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Verwaltungsgericht Köln Urteil vom 29.11.2016 - 7 K 1587/15 - Befugnis der Behörde bei Verwendung unsicherer Medizinprodukte

VG Köln v. 29.11.2016: Befugnis der Behörde zum Einschreiten bei Verwendung unsicherer Medizinprodukte


Das Verwaltungsgericht Köln (Urteil vom 29.11.2016 - 7 K 1587/15) hat entschieden:

   Die Behörde ist grundsätzlich berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen, damit die Gesundheit und Sicherheit der Patienten, Anwender und Dritter bei der Anwendung von Medizinprodukten geschützt ist. Insoweit kann die Behörde einschreiten, wenn in den Praxisräumen ein Endoskop verwendet wird, dessen Aufbereitung nicht den hygienischen Anforderungen, hier dem validierten Verfahren, entspricht. Das gleicht gilt, wenn Blutzuckermessgeräte eingesetzt werden, für die die erforderliche Qualitätssicherung nicht nachgewiesen ist.




Siehe auch Medizinprodukte und Medikamente - Arzneimittel - Heilmittel


Tatbestand:


Die Klägerin ist eine internistisch-​allgemeinmedizinische Gemeinschaftspraxis mit diabetologischem Schwerpunkt. Nachdem das Gesundheitsamt C. bei einer infektionshygienischen Begehung der Praxis Auffälligkeiten festgestellt hatte, nahm die Bezirksregierung Köln im November 2012 in der Praxis eine Erstinspektion vor. Dabei wurden verschiedene Mängel im Zusammenhang mit der Aufbereitung von Medizinprodukten beanstandet. Zur Prüfung der Mängelbeseitigung erfolgte im September 2014 eine erneute Inspektion. Der dazu gefertigte Inspektionsbericht beanstandet unter anderem das Fehlen von Kontrollprobeneinzelmessungen der eingesetzten Blutzuckermessgeräte (6.2.1) sowie die Aufbereitung des in der Praxis verwendeten Endoskops, das dort vorgereinigt und zur weiteren Aufbereitung an eine andere Praxis abgegeben wurde: Weder sei für die manuelle Aufbereitung der Optikspülflasche ein geeignetes validiertes Verfahren nachgewiesen (6.2.2) noch lägen ausreichende, korrekte Standardarbeitsanweisungen vor, die den in der Praxis vorgenommenen Aufbereitungsabschnitt und den Transport des kontaminierten sowie des dekontaminierten Endoskops regelten (6.2.3, 6.2.4, 6.2.5, 6.2.6). Bei exemplarisch überprüften Geräten (ein Reizstrommessgerät und ein Defibrillator) seien Funktionsprüfung nach Erstaufstellung und Einweisung nicht dokumentiert (6.2.7). Nachzureichen seien die aktuellen Befunde der mikrobiologischen Kontrollen am eingesetzten Endoskop und an seinem Zubehör (7.1) sowie Nachweise über Ausbildung und regelmäßige Unterweisung des Personals, das die Vorreinigung durchführe (7.2). Mit Schreiben vom 24.11.2014 übersandte die Bezirksregierung Köln der Klägerin den Inspektionsbericht und forderte sie auf, bis zum 09.01.2015 zu den genannten Mängeln Stellung zu nehmen sowie zu deren Beseitigung einen Maßnahmenplan zu erstellen. Die Klägerin trat den Feststellungen des Inspektionsberichts mit Schreiben vom 30.01.2015 teilweise entgegen und machte geltend, es lägen keine schwerwiegenden Mängel vor.




Mit Bescheid vom 13.02.2015 ordnete die Bezirksregierung Köln unter Fristsetzung die Beseitigung der im Inspektionsbericht als schwerwiegend angeführten Mängel (6.2.1 - 6.2.7) und eine entsprechende Nachweisführung an. Zusätzlich gab sie der Klägerin die Vorlage eines Maßnahmenplans betreffend die Mängelbeseitigung sowie der im Inspektionsbericht angeforderten Unterlagen (7.1, 7.2) auf. Den Inspektionsbericht erklärte die Bezirksregierung Köln zum Bestandteil des Bescheids. Der Bescheid wurde der Klägerin am 18.02.2015 zugestellt.

