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EuGH Urteil vom 10.09.2009 - C-97/08 P - Zur gesamtschuldnerischen Haftung von Mutter- und 100-%-igen Tochtergesellschaften für Wettbewerbsabsprachen

EuGH v. 10.09.2009: Zur gesamtschuldnerischen Haftung von Mutter- und 100-%-igen Tochtergesellschaften für Wettbewerbsabsprache


Der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 10.09.2009 - C-97/08 P) hat entschieden:

   Das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft beruht auf dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit der wirtschaftlichen Einheit, die die Zuwiderhandlung begangen hat. Ist die Muttergesellschaft Teil dieser wirtschaftlichen Einheit, die aus mehreren juristischen Personen bestehen kann, wird sie gesamtschuldnerisch mit den anderen diese Einheit bildenden juristischen Personen für diese wettbewerbsrechtlichen Verstöße haftbar gemacht. Denn selbst wenn die Muttergesellschaft nicht unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligt war, übt sie in einem solchen Fall einen bestimmenden Einfluss auf die Tochtergesellschaften aus, die daran beteiligt waren. In diesem Zusammenhang kann die Haftung der Muttergesellschaft daher nicht als eine verschuldensunabhängige Haftung angesehen werden.

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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

10. September 2009

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Art. 81 Abs. 1 EG – Art. 53 Abs. 1 EWR – Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Unternehmensgruppe – Zurechenbarkeit von Zuwiderhandlungen – Haftung einer Muttergesellschaft für die von ihren Tochtergesellschaften begangenen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln – Bestimmende Einflussnahme der Muttergesellschaft – Widerlegliche Vermutung bei 100 %iger Beteiligung“

In der Rechtssache C-97/08 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 27. Februar 2008,

Akzo Nobel NV mit Sitz in Arnhem (Niederlande),
Akzo Nobel Nederland BV mit Sitz in Arnhem,
Akzo Nobel Chemicals International BV mit Sitz in Amersfoort (Niederlande),
Akzo Nobel Chemicals BV mit Sitz in Amersfoort,
Akzo Nobel Functional Chemicals BV mit Sitz in Amersfoort,

Prozessbevollmächtigte: C. Swaak, M. van der Woude und M. Mollica, avocats,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch X. Lewis und F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J.N. Cunha Rodrigues und J. Klucka, der Richterin P. Lindh und des Richters A. Arabadjiev (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 23. April 2009

folgendes Urteil

1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Akzo Nobel BV (im Folgenden: Akzo Nobel), die Akzo Nobel Nederland BV (im Folgenden: Akzo Nobel Nederland), die Akzo Nobel Chemicals International BV (im Folgenden: Akzo Nobel Chemicals International) und die Akzo Nobel Functional Chemicals BV (im Folgenden: Akzo Nobel Functional Chemicals), das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u.a./Kommission (T-112/05, Slg. 2007, II-5049, im Folgenden: angefochtenes Urteil), aufzuheben, mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2005/566/EG vom 9. Dezember 2004 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache C.37 533 – Cholinchlorid) (ABl. 2005, L 190, S. 22, im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.

2 In dieser Entscheidung warf die Kommission der Europäischen Gemeinschaften den Adressatinnen eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG und, ab 1. Januar 1994, gegen Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) vor.





Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen

3 Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962: Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) bestimmt:
„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig
  1. gegen Artikel [81] Absatz (1) [EG] oder Artikel [82 EG] verstoßen; …“

4 Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) sieht vor:
„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig
  1. gegen Artikel 81 oder Artikel 82 des Vertrags verstoßen oder


Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.

…“


Sachverhalt


5 Nach den Feststellungen der Kommission, auf die das Gericht im angefochtenen Urteil Bezug nimmt, liegt dem Rechtsstreit folgender Sachverhalt zugrunde.

6 Nachdem die Kommission im April 1999 einen Antrag eines amerikanischen Herstellers auf Anwendung der Kronzeugen-Mitteilung erhalten hatte, leitete sie eine Untersuchung in der weltweiten Cholinchloridbranche ein, die den Zeitraum von 1992 bis Ende 1998 umfasste.

7 Cholinchlorid ist Bestandteil der B-Komplex-Gruppe der wasserlöslichen Vitamine (Vitamin B4). Es wird überwiegend in der Futtermittelindustrie als Zusatz verwendet. Auf dem Cholinchloridmarkt sind neben den Herstellern zum einen die Verarbeiter, die flüssiges Cholinchlorid von den Herstellern beziehen und es entweder für den Hersteller oder auf eigene Rechnung zu Cholinchlorid in Trägerverbindungen verarbeiten, und zum anderen die Vertriebsunternehmen tätig.

8 Die Rechtsmittelführerinnen sind fünf Gesellschaften der Gruppe Akzo Nobel und gehören zu den Herstellern von Cholinchlorid. Während des von der Untersuchung der Kommission umfassten Zeitraums hielt Akzo Nobel, die Muttergesellschaft der Gruppe, direkt oder indirekt 100 % des Kapitals der anderen Rechtsmittelführerinnen. Akzo Nobel hielt 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaften Akzo Nobel Nederland und Akzo Nobel Chemicals International. Akzo Nobel Nederland hielt 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft Akzo Nobel Chemicals, die wiederum alle Anteile an Akzo Nobel Functional Chemicals hielt.

9 Der konsolidierte weltweite Gesamtumsatz, den Akzo Nobel 2003, d.h. im der streitigen Entscheidung unmittelbar vorausgehenden Geschäftsjahr, erklärte, belief sich auf 13 Milliarden Euro.

10 Was den Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden: EWR) betrifft, wurde ein Kartell auf zwei verschiedenen, aber eng miteinander verbundenen Ebenen, nämlich der weltweiten und der europäischen Ebene, umgesetzt.

