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Kammergericht Berlin Urteil vom 29.05.2007 - 5 U 153/06 - Staatsnamen dürfen nicht für private Internet-Domains missbraucht werden

KG Berlin v. 29.05.2007: Staatsnamen und Bindestrich-Domain


Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 29.05.2007 - 5 U 153/06) hat entschieden:

   Staatsnamen dürfen nicht für private Internet-Domains missbraucht werden. Für Staatsnamen, ob in der Landessprache oder in einer Übersetzung, besteht immer ein ausschließliches Nutzungsrecht des jeweiligen Staates. Der im Namen des Namensträgers nicht vorkommende Bindestrich in der Second-Level-Domain steht einer Namensverletzung nicht entgegen.




Siehe auch Domainrecht und Markenrecht für Onlinehändler


Aus den Entscheidungsgründen:


A.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 ZPO mit der aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkung aus den Gründen der Verfügung des Senats vom 3. April 2007, an denen der Senat nach nochmaliger Prüfung festhält, zurückzuweisen.


B.

In der genannten Verfügung hat der Senat ausgeführt:

   “I.

Die Berufung hat zum überwiegenden Teil keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Der Antragstellerin steht hinsichtlich der von der Antragsgegnerin verwendeten Domains ein aus § 12 BGB folgender - dringender - Unterlassungsanspruch zu. Der Senat stimmt der angefochtenen Entscheidung (LG Berlin MMR 2007, 60) und ihrer Begründung in allen Punkten zu (ebenso Roggenkamp, jurisPR-ITR 2/2007, Anm. 4), soweit aus dem nachfolgend unter I 3 Ausgeführten nichts Gegenteiliges folgt.

Zu den Berufungsangriffen ist Folgendes auszuführen:

1. Ohne Erfolg stellt die Berufung einen aus § 12 BGB folgenden Unterlassungsanspruch wegen unbefugten Namensgebrauchs dem Grunde nach in Abrede.

a) Eine Namensanmaßung liegt vor, wenn ein Dritter unbefugt den gleichen Namen gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung auslöst und schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt. Im Falle der Verwendung eines fremden Namens als Internet-Adresse liegen diese Voraussetzungen im Allgemeinen vor. Ein solcher Gebrauch des fremden Namens führt im Allgemeinen zu einer Zuordnungsverwirrung. Ein - zu einer Identitätsverwirrung führender - unbefugter Namensgebrauch ist im Übrigen bereits dann zu bejahen, wenn der Nichtberechtigte die Domain bislang nur hat registrieren lassen. Denn die den Berechtigten ausschließende Wirkung setzt bei der Verwendung eines Namens als Internet-Adresse bereits mit der Registrierung ein (vgl. BGHZ 149, 191, 199 - shell.de).

b) Im Streitfall hat das Landgericht in Anwendung vorstehender Grundsätze mit zutreffender Begründung eine rechtsverletzende Namensanmaßung angenommen. Ohne Erfolg weist die Berufung in diesem Zusammenhang auf BGH GRUR 2007, 259 f. - Solingen.info - hin. Diese Entscheidung streitet nicht gegen das hier dem Grunde nach verhängte Verbot.

aa) Das erste Zitat in der Berufungsbegründung aus besagtem Urteil zu (vermeintlich) widersprüchlichen Domain-Namen wie etwa “karlsruhe.at” (BGH GRUR 2007, 259, Tz. 9 - solingen.info) gibt nicht die Meinung des Bundesgerichtshofs, sondern die (im Konjunktiv referierte) Auffassung der dortigen Vorinstanz wieder (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 383), ohne dass der Bundesgerichtshof speziell darauf im weiteren Verlauf seiner Entscheidung (zustimmend) zurückgekommen wäre. Dazu hatte er auch keine Veranlassung, da es dort, soweit “solingen.info” in Streit stand, um keine länderspezifische Top-Level-Domain ging (“info”), die in einem (vermeintlichen) geographischen Widerspruch zur vorangestellten Second-Level-Domain (“solingen”) überhaupt hätte stehen können.



