigenen Werbung der Klägerin, wie aus den bezeichneten Anlagen ersichtlich, zur Bezeichnung der B.. M GmbH Gesellschaft für individuelle Automobile, die seit dem 15.03.1994 so firmiert und im Jahr 1972 als B.. M GmbH gegründet worden war, eines Tochterunternehmens der Klägerin, das mit der Entwicklung der Automobile und Ausstattungen der mit dem Buchstaben „M“ bezeichneten Sportwagenserie der Klägerin befasst ist, auch die Bezeichnung „M-GmbH“ bzw. „M GmbH“ verwendet.

Bei Eingabe des Suchbegriffs „m..“ in die Suchmaske der Internetsuchmaschine „G..“ am 15.12.2014 betrafen die ersten angegebenen Suchergebnisse die B.. M GmbH Gesellschaft für individuelle Automobile bzw. Automobile jener Sportwagenserie der Klägerin (Anlage K 19).

In den Anlagen K 20 und K 21 legt die Klägerin einen Artikel aus der „F.. A.. Zeitung“ vom 28.02.2012 mit der Überschrift „Zwischen B.. und M passt noch M Performance“ sowie ein Umfragegutachten zur Verkehrsgeltung bzw. Verkehrsdurchsetzung des Großbuchstabens „M“ im Zusammenhang mit Sportwagen des Instituts für Demoskopie A.. vom 11.06.2010 vor, wegen derer Inhalte im Einzelnen auf die bezeichneten Anlagen verwiesen wird.

In den Anlagen K 22 und K 46 liegen Unterlassungsverpflichtungserklärungen vor, die Dritte gegenüber der Klägerin abgaben.




Die Klägerin ist Inhaberin der aus den Anlagen K 24 bis K 28 ersichtlichen deutschen Marken und Gemeinschaftsmarken, darunter der erstrangig geltend gemachten Klagemarke (Anlage K 24), einer deutschen Bildmarke, die u. a. für die Waren „Motoren, einschließlich solcher für Landfahrzeuge; Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser, sowie Teile aller vorgenannten Waren“ und die Dienstleistung des „Tuning von Motoren und Kraftfahrzeugen“ geschützt ist und eine Priorität vom 01.08.1992 hat; sie ist wie folgt gestaltet:

   [folgt eine Abbildung]

Ein gegen die Gemeinschaftswortmarke „M“ der Klägerin mit einer Priorität vom 05.08.2008 bei dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) anhängig gemachtes Nichtigkeitsverfahren erledigte sich durch die Rücknahme des Nichtigkeitsantrages sowie die darauffolgende Einstellung des Nichtigkeitsverfahrens (Anlagen K 26 (erstes Blatt) und K 45).

Die Beklagte zu 1 wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 23.06.2005 mit der aus dem Passivrubrum ersichtlichen Firma gegründet und hat seit dem 10.02.2006

die Entwicklung von Chiptuning und Kommunikationsplattformen


de[n] Abschluss von Leasing-Geschäften,

de[n] Handel mit Waren aller Art, soweit eine besondere Genehmigung hierzu nicht erforderlich ist

zum Unternehmensgegenstand (Anlage K 29).

Der Beklagte zu 2 ist der alleinige Geschäftsführer der Beklagten zu 1.

Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin der deutschen Wortmarke „M..“ mit einer Priorität vom 01.07.2005, die für die Ware „Programmiergerät (Schwachstromtechnik) für Datenverarbeitung im Bereich der Kraftfahrzeugtechnik“ in Klasse 9 Schutz genießt (Anlage K 32). Ihre Internetpräsenz betreibt die Beklagte zu 1 unter „www.m...de“ (Anlagen K 31 (Denic-Auskunft) und K 33). Die Beklagte zu 1 verwendet ferner die Bezeichnungen „M..“, „M.. GmbH“ und „M.. GmbH R.“ wie aus den Anlagen K 30 und K 34 bis K 39 ersichtlich.

Danach ist die Beklagte zu 1 neben ihrem aus Anlage K 29 ersichtlichen Unternehmensgegenstand wie aus den bezeichneten Anlagen ersichtlich auch im Tourenrennsport tätig.