11 Auf weltweiter Ebene beteiligten sich mehrere nordamerikanische und europäische Unternehmen, darunter die Rechtsmittelführerinnen, von Juni 1992 bis April 1994 direkt oder indirekt an wettbewerbsbeschränkenden Aktivitäten. Nur die europäischen Hersteller, darunter die Rechtsmittelführerinnen, nahmen an den Treffen zur Umsetzung des Kartells auf europäischer Ebene teil, das von März 1994 bis Oktober 1998 gedauert hat.

12 Die Kommission betrachtete die Absprachen auf weltweiter und auf europäischer Ebene als eine einzige und fortgesetzte komplexe Zuwiderhandlung betreffend den EWR, an der die nordamerikanischen Hersteller während einer gewissen Zeit und die europäischen Hersteller während des gesamten von ihrer Untersuchung erfassten Zeitraums teilgenommen hätten.



13 Am 9. Dezember 2004 erließ die Kommission die streitige Entscheidung. In Art. 1 dieser Entscheidung stellte sie fest, dass mehrere Unternehmen, darunter die Rechtsmittelführerinnen, durch ihre Beteiligung an einem Komplex von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestehend aus der Festsetzung von Preisen, der Aufteilung des Marktes und der Vereinbarung von Maßnahmen gegen Wettbewerber im Cholinchloridsektor im EWR gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen hätten.

14 In Bezug auf die Gruppe Akzo Nobel beschloss die Kommission, die Entscheidung an die Rechtsmittelführerinnen als Gesamtschuldnerinnen zu richten. Akzo Nobel Nederland, Akzo Nobel Chemicals International und Akzo Nobel Chemicals oder ihre Rechtsvorgängerinnen hätten sich direkt an der Zuwiderhandlung beteiligt. Akzo Nobel Functional Chemicals sei im Juni 1999 als Tochterunternehmen von Akzo Nobel Chemicals gegründet worden. Die Kommission ging daher davon aus, dass Akzo Nobel Functional Chemicals Rechtsnachfolgerin in Bezug auf die meisten der zuvor von ihrer Muttergesellschaft durchgeführten Cholinchloridtätigkeiten sei und daher ebenfalls Adressatin der Entscheidung sein müsse.

15 Nach Auffassung der Kommission bildete Akzo Nobel eine wirtschaftliche Einheit mit den übrigen Rechtseinheiten der Gruppe Akzo Nobel, an die die streitige Entscheidung gerichtet sei, und diese wirtschaftliche Einheit habe an dem Kartell teilgenommen. Akzo Nobel habe entscheidenden Einfluss auf die Geschäftspolitik ihrer Tochtergesellschaften ausüben können, die sie direkt oder indirekt zu 100 % kontrolliert habe, so dass anzunehmen sei, dass sie dies auch tatsächlich getan habe. Die Kommission kam daher zu dem Schluss, dass die Tochtergesellschaften von Akzo Nobel keine geschäftliche Eigenständigkeit besäßen, und hat die Entscheidung daher an Akzo Nobel gerichtet, obwohl diese nicht selbst an dem Kartell teilgenommen hatte.

16 Die fehlende geschäftliche Eigenständigkeit der Betriebsgesellschaften bzw. Geschäftseinheiten der Gruppe Akzo Nobel wurde nach Ansicht der Kommission auch durch die Unterlagen belegt, die Akzo Nobel im Verwaltungsverfahren vorgelegt hatte.

17 Unter Berufung auf den gesamten Marktanteil der Rechtsmittelführerinnen und insbesondere auf den in Randnr. 9 des vorliegenden Urteils dargestellten Befund verhängte die Kommission in Art. 2 der streitigen Entscheidung wegen der in Art. 1 dieser Entscheidung genannten Zuwiderhandlungen eine Geldbuße in Höhe von 20,99 Millionen Euro gegen die Rechtsmittelführerinnen als Gesamtschuldnerinnen.


Die Klage vor dem Gericht und das angefochtene Urteil

18 Ihre Klage vor dem Gericht, mit der sie die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung begehrten, stützten die Rechtsmittelführerinnen auf drei Klagegründe.

19 Die Kommission hielt die Klage für unzulässig, weil sie nicht gemäß Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 der Verfahrensordnung des Gerichts eingereicht worden sei, oder, was Akzo Nobel Nederland, Akzo Nobel Chemicals International und Akzo Nobel Chemicals betreffe, für offensichtlich unbegründet, weil die Klage, die als fünf einzelne Klagen zu betrachten sei, keine Klagegründe enthalte, die die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung rechtfertigen könnten, soweit sie die Verantwortlichkeit dieser Unternehmen feststelle oder die Höhe der gegen sie verhängten Geldbuße festsetze. Die Kommission machte hilfsweise geltend, dass es aus eben diesen Gründen offensichtlich sei, dass die Tochtergesellschaften von Akzo Nobel, obwohl die streitige Entscheidung an sie gerichtet sei, kein Rechtsschutzinteresse hätten, die Nichtigerklärung dieser Entscheidung zu fordern.

20 Das Gericht hat die von der Kommission erhobene Unzulässigkeitseinrede in den Randnrn. 31 und 32 des angefochtenen Urteils zurückgewiesen.

21 Zur Begründetheit machten die Rechtsmittelführerinnen als ersten Klagegrund geltend, dass die Holdinggesellschaft Akzo Nobel, die direkt oder indirekt 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaften halte, zu Unrecht als Gesamtschuldnerin haftbar gemacht worden sei.

22 Der bestimmende Einfluss, den ein Mutterunternehmen ausüben müsse, damit es für die Handlungen seines Tochterunternehmens verantwortlich gemacht werden könne, müsse seine Geschäftspolitik im engen Sinne betreffen.

23 Die Kommission müsse somit erstens beweisen, dass das Mutterunternehmen Weisungsbefugnisse habe ausüben können, die so weit gingen, dass sie seinem Tochterunternehmen jede Eigenständigkeit in dessen Geschäftsverhalten nähmen, und zweitens, dass es von diesen Weisungsbefugnissen Gebrauch gemacht habe.