Die Klägerin hat am 18.03.2015 Klage erhoben.

Sie macht geltend, vor Erlass des Bescheids nicht ordnungsgemäß angehört worden zu sein. Die Anordnung sei nicht ausreichend begründet worden. Dem Praxisinhaber müsse die Umsetzung der Vorgaben, die die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaus-​Hygiene und Infektionsprävention am Robert-​Koch-​Institut und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte - RKI/BfArM-​Empfehlung - für das Medizinproduktegesetz - MPG - vorsehe, als sachnächster Person überlassen bleiben. Dabei stehe ihm nach Art. 12 GG als freiberuflich tätigen medizinischen Leistungserbringer ein weiter Spielraum zu. Behördliche Handlungsanweisungen an einen Arzt seien verfassungswidrig und verstießen gegen die Berufsordnung für Ärzte. Den von der Bezirksregierung Köln eingesetzten Inspekteuren fehle die Fachkompetenz, um Verstöße nach der Medizinprodukte-​Betreiberverordnung - MPBetreibV - festzustellen. Erforderlich seien medizinische Fachkenntnisse, die über die des ärztlichen Gerätebetreibers hinausgingen und etwa bei einem Facharzt für Gastroenterologie anzutreffen seien. Die Behörde habe nicht den erforderlichen Nachweis geführt, dass der begründete Verdacht von Sicherheits- oder Gesundheitsgefährdungen i.S.v. § 4 MPG bestehe. Der Umfang der Prüfung und die angeordneten Maßnahmen seien unangemessen. Dies gelte insbesondere in Bezug auf die Forderung, praxisindividuelle Standardarbeitsanweisungen zu erstellen. Soweit die RKI/BfArM-​Empfehlung Standardarbeitsanweisungen vorsehe, bestehe keine Rechtspflicht zu deren Umsetzung. Zumindest bei dem Einsatz nur eines Endoskops in einer Praxis müsse es ausreichen, dass der Betreiber sich an die standardisierten und zugelassenen Betriebsanleitungen der Hersteller von Medizinprodukten halte. Blutzuckermessgeräte im Notfallkoffer, die hier allein Gegenstand der Prüfung gewesen seien, unterfielen eingeschränkten Kontrollen. Fehlende Kontrollmessungen seien kein Beleg für einen Defekt der Gerätefunktion. Einige Geräte, zu denen es im Inspektionsbericht unter Punkt 6.2.7 Beanstandungen gegeben habe, seien vor Inkrafttreten des MPG angeschafft worden und unterfielen dessen Regelungen nicht. Das Personal, das in der Praxis bei der Aufbereitung des Endoskops eingesetzt werde, sei durch eine Ausbildung im Medizinalberuf ausreichend qualifiziert. Zudem sei es verfehlt, für die geforderte Mängelbeseitigung und die Vorlage von Unterlagen eine Frist ab Zustellung des Bescheides zu setzen, ohne die sofortige Vollziehung anzuordnen. Die Fristsetzung erscheine mit Blick auf den Jahre zurückliegenden ersten Inspektionstermin unverhältnismäßig.

Die Klägerin beantragt,

   den Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 13.02.2015 aufzuheben.