Wegen der Verwendung der Bezeichnung „M..“ bzw. „m...de“, ersterer insbesondere auch in deren farblich gestalteter, stilisierter Fassung mit einem nach schräg rechts geneigten Großbuchstaben „M“, dessen linker Schenkel eine aus einem roten und einem blauen Dreieck bestehende Raute bildet und der im Übrigen eine dunkelblau-violette Farbe aufweist,

   [folgt eine Abbildung]

ließ die Klägerin die Beklagte zu 1, vertreten durch den Beklagten zu 2, mit Anwaltsschreiben vom 25.09.2014 abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie dem Ersatz der der Klägerin für die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten in Höhe einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale nach einem Gegenstandswert in Höhe von 500.000,00 € auffordern (Anlage K 40). Dies ließen die Beklagten in der Folgezeit ablehnen (Anlagen K 30 und K 41).

Die Klägerin ist der Auffassung, die streitgegenständlichen, von der Beklagten zu 1 verwendeten Bezeichnungen mit dem Bestandteil „M“ verletzten die Klagemarke, woraus die von ihr, der Klägerin, geltend gemachten Unterlassungs- und Annexansprüche folgten. Hierfür hafte ihr, der Klägerin, auch der Beklagte zu 2 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1, da hier die Verletzung eines absoluten Rechts in Rede stehe, mit Ausnahme des nur gegen die Beklagte zu 1 geltend gemachten Löschungsantrages betreffend die deutsche Marke „M..“ der Beklagten zu 1. Es bestehe Verwechslungsgefahr. Im Hinblick auf die von der Beklagten zu 1 verwendeten und streitgegenständlichen farblichen Kennzeichnungen mit dem Buchstaben „M“ folge dies insbesondere auch daraus, dass sich selbst die farbliche Gestaltung der Beklagten zu 1 nach Art und Stellung an die von ihr, der Klägerin, sog. „M“-Raute in den Farben Rot, Blau und Violett anlehne. Im Hinblick auf den streitgegenständlichen Dienstleistungsbereich des Kfz-Tuning bestehe Dienstleistungsidentität. Zudem bestehe eine hochgradige Ähnlichkeit zwischen den von der Klagemarke geschützten Fahrzeugen und der Dienstleistung des Kfz-Tunings. Zu berücksichtigen sei insoweit auch die hochgradige Bekanntheit der Klagemarke, die im Übrigen auch einen Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG unter den Gesichtspunkten der Rufausbeutung und Verwässerung begründe. Hilfsweise folgten die von ihr, der Klägerin, geltend gemachten Ansprüche zudem aus einer Verletzung des Firmenschlagwortes „M GmbH“ der Sportwagensparte der Klägerin, die in der B. M GmbH konzentriert sei, sowie, weiter hilfsweise, aufgrund einer Irreführung aus § 5 Abs. 2 UWG. Maßgebliche Personen aus ihrer, der Klägerin, Markenrechtsabteilung „AJ-55“ hätten vor dem 25.09.2014 keine Kenntnis von der Benutzung der Bezeichnung „M S.“ durch die Beklagte zu 1 gehabt. Etwaige Kenntnisse einer solchen Benutzung durch die Beklagte zu 1 durch nach- oder nebengeordnete Mitarbeiter aus ihrem Hause seien ihr, der Klägerin, nicht zuzurechnen. Aufgrund der Intensität der Anlehnung, insbesondere der farblichen Variante des von der Beklagten zu 1 verwendeten Zeichens „M“, an die Klagemarke sei im Übrigen davon auszugehen, dass nicht mit der Verfolgung von Markenrechtsverletzungen betraute Mitarbeiter ihres Unternehmens ohne Weiteres bei Anblick der von der Beklagten zu 1 verwendeten Bezeichnung eine lizenzvertragliche Gestattung dieser Verwendung durch die Klägerin selbst angenommen hätten. Auch im Übrigen fehle es aber an den tatsächlichen Voraussetzungen einer Verwirkung der von ihr, der Klägerin, gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche gemäß § 21 Abs. 1 MarkenG oder § 21 Abs. 4 MarkenG i. V. m. § 242 BGB. Aufgrund der Bekanntheit der Klagemarke und der Intensität der Verletzungshandlungen der Beklagten zu 1 sei die Annahme eines Streitwertes - bzw. Gegenstandswertes für die vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten durch die Klägerin - in Höhe von 500.000,00 € nicht übersetzt.




