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OLG Hamburg Urteil vom 29.01.2009 - 3 U 54/08 - Zur Eigenschaft eines Extrakts aus Ginkgo-biloba-Blättern als Nahrungsergänzungsmittel in der Form als "sonstiger Stoff mit physiologischer Wirkung"

OLG Hamburg v. 29.01.2009: Zur Eigenschaft eines Extrakts aus Ginkgo-biloba-Blättern als Nahrungsergänzungsmittel in der Form als "sonstiger Stoff mit physiologischer Wirkung"


Das OLG Hamburg (Urteil vom 29.01.2009 - 3 U 54/08) hat entschieden:
Da Nahrungsergänzungsmittel in § 1 NemV als Lebensmittel definiert sind, gelten in Ermangelung einer Legaldefinition und in Ermangelung spezieller Regelungen für die sonstigen Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung mithin die allgemeinen Regeln des Lebensmittelrechts. Sind die allgemeinen Regelungen des Lebensmittelrechts anwendbar, so gelten die Vorschriften des LFGB und die lebensmittelrechtlichen Vorschriften der Gemeinschaft. Ein Produkt, das pro Kapsel 100 mg eines Extrakts aus Ginkgo-biloba-Blättern in der Spezifikation der Positivmonographie mit 7% Terpenlaktonen (Ginkgolide und Bilobalid) und ca. 24 Prozent Flavonglycosiden sowie weniger als 5 ppm Ginkgolsäure enthält, ist als "sonstiger Stoff mit physiologischer Wirkung" ein Nahrungsergänzungsmittel.




Siehe auch Gesundheitsprodukte und Stichwörter zum Theme Onlinehandel mit verschiedenen Produkten


Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Herstellerin des Ginkgo biloba-Extrakt E.… ® und vertreibt Arzneimittel auf Basis von Gingko biloba-Extrakt u.a. unter der Marke T.… ®.

Die Antragsgegnerin bewirbt und vertreibt Nahrungsergänzungsmittel unter den Bezeichnungen „GINKGO … G.… Kapseln“, „GINKGO … B.… Kapseln“, „GINKGO BILOBA + Q.… Kapseln“ sowie „GINKGO BILOBA + Q.… B.… Kapseln“ (Kopien der Verpackungen Anlagen AST 1 bis AST 4). Jedes dieser Produkte enthält je 100 mg Ginkgo bioloba-Extrakt. An Mengenanteilen der Kapselfüllung sollen die beiden Ginkgo-Monopräparate nach der Packungsaufschrift jeweils 20 % Ginkgo biloba-Trockenextrakt und die beiden Kombinationspräparate jeweils 18 % enthalten. Die Verzehrempfehlung lautet für Erwachsene jeweils auf eine Kapsel pro Tag.

Nach einer von der Antragstellerin veranlassten Analyse des Präparates „GINKGO … G.… Kapseln“ enthält eine Kapsel 7 % Terpenlaktone (Ginkgolide und Bilobalid) und ca. 24 % Flavonglycoside sowie weniger als 5 ppm Ginkgolsäure, jeweils bezogen auf den Gingko biloba-Extrakt (eidesstattliche Versicherung Dr. L.… vom 21.01.08, Anlage Ast 21). Der verwendete Extrakt fällt damit unter die Spezifikation der Positivmonographie „Trockenextrakt (35–67: 1) aus Ginkgo-biloba-Blättern, extrahiert mit Aceton-Wasser“ (veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 133 vom 19.07.1994), der auch die von der Antragstellerin in ihren Arzneimitteln verwendeten Extrakte entsprechen (siehe etwa die eidesstattliche Versicherung Dr. T.… vom 17.04.2008, Anlage AST 35).

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass diese Produkte als Lebensmittel nicht verkehrsfähig seien. Bei den Ginkgo biloba-Blättern und deren Zubereitungen handele es sich um einen den Lebensmittel-Zusatzstoffen gleichgestellten Stoff gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 LFGB, der mangels Zulassung nicht in den Verkehr gebracht werden dürfe (§§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 6 Abs. 1 Nr. 1a, Nr. 2 LFGB). Weiter seien Produkte mit dem streitgegenständlichen Extrakt in jedem Fall als unsicher im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der EG-Basis-VO 178/2002 anzusehen.

Die hier zu beurteilenden Ginkgoextrakte würden aus Ginkgoblättern gewonnen, die traditionell nie als Lebensmittel verwendet worden seien (Gutachten Prof.M.…, Anlage Ast 9). Ginkgo biloba- Blätter und deren Zubereitungen seien nicht sichere Lebensmittel im Sinne von Art. 14 EG-Basis-VO. Dazu reiche nach dem Vorsorgeprinzip eine entsprechende Eignung aus. Nach der Monographie „Ginkgo folium (Ginkgo-biloba-Blätter)“ < BAnZ Nr. 133 vom 19.07.1994, Anlage Ast 10 > liege zur Pharmakologie und Toxikologie solcher Blattextrakte kein ausreichendes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vor; auf Grund des Gehalts an Ginkgolsäuren als potente Kontaktallergene sei ein allergenes Risiko nicht auszuschließen (Anlage Ast 10). Nach „H.… Handbuch der Pharmazeutischen Praxis“ (CD-ROM 2006) enthielten Ginkgo Blätter Ginkgolsäuren aus der Gruppe der Alkylphenole, die ein allergenes, zytotoxisches, mutagenes und tumorpromovierendes Potential aufwiesen (Anlage Ast 11). Nach einer Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft seien Patienten, die Ginkgo biloba-Extrakte einnähmen, bei Operationen einer erhöhten Blutungsgefahr ausgesetzt. Eine solche Gefahr sei auch gegeben, wenn der Patient gerinnungshemmende Medikamente erhalte (Anlage Ast 12). Nach der Auflistung der ad-hoc-Arbeitsgruppe des ALS (Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des BgVV/BVL) aus dem Jahre 2002 (Anlage Ast 13), existiere für Ginkgo biloba-Blätter und Erzeugnisse, die unter Verwendung dieser Pflanzenteil hergestellt würden, keine Verkehrsauffassung als Lebensmittel, sondern nur als Arzneimittel. Für die rechtliche Beurteilung von Lebensmitteln, die mit Pflanzenteilen von Ginkgo biloba in den Verkehr gebracht würden, komme danach nur die Beurteilung als nicht zugelassenes Arzneimittel, als nicht zugelassener Zusatzstoff (§ 11 LMBG) oder als neuartiges Lebensmittel in Betracht.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 27. November 2007 bei Meidung von Ordnungsmitteln antragsgemäß untersagt,
ein Produkt mit dem Inhaltsstoff Ginkgo biloba Extrakt als Nahrungsergänzungsmittel oder sonstiges Lebensmittel in den Verkehr zu bringen,
insbesondere wie aus der Anlage AST 1, ANLAGE AST 2, Anlage AST 3 und ANLAGE AST 4 ersichtlich unter den Bezeichnungen „GINKGO … G.… Kapseln“, „GINKGO … B.… Kapseln“, „GINKGO BILOBA + Q.… Kapseln“ sowie „GINKGO BILOBA + Q.… B.… Kapseln“ vertriebenen Produkte.

In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch hat die Antragsgegnerin zunächst ausgeführt, dass die beanstandeten Produkte mangels jeglicher pharmakologischer Wirkung keine Arznei-, sondern Lebensmittel seien. Die von der Antragstellerin beanstandeten Produkte enthielten keine Extrakte, die nach der von jener angeführten (Negativ-)Monographie hergestellt worden seien, sondern den Extrakt nach der (Positiv-)Monographie der Kommission E „Trockenextrakt (35–67: 1) aus Ginkgo-biloba-Blättern, extrahiert mit Aceton-Wasser“ (BAnZ Nr. 133 vom 19.07.1994), die sich auf den von der Antragstellerin als Arzneimittel verwendeten Extrakt beziehe. Die dort als therapeutisch wirksam angenommene Dosis werde von den angegriffenen Nahrungsergänzungsmitteln nicht erreicht.

Nach dem für die Antragsgegnerin erstatteten Gutachten des Lebensmittelchemikers Dr. V.… vom 31.12.2007 (Anlage AG 2) begegne eine Tagesverzehrmenge von – wie hier – 100 mg Ginkgoblätter-Extrakt (24 % Ginkgo Flavonolglycoside) keinen Bedenken. Es sei international üblich, Ginkgolextrakte, standardisiert auf 24 % Ginkgoflavonolglycoside und befreit von Ginkgolsäuren für Nahrungsergänzungen zu verwenden, wobei nicht mehr als 100 mg Verzehrmenge pro Tag vorgesehen seien. Flavonide kämen in pflanzlichen Lebensmitteln in Größenordnungen von 35 mg (Kartoffeln) bis 2 000 mg (Schwarze Johannisbeeren) pro 100 g vor. Eine Gesundheitsgefährdung bestehe nicht, wenn der Ginkgolsäuregehalt – wie hier – unter 5 ppm (mg/kg) gehalten werde.

In Deutschland gebe es eine Vielzahl ginkgolhaltiger Lebensmittel („M.…-Tee“ und „A.…-Tee“ der Fa. M.…, „W.…-Tee von T.…, „J.… T.…“ Teemischung von S.…, „S.… R.… Ginkgo“ aus frischen Ginkgoblättern, das Kochrezept „B.… Ginkgo“ mit 300 g kleingehackten Ginkgoblättern, „Y.… B.… A.… K.… – K.… G.…“ von T.… N.P., „N.…/Ginkgo/G.… Tea“ ginkgohaltiges Erfrischungsgetränk von R.…, „B.… B.… Ginkgo G.…“ enzymhaltiges Erfrischungsgetränk der B.… F.…, „A.… M.…-G.… von B.…, „B.… C.…-Ginkgo“ von V.…, Ginkgo-Getränke der Marke „C.… d….“, W.…-Getränk von E.… mit natürlichen Pflanzenextrakten so.u.a. Ginkgo, Anlage AG 7 und als Nahrungsergänzungsmittel „Dr. S.… Ginkgo Kapseln“, „Dr. G.… Ginkgo Kapseln“).

Nach einer ergänzenden Stellungnahme des ALS zur Frage, ob Kräutertees mit Ginkgoblättern verkehrsfähig seien, habe der Arbeitskreis seine von der Antragstellerin eingeführte Stellungnahme überdies revidiert und mitgeteilt, dass sich diese nur auf die Pflanzenteile als solche beziehe, nicht aber auf Erzeugnisse, denen diese zugesetzt werden (Zusätzliche Information der ALS aus März 2003, Anlage AG 8). Soweit nicht pharmakologisch wirksam, sei der Zusatz zu Lebensmitteln zulässig, wobei die Prüfung, ob es sich um eine neuartige Zutat handele, unberührt bleibe.