Das beklagte Land beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Sie erklärt, der längere Zeitraum bis zur Zweitbegehung sei auch darauf zurückzuführen, dass zusätzlich die Praxis habe inspiziert werden müssen, die für die Klägerin Teilschritte bei der Aufbereitung des Endoskops übernommen habe. Um den Vorgang nach aktuellem Sachstand fortzuführen, habe man im September 2014 eine erneute Inspektion durchgeführt. Die Klägerin habe ausreichend Möglichkeit gehabt, sich vor Erlass der Ordnungsverfügung zu äußern. Die Mängel und erforderlichen Maßnahmen seien bereits während der Inspektion mit den Vertretern der Klägerin einvernehmlich besprochen worden. Auf das Schreiben vom 24.11.2014 hin habe weitere Gelegenheit zur Stellungnahme bestanden. Hiervon habe die Klägerin im Januar 2015 auch Gebrauch gemacht, ohne ihre nunmehr ablehnende Haltung jedoch im Einzelnen zu erläutern. Die Begründung für die auf § 26 MPG gestützte Anordnung ergebe sich aus dem Inspektionsbericht, der der Klägerin im Original zugeleitet worden sei. Die Inspektoren besäßen die Sach- und Fachkunde, die zur Überprüfung der Einhaltung des MPG, insbesondere der Aufbereitung von medizinischem Instrumentarium notwendig sei. Oberregierungspharmazierätin O. -H. verfüge über eine naturwissenschaftliche Hochschulausbildung und ausreichend praktische Erfahrung. Sie bilde sich regelmäßig fort. Regierungsamtmann G. habe eine mehrjährige Berufserfahrung und umfangreiche Fortbildung absolviert. Er verfüge über die "Fachkunde I" gemäß den Qualifizierungsrichtlinien der Deutschen Gesellschaft für Sterilgutversorgung e.V. Nach der RKI/BfArM-​Empfehlung befähigten seine fachkundlichen Fortbildungen ihn, die Aufbereitungstätigkeit selbst durchzuführen und insofern auch zu beurteilen. Bei Nichteinhaltung der RKI/BfArM-​Empfehlungen müsse nach § 4 Abs. 1 MPBetrV der volle Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufbereitung geführt werden. Da die Praxis, die für die Klägerin Teilschritte der Aufbereitung des Endoskops übernehme, diese unter Beachtung der RKI/BfArM-​Empfehlung vornehme, müsse sich auch die Klägerin an dieses Verfahren halten. Es sei nicht möglich, die Vermutungswirkung nur für Teilschritte in Anspruch zu nehmen. Soweit die Klägerin trotz ihres diabetologischen Schwerpunktes nur Notfallgeräte zur Blutzuckerbestimmung einsetze, seien auch selten genutzte Blutzuckermessgeräte zumindest vor der nächsten Anwendung zu kontrollieren. Das MPG sei auch für ältere Geräte einschlägig. Der Lehrplan für medizinische Fachangestellte umfasse erst seit 2006 Fragen der Aufbereitung von medizinischen Instrumentarien. Daher seien für das Personal, das zur Aufbereitung eingesetzt werde, Ausbildungsnachweise mit Angaben zum Zeitraum der Ausbildung vorzulegen. Dass der angegriffene Bescheid erst nach seiner Bestandskraft vollziehbar werde, spreche nicht gegen die darin ausgesprochene Fristsetzung.

In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter der Klägerin erklärt, an dem aufgeteilten Aufbereitungsverfahren werde seit einiger Zeit nicht mehr festgehalten. Inzwischen erfolge die gesamte Aufbereitung des Endoskops auf manuelle Weise in der eigenen Praxis.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:


Die Klage ist zulässig.

Insbesondere besteht weiterhin ein Rechtsschutzinteresse, soweit die Klage sich gegen die Anordnung von Maßnahmen wendet, die die Aufbereitung des Endoskops betreffen. Dieser Teil der Verfügung hat sich nicht dadurch erledigt, dass inzwischen die gesamte Aufbereitung einschließlich der früher ausgelagerten Hauptreinigung in den Räumen der Klägerin erfolgen soll. Denn maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung. Inwieweit nachträgliche Änderungen des Aufbereitungsvorgangs als Umsetzung der behördlichen Anweisung angesehen werden können, so dass sich ihre Vollstreckung erübrigt, oder aber weitergehende Maßnahmen erfordern, muss einer erneuten behördlichen Sachstandsfeststellung vorbehalten bleiben.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid vom 13.02.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Rechtsgrundlage für die getroffene Anordnung ist §§ 26 Abs. 2 Satz 4, 28 Abs. 1 und 2 MPG zu entnehmen. Danach trifft die zuständige Behörde die Maßnahmen, die notwendig sind, um festgestellte Verstöße gegen Vorschriften über Medizinprodukte zu beseitigen und künftigen Verstößen vorzubeugen. Sie trifft alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit von Patienten, Anwendern und Dritten vor Gefahren durch Medizinprodukte.

Die Anordnung erweist sich als formell rechtmäßig.