Die Klägerin beantragt:

  I.  Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Kfz-Tuning bzw. im Zusammenhang mit Kfz-Tuning

  a.  die Bezeichnungen „M.. GmbH“ und/oder „M..“ und/oder „M..C.RS“

und/oder

   [folgt eine Abbildung]

und/oder

   [folgt eine Abbildung]

und/oder

   [folgt eine Abbildung]


  b.  das nachstehend wiedergegebene Website-Icon

   [folgt eine Abbildung]

und/oder

  c.  die Domain „m...de“

zu benutzen.

  II.  Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gemäß Ziff. I. entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

  III.  Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang der Handlungen zu Ziff. I.

  IV.  Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner einen Betrag in Höhe von € 4.196,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

   V.  Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, in die Löschung der deutschen Marke 3...4 „M..“ gegenüber dem D.. einzuwilligen.

Die Beklagten beantragen,

   die Klage abzuweisen.

Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien verwirkt. Dies folge aus der seit über 20 Jahren andauernden Tätigkeit der Beklagten zu 1 in der Entwicklung von Hard- und Software im Bereich der Kfz-Elektronik (Tuning), der seit spätestens 2005 bestehenden Firma der Beklagten zu 1 und der von 2003 bis 2010 erfolgten Teilnahme eines Rennteams der Beklagten zu 1 unter der Bezeichnung „M..“ an professionellen Autorennen als effektiver Werbemaßnahme, die wie aus den Anlagen B 3 bis B 20 ersichtlich Mitarbeitern, Fahrern und auch Vorstandsmitgliedern der Klägerin bekannt geworden sei, wobei im Falle einer Nichtkenntnis insoweit jedenfalls eine grobe fahrlässige Unkenntnis auf Seiten der Klägerin vorliege. Die Klagemarke sei von der Klägerin auch nicht, insbesondere nicht für den Bereich des Tunings von Motoren und Kraftfahrzeugen, rechtserhaltend benutzt worden, dies bereits deshalb, weil die B.. M GmbH in diesem Bereich nicht tätig sei. Alle Ansprüche aus Verletzungshandlungen, die mehr als drei Jahre zurücklägen, seien zudem verjährt. Auch bestünden keine Ansprüche aus einem Firmenschlagwort „M“ der Klägerin oder § 5 Abs. 2 UWG. Im Übrigen bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2015 verwiesen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).


Entscheidungsgründe:


Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 folgt aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG.

1. Die Klagemarke verfügt über einen Zeitrang vom 01.08.1992 und ist damit prioritätsälter als eigene Kennzeichenrechte der Beklagten an Zeichen mit dem Bestandteil „M“, und zwar unabhängig davon, ob letztere diese bereits 2005 oder erst später erworben hat.

2. Die Klägerin hat auf Einrede der Beklagten durch Vorlage zahlreicher Prospekte belegt, dass sie die Klagemarke in den letzten fünf Jahren vor Schluss der mündlichen Verhandlung für Fahrzeuge rechtserhaltend benutzt hat, § 25 Abs. 2 MarkenG. In sämtlichen Prospekten sind Fahrzeuge abgebildet, die das Zeichen tragen. Herausgeberin dieser Prospekte ist die Klägerin. Dem sind die Beklagten nicht mit Substanz entgegengetreten.

Soweit die Beklagten behaupten, eine hinreichende rechtserhaltende Benutzung des Zeichens durch oder für die Klägerin im Bereich der Tuningdienstleistungen in Bezug auf Kraftfahrzeuge sei nicht erfolgt, kann dies zwar im Ergebnis dahinstehen (s. u. I 3 b), lässt sich den von der Klägerin vorgelegten, sich auf Kraftfahrzeuge beziehenden Unterlagen aber ferner entnehmen, dass es sich bei diesen um getunte, d. h. in Bezug auf die aus dem Hause der Klägerin stammenden Grundmodelle zu dem Zweck, die Leistung, die Fahreigenschaften oder die Optik dieser Grundmodelle zu verbessern oder zu verändern, modifizierte Kraftfahrzeuge handelt, mithin die Sportwagenserie der Klägerin. Aus dem Anlagenkonvolut K 63 ergibt sich ferner auch für den hier maßgeblichen Benutzungszeitraum, dass das Zeichen für die Klägerin zudem zum Angebot von Nachrüstungen, d. h. eines nachträglichen individuellen Kraftfahrzeugtunings, verwendet worden ist. Auch diesem substantiierten Vortrag der Klägerin sind die Beklagten nicht i.S. v. § 138 Abs. 2 ZPO entgegengetreten.

