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Landgericht Bielefeld Urteil vom 12.08.2008 - 10 O 36/08 - Zur Unzulässigkeit der Werbung für ein diätetisches Lebensmittel mit Krankheitsbezug (Bluthochdruck)
LG Bielefeld v. 12.08.2008: Zur Unzulässigkeit der Werbung für ein diätetisches Lebensmittel mit Krankheitsbezug (Bluthochdruck)
Das Landgericht Bielefeld (Urteil vom 12.08.2008 - 10 O 36/08) hat entschieden:
Gem. § 12 Abs. 2 S. 2 LFGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Diätverordnung gilt auch für diätetische Lebensmittel das Verbot krankheitsbezogener Werbung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB. Auch in der Werbung für ein diätetisches Lebensmittel darf nicht der Eindruck erweckt werden, es diene der Beseitigung, Verhütung oder Linderung bestimmter Krankheiten. Lebensmittel sollen grundsätzlich nicht der Verhütung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten dienen. Insbesondere soll die Furcht vor Krankheiten nicht für Werbeaussagen instrumentalisiert oder der Verbraucher davon abgehalten werden, rechtzeitig den Arzt aufzusuchen. Ferner soll gerade eine nicht verantwortliche Selbstmedikation des Verbrauchers vermieden werden.
Siehe auch Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel
Tatbestand:
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interesse seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Werbung im geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise für das von der Beklagten vertriebene Mittel „Telcor® Arginin plus“. Die Beklagte bringt dieses Mittel als „diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke „mit der Zweckbestimmung zur Behandlung von Frühstadien der Arterienverkalkung (allgemeine artierielle Sklerose), Bluthochdruck, erhöhtem Homocysteinspiegel sowie gestörter Gefäßfunktion bei diabetis mellitus.
Für dieses Mittel warb die Beklagte in der Zeitungsbeilage „RTV“ Nr. 4 vom 26. Januar bis 01. Februar 2008 auf Seite 31 mit der im Tenor zu Ziff. 1 wiedergegebenen Anzeige, die die beanstandeten Angaben – wie tenoriert – enthält.
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 29.01.2008 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Mit Schreiben vom 12.02.2008 lehnte die Beklagte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab.
Der Kläger meint, die Werbung der Beklagten sei krankheitsbezogen und damit nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB außerhalb der Fachkreise verboten.
Der Kläger beantragt,
Der Beklagten wird es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten untersagt,
im geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise für das Mittel „Telcor® Arginin plus“ zu werben:
„Gesunder Blutdruck!“,
wenn dies geschieht wie gemäß nachstehend wiedergegebener Anzeigenwerbung
„Der Blutdruck wird hauptsächlich in den Arterien durch einen natürlichen Botenstoff reguliert. Elastische Gefäße werden dadurch nach Bedarf eng oder weit gestellt. Geht diese Fähigkeit verloren, verhärten die Arterien und der Blutdruck steigt. Die Gefäßinnenhaut wird zudem schneller verletzt, und es können sich Plaques bilden. Dieser blutdruckregulierende Botenstoff wird ausschließlich aus dem natürlichen Eiweißbaustein Arginin freigesetzt“,
„Hilfe aus der Natur
Durch die Ernährung nehmen wir oft zu wenig Arginin zu uns. Einseitige Ernährung, verbunden mit anderen Risikofaktoren können dem Körper die Möglichkeit nehmen, selber das Blutdruckgeschehen zu regulieren. Deshalb gilt: Auf eine ausreichende Versorgung mit Arginin achten! Mit z.B. Telcor Arginin plus … gibt es ein hochwertiges Natur-Produkt für Ihren gesunden Blutdruck“;
„zur diätischen Behandlung von Bluthochdruck“.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, für das Produkt dürfe als ergänzend bilanzierte Diät im Sinne des § 1 Abs. 4a Nr. 2b Diätverordnung auch gegenüber Endverbrauchern geworben werden. Insoweit sei unter europarechtskonformer Auslegung des § 12 Abs. 1 LFGB geboten, in der Werbung das zuzulassen, was auch durch die Pflichtkennzeichnungselemente des § 21 Diätverordnung vorgeschrieben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten gem. § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2; 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB, Abs. 2; 3 Abs. 1 Diätverordnung die Unterlassung der Bewerbung des Produkts „Telcor® Arginin plus“ in der streitgegenständlichen Art als diätetisches Lebensmittel zur Behandlung von Bluthochdruck verlangen.