In Österreich seien Lebensmittel mit einer Dosierung von weniger als 160 mg an löslichem Extrakt verkehrsfähig (Anlage AG 10). Das gleiche gelte für die Niederlande (Anlage AG 11).

Der verwendete Gingko biloba-Extrakt sei auch kein Zulassungspflichtiger Zusatzstoff der Produkte, sondern präge deren Charakter und sei damit charakteristischer Bestandteil dieser Lebensmittel. Es handele sich jeweils auch um die Zutat eines Lebensmittels im Sinne der Legaldefinition in § 5 Abs. 1 LMKV. Schließlich sei der Ginkgo biloba-Extrakt auch natürlicher Herkunft und werde nach allgemeiner Verkehrsauffassung überwiegend zu Ernährungszwecken verwendet, wozu es entscheidend nur auf die Verbrauchererwartung ankomme.

Die beanstandeten Produkte seien auch keine unsicheren Lebensmittel im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der BasisVO 178/2002/EG. Zum Beleg dieser Tatbestandsvoraussetzung reichten hypothetische Vermutungen und wissenschaftlich nicht gesicherte Aussagen nicht aus, wozu auf die Rechtsprechung des OVG NRW verwiesen werde.

Die Antragstellerin hat erwidert, dass Ginkgoblätter und deren Zubereitungen gerade nicht aus ernährungsphysiologischen Gründen aufgenommen würden, wozu ergänzend noch auf das führende Lehrbuch von Wichtl über Teedrogen (2002) verwiesen wird (Anlage Ast. 16). Dort werde für Ginkgoblätter festgestellt, dass eine Teezubereitung nicht üblich sei, sondern Ginkgoblätter ausschließlich zur Herstellung von Spezialextrakten für Arzneimittel Anwendung fänden.

Einen „Ginkgo-Stoff“ als solchen als charakteristische Zutat gebe es nicht, da es je nach Herstellungsverfahren quantitativ und qualitativ sehr unterschiedliche Extrakte gebe (Aye und Müller „Ginkgo-Extrakte“, MMW 133 (1991), S. 58 ff, Anlage Ast 17). Für die von der Antragsgegnerin aufgeführten Produkte sei hinsichtlich ihrer Marktrelevanz nichts glaubhaft gemacht. Zur Art und dem Distributionsgrad der nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin auf dem Markt befindlichen Produkte überreicht die Antragstellerin die eidesstattliche Versicherung ihres Mitarbeiters Krüger als Anlage Ast. 24.

Die Antragstellerin hat zudem weitere Ausführungen zu Art. 14 EG-BaisVO gemacht und dazu u.a. darauf verwiesen, dass Ginkgo biloba im Gegensatz zum Vorbringen der Antragsgegnerin von der FDA gerade nicht den sog „GRAS-Status“ (Generally Recognized AS Safe) erhalten habe (Anlage Ast 19).

Das Landgericht hat seine einstweilige Verfügung mit Urteil vom 12. Februar 2008 aufgehoben und den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Auf Tatbestand und Gründe des landgerichtlichen Urteils wird verwiesen (Blätter 88 bis 99 d.A.).

Mit ihrer gegen dieses Urteil form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Antragstellerin den Unterlassungsanspruch weiter.

Sie führt ergänzend aus:

Auf Grundlage der im Labor der Antragstellerin durchgeführten Analyse stehe fest dass der von der Antragsgegnerin verwendete Extrakt in die Spezifikation der (arzneilichen) Positivmonographie „Trockenextrakt (35–67: 1)…“ falle. Er sei damit als charakteristischer Arzneistoff entwickelt, geprüft und bestimmt, nicht aber zur Nahrungsergänzung.

Der Extrakt aus Ginkgoblättern könne bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise schon deswegen nicht als charakteristische Zutat in Lebensmitteln verwendet werden, weil er gerade nicht üblicherweise mit der Nahrung verzehrt werde, denn die Terpenlaktone (Ginkgloide und Bilobalid) und die Ginkgolsäuren fänden sich als spezifische Inhaltsstoffe allein in den Blättern des Ginkgobaumes und in sonst keiner Pflanze (Hänsler/Sticher, S. 803, Anlage Ast 22 und Gutachten Prof. M.… Anlage Ast 23).

Die Antragstellerin hält daran fest, dass es sich bei den beanstandeten Produkten um nicht sichere Lebensmittel handele, was im Einzelnen weiter ausgeführt wird und wozu als weitere Anlagen Auszüge aus dem Deutschen Arzneibuch und der Europäischen Monographie „Ginkgo dry extract, refined and quantified“ als Anlagen Ast 25 und 26 und eine eidesstattliche Versicherung von Dr. T.… zu den zu befürchtenden Nebenwirkungen als Anlage Ast. 27 vorgelegt werden.

Die Antragstellerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 12. Februar 2008 die einstweilige Verfügung wie mit Schriftsatz vom 23. November 2007 beantragt erneut zu erlassen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und bezieht sich zur Einstufung von Pflanzenextrakten als Nichtzusatzstoffe auf die Rechtsprechung des OVG NRW, das Urteil des OLG Köln zu einem Ginkgo-Extrakt enthaltenden Erfrischungsgetränk, sowie auf eine Stellungnahme der Stadt Karlsruhe zu Kieselerde (Anlage AG 12). Die Gleichstellungsregelung für Zusatzstoffe in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB sei im Hinblick auf die Zusatzstoff-Rahmenrichtlinie 89/107/EWG, mit der eine Vollharmonisierung angestrebt werde, gemeinschaftrechtswidrig. Danach gebe es keine „ernährungsphysiologischen Zusatzstoffe“ mehr, diese seien vielmehr als Nährstoffe anzusehen. Dies werde bestätigt durch die Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie 2002/46/EG, nach deren Erwägungsgrund 6 Nahrungsergänzungsmittel auch verschiedene Pflanzen und Kräuterextrakte enthalten dürften sowie aus Art. 1 insbs. Abs. 3 der Richtlinie 2001/15/EG, wo nur noch von Nährstoffen in Lebensmitteln die Rede sei. Eine gemeinschaftskonforme Auslegung von § 2 F LFGB könne also nur dazu führen, dass Zusatzstoffe nur noch solche sein können, die einem Lebensmittel aus technischen Gründen zugesetzt werden.

Die deutsche Zusatzstoffregelung beruhe auf Sicherheitserwägungen. Dieser Gesetzeszweck werde jetzt aber abschließend von der europäischen Vorschrift des Art. 14 der Basisrichtlinie VO 178/2002 geregelt. Hier bestehe also keine Gesetzgebungskompetenz des deutschen Gesetzgebers mehr. Schließlich werde der Fall auch von der sog. AnreicherungsVO 1925/2006/EG erfasst. Eine von den Regeln dieser Verordnung abweichende nationale Sicherheitspolitik widerspreche europäischem Recht.

Das streitgegenständliche Erzeugnis sei auch nicht unsicher im Sinne des Art. 14 EG-BasisVO. Eine konkrete Gesundheitsgefahr sei von der darlegungspflichtigen Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Teemischungen mit Ginkgo würden im großen Umfange vertrieben, ohne dass Nebenwirkungen bekannt geworden seien.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen.


II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Senat kann im Verfügungsverfahren, das nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage erlaubt, nicht hinreichend sicher beurteilen, ob die angegriffenen Produkte nach den von der Antragstellerin angeführten Normen zu verbieten sind oder nicht. Dies muss im Verfügungsverfahren zu Lasten der darlegungs- und glaubhaftmachungsbelasteten Antragstellerin gehen. Im Einzelnen:

1. Gegenstand des Antrags ist das Verbot des Vertriebs von Produkten mit dem Inhaltsstoff Ginkgo biloba-Extrakt als Nahrungsergänzungsmittel oder sonstiges Lebensmittel. Der Antrag erfasst unabhängig von seiner Gewinnung jedweden Extrakt aus Ginkgo biloba – gemeint sind aber ersichtlich nur Extrakte aus Blättern und nicht etwa aus den Früchten des Ginkgobaumes – in jedweder Dosierung und mit welcher Verzehrempfehlung auch immer. Gegenstand der Insbesondere-Form des Antrags sind die von der Antragsgegnerin vertriebenen konkreten Produkte.

2. Als Klaggründe sind zwei Lebenssachverhalte vorgetragen:

Zum einen soll es sich bei den Ginkgo biloba-Extrakten in den Nahrungsergänzungsmitteln um Lebensmittelzusätze handeln, die den aus technologischen Gründen zugesetzten Zusatzstoffen gleichgestellt sind und deswegen als Zusatzstoff zu einem Lebensmittel einer Zulassung bedürften, die hier unstreitig nicht vorliegt und zum anderen soll es sich um ein nicht sicheres Lebensmittel im Sinne des Art. 14 EG-BasisVO handeln. Als unstreitig sieht der Senat dazu an, dass es sich bei dem von der Antragsgegnerin in ihren Produkten verwendeten Extrakt um einen solchen handelt, der der Positivmonographie „Trockenextrakt (35–67: 1) aus Ginkgo-biloba-Blättern, extrahiert mit Aceton-Wasser“ (Bundesanzeiger Nr. 133 vom 19.07.1994) entspricht und nicht um einen der Extrakte, wie sie Gegenstand der Negativmonographie „Ginkgo folium (Ginkgo-biloba-Blätter)“ sind (ebenfalls veröffentlicht im BAnZ. Nr. 133 vom 19.07.1994). Unstreitig hat der Extrakt in der dargebotenen Dosierung und konsumiert in der Menge der Verzehrempfehlung jedenfalls keine therapeutische Wirksamkeit, also keine pharmakologische Wirkung, denn die beanstandeten Produkte werden nicht als Funktionsarzneimitteln angegriffen.

Streitgegenstand des Rechtstreits ist also zunächst die Frage, ob ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Produkt, das pro Kapsel 100 mg eines Extrakts aus Ginkgo biloba-Blättern in der Spezifikation der Positivmonographie mit 7 % Terpenlaktonen (Ginkgolide und Bilobalid) und ca. 24 % Flavonglycosiden sowie weniger als 5 ppm Ginkgolsäure enthält, in einer Verzehrempfehlung von einer Kapsel am Tag als Lebensmittel verkehrsfähig ist oder nicht. Dabei geht es der Antragstellerin nicht darum, zwei Verbote mit jeweils eigenständiger sachverhaltlicher Begründung zu erstreiten, sondern um die Erlangung nur eines Verbots, wobei sie zur Begründung zwei verschiedene Möglichkeiten, auf die ein Verbot gestützt werden könnte, zur Auswahl stellt.