Die von der Klägerin vorgelegten Benutzungsformen bewegen sich in dem Rahmen des § 26 Abs. 3 MarkenG. Dies ergibt ohne Weiteres eine Gegenüberstellung der Klagemarke mit der von der Klägerin im Wesentlichen verwendeten Zeichengestaltung:

   [folgt eine Abbildung]

Soweit sich damit aus den von der Klägerin vorgelegten Benutzungsbeispielen leichte farbliche Abweichungen der konkreten Benutzungsformen von der Klagemarke ergeben, verändern diese nicht den kennzeichnenden Charakter der Klagemarke.

3. Die Beklagte zu 1 hat mit den angegriffenen Gestaltungen das Bildzeichen „M“ und die Bezeichnung „M..“ im Bereich des Kfz-Tunings rechtsverletzend benutzt. Diese greifen in den Schutzbereich der Klagemarke ein.

a. Unstreitig ist die Beklagte zu 1 unter der Bezeichnung „M..“ und dem Bildzeichen „M“ in den streitgegenständlichen Gestaltungen im Tourenrennsport und damit auch im Bereich des Kfz-Tunings werbend, und damit im geschäftlichen Verkehr handelnd, tätig geworden.

Soweit es sich bei „M..“ auch um die Firmenbezeichnung der Beklagten zu 1 handelt, genügt für einen markenmäßigen Gebrauch, dass - wie hier - im Rahmen eines Internetauftritts die gedankliche Verbindung zwischen dem Unternehmenskennzeichen und den angebotenen Dienstleistungen hergestellt wird.

b. Zwischen der Klagemarke und den von der Beklagten zu 1 verwendeten „M“- und „M..“-Zeichen besteht bei einer jedenfalls vorliegenden durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Klagemarke, einer mehr als durchschnittlichen Ähnlichkeit zwischen den von der Klagemarke u. a. in Klasse 12 geschützten „Fahrzeuge[n]“ und den angegriffenen Dienstleistungen des Kfz-Tunings sowie aufgrund der bildlichen und klanglichen Übereinstimmung zwischen den Kollisionszeichen Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

aa. Die Klagemarke verfügt über eine zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

Auch Einzelbuchstaben sind von Haus aus normal kennzeichnungskräftig, wenn sie - wie die Klagemarke - über nicht zu vernachlässigende grafische Gestaltungen verfügen und keine Anhaltspunkte für eine vom Durchschnitt abweichende Kennzeichnungskraft vorliegen (BGH GRUR 2012, 930 f. (Bogner B /Barbie B)). Auf eine Stärkung der Kennzeichnungskraft infolge intensiver Benutzung und Bewerbung kommt es nicht an.

Die Klägerin hat aber durch die Vorlage u. a. von Zeitungsberichten sowie eines Umfragegutachten zur Verkehrsgeltung bzw. Verkehrsdurchsetzung des Großbuchstabens „M“ im Zusammenhang mit Sportwagen des Instituts für Demoskopie A.. vom 11.06.2010 zudem hinreichende tatsächliche Umstände für eine Bekanntheit der Klagemarke für Fahrzeuge dargelegt, denen die Beklagten nicht mit Substanz entgegengetreten sind. Darüber hinaus ist es auch eine bei dem Gericht offenkundige Tatsache i. S. v. § 291 ZPO, dass die Klagemarke für Fahrzeuge in Klasse 12 während eines längeren Zeitraums in weitem Umfang auf dem Markt erscheint und jedermann gegenübertritt (vgl. BGH GRUR 2011, 1043 ff. (1046) - TÜV II - m. w. N.).

bb. Im Hinblick auf die Prägung beider Zeichen durch den Buchstaben „M“ ist ferner von hoher klanglicher Zeichenähnlichkeit sowie in Bezug auf die angegriffenen grafischen Gestaltungen gemäß dem Klageantrag zu Ziff. I lit. a) und b) auch einer hohen bildlichen Zeichenähnlichkeit auszugehen.

Einander gegenüberzustellen sind die Klagemarke in der eingetragenen Form und die Zeichen „M..“ und „M“ in den angegriffenen Gestaltungen.



Die Klagemarke ist wesentlich durch den Buchstaben „M“ geprägt. Sie besteht aus dem Großbuchstaben „M“ in grafischer Ausgestaltung mit einem vorangestellten, ungefähr gleich großen, farbig gestalteten Bildelement, welches die Schräge des Aufstrichs zum Großbuchstaben „M“ aufnimmt.