24 Nach der Gemeinschaftsrechtsprechung könne man bei einem 100 %igen Tochterunternehmen vermuten, dass es die von seinem Mutterunternehmen erhaltenen Anweisungen befolgt habe. Daher sei die Kommission in einem solchen Fall nur dann verpflichtet, allein dem Tochterunternehmen die Haftung zuzuweisen, wenn dieses seine Geschäftspolitik zum großen Teil selbst bestimme. Stehe dies fest, sei es wiederum Sache der Kommission, nachzuweisen, dass das Mutterunternehmen tatsächlich in einem konkreten Fall einen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe.

25 Eine Organisation in Form von Einheiten, wie die der Gruppe Akzo Nobel, genüge als solche folglich nicht, um den Nachweis der tatsächlichen Beteiligung des Mutterunternehmens überflüssig zu machen.

26 Die Rechtsmittelführerinnen waren der Ansicht, dass sie nachgewiesen hätten, dass die Tochterunternehmen von Akzo Nobel ihre Geschäftspolitik zum großen Teil selbst bestimmten, und damit die Vermutung zugunsten der Kommission widerlegt hätten. Diese hätte nachweisen müssen, dass Akzo Nobel einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der anderen Rechtsmittelführerinnen ausgeübt habe. Die Kommission sei dieser Pflicht in Anbetracht des Umstands, dass die Gesichtspunkte, auf die sie sich für die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme von Akzo Nobel gestützt habe, abgesehen vom Vorliegen einer 100 %igen Kapitalbeteiligung, entweder irrelevant oder falsch seien, nicht nachgekommen.

27 Hinsichtlich dieses von den Rechtsmittelführerinnen für ihre Klage angeführten ersten Klagegrundes hat das Gericht zunächst die Frage geprüft, ob das widerrechtliche Verhalten einer Tochtergesellschaft ihrer Muttergesellschaft zuzurechnen ist, und insoweit festgestellt:

   „57 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff des Unternehmens im Sinne von Art. 81 EG wirtschaftliche Einheiten umfasst, die jeweils in einer einheitlichen Organisation persönlicher, materieller und immaterieller Mittel bestehen, mit der dauerhaft ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird; eine solche Organisation kann an einer Zuwiderhandlung im Sinne dieser Vorschrift beteiligt sein (vgl. Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, HFB u.a./Kommission, T-9/99, Slg. 2002, II-1487, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58 Nicht ein zwischen Mutter- und Tochterunternehmen in Bezug auf die Zuwiderhandlung bestehendes Anstiftungsverhältnis und schon gar nicht eine Beteiligung Ersterer an dieser Zuwiderhandlung, sondern der Umstand, dass sie ein einziges Unternehmen im vorstehend genannten Sinne darstellen, gibt somit der Kommission die Befugnis, die Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an das Mutterunternehmen einer Unternehmensgruppe zu richten. Nach dem gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht stellen nämlich verschiedene Gesellschaften, die zum selben Konzern gehören, eine wirtschaftliche Einheit und somit ein Unternehmen im Sinne der Art. 81 EG und 82 EG dar, wenn sie ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmen (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T-203/01, Slg. 2003, II-4071, Randnr. 290).

59 Außerdem ist es für die Anwendung und den Vollzug der wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen der Kommission erforderlich, als Adressat eine Einheit mit Rechtspersönlichkeit zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u.a./Kommission, ‚PVC II‘, T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Slg. 1999, II-931, Randnr. 978).

60 In dem speziellen Fall, dass ein Mutterunternehmen 100 % des Kapitals seines Tochterunternehmens hält, das eine Zuwiderhandlung begangen hat, besteht eine einfache Vermutung, dass dieses Mutterunternehmen einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten seines Tochterunternehmens ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1983, AEG/Kommission, 107/82, Slg. 1983, 3151, Randnr. 50, und Urteil PVC II, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnrn. 961 und 984) und dass beide daher ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG darstellen (Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u.a./Kommission, T-71/03, T-74/03, T-87/03 und T-91/03, … Randnr. 59). Wenn die Muttergesellschaft vor dem Gemeinschaftsrichter gegen eine Entscheidung der Kommission vorgeht, mit der ihr für ein Verhalten ihrer Tochtergesellschaft eine Geldbuße auferlegt wird, obliegt es damit ihr, diese Vermutung durch Beweise zu entkräften, die geeignet sind, die Selbständigkeit ihrer Tochtergesellschaft zu belegen (Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Avebe/Kommission, T-314/01, Slg. 2006, II-3085, Randnr. 136, siehe auch in diesem Sinne, Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C-286/98 P, Slg. 2000, I-9925, im Folgenden: Urteil Stora, Randnr. 29).

61 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zwar in den Randnrn. 28 und 29 des Urteils Stora (oben in Randnr. 60 angeführt) neben der 100 %igen Kapitalbeteiligung an dem Tochterunternehmen weitere Umstände, wie das Nichtbestreiten des vom Mutterunternehmen auf die Geschäftspolitik seines Tochterunternehmens ausgeübten Einflusses und die gemeinsame Vertretung der beiden Unternehmen im Verwaltungsverfahren, angeführt hat, dass jedoch diese Umstände vom Gerichtshof nur erwähnt wurden, um die Gesamtheit der Gesichtspunkte aufzuführen, auf die das Gericht seine Argumentation gestützt hatte, und daraufhin festzustellen, dass diese sich nicht nur auf die 100 %ige Kapitalbeteiligung des Mutterunternehmens an dem Tochterunternehmen stützte. Dass der Gerichtshof die Würdigung des Gerichts in dieser Rechtssache bestätigt hat, kann somit nicht zu einer Änderung des in Randnr. 50 des Urteils AEG/Kommission (oben angeführt in Randnr. 60) aufgestellten Grundsatzes führen.