3. Die streitgegenständlichen Produkte sind Nahrungsergänzungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 NemV. Danach ist ein Nahrungsergänzungsmittel ein Lebensmittel, das dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen (Nr. 1) und ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellt (Nr. 2), die in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen in den Verkehr gebracht werden (Nr. 3).

Bei dem hier streitigen Extrakt handelt es sich nicht um einen Nährstoff im Sinne der Verordnung, denn dies sind nach der Legaldefinition aus § 1 Abs. 2 NemV nur Vitamine und Mineralstoffe, einschließlich Spurenelementen. Die NemV trifft in § 3 nebst den dazugehörigen Anlagen 1 und 2 sodann nur noch Regelungen zu Nährstoffen und Nährstoffverbindungen, die bei der Herstellung eines Nahrungsergänzungsmittels verwendet werden dürfen, nicht aber zu den sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung.

Für diese Art von Stoffen gibt es eine Legaldefinition weder in der NemV noch in der europäischen Richtlinie 2002/46/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel. Erwägungsgrund 6 dieser Richtlinie sagt nur, dass Nahrungsergänzungsmittel eine breite Palette von Nährstoffen und anderen Zutaten enthalten können, so u.a. auch verschiedene Pflanzen und Kräuterextrakte und nach Erwägungsgrund 8 sollen spezifische Vorschriften über andere Nährstoffe als Vitamine und Mineralstoffe oder über andere Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung, die als Zutaten von Nahrungsergänzungsmitteln Verwendung finden, zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden, sofern ausreichende und sachgerechte wissenschaftliche Daten über diese Stoffe vorliegen.

Da Nahrungsergänzungsmittel in § 1 NemV als Lebensmittel definiert sind, gelten in Ermangelung einer Legaldefinition und in Ermangelung spezieller Regelungen für die sonstigen Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung mithin die allgemeinen Regeln des Lebensmittelrechts (vgl. etwa: Kügel/Hahn/Delewski, NemV, München 2007, Rz. 87 zu § 1 NemV).

4. Der Senat geht davon aus, dass der hier streitige Extrakt unter das Tatbestandsmerkmal „sonstiger Stoff mit physiologischer Wirkung“ zu subsumieren ist. Mit der physiologischen und der ernährungsspezifischen Wirkung werden die Eigenschaften der „sonstigen Stoffe“ definiert, wobei die physiologische Wirkung jedwede Wirkung einer Substanz auf menschliche physiologische Funktionen bezeichnet (vgl.: Kügel/Hahn/Delewski, a.a.O., Rz 80 und 82 zu § 1 NemV). In diesem Sinne versteht der Senat das Tatbestandsmerkmal der physiologischen Wirkung als funktionalen Rechtsbegriff, mit dem einerseits dem Umstand Rechnung getragen wird, dass Lebensmittel nach dem heutigen Wissensstand der Ernährungswissenschaften nicht nur Effekte im Sinne eines tradierten Verständnisses von Ernährung haben, sondern darüberhinausgehende Wirkungen erzielen können und mit dem andererseits der Zweck verfolgt wird, ein Abgrenzungskriterium zu arzneilichen Wirkungen zu erreichen (Kügel/Hahn/Delewski, a.a.O., Rz 82).

5. Sind die allgemeinen Regelungen des Lebensmittelrechts anwendbar, so gelten die Vorschriften des LFGB und die lebensmittelrechtlichen Vorschriften der Gemeinschaft.

Die Antragsgegnerin hält die Verbotsnorm des nationalen Rechts unter verschiedenen Aspekten, wie sie teilweise im Tatbestand skizziert sind und wie sie in nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätzen weiter ausgebreitet sind, für gemeinschaftsrechtswidrig. Der Senat teilt diese Bedenken nicht.

a) Die Frage der Konformität der Verbotsnorm mit dem Gemeinschaftsrecht wird auf drei verschiedenen Ebenen diskutiert, nämlich zunächst auf der Ebene der europarechtlichen Regelungen für ernährungsphysiologische Zusatzstoffe, sodann im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den Regelungen der Basis-Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und schließlich im Hinblick auf die Frage einer Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EGV und deren mögliche Rechtfertigung nach Art. 30 EGV.

b) Zum ersten Punkt, nämlich dem noch nicht vollständig harmonisierten europäischen Zusatzstoffrecht, das noch Raum für ergänzende nationale Regelungen lässt, hat Teufer in seiner Anmerkung zur Entscheidung „Aminosäuren“ des OLG Köln vom 8.12.2006 ( ZLR 2007, 231) zu diversen Normen des Europäischen Rechts Einiges gesagt, auf das verwiesen werden kann ( ZLR 2007, 236 ff). Darauf aufbauend kann der Senat sich darauf beschränken, die Streitfrage im Hinblick auf die europäischen Regelungen der Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie 2002/46/EG, der VO über den Zusatz von Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Stoffen zu Lebensmitteln (EG) Nr. 1925/2006 (AnreicherungsVO) und der Zusatzstoff-Rahmenrechtsrichtline 89/107/EG zu untersuchen.

c) Die Richtlinie über Nahrungsergänzungsmittel 2002/46/ EG regelt zunächst nur Nährstoffe, worunter nach der Legaldefinition in Art. 2 lit b) der VO vorerst nur Vitamine und Mineralstoffe aufgeführt sind. Um solche Stoffe geht es hier nicht. Spezifische Vorschriften für andere Nährstoffe als Vitamine und Mineralstoffe oder über andere Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung, die als Zutaten zu Nahrungsergänzungsmitteln Verwendung finden, sollen nach Erwägungsgrund 8 der Richtlinie zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden.

d) Schwieriger verhält es sich mit der Frage, ob die Verbotsnorm aus §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 6 Abs. 1 Nr. 1a, Nr. 2 LFGB i.V. mit § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB neben den einschlägigen Regeln für bestimmte andere Stoffe oder Zutaten aus der VO 1925/2006/EG über den Zusatz von Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Stoffen zu Lebensmitteln (AnreicherungsVO) noch anwendbar ist.

(aa) Die gemäß ihrem Art. 18 am 1. Juli 2007 in Kraft getretene AnreicherungsVO ist einschlägig, denn nach ihrem Erwägungsgrund 2 regelt sie auch den Zusatz bestimmter anderer Stoffe oder Zutaten, die – wie hier – keine Vitamine oder Mineralstoffe sind oder enthalten und Lebensmitteln zugesetzt werden. Nach Art. 8 Abs. 1 ist das in der Vorschrift vorgesehene Verfahren anwendbar („procedure provided for in this Article shall be followed“) für
einen anderen Stoff als Vitamine oder Mineralstoffe oder eine Zutat, die einen anderen Stoff als Vitamine oder Mineralstoffe enthält, Lebensmitteln zugesetzt oder bei der Herstellung von Lebensmitteln unter Bedingungen verwendet wird, die zu einer Aufnahme von Mengen dieses Stoffes führen würden, welche weit über den unter normalen Bedingungen bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung vernünftigerweise anzunehmenden Mengen liegen, und/ oder die ein potenzielles Risiko für die Verbraucher bergen würden.
(Anmerkung: unverständliche Textpassage im Urteil entsprechend der Verordnung korrigiert, Hans Giese)
Diese Voraussetzungen wären nach dem Vorbringen der Antragstellerin sämtlich gegeben. Unstreitig ist der streitige Extrakt nicht unter die Begriffe der Vitamine oder Mineralstoffe zu subsumieren. Nach dem Vorbringen der Antragstellerin sind auch die Voraussetzungen der letzten beiden Spiegelstriche erfüllt, weil Inhaltstoffe der Ginkgoblätter unter den Bedingungen einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung gar nicht aufgenommen würden, weil Ginkgoblätter üblicherweise eben nicht als Lebensmittel konsumiert würden und die von der Antragsgegnerin angebotenen Nahrungsergänzungsmittel eben wegen der Zutat des Ginkgoblatt-Extraktes überdies als für den Konsumenten unsichere Lebensmittel, mithin als potentiell gefährlich einzuordnen seien.

(bb) Im Hinblick auf Nahrungsergänzungsmittel gilt die VO lediglich nicht für Vitamine und Mineralstoffe (Art. 1 Abs. 2 der VO und Erwägungsgrund 5), deren Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln in der Richtlinie 2002/46/EG abschließend geregelt ist. Eine entsprechende Ausnahme oder auch nur eine Übergangsregelung findet sich aber nicht für die „anderen Stoffe“, um die es hier geht.

(cc) Die AnreicherungsVO gilt als Verordnung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten unmittelbar.

Sie ist aber noch nicht unmittelbar anwendbar, weil sie in ihrem Anhang III noch keine Stoffe enthält, deren Verwendung in Lebensmitteln verboten oder eingeschränkt ist oder die von der Gemeinschaft geprüft werden. Dazu regelt Art. 8 Abs. 6 der VO, dass die Kommission nach dem in Art. 14 Abs. 2 genannten Verfahren Durchführungsbestimmungen zur Anwendung dieses Artikels festlegt. Art. 14 Abs. 2 verweist dazu auf den Beschluss 1999/486/EG und zwar auf dessen Art. 5 und 7 unter Beachtung von dessen Art. 8. Die damit in Bezug genommenen Vorschriften regeln das Verfahren zur Schaffung von Durchführungsbestimmungen auf Grundlage eines – wie hier – gemäß Art. 251 des Vertrages erlassenen Basisrechtsakts. In Ansehung der „anderen Stoffe“ ist die AnreicherungsVO bisher also nur als BasisVO zu verstehen, zu deren Umsetzung es weiterer Verordnungen bedarf.

(dd) Damit kann offen bleiben, ob das nationale generelle Verbot nicht ausdrücklich zugelassener gleichgestellter Zusatzstoffe – unbeschadet des Vertrages – als eine einschlägige einzelstaatliche Vorschriften im Sinne des Erwägungsgrund 2 der AnreicherungsVO angewendet werden kann, weil es keine spezifischen Gemeinschaftsvorschriften über ein Verbot oder eine Beschränkung der Verwendung von unter die VO fallenden Stoffen oder Zutaten, die andere Stoffe als Vitamine oder Mineralstoffe sind oder enthalten, gibt.

e) Der Anwendung nationalen Rechts steht auch die Richtlinie 89/107/EWG (Zusatzstoff-RiLi) nicht entgegen. Denn in § 2 Abs. 3 Satz 1 LFGB wird zwar die Zusatzstoffdefinition aus Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 89/107/EWG übernommen, nach deren Art. 1 Abs. 2 ist ein Lebensmittelzusatzstoff im Sinn der Richtlinie aber nur ein Stoff, der einem Lebensmittel aus technologischen Gründen bei der Herstellung … zugesetzt wird. Dies ist hier nicht der Fall.