Grundsätzlich gilt bei grafisch ausgestalteten Einzelbuchstaben die Regel, dass bei einer Wort-Bildmarke der Verkehr dem Wort die prägende Bedeutung beimisst, nicht, denn diese Marken werden meist nicht mit diesem Einzellautwert (hier: „em“) wiedergegeben, sondern irgendwie näher spezifiziert, da bei aus einem einzelnen Buchstaben bestehenden Zeichen im Hinblick auf deren Kürze bildliche Unterschiede ein wesentlich größeres Gewicht haben als bei normalen Wortzeichen (BGH a. a. O., Rn. 51).

Vorliegend hat es die Beklagte zu 1 aber nicht dabei belassen, den Buchstaben „M“ zur Bewerbung und zum Angebot ihrer Dienstleistungen zu verwenden. Sie hat sich auch farblich unter Übernahme nahezu derselben Farben, wie sie die Klagemarke aufweist, die ebenfalls linksseitig der grafisch gestalteten „M“-Darstellung angeordnet sind, erheblich der Klagemarke angenähert. Ebenfalls im hochgradigen Ähnlichkeitsbereich übernommen hat die Beklagte zu 1 die schräg nach rechts geneigte Darstellung sowohl des Aufstrichs als auch der mittleren Schenkel des Buchstabens „M“, wie sie sich aus der Klagemarke ergibt. Das illustriert eine Gegenüberstellung der Klagemarke, der von der Klägerin vorwiegend verwendeten Zeichengestaltung und der von der Beklagten zu 1 verwendeten „M“-Gestaltung:

   [folgt eine Abbildung]

Der Bestandteil „S.“ im Zeichen der Beklagten zu 1 ist als glatt beschreibend zu vernachlässigen. Er bestimmt den Gesamteindruck des Zeichens nicht wesentlich mit, da er lediglich ein Hauptziel des Kraftfahrzeugtunings, nämlich die Leistung der getunten Kfz zu verbessern, beschreibt. Das englischsprachige Wort „S.“ gehört dabei zu dem auch den angesprochenen Verkehrskreisen in Deutschland bekannten Grundwortschatz der englischen Sprache.

cc. Es besteht eine mehr als durchschnittliche Ähnlichkeit zwischen den von der Klagemarke u. a. in Klasse 12 geschützten „Fahrzeuge[n]“ und den angegriffenen Dienstleistungen des Kfz-Tunings.

Dahinstehen kann daher im Ergebnis, inwieweit die Klagemarke von oder für die Klägerin im Dienstleistungsbereich des Kfz-Tunings verwendet worden ist.

Jedenfalls ist die Klagemarke für das Angebot und die Bewerbung der Fahrzeuge, die in den von der Klägerin vorgelegten Prospekten und Broschüren abgebildet und beschrieben sind, benutzt worden, mithin also insbesondere auch für Sportwagen, die unter den Oberbegriff der von der Klagemarke geschützten „Fahrzeuge“ fallen.

Zwischen Fahrzeugen, die auch Sportwagen umfassen, für die die Klagemarke jedenfalls rechtserhaltend benutzt worden ist, und der Dienstleistung des Kfz-Tunings besteht eine mehr als durchschnittliche Ähnlichkeit. Für den Ähnlichkeitsvergleich zwischen Waren und auf diese Waren bezogenen Reparaturdienstleistungen ist auf die Verkehrsanschauung abzustellen. Die Dienstleistung des Kfz-Tunings fällt unter den Oberbegriff des Reparaturwesens in Klasse 37. Werden nach den Erfahrungen der angesprochenen Verkehrskreise die Waren und die Reparatur der Waren von denselben Unternehmen angeboten, so sind beide einander ähnlich (BPatG, Beschluss vom 05.02.2013 - 33 W (pat) 75/10 -, zitiert nach juris, Rn. 30, m. w. N.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob insofern eine allgemeine Branchenübung besteht. Kennt das Publikum die Möglichkeit, dass Kfz-Hersteller auf Kfz bezogene, über die bloße Gewährleistung hinausgehende Reparaturdienstleistungen anbieten, dann wird es annehmen, dass die Waren und die zugehörigen Reparaturdienstleistungen, die mit derselben Marke gekennzeichnet sind, von demselben Anbieter oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. dazu BPatG a. a. O. in Bezug auf Sanitärwaren- und reparaturdienstleistungen).