62 Für die Schlussfolgerung, dass ein Mutterunternehmen einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik seines Tochterunternehmens ausübt, genügt es demnach, dass die Kommission beweist, dass das gesamte Kapital dieses Tochterunternehmens von seinem Mutterunternehmen gehalten wird. Die Kommission kann in der Folge dem Mutterunternehmen als Gesamtschuldnerin die Haftung für die Zahlung der gegen dessen Tochterunternehmen verhängten Geldbuße zuweisen, sofern es nicht nachweist, dass sein Tochterunternehmen im Wesentlichen nicht die von ihm ausgegebenen Leitlinien anwendet und demnach auf dem Markt eigenständig auftritt.

63 Im Rahmen dieser einleitenden Bemerkungen ist ferner das in den Schriftsätzen der Klägerinnen zentrale Argument zu prüfen, dass der aufgrund der 100 %igen Kapitalbeteiligung an seinem Tochterunternehmen vermutete Einfluss des Mutterunternehmens sich auf die Geschäftspolitik des Tochterunternehmens im engen Sinne beziehe … Zu dieser Politik gehört nach Ansicht der Klägerinnen z.B. die Vertriebs- und Preisstrategie. Diesem Vorbringen zufolge könnte das Mutterunternehmen daher die Vermutung widerlegen, indem es zeigt, dass das Tochterunternehmen diese spezifischen Aspekte seiner Geschäftspolitik selbst in der Hand hat, ohne insoweit Weisungen zu erhalten.

64 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gemeinschaftsrichter im Rahmen der Untersuchung der Frage, ob mehrere zu einer Gruppe gehörende Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden, geprüft hat, ob das Mutterunternehmen die Preispolitik (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, ICI/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Randnr. 137, und Geigy/Kommission, 52/69, Slg. 1972, 787, Randnr. 45), die Herstellungs- und Vertriebsaktivitäten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 6. März 1974, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, Randnrn. 37 und 39 bis 41), die Verkaufsziele, die Bruttomargen, die Verkaufskosten, den ‚cash flow‘, die Lagerbestände und das Marketing (Urteil des Gerichts vom 12. Januar 1995, Viho/Kommission, T-102/92, Slg. 1995, II-17, Randnr. 48) beeinflussen konnte. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass nur diese Aspekte unter den Begriff der Geschäftspolitik eines Tochterunternehmens fielen, wenn es um die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG in Bezug auf dessen Mutterunternehmen geht.

65 Aus dieser Rechtsprechung in Verbindung mit den Erwägungen in den vorstehenden Randnrn. 57 und 58 ergibt sich vielmehr, dass es Sache des Mutterunternehmens ist, dem Gericht alle Angaben in Bezug auf die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen ihm und seinem Tochterunternehmen zur Würdigung vorzulegen, die seiner Ansicht nach dem Nachweis dienen könnten, dass sie keine wirtschaftliche Einheit darstellen. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich ferner, dass das Gericht bei seiner Würdigung alle Angaben berücksichtigen muss, die ihm die Parteien vorlegen, wobei deren Charakter und Bedeutung je nach den Merkmalen des jeweiligen Falls variieren können.

66 Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob Akzo Nobel und ihre Tochterunternehmen, die Adressaten der [streitigen] Entscheidung sind, eine wirtschaftliche Einheit bilden.“

28 Das Gericht hat sodann in den Randnrn. 67 bis 85 des angefochtenen Urteils die einzelnen Aktenstücke geprüft und entschieden, dass es den Rechtsmittelführerinnen nicht gelungen sei, die Vermutung zu widerlegen, wonach Akzo Nobel, die Muttergesellschaft, die 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaften, die Adressatinnen der streitigen Entscheidung seien, halte, einen beherrschenden Einfluss auf deren Geschäftspolitik ausübe. Es hat daraus geschlossen, dass dieses Unternehmen zusammen mit den anderen Rechtsmittelführerinnen ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilde, ohne dass zu prüfen sei, ob es einen Einfluss auf deren Verhalten ausgeübt habe, und hat den ersten Klagegrund zurückgewiesen.

29 Den zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 geltend gemacht wurde, da die Geldbuße 10 % des Umsatzes von Akzo Nobel Functional Chemicals im Jahre 2003 übersteige, und den dritten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht hinsichtlich der Haftung von Akzo Nobel als Gesamtschuldnerin gerügt wurde, hat das Gericht in den Randnrn. 90 und 91 bzw. 94 bis 96 des angefochtenen Urteils zurückgewiesen. In Randnr. 97 des angefochtenen Urteils hat es die bei ihm anhängige Klage insgesamt abgewiesen.


Anträge der Verfahrensbeteiligten

30 Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Rechtsmittelführerinnen,

   das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit damit der Klagegrund einer fehlerhaften gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme von Akzo Nobel zurückgewiesen wurde;

die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie Akzo Nobel für die Zuwiderhandlung haftbar macht, und

der Kommission die gesamten Kosten aufzuerlegen, und zwar sowohl die des ersten Rechtszugs als auch die des Rechtsmittels, soweit sie den mit dem vorliegenden Rechtsmittel geltend gemachten Rechtsmittelgrund betreffen.

31 Die Kommission beantragt,

   das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

Zur Zulässigkeit

Zum Rechtsschutzinteresse der Rechtsmittelführerinnen mit Ausnahme von Akzo Nobel

32 Die Kommission macht geltend, dass nur Akzo Nobel Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Urteils habe, da der einzige Rechtsmittelgrund nur ihre Haftung betreffe. Das Rechtsmittel sei unzulässig in Bezug auf die anderen Rechtsmittelführerinnen, weil ihre Haftung bzw. die ihnen auferlegte Geldbuße nicht beanstandet würden.



