Das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft beruht auf dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit der wirtschaftlichen Einheit, die die Zuwiderhandlung begangen hat. Ist die Muttergesellschaft Teil dieser wirtschaftlichen Einheit, die aus mehreren juristischen Personen bestehen kann, wird sie gesamtschuldnerisch mit den anderen diese Einheit bildenden juristischen Personen für diese wettbewerbsrechtlichen Verstöße haftbar gemacht. Denn selbst wenn die Muttergesellschaft nicht unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligt war, übt sie in einem solchen Fall einen bestimmenden Einfluss auf die Tochtergesellschaften aus, die daran beteiligt waren. In diesem Zusammenhang kann die Haftung der Muttergesellschaft daher nicht als eine verschuldensunabhängige Haftung angesehen werden.
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„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig
- gegen Artikel [81] Absatz (1) [EG] oder Artikel [82 EG] verstoßen; …“
„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig
- gegen Artikel 81 oder Artikel 82 des Vertrags verstoßen oder
…
Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.
…“
„57 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff des Unternehmens im Sinne von Art. 81 EG wirtschaftliche Einheiten umfasst, die jeweils in einer einheitlichen Organisation persönlicher, materieller und immaterieller Mittel bestehen, mit der dauerhaft ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird; eine solche Organisation kann an einer Zuwiderhandlung im Sinne dieser Vorschrift beteiligt sein (vgl. Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, HFB u.a./Kommission, T-9/99, Slg. 2002, II-1487, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). 58 Nicht ein zwischen Mutter- und Tochterunternehmen in Bezug auf die Zuwiderhandlung bestehendes Anstiftungsverhältnis und schon gar nicht eine Beteiligung Ersterer an dieser Zuwiderhandlung, sondern der Umstand, dass sie ein einziges Unternehmen im vorstehend genannten Sinne darstellen, gibt somit der Kommission die Befugnis, die Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an das Mutterunternehmen einer Unternehmensgruppe zu richten. Nach dem gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht stellen nämlich verschiedene Gesellschaften, die zum selben Konzern gehören, eine wirtschaftliche Einheit und somit ein Unternehmen im Sinne der Art. 81 EG und 82 EG dar, wenn sie ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmen (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T-203/01, Slg. 2003, II-4071, Randnr. 290). 59 Außerdem ist es für die Anwendung und den Vollzug der wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen der Kommission erforderlich, als Adressat eine Einheit mit Rechtspersönlichkeit zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u.a./Kommission, ‚PVC II‘, T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Slg. 1999, II-931, Randnr. 978). 60 In dem speziellen Fall, dass ein Mutterunternehmen 100 % des Kapitals seines Tochterunternehmens hält, das eine Zuwiderhandlung begangen hat, besteht eine einfache Vermutung, dass dieses Mutterunternehmen einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten seines Tochterunternehmens ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1983, AEG/Kommission, 107/82, Slg. 1983, 3151, Randnr. 50, und Urteil PVC II, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnrn. 961 und 984) und dass beide daher ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG darstellen (Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u.a./Kommission, T-71/03, T-74/03, T-87/03 und T-91/03, … Randnr. 59). Wenn die Muttergesellschaft vor dem Gemeinschaftsrichter gegen eine Entscheidung der Kommission vorgeht, mit der ihr für ein Verhalten ihrer Tochtergesellschaft eine Geldbuße auferlegt wird, obliegt es damit ihr, diese Vermutung durch Beweise zu entkräften, die geeignet sind, die Selbständigkeit ihrer Tochtergesellschaft zu belegen (Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Avebe/Kommission, T-314/01, Slg. 2006, II-3085, Randnr. 136, siehe auch in diesem Sinne, Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C-286/98 P, Slg. 2000, I-9925, im Folgenden: Urteil Stora, Randnr. 29). 61 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zwar in den Randnrn. 28 und 29 des Urteils Stora (oben in Randnr. 