Die hiesigen Kollisionswaren und -dienstleistungen stehen notwendig in einem Komplementaritätsverhältnis zueinander. Zudem decken sich die Abnehmerkreise insbesondere von Sportfahrzeugen einerseits und von Dienstleistungen des Kfz-Tunings andererseits zu einem erheblichen Teil und ist den angesprochenen Verkehrskreisen aus dem Markt bekannt, dass Tuningunternehmen, die die Dienstleistung des individuellen Tunings von Fahrzeugen anbieten, auch als Tuninghersteller getunte Fahrzeuge im Angebot haben.

II.

Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1 ist aus § 14 Abs. 6 MarkenG begründet.

Die Klägerin hat dargelegt, bereits im Zeitpunkt der Gründung der Beklagten zu 1 unter deren aus dem Passivrubrum ersichtlichen Firma umfangreich und auch unter der Klagemarke im Bereich von Sportfahrzeugen auf dem Markt tätig gewesen zu sein. Die Beklagte zu 1 hat daher jedenfalls fahrlässig gehandelt.

III.

Der von der Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch folgt zur Vorbereitung eines etwaig folgenden, bezifferten Schadensersatzanspruches aus § 14 Abs. 6 MarkenG i. V. m. § 242 BGB.

IV.

Aufgrund der auch insoweit bestehenden Verwechslungsgefahr mit der Klagemarke folgt der von der Klägerin geltend gemachte Löschungsanspruch betreffend die deutsche Marke „M..“ der Beklagten zu 1 aus den §§ 55, 51 MarkenG.

Auch insoweit besteht in der Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung insbesondere der Bekanntheit der Klagemarke und der insoweit jedenfalls durchschnittlichen Zeichen- und Warenähnlichkeit Verwechselungsgefahr.




Im Zeichenvergleich ist auch hier der Bestandteil „S.“ der angegriffenen Marke der Beklagten zu 1 zu vernachlässigen. Im Warenvergleich folgt aus dem notwendigen Komplementaritätsverhältnis zwischen der von der angegriffenen Marke in Klasse 9 geschützten Ware „Programmiergerät (Schwachstromtechnik) für Datenverarbeitung im Bereich der Kraftfahrzeugtechnik“ und den von der Klagemarke geschützten „Fahrzeugen“ jedenfalls ein gewisser Grad an Warenähnlichkeit.

V.

Der von der Klägerin ferner geltend gemachte Abmahnkostenersatzanspruch folgt bereits verschuldensunabhängig aus den §§ 670, 677, 683 BGB.

Insoweit kann die Klägerin von der Beklagten zu 1 den Ersatz einer - mit der Klage nur geltend gemachten - 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert in Höhe von 500.000,00 € nebst Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG verlangen. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin detailliert dargelegten Bekanntheit der Klagemarke sowie des Umfanges der Verletzungshandlungen der Beklagten zu 1 ist der von der Klägerin insoweit angenommene Gegenstandswert in Höhe von 500.000,00 € nicht übersetzt. Er entspricht dem Angriffsfaktor.

VI.

Als - einziges - Organ der Beklagten zu 1 haftet der Klägerin auch der Beklagte zu 2 auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunftserteilung und Aufwendungsersatz.

Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für deliktische Handlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft besteht, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er sie aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen (BGHZ 201, 344 ff., Rn. 17 - Geschäftsführerhaftung).

Bei der rechtsverletzenden Benutzung einer bestimmten Firmierung und dem allgemeinen Werbeauftritt eines Unternehmens, einschließlich des allgemeinen Internetauftritts, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird, ist davon auszugehen, dass die Zeichenverletzung auf einem Verhalten beruht, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer anzulasten ist (BGH a. a. O., Rn. 19).

Der Beklagte zu 2 ist der Alleingeschäftsführer der Beklagten zu 1 und haftet danach ohne Weiteres für die hier in Rede stehenden Zeichenverletzungen. Die Beklagten haben auch keine tatsächlichen Umstände vorgetragen, die eine andere rechtliche Beurteilung zuließen.

VII.

Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind nicht gemäß § 20 MarkenG verjährt.