Darauf, ob die Verbotsgrundlage aus § 6 LFGB für die den Zusatzstoffen gleichgestellten Stoffe nach der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über Lebensmittelzusatzstoffe in Ansehung des dortigen Art. 2 Abs. 2, lit c) auf die hier zu beurteilenden Nahrungsergänzungsmittel noch angewendet werden kann, kommt es nicht an, weil die genannte ZusatzstoffVO gemäß deren Art. 35 erst ab 20. Januar 2010 gilt. Ob den Argumenten der Antragsgegnerin aus deren letzten Schriftsatz beizupflichten ist, kann offen bleiben, denn eine Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren kann nicht der Ort sein, Europäischen Rechtssätzen schon vor deren Geltungszeitpunkt gegenüber der Anwendung deutschen Gesetzesrechts den Vorrang einzuräumen.

f) Für unvereinbar mit den Regelungen der BasisVO (EG) Nr. 178/2002 hält Meisterernst in seinem Beitrag „Lebensmittelsicherheit – Ein gemeinschaftsrechtlich vollharmonisierter Bereich?“ (Festschrift für Doepner, 2008, S. 245 ff, Anlage AG 26) abstrakt-generelle Vorschriften, mit denen Lebensmittel unabhängig von einer wissenschaftlichen Beurteilung als nicht sicher angesehen und ihr Inverkehrbringen von einer Zulassung im Einzelfall abhängig gemacht werden. Meisterernst teilt in seinem Beitrag allerdings auch mit, dass der EuGH in der Entscheidung „Knoblauchkapseln“ ( Urteil vom 15.11.2007 in der Rechtssache C-319/05 ) nationale Zulassungsverfahren für Lebensmittel im Verhältnis zur BasisVO – „unbedacht“ – weiterhin für zulässig erachtet habe (Meisternst, a.a.O., S. 252 – 254). Die offensichtliche Fehlerhaftigkeit der auf Art. 14 Abs. 9 BasisVO gestützte Argumentation des EuGH (Rz. 84 der Entscheidung) sei nur insoweit erklärbar, als die Stoßrichtung des Angriffs der Kommission in jenem Verfahren ein Verstoß gegen Art, 28 und 30 EG-Vertrag gewesen sei, womit ein Verstoß gegen die BasisVO seitens der Kommission als Klagpartei gar nicht thematisiert worden sei (Meisterernst, a.a.O., S. 253/254). Die Entscheidung in einem einstweiligen Verfügungsverfahren kann nicht der Ort sein, den Disput aufzunehmen und diese Frage zu vertiefen. Wenn und soweit eine Äußerung des EuGH vorliegt, nach der eine nationale Verbotsnorm als nicht gegen bestimmte Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts verstoßend einzuschätzen ist, ist im Verfügungsverfahren insoweit von der Gültigkeit der Norm auszugehen.

g) Auf die Frage der Vertragskonformität der Verbotsnorm kommt es hier nicht an, weil das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung hier nicht tangiert ist. Dazu sei in der gebotenen Kürze der im Verfügungsverfahren nur möglichen überschlägigen Prüfung lediglich Folgendes ausgeführt:

(aa) In der Entscheidung „Aminosäuren“ haben das OLG Köln ( ZLR 2007, 231, 235) und Teufer in seiner Urteilsanmerkung (ZLR 2007, a.a.O., S. 239) u.a. unter Bezugnahme auf die Urteile des EUGH vom 23.09.2003 in der Rechtssache C-192/01 und vom 05.02.2004 in den Rechtssachen C-24/00 und C-95/01 darauf verwiesen, dass der nationale Gesetzgeber im nicht harmonisierten Bereich Verwendungsverbote für bestimmte Stoffe vorsehen könne, wenn eine solche Maßnahme aus zwingenden Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt ist und nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt. Dabei müssen die Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Risiken in Form einer eingehenden Bewertung der Gesundheitsrisiken auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren Daten und der neuesten Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung dargelegt sein (EuGH Urt. vom 5.2.04 C-95/01). Und diese Prüfung hat wohl schon stattzufinden, bevor entsprechend dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung auf die Ausnahmevorschriften aus § 54 LFGB verwiesen werden kann (Teufer, S. 239).

Das OLG Köln hat diese Voraussetzungen für die in § 2 Abs. 2, Satz 2 Nr. 3 LFGB gesetzlich gesondert geregelten Aminosäuren eben gerade im Hinblick darauf, dass es sich um eine eigens für diese Stoffe getroffene gesetzgeberische Maßnahme handelt, bejaht (OLG Köln, a.a.O., S. 235).

(bb) Ob dies auch für eine generelle Regelung gilt, die eine Vielzahl von nicht benannten Stoffen erfasst, kann hier dahinstehen, denn es handelt sich hier um einen Fall, der keinen Bezug zum grenzüberschreitenden Handel in der Gemeinschaft aufweist.

Wenn Teufer a.a.O., S. 239 dazu schreibt, dass es keine Rolle spiele, dass es sich bei dem vom OLG Köln entschiedenen Fall in erster Linie um einen Fall der Inländerdiskriminierung handle, weil die Regelung selbstverständlich auch für Erzeugnisse gilt, die nach Deutschland eingeführt werden, zögert der Senat, dieser Auffassung zuzustimmen. Denn das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung stellt die Verkehrsfähigkeit von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten sicher, berührt aber nicht die Geltung des nationalen Rechts für die heimische Produktion, die nach wie vor an das möglicherweise strengere Recht gebunden ist (vgl.: Hagenmeyer/Teufer in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 22. Erg.-Lieferung, 6/2008 mit dem Stand vom November 2006, Kapitel C. IV. Lebensmittelrecht RZ. 66). Das Gemeinschaftrecht steht der Frage der Inländerdiskriminierung also neutral gegenüber und verbietet eine Diskriminierung von Inländern durch nationale Rechtsvorschriften nicht (Oberster Gerichtshof Wien , Entscheidung vom 05.04.2005, 4 Ob 31/05 w, zitiert nach Juris). Eine nationale Norm, die im grenzüberschreitenden Verkehr unanwendbar wäre, wäre mithin im innerstaatlichen Bereich zu befolgen.

Der Senat hat es im Verfügungsverfahren nicht unternommen, sein Verständnis dieses Rechtssatzes an Hand der Vielzahl der EuGH-Entscheidungen, die zu Normen ergangen sind, die sich im grenzüberschreitenden Verkehr als gemeinschaftswidrig darstellen, zu überprüfen und darauf zu untersuchen, ob auch die Sachverhalte jeweils den grenzüberschreitenden Handel betrafen. Dies kann im Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht geleistet werden, hier ist jedenfalls bei nicht greifbarer Europarechtswidrigkeit von der Gültigkeit der Norm auszugehen.

(cc) Abgesehen davon ist hier zur Frage der Verkehrsfähigkeit von Nahrungsergänzungsmitteln mit einem Extrakt aus Ginkgo Blättern der hier streitigen Spezifikation in anderen Ländern der Gemeinschaft mit den Hinweisen auf ein österreichisches Schreiben und eine niederländische Bescheinigung auch nicht weiter vorbereitet.

Die Antragstellerin hat auf Seite 6 des Verfügungsantrags eher beiläufig mitgeteilt, dass es eine Allgemeinverfügung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit nach § 54 Abs. 1, Satz 2 Nr. 2, 2. Hs LFGB nicht gebe. Die Antragsgegnerin verweist lediglich auf ein Schreiben der Sektion IX des „Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen“ der Republik Österreich vom 16.10.2001 (Anlage AG 10), demzufolge die Verwendung von Ginkgo in einer geringeren Dosierung als 160 mg an löslichen Extrakten (Beginn der pharmakologischen Wirkung) in Lebensmitteln keinen Bedenken begegne, wobei nicht spezifiziert wird, um welche Art von Extrakt es geht. Das Schreiben sagt weiter, dass ein Lebensmittel auch dann kein Arzneimittel sei, wenn es einen in der Anlage zur Rezeptpflichtverordnung genannten Stoff enthalte, wobei die Verkehrsfähigkeit eines solchen Produkts allerdings nach den lebensmitterechtlichen Vorschriften zu prüfen sei. Die Zusammensetzungsbescheinigung des „Adviesbureau Waar en Wet“ (Anlage AG 11) für ein Produkt „Ginseng Ginkgo Dragees“ mit einem Anteil an „Ginkgoblattextrakt 50: 1“ von 34,50 mg pro Kapsel spezifiziert die Art des Extrakts nicht – es wird sich aber vermutlich um den Extrakt nach der Positiv-Monographie handeln, da das Verhältnis Droge zu Extrakt dort mit „im Durchschnitt 50: 1“ angegeben wird – und überdies ist der Mengenanteil an Ginkgoblatt-Extrakt pro Kapsel erheblich geringer als die hier jeweils enthaltenen 100 mg.

Mit der Problematik einer etwaigen Inländerdiskriminierung braucht der Senat sich also nicht auseinanderzusetzen.

Der Umstand, dass zwei der streitgegenständlichen Produkte von G.… P.… stammen und zugleich für den Vertrieb in Österreich etikettiert sind, besagt weder, dass es sich um Parallelimporte handelt noch, dass das Produkt in Österreich verkehrsfähig ist.

6. Der Tatbestand der Verbotsnorm von §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 6 Abs. 1 Nr. 1a, Nr. 2 LFGB wäre erfüllt, wenn es sich bei dem spezifischen Gingko biloba-Extrakt um einen den technologischen Lebensmittel-Zusatzstoffen gleichgestellten Zusatzstoff nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB handelte und der Ausnahmetatbestand des 2. Halbsatzes der Norm nicht griffe.

a) Nach dieser Norm stehen den einem Lebensmittel aus technologischen Gründen zugesetzten Zusatzstoffe Stoffe mit oder ohne Nährwert gleich, die üblicherweise weder selbst als Lebensmittel noch als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet werden und die einem Lebensmittel aus anderen als technologischen Gründen beim Herstellen oder Behandeln zugesetzt werden, wodurch sie selbst oder ihre Abbau- oder Reaktionsprozesse mittelbar oder unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können.

b) Die Produkte, um die es hier geht, sind Lebensmittel im Sinne von § 2 Abs. 2 LFGB, Art. 2 VO (EG) 178/2002, denn sie sind dazu bestimmt, vom Menschen aufgenommen zu werden. Als weitere Voraussetzungen der Verbotsnorm ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Ginkgo Extrakte aus anderen als technologischen Gründen in den Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden und dass diese Extrakte unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden.

c) Von der Antragsgegnerin ist in Frage gestellt worden, ob die Extrakte hier überhaupt Zusatzstoffe im Sinne der Norm sein können, weil sie den Hauptbestandteil des Nahrungsergänzungsmittels ausmachen und zwar bei den Monopräparaten sogar fast ausschließlich. Der Senat hat dazu schon in seinem Urteil vom 29.3.2007 in der Sache 3 U 279/06 für das dort zu beurteilende Kombinationspräparat den Standpunkt vertreten, dass es für die Subsumtion unter den Begriff des „Lebensmittels“ auf die formulierte Spezialität, so wie sie dem Publikum vom Hersteller angeboten wird, ankommt und dem Gesetz eine quantitative Beschränkung nicht entnommen werden kann. Dies gilt auch hier und zwar sowohl für die Monozubereitungen „GINKGO … G.… Kapseln“ und „GINKGO … B.… Kapseln“ als auch für die Kombinationen „GINKGO BILOBA + Q.… Kapseln“ sowie „GINKGO BILOBA + Q.… B.… Kapseln“.