60 angeführt) neben der 100 %igen Kapitalbeteiligung an dem Tochterunternehmen weitere Umstände, wie das Nichtbestreiten des vom Mutterunternehmen auf die Geschäftspolitik seines Tochterunternehmens ausgeübten Einflusses und die gemeinsame Vertretung der beiden Unternehmen im Verwaltungsverfahren, angeführt hat, dass jedoch diese Umstände vom Gerichtshof nur erwähnt wurden, um die Gesamtheit der Gesichtspunkte aufzuführen, auf die das Gericht seine Argumentation gestützt hatte, und daraufhin festzustellen, dass diese sich nicht nur auf die 100 %ige Kapitalbeteiligung des Mutterunternehmens an dem Tochterunternehmen stützte. Dass der Gerichtshof die Würdigung des Gerichts in dieser Rechtssache bestätigt hat, kann somit nicht zu einer Änderung des in Randnr. 50 des Urteils AEG/Kommission (oben angeführt in Randnr. 60) aufgestellten Grundsatzes führen. 62 Für die Schlussfolgerung, dass ein Mutterunternehmen einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik seines Tochterunternehmens ausübt, genügt es demnach, dass die Kommission beweist, dass das gesamte Kapital dieses Tochterunternehmens von seinem Mutterunternehmen gehalten wird. Die Kommission kann in der Folge dem Mutterunternehmen als Gesamtschuldnerin die Haftung für die Zahlung der gegen dessen Tochterunternehmen verhängten Geldbuße zuweisen, sofern es nicht nachweist, dass sein Tochterunternehmen im Wesentlichen nicht die von ihm ausgegebenen Leitlinien anwendet und demnach auf dem Markt eigenständig auftritt. 63 Im Rahmen dieser einleitenden Bemerkungen ist ferner das in den Schriftsätzen der Klägerinnen zentrale Argument zu prüfen, dass der aufgrund der 100 %igen Kapitalbeteiligung an seinem Tochterunternehmen vermutete Einfluss des Mutterunternehmens sich auf die Geschäftspolitik des Tochterunternehmens im engen Sinne beziehe … Zu dieser Politik gehört nach Ansicht der Klägerinnen z.B. die Vertriebs- und Preisstrategie. Diesem Vorbringen zufolge könnte das Mutterunternehmen daher die Vermutung widerlegen, indem es zeigt, dass das Tochterunternehmen diese spezifischen Aspekte seiner Geschäftspolitik selbst in der Hand hat, ohne insoweit Weisungen zu erhalten. 64 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gemeinschaftsrichter im Rahmen der Untersuchung der Frage, ob mehrere zu einer Gruppe gehörende Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden, geprüft hat, ob das Mutterunternehmen die Preispolitik (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, ICI/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Randnr. 137, und Geigy/Kommission, 52/69, Slg. 1972, 787, Randnr. 45), die Herstellungs- und Vertriebsaktivitäten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 6. März 1974, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, Randnrn. 37 und 39 bis 41), die Verkaufsziele, die Bruttomargen, die Verkaufskosten, den ‚cash flow‘, die Lagerbestände und das Marketing (Urteil des Gerichts vom 12. Januar 1995, Viho/Kommission, T-102/92, Slg. 1995, II-17, Randnr. 48) beeinflussen konnte. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass nur diese Aspekte unter den Begriff der Geschäftspolitik eines Tochterunternehmens fielen, wenn es um die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG in Bezug auf dessen Mutterunternehmen geht. 65 Aus dieser Rechtsprechung in Verbindung mit den Erwägungen in den vorstehenden Randnrn. 57 und 58 ergibt sich vielmehr, dass es Sache des Mutterunternehmens ist, dem Gericht alle Angaben in Bezug auf die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen ihm und seinem Tochterunternehmen zur Würdigung vorzulegen, die seiner Ansicht nach dem Nachweis dienen könnten, dass sie keine wirtschaftliche Einheit darstellen. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich ferner, dass das Gericht bei seiner Würdigung alle Angaben berücksichtigen muss, die ihm die Parteien vorlegen, wobei deren Charakter und Bedeutung je nach den Merkmalen des jeweiligen Falls variieren können. 66 Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob Akzo Nobel und ihre Tochterunternehmen, die Adressaten der [streitigen] Entscheidung sind, eine wirtschaftliche Einheit bilden.“ |
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit damit der Klagegrund einer fehlerhaften gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme von Akzo Nobel zurückgewiesen wurde; die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie Akzo Nobel für die Zuwiderhandlung haftbar macht, und der Kommission die gesamten Kosten aufzuerlegen, und zwar sowohl die des ersten Rechtszugs als auch die des Rechtsmittels, soweit sie den mit dem vorliegenden Rechtsmittel geltend gemachten Rechtsmittelgrund betreffen. |
das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.
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1. | Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen. |
2. | Die Akzo Nobel NV, die Akzo Nobel Nederland BV, die Akzo Nobel Chemicals International BV, die Akzo Nobel |