Im Hinblick auf die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche behaupten die Beklagten ins Blaue hinein, dass für die Verfolgung von Markenrechtsverletzungen zuständige Mitarbeiter der Klägerin bereits vor dem 25.09.2014 Kenntnis von den hier streitgegenständlichen Markenrechtsverletzungen durch die Beklagte zu 1 erlangt hätten. Nur darauf aber kommt es an. Der - von der Klägerin bestrittene - Vortrag der Beklagten zu einer Kenntniserlangung von, Zusammentreffen sowie Gesprächen mit Fahrern und Mitarbeitern der Klägerin, in denen diese auch hier streitgegenständliche Kennzeichenbenutzungen der Beklagten zu 1 zur Kenntnis genommen hätten, ist insoweit unerheblich.

Die Klägerin kann auch Auskunft betreffend mehr als drei Jahre zurückliegende Rechtsverletzungen der Beklagten zu 1 verlangen. Im Hinblick auf einen insoweit etwa nachfolgenden bezifferten Schadensersatzanspruch begänne auch für solche Schäden die Verjährungsfrist des § 20 MarkenG gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst ab Auskunftserteilung durch die Beklagten zu laufen, da die Klägerin erst ab diesem Zeitpunkt Kenntnis von sämtlichen den einen solchen Anspruch begründenden Umständen erlangen würde.

VIII.

In Bezug auf den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch liegen auch nicht die Voraussetzungen für eine Verwirkung nach § 21 Abs. 1 MarkenG oder nach § 21 Abs. 4 MarkenG i. V. m. § 242 BGB vor.

In Bezug auf § 21 Abs. 1 MarkenG folgt dies bereits daraus, dass insoweit streitgegenständlich kein Unterlassungsanspruch der Klägerin in Bezug auf die Marke „M..“ der Beklagten zu 1 betreffend deren Benutzung für die Ware „Programmiergerät (Schwachstromtechnik) für Datenverarbeitung im Bereich der Kraftfahrzeugtechnik“ ist, sondern die Klägerin den von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf den Bereich des Kfz-Tunings beschränkt hat.

Im Übrigen liegen sowohl im Hinblick auf § 21 Abs. 1 MarkenG als auch im Hinblick auf § 21 Abs. 4 MarkenG i. V. m. § 242 BGB weder das hierfür erforderliche Zeit- noch das Umstandsmoment vor.



Für eine Verwirkung gegenüber einem kennzeichenrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 21 Abs. 4 MarkenG i. V. m. § 242 BGB ist erforderlich, dass durch eine länger andauernde redliche und ungestörte Benutzung einer Kennzeichnung ein Zustand geschaffen ist, der für den Benutzer einen beachtlichen Wert hat, ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben muss und den auch der Verletzte ihm nicht streitig machen kann, wenn er durch sein Verhalten diesen Zustand erst ermöglicht hat (BGH GRUR 2001, 1161 ff. (1163) - CompuNet-Comnet m. w. N.). Insoweit wird zum Teil auch eine Marktbeobachtungslast bejaht, deren Nichtbeobachtung zu einer Verwirkung zeichenrechtlicher Ansprüche führen kann (vgl. hierzu BGH GRUR 1989, 449 ff. (451 ff.) - maritim; BGH GRUR 1989, 856 f. (858); OLG München GRUR-RR 2004, 14).

Vorliegend hatte die Klägerin aber nicht durch ihr Verhalten einen Zustand geschaffen, der für die Beklagte zu 1 einen beachtlichen Wert haben mag. Sie - und insoweit ist auf die Kenntnis von Mitarbeitern aus der Markenrechtsabteilung AJ-55 der Klägerin abzustellen, hat erst am 25.09.2014 Kenntnis von den hier streitgegenständlichen Verletzungshandlungen der Beklagten zu 1 erlangt. Die von den Beklagten behaupteten Kenntniserlangungen anderer Mitarbeiter der Klägerin sind dieser - selbst deren Richtigkeit unterstellt - nicht zuzurechnen. Soweit die Beklagten behauptet haben, „viele Verantwortliche der Klägerin“ seien bei den sog. 24 h-Rennen auf dem Nürburgring in den Jahren 2006 bis 2010 „entweder vor Ort live dabei“ gewesen oder hätten „zumindest im TV live oder per Aufzeichnung über das Rennen und den Zieleinlauf“ Informationen erhalten, und dies in das Zeugnis von Aktionären und Vorstandsmitgliedern der Klägerin stellt, handelt es sich um Behauptungen ins Blaue hinein, so dass diesen Beweisangeboten der Beklagten auch nicht nachzugehen war.

IX.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 und 4 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Sätzen 1 und 2 ZPO.

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