Insbesondere ist der Klägerin vor Erlass der Ordnungsverfügung i.S.v. § 28 Abs. 1 VwVfG Gelegenheit gegeben worden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Unregelmäßigkeiten, die die Bezirksregierung Köln in Zusammenhang mit dem Betrieb von Medizinprodukten bei der Klägerin beanstandete und die sie zu der Anordnung veranlassten, sind der Klägerin nach einer mündlichen Besprechung während der Inspektion nochmals in dem Inspektionsbericht vom 24.11.2014 im Einzelnen zur Kenntnis gebracht worden. Gleichzeitig ist ihr mit einer angemessenen Fristsetzung Gelegenheit gegeben worden, zu den Mängeln Stellung zu nehmen.

Die Anforderungen an die Begründung des Verwaltungsakts i.S.d. § 39 Abs. 1 VwVfG sind ebenfalls erfüllt. Der Inspektionsbericht, der der Klägerin im Original übersandt wurde und den die Bezirksregierung Köln in zulässiger Weise zum Bestandteil ihrer Ordnungsverfügung gemacht hat, enthält die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Bezirksregierung zu ihrer Entscheidung bewogen haben.

Bedenken gegen die Sachkunde der beiden Bediensteten, die die Überprüfung nach § 26 MPG vorgenommen haben, bestehen nicht. Die Bezirksregierung Köln hat dargetan, dass O. -H. und Herr G. die Qualifikation, Sachkenntnis und praktische Erfahrung besitzen, die §§ 26 Abs. 2 a) und b), 37 a MPG i.V.m. §§ 12, 14 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des MPG - MPVwV - den mit der Überwachung betrauten Personen abverlangen. Die Annahme, das Überwachungspersonal benötige medizinische Fachkenntnisse, die über die des ärztlichen Gerätebetreibers hinausgingen, geht an der Sache vorbei. Die Aufgabe der mit der Überwachung beauftragten Personen besteht nicht in der Anwendung von Medizinprodukten zu diagnostischen bzw. therapeutischen Zwecken, sondern in der Prüfung, ob Medizinprodukte, die Dritte einsetzen, den Sicherheitsbestimmungen des Medizinprodukterechts entsprechen. Dies erfordert neben naturwissenschaftlichen Kenntnissen insbesondere technische und rechtliche Sachkunde.

Die Anordnung der Bezirksregierung Köln hält auch einer inhaltlichen Kontrolle stand.

Soweit sich die in der Praxis tätigen Ärzte allgemein durch Überwachungsmaßnahmen nach dem MPG in ihrer Berufsausübungsfreiheit tangiert sehen, ist ein etwaiger Eingriff jedenfalls gerechtfertigt durch den Gemeinwohlbelang, die Gesundheit und Sicherheit von Patienten, Anwendern und Dritten vor Gefahren zu schützen, die von unsachgemäß aufbereiteten und mängelbehafteten Medizinprodukten ausgehen können. Es liegt auf der Hand, dass auch die ärztliche Berufsordnung Ärzte als Betreiber von Medizinprodukten nicht von der Anwendung des Medizinprodukterechts und darin vorgesehenen staatlichen Überwachungsmaßnahmen ausschließen. Diese Maßnahmen zielen nicht auf einen Eingriff in die ärztliche Therapiefreiheit ab.

Die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Bezirksregierung Köln nach §§ 26 Abs. 2 Satz 4, 28 Abs. 1 MPG lagen vor. In der Praxis sind Verstöße gegen das MPG festgestellt worden. § 14 MPG erlaubt den Betrieb und die Anwendung von Medizinprodukten nur nach Maßgabe der gem. § 37 Abs. 5 MPG erlassenen MPBetrV. Sie dürfen nicht betrieben und angewendet werden, wenn sie Mängel aufweisen, durch die Patienten Beschäftigte oder Dritte gefährdet werden können. Ein Einschreiten auf der Grundlage dieser Normen erfordert dabei nicht, wie die Klägerin meint, den Nachweis eines konkreten Gefahreneintritts. § 26 MPG setzt bereits präventiv im Vorfeld einer Gefahr an und begegnet Verstößen gegen Bestimmungen, die dazu dienen, das Auftreten von Gefahren zu verhindern.