33 Insoweit ist daran zu erinnern, dass das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses voraussetzt, dass das Rechtsmittel der Partei, die es eingelegt hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 8. April 2008, Saint-Gobain Glass Deutschland/Kommission, C-503/07 P, Slg. 2008, I-2217, Randnr. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34 Im vorliegenden Fall hat das angefochtene Urteil die streitige Entscheidung bestätigt, mit der die fünf Rechtsmittelführerinnen als Gesamtschuldnerinnen für die Zahlung der von der Kommission verhängten Geldbuße von 20,99 Millionen Euro herangezogen werden. Daraus folgt, dass Akzo Nobel Nederland, Akzo Nobel Chemicals International, Akzo Nobel Chemicals und Akzo Nobel Functional Chemicals ein Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Urteils haben (vgl. entsprechend Beschluss des Gerichts vom 2. August 2001, Saxonia Edelmetalle/Kommission, T-111/01 R, Slg. 2001, II-2335, Randnr. 17).

35 Wäre das angefochtene Urteil nämlich in Bezug auf die Haftung von Akzo Nobel aufzuheben, würde sich die Lage der Tochtergesellschaften insbesondere hinsichtlich der sich aus der Gesamtschuld ergebenden Implikationen verändern.

36 Unter diesen Umständen ist die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit bezüglich des Rechtsschutzinteresses von Akzo Nobel Nederland, Akzo Nobel Chemicals International, Akzo Nobel Chemicals und Akzo Nobel Functional Chemicals zurückzuweisen.


Zum Vorliegen eines neuen, erstmals im Rahmen des Rechtsmittels geltend gemachten Angriffsmittels

37 Die Kommission trägt weiter vor, dass der einzige Rechtsmittelgrund ein neues Angriffsmittel darstelle, das erstmals im Rahmen des Rechtsmittels vorgebracht worden und daher insoweit unzulässig sei, als es neue Gesichtspunkte enthalte, die die Rechtsmittelführerinnen vor dem Gericht nicht vorgetragen hätten. Mit diesem Angriffsmittel bestritten sie nämlich die Geltung der Vermutung, dass eine Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf eine Tochtergesellschaft ausübe, wenn sie deren Kapital zu 100 % halte, an sich, während sie vor dem Gericht diese Vermutung niemals bestritten, sondern durch den Versuch, sie zu widerlegen, anerkannt hätten, dass sie im vorliegenden Fall gelte. Auch das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zum maßgeblichen Gegenstand der Tätigkeit der Tochtergesellschaft, auf den sich der bestimmende Einfluss der Muttergesellschaft beziehe, sei unzulässig.

38 Nach Art. 118 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist Art. 42 § 2 der Verfahrensordnung, der das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens grundsätzlich ausschließt, auf das Verfahren vor dem Gerichtshof über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Gerichts anwendbar. Im Rahmen eines Rechtsmittels kann der Gerichtshof daher nur überprüfen, wie das Gericht die vor ihm erörterten Angriffs- und Verteidigungsmittel gewürdigt hat (vgl.u.a. Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C-229/05 P, Slg. 2007, I-439, Randnr. 61). Könnte nämlich eine Partei vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorbringen, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, so könnte sie den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, letztlich mit einem weiter reichenden Rechtsstreit befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u.a./Kommission, C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I-5425, Randnr. 165).

39 Insoweit ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerinnen vor dem Gericht als einzigen Klagegrund geltend gemacht haben, dass Akzo Nobel zu Unrecht als Gesamtschuldnerin in Haftung genommen worden sei, weil sie keinen bestimmenden Einfluss auf das Marktverhalten ihrer Tochtergesellschaften ausgeübt habe und daher mit ihnen keine wirtschaftliche Einheit bilde. Demnach ist das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen vor dem Gerichtshof zur Vermutung, dass eine Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf eine Tochtergesellschaft ausübe, wenn sie deren Kapital zu 100 % halte, als eine Erweiterung dieses Angriffsmittels zu sehen. Da dieses Vorbringen und dasjenige zum maßgeblichen Gegenstand der Tätigkeit der Tochtergesellschaft, auf den sich der bestimmende Einfluss der Muttergesellschaft bezieht, weiteres Vorbringen zur Geltung der Regeln über die Haftung von Akzo Nobel für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften darstellt, haben die Rechtsmittelführerinnen den Gegenstand des Rechtsstreits, der beim Gericht anhängig war, nicht abgeändert.

40 Das Rechtsmittel ist somit für zulässig zu erklären.




Zur Begründetheit

41 Mit ihrem einzigen Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen, dass das Gericht den Begriff „Unternehmen“ im Sinne der Art. 81 EG und 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 falsch angewandt habe, als es den Klagegrund zurückgewiesen habe, mit dem gerügt worden sei, dass Akzo Nobel zu Unrecht für die Zuwiderhandlung haftbar gemacht worden sei. Dieser Rechtsmittelgrund gliedert sich in zwei Teile.

Zum ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes: Fehlerhafte Bestimmung der der Kommission hinsichtlich der fehlenden Autonomie der Tochtergesellschaft obliegenden Beweislast

– Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

42 Die Rechtsmittelführerinnen tragen vor, das Gericht habe bei der Beurteilung der Frage, ob die Tochtergesellschaften von Akzo Nobel auf dem Markt eigenständig aufträten, einen verfehlten rechtlichen Maßstab angewandt.

43 Normalerweise obliege es der Kommission, den Beweis dafür zu erbringen, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden geschäftlichen Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausübe. Um diese Beweislast zu erleichtern, habe der Gerichtshof eine widerlegliche Vermutung aufgestellt.

44 In seinem Urteil Stora habe der Gerichtshof ausdrücklich klargestellt, dass die Tatsache, dass die Muttergesellschaft 100 % des Kapitals der Tochtergesellschaft halte, für sich genommen nicht ausreiche, um die Haftung der Muttergesellschaft festzustellen, wenn bestritten werde, dass diese einen bestimmenden geschäftlichen Einfluss auf die Tochtergesellschaft ausübe. In diesem Urteil sei der Gerichtshof somit den Überlegungen des Generalanwalts Mischo gefolgt, der in Nr. 48 seiner Schlussanträge in dieser Rechtssache ausgeführt habe, dass an die Beweislast der Kommission dafür, dass die Muttergesellschaft tatsächlich entscheidenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt habe, im Fall einer 100 %igen Kontrolle zwar geringere Anforderungen zu stellen seien, ein zusätzliches Element neben dem Beteiligungsgrad jedoch erforderlich bleibe, das aber in Indizien bestehen könne.