Der Kläger ist im Sinne von § 8 Ziff. 2 UWG klagebefugt.
Bei dem von der Beklagten vertriebenen und beworbenen Produkt handelt es sich nach übereinstimmendem Parteivortrag um ein diätetisches Lebensmittel, u.a. zur Behandlung von Bluthochdruck. Nach dem Beipackzettel des Produkts sieht die diätetische Anwendung von Telcor® Arginin plus speziell auf die Verbesserung einer gestörten Gefäßfunktion (endotheliale Disfunktion), auf deren Grundlage sich die Arteriosklerose entwickelt und fortschreitet. Es wurde für die Gefäßgesundheit nach neuesten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse für Erwachsene mit Bluthochdruck und Arterienverkalkung entwickelt und auf die speziellen Ernährungserfordernisse dieser Patienten sorgfältig abgestimmt.
Aus dieser Zweckbeanstandung des von der Beklagten vertriebenen Produkts folgt, dass die beanstandeten Werbeaussagen nicht rein gesundheitsbezogen, sondern krankheitsbezogen i.S.v. § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB sind. Denn das Mittel soll seiner Zweckbestimmung nach den Verbraucherkreis von Erwachsenen mit Bluthochdruck und Arterienverkalkung ansprechen.
Gem. § 12 Abs. 2 S. 2 LFGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Diätverordnung gilt auch für diätetische Lebensmittel das Verbot krankheitsbezogener Werbung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB. Auch in der Werbung für ein diätetisches Lebensmittel darf nicht der Eindruck erweckt werden, es diene der Beseitigung, Verhütung oder Linderung bestimmter Krankheiten, vgl. OLG Hamm, 4 U 194/06 v. 07.08.2007. Insoweit kann die Werbeaussage der Beklagten vom Verbraucher nur dahin verstanden werden, dass das streitgegenständliche Produkt geeignet sei, Bluthochdruck zu vermeiden oder zu lindern.
Die Ausnahmen des § 3 Abs. 2 Diätverordnung liegen ersichtlich nicht vor und werden von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
Die Beklagte kann sich für die Zulässigkeit der beanstandeten Werbung auch nicht auf die ihr nach § 21 Diätverordnung obliegende Kennzeichnungspflicht stützen.
Zum einen werden die zur Kennzeichnung des diätetischen Lebensmittel nach § 21 Diätverordnung erforderlichen Angaben in der beanstandeten Werbung überhaupt nicht umgesetzt. So ist insbesondere ein Hinweis darauf, dass das Lebensmittel unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden muss, nicht enthalten.
Zum anderen ist das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung außerhalb der Fachkreise durch ganz erhebliche Interessen der Allgemeinheit, insbesondere der Volksgesundheit gerechtfertigt und kann deshalb die Grundrechte der Gewerbetreibenden aus Art. 5 und 12 Grundgesetz zulässigerweise einschränken. Lebensmittel sollen grundsätzlich nicht der Verhütung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten dienen. Insbesondere soll die Furcht vor Krankheiten nicht für Werbeaussagen instrumentalisiert oder der Verbraucher davon abgehalten werden, rechtzeitig den Arzt aufzusuchen. Ferner soll gerade eine nicht verantwortliche Selbstmedikation des Verbrauchers vermieden werden.
Aus diesen Gründen stehen die nationalen Regelungen auch im Einklang mit dem europäischen Lebensmittelrecht. Aus den genannten Schutzzwecken darf außerhalb der Fachkreise, außerhalb der nach § 3 Abs. 2 zugelassenen Ausnahmen und außerhalb der Kennzeichnung keine Werbung mit Krankheitsbezug vorgenommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.