Ein Verstoß gegen das MPG liegt darin, dass in den Praxisräumen der Klägerin ein Endoskop zum Einsatz gekommen ist, dessen Aufbereitung nicht den Anforderungen des § 4 MPBetrV entspricht.

Nach § 4 Abs. 1 MPBetrV ist die Aufbereitung von Medizinprodukten, die wie das Endoskop bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommen, unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird. Auf die Vermutung einer ordnungsgemäßen Aufbereitung von Medizinprodukten nach § 4 Abs. 2 MPBetrV kann die Klägerin sich nicht berufen, da sie die RKI/BfArM-​Empfehlung nach eigenen Angaben nicht befolgt. Sie hat daher den vollen Nachweis zu führen, dass ihr Aufbereitungsverfahren den Anforderungen des § 4 Abs. 1 MPBetrV entspricht. Dies gilt uneingeschränkt auch für den Einsatz nur eines einzelnen Medizinprodukts, das bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommt. Ließe man bei einzelnen Medizinprodukten geringere Anforderungen genügen, könnten gerade von diesem Gerät Gefahren für den geschützten Personenkreis ausgehen.

Die Feststellung einer ordnungsgemäßen hygienischen Aufbereitung setzt voraus, dass das praktizierte Aufbereitungsverfahren den Schutzzweck des § 4 Abs. 1 MPBetrV ebenso wirksam erfüllt wie die Aufbereitung unter Beachtung der RKI/BfArM-​Empfehlung,

   vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.07.2011 - 13 A 32/11 -.

Eine derartige Feststellung kann für die bei der Klägerin vorgefundene Aufbereitung nicht getroffen werden, weil sie nicht den Anforderungen an ein validiertes Verfahren, wie es in § 4 Abs. 1 MPBetrV vorgeschrieben ist, genügt.

Unter einem validierten Verfahren ist ein dokumentiertes Verfahren zum Erbringen, Aufzeichnen und Interpretieren von Ergebnissen zu verstehen, die für den Nachweis benötigt werden, dass ein Verfahren beständig Produkte liefert, die den vorgegebenen Spezifikationen (insbesondere Sauberkeit, Keimarmut/Sterilität und Funktionalität) entsprechen; die Validierung stellt damit letztlich den dokumentierten Nachweis der beständigen Wirksamkeit eines Aufbereitungsprozesses dar,

   vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.07.2011 - 13 A 32/11 - m.w.N.




Die bei der Klägerin praktizierte Aufbereitung erfolgt nicht in einem derartigen validierten Verfahren. Wie ihre Vertreter in der mündlichen Verhandlung erläutert haben, orientierte sich auch der bisher von ihr selbst erledigte Abschnitt der Aufbereitung lediglich an den Herstellerangaben; es erfolgte Beprobung im Abstand von drei Monaten. Diese Handhabung lässt unberücksichtigt, dass die Angaben des Herstellers schon nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 MPBetrV nur den Rahmen für ein auf die konkreten Verhältnisse zugeschnittenes validiertes Verfahren bietet, dieses aber nicht ersetzen kann. Vielmehr ist durch eine eigene Standardarbeitsanweisung für das mit der Aufbereitung beauftragte Personal reproduzierbar festzulegen, welche einzelnen Arbeitsschritte zur Aufbereitung des Endoskops gerade unter den in der Praxis anzutreffenden Örtlichkeiten und sonstigen Bedingungen zu erledigen sind, welche sächlichen Mittel dabei zum Einsatz kommen, wer die Aufbereitung vornehmen darf und wie die Aufbereitung zu dokumentieren ist. Dass eine Beprobung im Abstand von drei Monaten keinen Nachweis für eine beständige Wirksamkeit des nicht hinreichend validierten Aufbereitungsverfahrens erbringt, liegt auf der Hand. Das von der Klägerin gewählte Verfahren gewährleistet mangels geeigneter Validierung nicht, dass Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit des geschützten Personenkreises ausgeschlossen sind.