Lebensmittel im Sinne von § 2 Abs. 2 LFGB, Art. 2 VO (EG) 178/2002 ist jeweils die vom Hersteller für den Verzehr hergerichtete Spezialität, denn diese ist dazu bestimmt, vom Verbraucher – hier – in der als Kapsel dargebotenen Form aufgenommen zu werden. Entsprechend schreibt § 4 Abs. 1 LMKV vor, dass die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels die in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnung ist und nach § 4 Abs. 1 NemV ist die für ein Nahrungsergänzungsmittel vorgeschriebene Verkehrsbezeichnung eben „Nahrungsergänzungsmittel“. Deren Inhaltsstoffe sind Zutaten im Sinne von § 5 Abs. 1 LMKV und in der enumerativen Aufzählung der Ausnahmen in § 5 Abs. 2 LMKV sind an Zusatzstoffen nur diejenigen nach § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 LFGB aufgeführt, was im Umkehrschluss bedeutet, dass eine Zutat zu einem Lebensmittel sehr wohl zugleich auch als ein gleichgestellter Zusatzstoff nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB angesehen werden kann. Diese an der LMKV orientierte Kontrollüberlegung unterstellt als selbstverständlich, dass der Sprachgebrauch des Gesetzgebers in den das Lebensmittelrecht bildenden Normen ein einheitlicher ist.

Entsprechend sind überdies die Kennzeichnungen auf den Etiketten der hier streitigen Produkte auch erfolgt: Die Verkehrsbezeichnung auf der Schauseite lautet jeweils „Nahrungsergänzungsmittel mit …“ und die Ginkgo biloba-Trockenextrakte sind jeweils im Zutatenverzeichnis deklariert.

7. Zwischen den Parteien ist als negatives Tatbestandsmerkmal der Norm umstritten, ob die Ginkgo biloba-Blatt-Extrakte als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet werden. Dabei besteht schon keine Einigkeit darüber, ob sich das Tatbestandsmerkmal „üblicherweise“ auch auf diese Alternative der tatbestandlichen Ausnahme bezieht (dazu unter c)) und, ob es bei der Charakterisierung eines Lebensmittels durch einen Stoff um dessen Einsatz in dem konkreten Produkt oder um eine allgemeine Betrachtung von dessen Einsatz in Lebensmitteln geht (dazu unter b)).

a) Zu beiden Fragen hat der BGH in der Entscheidung „Johanniskraut“ ( WRP 2004, 1481) noch unter Geltung des Zusatzstoffbegriffs des LMBG, aber bereits unter Hinweis auf den schon vorliegenden Entwurf des LFGB unter Verweis auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 15/3657, S. 58; BR-Drucksache 429/04, insbes.S. 6, 132) darauf verwiesen, dass der Gesetzeswortlaut keine Abkehr von der unter dem LMBG geltenden abstrakten Betrachtungsweise enthalte. Dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 89/107/EWG, die mit dem Entwurf des LFGB umgesetzt werden sollte, lasse sich überdies nicht entnehmen, dass es für die Beurteilung, ob ein Stoff ein „Lebensmittel-Zusatzstoff“ im Sinne dieser Richtlinie sei, auf eine andere Betrachtungsweise, insbesondere auf den konkreten Einsatz eines Stoffes im jeweiligen Lebensmittel ankommen solle.

b) Dem kann der Senat nur zustimmen. Die Richtlinie 89/107/EWG trifft zwar nur Regelungen für Zusatzstoffe, die Lebensmitteln aus technologischen Gründen zugesetzt werden. Die in Art. 1 Abs. 2 enthaltene Legaldefinition solcher Stoffe ist vom deutschen Gesetzgeber in § 2 Abs. 3 Satz 1 LFGB aber bewusst übernommen worden (BT-Drucksache 15/3657, S. 58) und in Satz 2 Nr. 1 dieser Vorschrift werden bei der Legaldefinition der gleichgestellten Stoffe dieselben Begrifflichkeiten beibehalten. Es kann für die Ausnahmen vom Zusatzstoffbegriff also nur derselbe Maßstab gelten und damit kommt im Gesetz auch das zum Ausdruck, was der historische Gesetzgeber ausweislich der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf des LFGB (BT-Drucksache 15/3657) gewollt hat. Danach ging es darum, bei den gleichgestellten Stoffen die Ausnahmen in § 2 Abs. 1 zweiter Halbsatz LMBG beizubehalten und über die Gleichstellungsregelung das bisherige Verbot für Stoffe, die anderen als technologischen Gründen dienen, fortzuführen (BT-Drucksache 15/3657, S. 58).

c) Mit dem Verweis des BGH auf den Wortlaut der Richtlinie 89/107/EWG ist zugleich die weitere Streitfrage geklärt, ob das Tatbestandsmerkmal „üblicherweise“ bei der Beschreibung der Ausnahmetatbestände auch für die hier diskutierte zweite Tatbestandsalternative der Charakterisierung eines Lebensmittels gilt. Schon nach den Regeln der deutschen Sprache ergibt sich aus der Stellung des Wortes im Satz „üblicherweise weder … noch …“, dass sich das Wort „üblicherweise“ auch auf den hinter dem Wort „noch“ stehenden Satzteil beziehen muss. Dass dies auch tatsächlich so gemeint ist, ergibt sich endgültig bei Betrachtung des englischen Textes der Richtlinie, in dem im Art. 1 Abs. 2 das Wort „normally“ zweimal verwendet wird, nämlich je einmal in beiden Satzteilen „‚food additive‘ means any substance not normally consumed as a food in itself and not normally used as a characteristic ingredient of food“.

8. Der Senat geht weiter nicht davon aus, dass der Gesetzgeber durch die Benutzung der Wendung „in der Regel“ bei den Ausnahmen von den technologischen Zusatzstoffen und des Wortes „üblicherweise“ bei den gleichgestellten Stoffen unterschiedliche tatbestandliche Anforderungen an die Feststellung der Ausnahmen hat knüpfen wollen (ebenfalls auf den unterschiedlichen Sprachgebrauch hinweisend: OVG NRW, Urteil vom 22.01.2008 – 13 A 3308/03 – Kieselerde, Seite 21 –). „In der Regel“ wird im deutschen Sprachgebrauch als „normalerweise, üblicherweise, meist, fast immer“ verstanden und das Adjektiv „üblich“ bedeutet „den allgemeinen Gewohnheiten/Bräuchen entsprechend“, während das Adverb „üblicherweise“ die Bedeutung „gewöhnlich“ hat (siehe zu den Wortbedeutungen Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Auflage/2003; siehe zur grammatischen Auslegung der Norm auch: Hagenmeyer/Hahn, Vom Charakter einer Lebensmittelzutat, WRP 2008, 601, 603, 604). Die Gesetzesbegründung sagt zu der unterschiedlichen Wortwahl nichts. Der Senat nimmt deswegen an, dass der Wechsel in der Wortwahl allein aus stilistischen Gründen erfolgt ist und orientiert sich auch bei den gleichgestellten Stoffen an dem „normally“ der englischen Fassung der Norm in der Richtlinie 89/107/EWG, an die der deutsche Gesetzgeber sich bei der Wahl der Worte angelehnt hat.

Im Sinne der zweiten Alternative von § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB ist ein den Zusatzstoffen gleichgestellter Stoff also nicht ein solcher, der üblicherweise als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet wird.

9. a) Zum Tatbestandsmerkmal der charakteristischen Zutat eines Lebensmittels wird im Anschluss an das zur Entscheidung des OVG NRW vom 17. März 2006 – 13 A 2095/02 – ergangene Urteil des BVerwG vom 25.07.2007 – 3 C 21/06 – OPC – (Anlage AG 9, Pharma Recht 2008, 67) vertreten, dass dabei auf das Lebensmittel abzustellen sei, dem die Zutat zugesetzt wird, weil eine Zutat für sich nicht charakteristisch sein könne (a.a.O. Rz. 44). Mit dem Wort „charakteristisch“ werde eine Eigenschaft bezeichnet, die das Besondere einer Sache ausmacht. Eine Zutat sei für ein Lebensmittel charakteristisch, wenn das Lebensmittel durch diesen Zusatz besondere, typische Eigenschaften erhalte. So sagt es etwa das VG Schleswig-Holstein in seinem zu Chondroitin- und Glukosaminsulfat ergangenen Beschluss vom 09.05.08 – 1 B9/08 – auf den Seiten 14/15 des Entscheidungsumdrucks und dieser Sichtweise hat sich u.a. auch das OLG Köln in seinem Urteil vom 21.12.07 – 6 U 64/06 – Ginkgo-Getränk mit Traubenzucker – angeschlossen (Urteilsumdruck Seite 17).

b) An dieser Sichtweise der Dinge wird man nicht vorbeikommen, wobei eine Zutat allerdings nicht schon deswegen zu einer das Lebensmittel charakterisierenden Zutat wird, weil diese im Namen und/oder der vom Anbieter gewählten Verkehrsbezeichnung des Lebensmittels auftaucht. Das Lebensmittel muss vielmehr objektiv durch die Zutat gekennzeichnet sein, eben weil es dadurch besondere typische Eigenschaften erhält, es muss – wie Hagenmeyer/Hahn a.a.O., S. 604 es unter Verweis auf weitere Literatur sagen – für das oder jedenfalls irgendein Lebensmittel unverzichtbar sein. Dafür reicht nach Auffassung des Senats aus, wenn die Zutat – wie hier – zu 20 % bzw. zu 18 % Bestandteil der Kapselfüllung wird, denn dadurch werden die Produkte objektiv zu solchen mit Ginkgo biloba-Extrakt.