45 Die 100 %ige Beteiligung am Kapital der Tochtergesellschaft in Verbindung mit dem Vorliegen weiterer Indizien schaffe demnach eine Vermutung, dass die Tochtergesellschaft auf dem Markt nicht eigenständig auftrete. Die Kommission könne die ihr obliegende Beweislast daher nicht umgehen, indem sie lediglich darauf verweise, dass die Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft halte. Sie müsse auch andere Indizien dafür beibringen, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausübe. Das Gericht habe diesen Grundsatz verletzt, als es entschieden habe, dass die Kommission lediglich beweisen müsse, dass die Muttergesellschaft 100 % des Kapitals der Tochtergesellschaft halte, um daraus schließen zu können, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf deren Geschäftspolitik ausübe.

46 Darüber hinaus habe das Gericht in zwei anderen Urteilen, nämlich den Urteilen vom 15. September 2005, DaimlerChrysler/Kommission (T-325/01, Slg. 2005, II-3319), und vom 26. April 2007, Bolloré u.a./Kommission (T-109/02, T-118/02, T-122/02, T-125/02, T-126/02, T-128/02, T-129/02, T-132/02 und T-136/02, Slg. 2007, II-947), den in der vorstehenden Randnummer angeführten Grundsatz richtig angewandt, als es entschieden habe, dass die Tatsache, dass die Muttergesellschaft 100 % des Kapitals der Tochtergesellschaft halte, zwar ein starkes Indiz dafür sei, dass sie entscheidenden Einfluss auf das Marktverhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben könne, dass sie für sich genommen jedoch nicht ausreiche, um die Muttergesellschaft für das Verhalten der Tochtergesellschaft verantwortlich machen zu können, und ein zusätzliches Element neben dem Beteiligungsgrad erforderlich bleibe, das aber in Indizien bestehen könne.




47 Die Rechtsmittelführerinnen werfen dem Gericht auch vor, die der Kommission obliegende Beweislast erleichtert und damit ein Verständnis dieser Beweislast vertreten zu haben, das ihre Verteidigungsrechte verletze. Die Kommission sei nämlich verpflichtet, diese zusätzlichen Indizien im Sinne des Urteils Stora, wie die Rechtsmittelführerinnen es auslegten, im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte und nicht erst im Stadium der Entscheidung beizubringen. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte habe die Kommission ihre Absicht, Akzo Nobel als Gesamtschuldnerin in Anspruch zu nehmen, allein darauf gestützt, dass dieses Unternehmen 100 % des Kapitals der Unternehmen halte, die an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien. In der streitigen Entscheidung hingegen habe sie sich auch auf vorgeblich zusätzliche Indizien im Sinne des Urteils Stora gestützt, die konstruiert worden seien, indem die von den Rechtsmittelführerinnen in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte geltend gemachten Gesichtspunkte verfälscht worden seien.

48 Schließlich beanstanden die Rechtsmittelführerinnen Randnr. 62 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht mit der Entscheidung, dass zur Widerlegung der entsprechenden Vermutung nachzuweisen sei, dass diese Tochtergesellschaft im Wesentlichen nicht die von der Muttergesellschaft ausgegebenen Leitlinien anwende, eine Lösung gewählt habe, die darauf hinauslaufe, dass diese Vermutung nur widerlegt werden könne, wenn die Muttergesellschaft Leitlinien ausgegeben habe.

49 Die Kommission macht geltend, dass der Umstand, dass die Tochtergesellschaft eigene Rechtspersönlichkeit besitze, nicht ausschließe, dass ihr Verhalten der Muttergesellschaft zugerechnet werden könne; dies gelte insbesondere dann, wenn die Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten nicht autonom bestimme, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolge. Es brauche nicht geprüft zu werden, ob diese von der Möglichkeit, die Geschäftspolitik ihrer Tochtergesellschaft entscheidend zu beeinflussen, tatsächlich Gebrauch gemacht habe, wenn sie deren Kapital zu 100 % halte.

50 Der Gerichtshof habe diesen Grundsatz im Urteil Stora nicht in Frage gestellt. Er habe anerkannt, dass zu vermuten sei, dass die Muttergesellschaft, wenn sie zu 100 % an der Tochtergesellschaft beteiligt sei, ihre Befugnis, das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft zu beeinflussen, tatsächlich ausübe. Als der Gerichtshof in Randnr. 29 des Urteils Stora entschieden habe, dass sich das Gericht auf diese Vermutung stützen dürfe, insbesondere nachdem es festgestellt habe, dass sich die Muttergesellschaft im Verwaltungsverfahren gegenüber der Kommission in Bezug auf die betreffende Zuwiderhandlung als alleiniger Gesprächspartner präsentiert habe, habe er auf diesen letzten Gesichtspunkt nur ergänzend – als ein weiteres, für die Zurechnung der Zuwiderhandlung an die Muttergesellschaft sprechendes Element – hingewiesen.

51 In einer Reihe von Urteilen habe das Gericht diese Vermutung unter Verweis auf das Urteil Stora herangezogen, ohne ihre Geltung von der Beibringung zusätzlicher Indizien abhängig zu machen. Die angeführten Urteile DaimlerChrysler/Kommission und Bolloré u.a./Kommission stellten die Geltung dieser Vermutung nicht in Frage. In diesen beiden Urteilen habe das Gericht nämlich den Begriff der Kontrolle über die Tochtergesellschaft mit dem der Ausübung dieser Kontrolle vermischt, wobei nur Letztere vermutet werde, wenn die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft halte. Ferner seien die zusätzlichen Indizien bei der Würdigung der zur Widerlegung der Vermutung vorgelegten Beweise geprüft worden.