Ein weiterer Verstoß gegen das MPG ist darin zu sehen, dass in der Praxis ein oder mehrere Blutzuckermessgeräte zum Einsatz kommen, für die nicht die nach § 4 a MPBetrV erforderliche Qualitätssicherung nachgewiesen ist. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung hat derjenige, der laboratoriumsmedizinische Untersuchungen durchführt, ein Qualitätssicherungssystem nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik zur Aufrechterhaltung der erforderlichen Qualität, Sicherheit und Leistung bei der Anwendung von In-​vitro-​Diagnostika sowie zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit der damit erzielten Ergebnisse einzurichten. Die Vermutungswirkung von § 4 a Abs. 1 Satz 2 MPBetrV in Verbindung mit der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen greift hier nicht ein, da die Klägerin nicht die in 2.1.5 Abs. 2 der Richtlinie geforderte mindestens wöchentliche Kontrollprobeneinzelmessung durchführt, sofern in dieser Woche Patientenproben untersucht werden. Die Kontrollprobeneinzelmessung muss vor der Untersuchung der Patientenprobe erfolgt sein, damit die Zuverlässigkeit des Untersuchungsergebnisses sichergestellt ist. Daran ändert der Einwand der Klägerin nichts, das bzw. die Blutzuckermessgerät(e) seien nur für den Notfall vorgesehen, so dass nicht vorhersehbar sei, in welcher Woche sie zum Einsatz kämen. Dies entbindet sie nicht von dem Erfordernis, für den Notfall, mit dem gerade in einer Praxis mit diabetologischem Schwerpunkt jederzeit zu rechnen ist, Vorsorge zu treffen, indem zu Beginn jeder Woche eine Kontrollprobeneinzelmessung vorgenommen wird. Denn gerade der Notfall bei einem Diabetespatienten erfordert zwingend eine verlässliche Messung des Blutzuckers, damit die richtigen Sofortmaßnahmen ergriffen und Lebensgefahren abgewendet werden können. Einen anderweitigen Nachweis einer hinreichenden Qualitätssicherung hat die Klägerin nicht erbracht.

Zu Unrecht hält die Klägerin der Anordnung zu Punkt 6.2.7 entgegen, sog. Altgeräte seien vom Anwendungsbereich der MPBetrV auszunehmen. Insbesondere gilt für sie die in § 7 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 MPBetrV festgelegte Pflicht, bestimmte Angaben im Medizinproduktebuch zu dokumentieren, deren Nichtbeachtung die Bezirksregierung Köln beanstandet hat. Für Medizinprodukte, die vor Inkrafttreten der MPBetrV im Jahr 1998 in Betrieb genommen worden sind, war nach der Übergangsbestimmung des § 14 Abs. 1 und 2 MPBetrV ein Medizinproduktebuch bis zum 01.01.1999 einzurichten bzw. ein zuvor geführtes Gerätebuch als Medizinproduktebuch fortzuführen.



Die Anordnung der Mängelbeseitigung erweist sich auch als ermessensfehlerfrei. Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahme. Die Behörde hat auf einschneidende Maßnahmen, wie etwa die Untersagung oder Beschränkung des Betriebs der betroffenen Medizinprodukte, vgl. § 28 Abs. 2 Satz 2 MPG, gerade verzichtet. Mildere Mittel als die Aufforderung, die festgestellten Verstöße zu beseitigen und hierzu einen Maßnahmenplan vorzulegen, sind nicht erkennbar. Die an die Zustellung des Bescheids anknüpfende Fristbestimmung, die die Klägerin in diesem Zusammenhang rügt, ist mangels Anordnung des Sofortvollzugs ins Leere gelaufen und kann die Klägerin daher jedenfalls nicht beschweren.

Zur Erforschung möglicher weiterer Defizite bei der Aufbereitung durfte die Bezirksregierung Köln schließlich Nachweise über die erforderliche Qualifizierung des Personals anfordern, das in der Praxis der Klägerin bei der Aufbereitung eingesetzt wird. Hierzu gehören Ausbildungszertifikate, die Aufschluss darüber geben, ob die Aufbereitung von Medizinprodukten Bestandteil der jeweiligen Ausbildung war sowie Belege regelmäßiger Unterweisungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

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