10. a) Zur Ermittlung des Sinngehalts der Merkmalsgruppe „üblicherweise als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet“ stellt die Antragstellerin u.a. unter Bezugnahme auf die Aufsätze von Kraft/Streit, „Charakteristische Lebensmittelzutaten“ ( ZLR 2007, 453 ff., Anlage Ast 4) und dem bereits zitierten Beitrag von Hagenmeyer/Hahn ( WRP 2008, 601) darauf ab, dass für den lange vor dem Lebensmittelbegriff der Basisverordnung (EG) 178/2002 mit der Richtlinie 89/107 EWG geschaffenen Begriff des Zusatzstoffes von dem Begriff eines „normalen“ und „gebräuchlichen“ Lebensmittels – vom Codex Alimentarius noch zutreffender als „eigentliches Nahrungsmittels“ bezeichnet (Kraft/Streit, a.a.O., S. 462) – für die Auslegung des Gesetzes auszugehen sei. Dies wird von Hagenmeyer/Hahn in der Begründung ergänzt mit einer historischen, systematischen und teleologische Auslegung des Gesetzes, was mit der Feststellung endet, dass der gesetzgeberische Wille, wie er in der BT-Drucksache niedergeschrieben sei, verfehlt werde, wenn man für die Ausnahmen von dem Zusatzstoffbegriff nicht von einem traditionellen Verständnis des Lebensmittels ausgehen wollte. Der Gesetzgeber habe mit dem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt den Zusatz nicht traditioneller Lebensmittel oder von nicht traditionell ein Lebensmittel kennzeichnenden Stoffen von einer Zulassung abhängig machen wollen, was einschließlich des gemeinschaftsrechtlichen Regimes für die technologischen Zusatzstoffe ad absurdum geführt würde, wenn man den ernährungsphysiologischen Zusatzstoffbegriff zu Grabe tragen wollte (Hagenmeyer/Hahn, a.a.O., S. 608).

b) Das mag man alles so sehen, nur: in einem Rechtsstaat, in dem in aller Regel der Wortsinn einer Norm die Grenze jeglicher Auslegung bildet, müsste der gesetzgeberische Wille auch so im Gesetzestext selbst zum Ausdruck gekommen sein. Hier kann man mit dem BVerwG nur feststellen, dass für die Gesetzesauslegung nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber den Begriff des „Lebensmittels“ in ein und demselben Gesetz auf zwei verschiedene Weisen habe verstanden wissen wollen ( BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 – 3 C 21/06 – OPC –, Rz. 44 – Anlage AG 3). Wenn nämlich zunächst in einer Norm ausdrücklich eine Definition des Begriffes „Lebensrnittel“ gegeben bzw. in Bezug genommen (§ 2 LFGB) und dieser Begriff sogleich anschließend verwendet wird (§ 3 Abs. 2 LFGB), kann nicht angenommen werden, dass er gleichwohl unterschiedliche Gegenstände gemeint haben könnte (BVerwG, a.a.O.).

c) Für die praktische Falllösung folgt daraus zweierlei: zum Einen ist mit dem Merkmal „üblicherweise“ offensichtlich eine dynamische Verweisung auf das, was auf dem Markt und nach den Anschauungen der relevanten Verkehrskreise üblich geworden ist, in das Gesetz aufgenommen worden und nicht der bei Inkrafttreten des LFGB vorgefundene Status festgeschrieben worden. Der Gesetzgeber hätte es insoweit nämlich in der Hand gehabt, den Zeitpunkt, auf den für die Prüfung abzustellen sein soll, im Gesetz vorzuschreiben, wie es etwa der Europäische Gesetzgeber in der Novel Food VO (EG Nr. 258/97) getan hat. Und zum Anderen kann es in dem zur Entscheidung stehenden Einzelfall stets nur auf genau den Stoff ankommen, so wie er dem Lebensmittel zugegeben worden ist und möglicherweise noch darauf, welche Eigenschaften der Rohstoff selbst aufweist.

11. a) Die Antragstellerin will zur Beantwortung der Frage, ob ein Stoff üblicherweise als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet wird, wertend auf die allgemeine Verkehrsauffassung abstellen, die durch eine berechtigte Verbrauchererwartung und damit nicht durch eine rechtswidrig aufgebaute Marktrelevanz, sondern vielmehr durch den überwiegenden Verwendungszweck der Zutat im Vorstellungsbild des Verbrauchers geprägt werde. Anknüpfungstatsachen für die vorzunehmende Wertung seien damit der redliche Handelsbrauch und die Leitsätze des Lebensmittelbuches.

b) Diese Sichtweise scheint dem zu entsprechen, was in der Rechtsprechung – soweit sie sich überhaupt zu diesem Tatbestandsmerkmal verhält – vertreten wird. Das OVG NRW hat dazu in der Entscheidung „Kieselerde“ ( Urteil vom 22.01.08 – 13 A 3308/03 ) ausgeführt, dass mit dem Tatbestandsmerkmal „üblicherweise“ schon deswegen keine traditionelle Betrachtungsweise vorgegeben werde, weil die Verkehrsauffassung gerade in Bezug auf die – hier einschlägige – relativ neue Produktgruppe der Nahrungsergänzungsmittel Wandlungen unterworfen sei (Urteilsumdruck S. 23). Ebenso wie der Senat in seinem Urteil vom 29.03.07 in der Sache 3 U 279/06 darauf abgestellt hat, dass entsprechende Produkte bereits seit einiger Zeit am Markt präsent sein müssen, um die Feststellung treffen zu können, dass sich entsprechende Herstellungs- und Ernährungsgewohnheiten entwickelt hätten (Senat a.a.O., Urteilsumdruck S. 7), scheint auch das OVG NRW, für dessen Entscheidung es angesichts des seit langer Zeit üblichen Angebots von Produkten mit Kieselerde als Lebensmittel aber nicht darauf ankam, dem Erfordernis solcher tatsächlichen Feststellungen angesichts der weiten Definition der charakteristischen Zutat zur Verweidung einer uferlosen Ausdehnung des Ausschlusstatbestandes das Wort reden zu wollen (OVG NRW, a.a.O., Urteilsumdruck S. 23/24).

c) Für die Erwartung eines normal informierten, durchschnittlich verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers, der im Verkehr mit Lebensmitteln selbstverständlich von redlichen Handelsbräuchen ausgeht, ist zunächst von Interesse, ob der Blätter-Extrakt des Ginkgobaumes für die Fachkreise eine Zutat ist, die ein Lebensmittel prägen kann.

(aa) Dazu hat die Antragstellerin mit der Vorlage zahlreicher Unterlagen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, dass der Ginkgoblätter-Extrakt in der Spezifikation der Positiv-Monographie üblicherweise nicht als Lebensmittelzusatzstoff Verwendung findet.

Die Positivmonographie selbst (Anlage Ast 15), die einen Extrakt ASK Nr. 05939 u.a. charakterisiert durch einen Gehalt von 5–7 % Terpenlaktonen, davon ca. 2,8 bis 3,4 % Ginkloide A, B und C sowie etwa 2,6 bis 3,2 % Bilobalid und unter 5 ppm Ginkgolsäuren betrifft, untersucht diesen Extrakt nur als arzneilichen Wirkstoff und verhält sich demgemäß nur zu den pharmakologischen, pharmakokinetischen und toxikologischen Eigenschaften des Extrakts.

Nach den beiden Gutachten von Prof. M.… gemäß Anlagen Ast 9 und 23 sollen Ginkgoblätter traditionell nie als Lebensmittel verwendet worden sein. Für daraus gezogene Extrakte, in denen selektiv Inhaltsstoffe mit erwünschten biologischen pharmakologischen Effekten angereichert würden, gebe es gegenwärtig keine Verbraucherauffassung, nach der diese wegen ihres Nähr- oder Genusswertes verzehrt würden.

Nach „H.… Handbuch der Pharmazeutischen Praxis“ (CD-ROM 2006, Anlage Ast. 11) besteht für Ginkgoblätter in Deutschland bisher keine Verkehrsauffassung als Lebensmittel (unter Bezug auf Fußnote 351 Gründig/Hey (2002) zur Inventarliste Lebensmitteldrogen 1998).

Die „Inventarliste Lebensmitteldrogen“ (veröffentlicht in der „Deutschen Lebensmittel-Rundschau 2002, Heft 2, Anlage Ast 13) der ad-hoc-Arbeitsgruppe des ALS (Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des BgVV/BVL) verhält sich nur zu Ginkgo biloba-Blättern, für die keine Verkehrsauffassung als Lebensmittel existiere, sondern nur als Arzneimittel. Dies soll sich nach einer ergänzenden Stellungnahme als Ergebnis der 81. ALS-Sitzung im März 2003, die sich zu der Fragestellung verhält, ob Kräutertees mit Ginkgoblättern und Ringelblumenblüten verkehrsfähig sind, aber nur auf die Pflanzenteile als solche beziehen, nicht aber auf Erzeugnisse, denen diese zugesetzt wurden (Information der ALS, Anlage AG 8). Soweit nicht pharmakologisch wirksam, sei der Zusatz von Pflanzen und Pflanzenteilen zu Lebensmitteln zulässig, wobei die Prüfung, ob es sich um eine neuartige Zutat handele, unberührt bleibe.

In dem Werk „Teedrogen und Phytopharmaka“ (Stuttgart 1997) wird der hier zu beurteilende Extrakt ausschließlich als Phytopharmakon besprochen (Anlage Ast 16, S 258), Ginkgoblätter seien für die Teebereitung nicht üblich, eine Anwendung erfolge ausschließlich in Form von Spezialextrakten.

Die Beilage zur MMW 133 (1991) (Anlage Ast 17) verhält sich ausschließlich zur Gewinnung von Blattextrakten zur Verwendung in Arzneimitteln.

Der monographie-konform eingestellte Ginkgotrockenextrakt wird in dem deutschen Arzneibuch 2003 (Anlage Ast 25) und der Europäischen Monographie „Ginkgo Dry Extract, refined and quantified“ Monograp N*: 1827 – August 2007 – (Anlage Ast 26) als Stoff für die Pharmazie aufgeführt. Ebenso führen „Der B.… Gesundheit“, 6. Aufl./2004 (Anlage Ast 29), M.… „Arzneimittelwirkungen“, 8. Auf./2001 (Anlage Ast 30) und der „P.…“, 259. Aufl./2002 (Anlage Ast 31) den Ginkgo-Extrakt als arzneilichen Wirkstoff.

Dies ist schließlich auch in populären Abhandlungen, wie Beiträgen in der „A.… U.…“ vom 1. August 2007 (Anlage Ast. 32) und der „B.…“, Nr. 21/2008 (Anlage Ast 33) der Fall.