52 Zum Vorbringen der Verletzung der Verteidigungsrechte macht die Kommission geltend, dass die Geltung von Vermutungen im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft nichts Ungewöhnliches sei. Mit der Ankündigung dem betreffenden Unternehmen gegenüber, dass sie sich auf eine Vermutung zu stützen beabsichtige, gebe die Kommission diesem Unternehmen Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen und ihr alles vorzulegen, was seine Auffassung stützen könne. Da es das Unternehmen sei, das über alle Informationen über seine interne Organisation verfüge, sei diese Verteilung der Beweislast nur folgerichtig.

53 Die Beanstandung der Randnr. 62 des angefochtenen Urteils beruht nach Auffassung der Kommission auf einem falschen Verständnis eines Satzes, der aus dem Zusammenhang gerissen worden sei. Das Gericht habe sagen wollen, dass eine Tochtergesellschaft eine autonome wirtschaftliche Einheit sei, wenn sie den Leitlinien ihrer Muttergesellschaft nicht folge. Dies könne der Fall sein, weil entweder keine Leitlinien gegeben worden seien oder weil sie nicht befolgt würden.

– Würdigung durch den Gerichtshof

54 Vorab ist festzustellen, dass das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft die Tätigkeit von Unternehmen betrifft (Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u.a./Kommission, C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Randnr. 59) und dass der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung umfasst (vgl.u.a. Urteile Dansk Rørindustri u.a./Kommission, Randnr. 112, vom 10. Januar 2006, Cassa di Risparmio di Firenze u.a., C-222/04, Slg. 2006, I-289, Randnr. 107, und vom 11. Juli 2006, FENIN/Kommission, C-205/03 P, Slg. 2006, I-6295, Randnr. 25).

55 Der Gerichtshof hat ferner klargestellt, dass in diesem Zusammenhang unter dem Begriff des Unternehmens eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen ist, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (Urteil vom 14. Dezember 2006, Confederación Española de Empresarios de Estaciones de Servicio, C-217/05, Slg. 2006, I-11987, Randnr. 40).

56 Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C-49/92 P, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 145, vom 16. November 2000, Cascades/Kommission, C-279/98 P, Slg. 2000, I-9693, Randnr. 78, und vom 11. Dezember 2007, ETI u.a., C-280/06, Slg. 2007, I-10893, Randnr. 39).

57 Die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft muss eindeutig einer juristischen Person zugerechnet werden, gegen die Geldbußen festgesetzt werden können, und die Mitteilung der Beschwerdepunkte muss an diese gerichtet werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Aalborg Portland u.a./Kommission, Randnr. 60, und vom 3. September 2009, Papierfabrik August Koehler u.a./Kommission, C-322/07 P, C-327/07 P und C-338/07 P, Randnr. 38). In der Mitteilung der Beschwerdepunkte muss auch angegeben werden, in welcher Eigenschaft einer juristischen Person die behaupteten Tatsachen zur Last gelegt werden.

58 Nach ständiger Rechtsprechung kann einer Muttergesellschaft das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt (vgl. in diesem Sinne Urteile ICI/Kommission, Randnrn. 132 und 133, Geigy/Kommission, Randnr. 44, vom 21. Februar 1973, Europemballage und Continental Can/Kommission, 6/72, Slg. 1973, 215, Randnr. 15, und Stora, Randnr. 26), und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden (vgl. entsprechend Urteile Dansk Rørindustri u.a./Kommission, Randnr. 117, und ETI u.a., Randnr. 49).

59 Dies liegt darin begründet, dass in einem solchen Fall die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und damit ein Unternehmen im Sinne der in den Randnrn. 54 und 55 des angefochtenen Urteils angeführten Rechtsprechung bilden. Weil eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, kann die Kommission demnach eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre.

60 In diesem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verstoßen hat, kann zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben (vgl. in diesem Sinne Urteil ICI/Kommission, Randnrn. 136 und 137) und besteht zum anderen eine widerlegliche Vermutung, dass diese Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteile AEG/Kommission, Randnr. 50, und Stora, Randnr. 29).

61 Unter diesen Umständen genügt es, dass die Kommission nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält, um anzunehmen, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieses Tochterunternehmens ausübt. Die Kommission kann in der Folge dem Mutterunternehmen als Gesamtschuldner die Haftung für die Zahlung der gegen dessen Tochterunternehmen verhängten Geldbuße zuweisen, sofern die vom Mutterunternehmen, dem es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, vorgelegten Beweise nicht für den Nachweis ausreichen, dass sein Tochterunternehmen auf dem Markt eigenständig auftritt (vgl. in diesem Sinne Urteil Stora, Randnr. 29).



62 Wie das Gericht in Randnr. 61 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, hat der Gerichtshof zwar in den Randnrn. 28 und 29 des Urteils Stora neben der 100 %igen Kapitalbeteiligung an dem Tochterunternehmen weitere Umstände, wie das Nichtbestreiten des vom Mutterunternehmen auf die Geschäftspolitik seines Tochterunternehmens ausgeübten Einflusses und die gemeinsame Vertretung der beiden Unternehmen im Verwaltungsverfahren, angeführt, doch wurden diese Umstände vom Gerichtshof nur erwähnt, um die Gesamtheit der Gesichtspunkte aufzuführen, auf die das Gericht seine Argumentation gestützt hatte, und nicht, um die Geltung der in Randnr. 60 des vorliegenden Urteils genannten Vermutung von der Beibringung zusätzlicher Indizien für die tatsächliche Einflussnahme durch die Muttergesellschaft abhängig zu machen.

63 Nach alledem hat das Gericht rechtsfehlerfrei entschieden, dass bei einer 100 %igen Kapitalbeteiligung einer Muttergesellschaft an ihrer Tochtergesellschaft eine widerlegliche Vermutung besteht, dass diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt.

64 Da die Kommission demnach nicht verpflichtet ist, im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte hinsichtlich der Zurechnung der Zuwiderhandlung andere Gesichtspunkte als den Beweis, dass die Muttergesellschaft das Kapital ihrer Tochtergesellschaften hält, anzuführen, kann das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, dass ihre Verteidigungsrechte verletzt worden seien, nicht durchgreifen.

65 Zur Beanstandung der Randnr. 62 des angefochtenen Urteils genügt die Feststellung, dass aus dieser Randnummer keineswegs folgt, dass das Gericht die Möglichkeiten, die in Randnr. 60 des vorliegenden Urteils genannte Vermutung zu widerlegen, auf Fälle verengt hat, in denen die Muttergesellschaft Leitlinien ausgegeben hat. Vielmehr ergibt sich aus den Randnrn. 60 und 65 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht insoweit eine recht weite Auffassung vertreten hat, als es insbesondere entschieden hat, dass es Sache der Muttergesellschaft ist, dem Gericht alle Angaben in Bezug auf die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen ihr und ihrer Tochtergesellschaft zur Würdigung vorzulegen, die dem Nachweis dienen könnten, dass sie keine wirtschaftliche Einheit bilden.

66 Mithin ist der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.





Zum zweiten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes, mit dem eine falsche Bestimmung des Begriffs der Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft gerügt wird

– Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

67 Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass andere als die in Randnr. 64 des angefochtenen Urteils genannten Aspekte zur Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft, auf die die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss ausübe, gehörten und dass Gesichtspunkte, die sich auf die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft bezögen, für die Prüfung der Autonomie der Tochtergesellschaft relevant seien.

68 Die Geschäftspolitik beziehe sich auf das Marktverhalten und sei auf die Herstellung von Waren bzw. die Erbringung von Dienstleistungen beschränkt, die ein Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen an Verbraucher auf einem bestimmten Gebiet und zu einem bestimmten Zeitpunkt verkaufe. Sie umfasse keine anderen Aspekte.

69 Eine Ausdehnung des Begriffs der Geschäftspolitik über das Marktverhalten der Tochtergesellschaft hinaus hätte die Einführung einer verschuldensunabhängigen Haftung zur Folge, was dem durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs gewährleisteten Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit widerspreche.

70 Die Kommission trägt vor, dass die Frage, ob der Begriff der Geschäftspolitik eng oder weit auszulegen sei, für die Beantwortung der Frage, ob es sich um ein einheitliches Unternehmen handle, unerheblich sei, da der Gerichtshof hierbei eher die wirtschaftlichen und organisatorischen Verbindungen zwischen den Unternehmen berücksichtige.

71 Zum Vorbringen, es werde eine verschuldensunabhängige Haftung eingeführt, stellt die Kommission fest, dass es im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft keinen Grundsatz der verschuldensunabhängigen Haftung gebe, da den Unternehmen in den Entscheidungen der Kommission keine Verantwortlichkeit zugeschrieben werde, wenn diese nicht nachgewiesen sei. Es widerspreche dem Grundsatz der persönlichen Haftung nicht, wenn eine Muttergesellschaft für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft, deren Kapital sie zu 100 % halte, verantwortlich gemacht werde.

– Würdigung durch den Gerichtshof

72 Wie in Randnr. 58 des vorliegenden Urteils ausgeführt, kann einer Muttergesellschaft das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt.

73 Daraus folgt, wie die Generalanwältin in den Nrn. 87 bis 94 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, dass das Marktverhalten der Tochtergesellschaft nicht den einzigen Anknüpfungspunkt bildet, der eine Zurechnung der Verantwortlichkeit an die Muttergesellschaft erlaubt, sondern nur ein Indiz für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit ist.

74 Aus Randnr. 58 des vorliegenden Urteils ergibt sich auch, dass bei der Prüfung der Frage, ob eine Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten autonom bestimmt, nicht nur die in Randnr. 64 des angefochtenen Urteils angeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, sondern auch sämtliche im Zusammenhang mit ihren wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verbindungen zur Muttergesellschaft relevanten Gesichtspunkte, die von Fall zu Fall variieren und daher nicht abschließend aufgezählt werden können.



75 Daraus folgt, dass dem Gericht hinsichtlich des Bereichs, in dem die Muttergesellschaft Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft nimmt, kein Rechtsfehler unterlaufen ist.

76 Diese Feststellung wird durch das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zu einer verschuldensunabhängigen Haftung nicht entkräftet.

77 Wie sich aus Randnr. 56 des vorliegenden Urteils ergibt, beruht das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft auf dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit der wirtschaftlichen Einheit, die die Zuwiderhandlung begangen hat. Ist die Muttergesellschaft Teil dieser wirtschaftlichen Einheit, die, wie in Randnr. 55 des vorliegenden Urteils ausgeführt, aus mehreren juristischen Personen bestehen kann, wird sie gesamtschuldnerisch mit den anderen diese Einheit bildenden juristischen Personen für diese wettbewerbsrechtlichen Verstöße haftbar gemacht. Denn selbst wenn die Muttergesellschaft nicht unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligt war, übt sie in einem solchen Fall einen bestimmenden Einfluss auf die Tochtergesellschaften aus, die daran beteiligt waren. In diesem Zusammenhang kann die Haftung der Muttergesellschaft daher nicht als eine verschuldensunabhängige Haftung angesehen werden.

78 Folglich greift der zweite Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes nicht durch, und das Rechtsmittel ist insgesamt zurückzuweisen.

Kosten

79 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen, wie von der Kommission beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

  1.  Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

  2.  Die Akzo Nobel NV, die Akzo Nobel Nederland BV, die Akzo Nobel Chemicals International BV, die Akzo Nobel

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