(bb) Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Schreiben der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 14.10.02 (Anlage AG 5) und vom 5.07.04 (Anlage AG 6) stehen dem nicht entgegen, denn in dem einen Schreiben werden die beurteilten Tees von den Sachverständigen mit großer Mehrheit nicht als arzneilich wirksam, sondern als Lebensmittel eingestuft, was über deren Verkehrsfähigkeit aber nichts aussagt, und das andere bezieht sich nur auf eine verneinte arzneiliche Wirkung von Kräutertee mit 15 % Ginkgo-Anteil, worum es hier ebenfalls nicht geht.

Auch die von der Antragsgegnerin zum Beleg dafür, dass von dem Extrakt in der Dosierung der empfohlenen Verzehrmenge eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgehe, eingereichten Unterlagen „ESCOP Monographs The Scientific Foundation for Herbai Medicinal Product“ (Anlage AG 13) und die „WHO monographs on selected medicinal plants – Volume 1“ (Anlage AG 14) sprechen den Extrakt ausschließlich als arzneilichen Wirkstoff an.

Soweit die Antragsgegnerin geltend gemacht hat, dass der Extrakt den sog „GRAS-Status“ (Generally Recognized As Safe) nach US-Recht erhalten habe, ergibt sich aus der dazu von der Antragstellerin eingereichten Fundstelle (Anlage Ast 19) das Gegenteil. Danach sollen „some dietary Supplement and conventional food companies“ dazu übergegangen sein, u.a. Ginkgo biloba in Frühstückscerealien zu verwenden, was dort als „non-GRAS ingredient“ angesprochen wird und überdies die FDA auf den Plan rufen werde.

d) Was die auf dem deutschen Markt nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin anzutreffenden Lebensmittel mit Ginkgo-Beimengungen angeht, ist nach den Ergebnissen der Recherche der Antragstellerin (Anlage Ast. 24 mit Anlagen), soweit dies unbestritten geblieben ist, von Folgendem auszugehen:

Das Produkt „T.… f…. m….“ der Firma K.… soll unter seinen 10 Zutaten einen an vorletzter Stelle im Zutatenverzeichnis aufgeführten Anteil an „Ginkgo biloba-Extrakt“ enthalten, der nicht weiter spezifiziert ist. – Das Produkt „B.… C.… -Ginkgo“ der Firma V.… enthält eine quantitativ und qualitativ nicht näher spezifizierte Menge eines Ginkgo-Stoffes.

Das Produkt „Ginkgo“ von „C.… D.…“ enthält 0,02 % des Extrakts gemäß der Positiv-Monographie.

Das Produkt „t…. Ginkgo G.… Kapseln“ soll als Arzneimittel vertrieben werden.

Daneben gibt es einige Wellness-Getränke und Teemischungen in der Anlage AG 7, die von der Antragsgegnerin aber nicht weiter vorgestellt worden sind.

Das von der Gärtnerei „B.…-B.… G.… “ verbreitete Rezept, nach dem ein „Ginkgo K.…“ aus 300 gr Blättern in einem Liter 35–40 % Alkohol hergestellt werden kann, scheint als esoterischer Einzelfall kaum geeignet, die Anschauungen der Verkehrskreise beeinflussen zu können.

e) Für das Tatbestandsmerkmal der üblicherweise erfolgenden Verwendung von Ginkgo biloba-Blättern als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verbleibt mithin viel zu wenig, als dass sich darauf schließen ließe, dass sich aus der Sicht der Fachkreise und der Verbraucher Ernährungsgewohnheiten entwickelt haben, nach denen der pharmazeutische Stoff Ginkgo biloba Extrakt nach der Positivmonographie in niedrigeren, als therapeutisch wirksamen Dosen als Nahrungsmittel verzehrt wird. Jedenfalls ist dies nicht überwiegend wahrscheinlich. Damit ist mit den wenigen Produktbeispielen und nach Auffassung der Fachkreise nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dargetan und glaubhaft gemacht, dass Nahrungsergänzungsmittel, die den monographie-konformen Extrakt aus Ginkgo biloba-Blättern enthalten, nach der allgemeinen Verkehrsausauffassung üblicherweise als charakteristische Zutat eines Lebensmittels Verwendung finden.

12. Der Senat kann aber nicht mit der für das Verfügungsverfahren erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands von § 2 Abs. 3, Satz 2, 2. Halbsatz LFGB vorliegen.

a) Nach dieser Vorschrift sind von den gleichgestellten Zusatzstoffen solche Stoffe ausgenommen, die natürlicher Herkunft oder den natürlichen gleich sind und nach allgemeiner Verkehrsauffassung überwiegend wegen ihres Nähr-, Geruchs- oder Geschmackswertes oder als Genussmittel verwendet werden.

b) Ginkgo Blätter, die Ausgangsstoff des Extrakts sind, sind natürlicher Herkunft und es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der durch Extraktion gewonnene Stoff den natürlichen Inhaltsstoffen des Blattes etwa nicht gleich ist. Dabei unterstellt der Senat nach der ergänzenden Stellungnahme des ALS aus dem März 2003, dass Erzeugnisse, denen Ginkgo Blätter zugesetzt wurden, vorbehaltlich pharmakologisch wirksamer Dosierungen als Kräutertees verkehrsfähig sind, also aus sachverständiger Sicht üblicherweise im Rahmen von Teemischungen als Lebensmittel konsumiert werden (Information der ALS, Anlage AG 8).

Der monograhie-konforme Extrakt wird nach der Extraktion durch mehrstufige Trenn – und Reinigungsschritte aufbereitet, wodurch er einen höheren Gehalt an erwünschten Wirkstoffen erhält – wie etwa der Terpenlaktone –, während unerwünschte Verbindungen wie etwa die schlecht in Wasser löslichen Biflavone und Ginkgolsäuren entfernt werden (Hänsel/Sticher, Anlage Ast 22 und DAß 2003, Anlage Ast 25). Was sich in einer Tasse Tee, die sich aus dem Aufguss einer Teeblätter-Mischung ergibt, an Inhaltsstoffen aus dem Ginkgoblatt befindet, ist zwar nicht vorgetragen, es scheint aber jedenfalls ein höherer Anteil an unerwünschten Ginkgolsäuren zu sein als in dem aufgereinigten Extrakt. Dies wird jedenfalls durch den in der Berufungsverhandlung überreichten Artikel aus der „D.… A.… Z.…“ Nr. 46/2008 (Anlage zum Sitzungsprotokoll) nahe gelegt, in dem die Ergebnisse einer Analyse von Teemischungen und -aufgüssen veröffentlicht ist. Ein Spezialextrakt mit auf 5–7 % angereicherten Terpenlaktonen, die in den Blättern in Mengen von 0,03 – 0,25 % enthalten sind, und dem Gehalt an Ginkgolsäuren, die in den getrockneten Blättern in einer Menge von bis zu 2 % enthalten waren und bis auf 0,0005 % abgereichert werden, soll deswegen bezüglich des Gehalts und des Spektrums an Inhaltsstoffen mit denen der Ginkgoblätter nicht mehr vergleichbar sein (Gutachten Prof. M.… vom 16. April 2008, Anlage Ast. 23, Seite 2). Das mag sein. Darauf und darauf, dass der monographie-konforme Extrakt möglicherweise weniger unbedenklich ist als ein mit Wasser zubereiteter Tee, kommt es hier aber nicht entscheidend an, sondern allein darauf, ob der Extrakt ein Stoff ist, der dem natürlichen Stoff gleich ist. Denn Nahrungsergänzungsmittel zeichnen sich gerade dadurch aus, dass der erwünschte Stoff in höherer Anreicherung dargeboten wird als in dem naturbelassenen Lebensmittel, § 1 Abs. 1 Nr. 2 NemV, und selbstverständlich auch dadurch, dass die unerwünschten Stoffe eliminiert werden. Die Inhaltsstoffe des Extraktes wären dem natürlichen Lebensmittelinhaltsstoff nur dann nicht mehr gleich, wenn der monographie-konforme Extrakt den verschiedenen Inhaltsstoffen natürlicher Herkunft chemisch nicht entspräche, weil etwa Veränderungen im Molekülaufbau oder der Zusammensetzung der durch Extraktion gewonnenen einzelnen Inhaltsstoffe feststellbar wären. Dazu ist hier aber nicht vorbereitet.

c) Es können im Verfügungsverfahren auch keine hinreichend sicheren Feststellungen dazu getroffen werden, dass die Ginkgol Extrakt enthaltenden Nahrungsergänzungsmittel nach allgemeiner Verkehrsauffassung etwa nicht überwiegend wegen ihres Nährwertes verwendet werden. Nach allgemeiner Auffassung der Fachkreise, wie sie oben dargelegt worden ist, wird der monographie-konforme Ginkgo biloba- Extrakt als arzneilicher Wirkstoff verwendet, dies allerdings in höherer Dosierung, als es der hier empfohlenen täglichen Verzehrmenge entspricht. Hier geht es um eine Konsumempfehlung in einer Dosierung, die nicht therapeutisch wirksam sein soll, was von der Antragsgegnerin mit einer nicht gegebenen pharmakologischen Wirkung gleichgesetzt wird.

Auszugehen ist von der Legaldefinition des Nahrungsergänzungsmittels in Art. 2a der Richtlinie 2000/46/EG, § 1 Abs. 1 Nr. 2 NemV, nach der Nahrungsergänzungsmittel Lebensmittel sind, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen. Es kommt also für das Tatbestandsmerkmal der Verwendung des Extrakts wegen des Nährwerts auf dessen ernährungsspezifische oder physiologische Wirkung an. Dazu gilt die oben unter 4 dargelegte Definition der physiologischen Wirkung als funktionaler Rechtsbegriff, mit dem einerseits dem Umstand Rechnung getragen wird, dass Lebensmittel nach dem heutigen Wissensstand der Ernährungswissenschaften nicht nur Effekte im Sinne eines tradierten Verständnisses von Ernährung haben, sondern darüberhinausgehende Wirkungen erzielen können und mit dem andererseits der Zweck verfolgt wird, ein Abgrenzungskriterium zu arzneilichen Wirkungen zu erreichen.

Im Ausgangspunkt der Untersuchung teilt der Senat im Ansatz die Auffassung von Prof. M.…, wie sie in dessen Gutachten aus der Anlage Ast 23, Seite 3 ff niedergelegt ist. Danach haben physiologische Wirkung in der Regel körpereigene Substanzen, die zur Aufrechterhaltung der normalen physiologischen Funktionen des Organismus benötigt werden, während Fremdstoffe, d.h. nicht körpereigene Stoffe, immer eine pharmakologische bzw. toxikologische und nie eine physiologische Wirkung haben können. Durchbrochen werde dieser Grundsatz aber, dadurch dass nach heutigen Erkenntnissen der Ernährungsphysiologie einige sekundäre Inhaltsstoffe von Pflanzen in der üblichen normalen Nahrung, wie etwa die Flavonoide, als sekundäre Abwehrebene gegen oxidativen Stress angesehen würden, und diese Stoffe daher, obwohl sie nicht im Organismus vorkommen, als physiologisch wirkende Stoffe subsumiert würden. Die dabei zugrundeliegenden biologischen Mechanismen ließen sich zwar nicht immer eindeutig von den pharmakologischen Effekten bestimmter arzneilicher Stoffe differenzieren. Charakteristisch sei aber, dass Lebensmittel und Lebensmittelzutaten ihre physiologische Wirkung auf den Organismus grundsätzlich bei normalem Konsum und verzehrüblichen Mengen entfalteten und diese Wirkungen unbedenklich seien, also keinen Warnhinweis im arzneimitteilrechtlichen Sinne erforderten.

Ob Letzteres ein taugliches Abgrenzungskriterium von einer physiologischen zu einer pharmakologischen Wirkung ist, mag im Hinblick auf die Erwägung zu Rz. 69 des EuGH-Urteils in der Rechtsache C-319/05 (Urteil vom 15. November 2007 – Knoblauchpräparat) unkommentiert bleiben, denn jedenfalls ist Prof. M.… zuzustimmen, wenn er ausführt, dass an dem Begriffspaar „physiologisch/pharmakologisch“ Arzneimittel von Lebensmitteln unterschieden werden und dass es um die Aufnahme der Sekundärstoffe bei üblichen Verzehrmengen mit der Nahrungsaufnahme geht. Letzteres korrespondiert mit dem Argument aus Rz. 68 des soeben zitierten EuGH-Urteils, wonach die Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann.

Prof. M.… geht sodann in seinem Gutachten konsequent davon aus, dass Terpenlaktone nur in dem Ginkgo-Baum und dort vornehmlich in den Blättern vorkommen und sonst in keiner anderen als Nahrung dienenden Pflanze und kommt dann unter Auswertung der veröffentlichten wissenschaftlichen Studien zu dem Ergebnis, dass Ginkgo Extrakte schon in einer Dosierung von deutlich unterhalb von 120 mg pharmakologische bzw. therapeutische Effekte auslösen können, wenngleich die für Arzneimittel angegebene Tagesdosis von 120 bis 240 mg im Bereich einer möglichst zuverlässigen therapeutischen Wirkung liegen solle. Dies alles basiert auf der Annähme, dass Ginkgo Blätter eben gerade nicht üblicherweise als Lebensmittel verzehrt werden, wovon der Senat nicht ausgehen kann, weil die Stellungnahme der ALS festgestellt hat, dass der Zusatz von Ginkgo Blättern zu Kräutertees zulässig ist, soweit sie nicht in einer pharmakologisch wirksamen Menge zugesetzt sind (Anlage AG 8). In einem solchen Falle wäre die Teemischung ein Funktions-Arzneimittel und die hier streitigen Nahrungsergänzungsmittel wären es ebenfalls, weil sie eine pharmakologisch wirkende Anreicherung von Terpenlaktonen enthielten.

Zu dieser Streitfrage wird der Rechtsstreit aber gerade nicht geführt. Der Senat kann nach dem von der Antragstellerin vorgegebenen Streitgegenstand im Grunde gar nicht anders, als entweder von einer physiologischen Wirkung der Extrakte oder gar keiner Wirkung zu Nährzwecken ausgehen, weil der Streit nur darum geführt wird, ob die Nahrungsergänzungsmittel der Antragsgegnerin als Lebensmittel deswegen nicht verkehrsfähig sind, weil sie nicht zugelassene Zusatzstoffe enthalten und nicht deswegen, weil sie wegen eines pharmakologischen Wirkmechanismus als Arzneimittel einzustufen wären.

Welche Mengen an Terpenlaktonen mit Teeaufgüssen verzehrt werden, ist nicht dargetan, so dass eine Vergleichsrechnung nicht stattfinden kann.

All dies basiert naturgemäß auf den Erkenntnismöglichkeiten des Verfügungsverfahrens. In einem zur Hauptsache geführten Rechtsstreit, in dem der Senat sich sachverständig beraten lassen kann, mag man zu ganz anderen Ergebnissen kommen.

13. Der Senat kann mit den Erkenntnismöglichkeiten des Verfügungsverfahrens auch nicht feststellen, dass die Voraussetzungen eines Verbots aus Art. 14 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 178/2002 bzw. § 5 Abs. 1 Satz 1 LFGB vorliegen.

Nach Art. 14 Abs. 2 lit a) und b) der BasisVO gelten Lebensmittel nicht als sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie gesundheitsschädlich oder für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind.

Hier geht es um den monographie-konformen Ginkgo Blatt-Extrakt in einer täglichen Verzehrmenge (100 mg) von weniger als der geringsten therapeutisch wirksamen Dosis von 120 mg täglich (siehe dazu die die übliche Dosis in der Gebrauchsinformation von T.… ® f….; hinter Anlage Ast 35). Das BfArM hat der Antragsgegnerin zur Auflage gemacht, Warnhinweise zur Überempfindlichkeit gegen Ginkgo biloba und in der Schwangerschaft, für Menschen mit erhöhter Blutungsneigung, sowie bei gleichzeitiger Behandlung mit blutgerinnungshemmenden Arzneimitteln, vor anstehenden Operationen und zu Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln in die Gebrauchsinformation aufzunehmen (Anlagen Ast 36/37). Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat im Jahre 2002 eine Mitteilung zu Blutungen unter Ginkgo biloba Extrakten herausgegeben und vor einer kombinierten Gabe mit Gerinnungshemmern gewarnt (Anlage Ast 12). Das kann sich aber nur auf die damals bekannten therapeutisch wirksamen Dosen beziehen.

Prof. M.… meint in dem Gutachten aus der Anlage Ast. 23, dass es bei den auf den Markt drängenden Produkten mit Ginkgo Extrakten ganz offensichtlich darum gehe, sich die in der Bevölkerung bekannten pharmakologischen Effekte auf die Hirnleistung zu Nutze zu machen und man bei dem Angebot von „Wirkungsgetränken“ ganz bewusst ganz knapp unter der für die meisten Anwender mit großer Wahrscheinlichkeit therapeutisch wirksamen Dosis bleibe, wobei vollständig übersehen werde, dass sich im Hinblick auf die Unbedenklichkeitsbewertung eine Tagesdosis von 100 mg gegen 120 mg nicht wesentlich unterscheide (Seite 11). Mit den in die Fach- und die Gebrauchsinformation aufzunehmenden Hinweisen auf die Risiken liege eine eindeutige Bewertung der Zulassungsbehörde vor, nach der die Einnahme von Ginkgo Extrakten neben dem therapeutischen Nutzen auch mit einem gesundheitlichen Risiko verbunden sein kann. Die wissenschaftliche Aussage, dass sich die Wirksamkeit von 100 mg Extrakt nicht wesentlich von der von 120 mg unterscheide, gelte für die toxikologischen Effekte des Ginkgo Extraktes ganz besonders, da aus Sicherheitsgründen eine wesentlich größere Varianz und damit verbundene individuelle Empfindlichkeit der Patienten anzunehmen sei (Seite 14).

Demgegenüber bezieht die Antragsgegnerin sich auf die gutachterliche Äußerung von Dr. V.…, nach der eine gesundheitsgefährdende Wirkung des verwendeten Extraktes nicht bestehe, da der Ginkgolsäuregehalt unter 5 ppm (mg/kg) eingehalten werde (Anlage AG 2), auf die ESCOP-Monographie zu Ginkgo Folium – Ginkgo Leaf –, die den hier interessierenden Extrakt betrifft (Anlage AG 13, S. 178) – und die unter Auswertung der Erkenntnisse aus den neuesten Studien zu der Einschätzung komme, dass Wechselwirkungen von Ginkgo mit Substanzen, die die Blutgerinnung hemmen, zwar nicht auszuschließen seien, in kontrollierten Studien aber nicht beobachten worden seien und unter den Punkten „undesirable effects“ und „spezial warnings“ keinen Hinweis auf die behaupteten Blutungsrisiken anführe (a.a.O., S. 179). Gleichermaßen erwähne auch die WHO-Monographie „Folium Ginkgo“ (Anlage AG 14), die ebenfalls den hier gegenständlichen standardisierten Extrakt betrifft (S. 158), unter den Punkten „unerwünschte Wirkungen“ und „Vorsichtsmaßnahmen“ solche Risiken nicht (S. 162/163).

Der Senat hat bei Aufbereitung des Streitstoffes gesehen, dass der standardisierte Extrakt nicht nur in den soeben erwähnten Anlagen, sondern auch noch in weiteren von den Parteien eingereichten Unterlagen mit umfassenden Darstellungen der Literatur- und Studienlage besprochen worden ist. Es sprengt die Möglichkeiten des Verfügungsverfahrens, in die Bewertung des Stoffes so tief einzusteigen, dass eine auf dem Zuverlässigkeitsgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit basierte Entscheidung getroffen werden kann. Der Senat muss zwar in eigener Verantwortung und unabhängig davon, ob die zur Risikoeinschätzung zuständigen Behörden tätig geworden sind, nach den objektiven Gegebenheiten entscheiden (siehe dazu: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 26. Aufl./ 2008 , Rn. 11.18 zu § 4 UWG mit Rechtsprechungsnachweisen), er könnte sich aber im Hauptsacheverfahren wenigstens – und sei es durch amtliche Auskünfte der zuständigen Behörden – fachlich beraten lassen Das Risiko der nicht hinreichenden Aufklärbarkeit muss im Verfügungsverfahren zu Lasten der Antragstellerin gehen. Denn sie hat zunächst darzulegen und glaubhaft zu machen, dass das Lebensmittel unter normalen Bedingungen seiner Verwendung, Art. 14 Abs. 3 lit. a) BasisVO, nicht sicher ist, wobei dies nach Art. 14 Abs. 3 lit. b) BasisVO auch noch bei entsprechender Information der Verbraucher der Fall sein müsste. Der Umstand, dass das BfArM für die arzneilich wirksamen Dosen Warnhinweise verlangt, führt für sich genommen bei der hier gegeben Literatur und Studienlage noch nicht zu einer sekundären Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast der Antragsgegnerin. Dies gilt jedenfalls für das Verfügungsverfahren, im Hauptsacheverfahren mag das nach gründlicher Erörterung der Fachpublikationen anders aussehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.




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