Im Übrigen hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass ein solcher Widerspruch jedenfalls für die hier in Rede stehende Kombination des Staatsnamens X als Second-Level-Domain mit der auf einen anderen Staat Y hinweisenden Top-Level-Domain nicht besteht. Letztere weist nämlich den Betrachter nicht etwa auf die Nationalität des Domaininhabers, sondern auf das Land der Registrierung hin. Demzufolge lässt “t…. -r…. .at” (bzw. “t…. -r…. .ch”) meinen, dass sich die Antragstellerin diese Domain bei der österreichischen (bzw. schweizerischen) Domainvergabestelle habe registrieren lassen.

bb) Auch die in der Berufungsbegründung im Weiteren angeführten Ausführungen des Bundesgerichtshofs in besagtem Urteil zu nicht länderspezifischen Domains streiten nicht für, sondern gegen die Zulässigkeit der hier ferner in Rede stehenden Domain “tschechischerepublik.com”. Danach ist zwar nicht auszuschließen, dass allgemeine, nicht länderspezifische Top-Level-Domains einer Zuordnung zu bestimmten Namensträgern entgegenwirken, wenn diese nicht den typischen Nutzern derartiger Top-Level-Domains zuzurechen sind. Nicht von vornherein auszuschließen könnte dies etwa bei Top-Level-Domains wie “biz” (für business) oder “pro” (für professions) sein (BGH GRUR 2007, 259, 260, Tz. 18 - Solingen.info).

Zu derartigen Domains rechnet die Top-Level-Domain “.com” in Kombination mit einem Staatsnamen jedoch nicht. Eine Zuordnungsverwirrung scheidet also nicht deshalb aus, weil die beanstandete, dem Namen der Klägerin entsprechende Kennzeichnung mit der Top-Level-Domain “.com” verknüpft wird. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Silbe “.com” deute auf einen kommerziellen Anbieter hin. Denn auch nicht kommerziell handelnde juristische Personen wie die Klägerin sind nicht gehindert, Informationen unter der Top-Level-Domain “.com” über das Internet anzubieten. Zahlreiche Benutzer werden demzufolge annehmen, dass es die Antragstellerin selbst ist, die unter dieser Adresse im Internet Informationen verbreitet oder plant zu verbreiten. Vielen Benutzern ist bekannt, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, die beispielsweise an einer Steigerung des Fremdenverkehrs interessiert sind, im Internet Werbung betreiben (vgl. schon OLG Karlsruhe MMR 1999, 604, 605, zu “badwildbad.com”).


2. Gleichfalls ohne Erfolg stellt die Antragsgegnerin - mit neuem Vorbringen - den Verfügungsgrund in Abrede. Ob dieses Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO der Zulassung bedarf bzw. nach Satz 1 Nr. 3 dieser Vorschrift zuzulassen wäre, muss der Senat nicht entscheiden. Denn dieses Vorbringen greift jedenfalls der Sache nach nicht durch. Auch danach verhält es sich so, dass die insoweit maßgeblichen Personen bei der Antragstellerin erst kurz vor Einschreiten gegen die Antragsgegnerin davon erfahren haben, dass diese die drei hier in Rede stehenden Domains hält bzw. nutzt. Daran ändert nichts, dass vor einigen Jahren der Geschäftsführer der Antragsgegnerin namens einer anderen juristischen Person mit Botschaftspersonal der Antragstellerin in gänzlich anderem Zusammenhang korrespondiert haben will, und dass aus dieser Korrespondenz sonstige Domains erkennbar gewesen sein sollen.

Was eine damalige Kenntnisnahme durch Botschaftspersonal anbelangt, darf nicht übersehen werden, dass die Antragstellerin nahe liegend mit einem Großunternehmen zu vergleichen ist, bei dem es insoweit entscheidend auf die Kenntnis der zuständigen Personen, namentlich der Rechtsabteilung ankommt (vgl. dazu Senat WRP 1984, 478; OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 374, 376; OLG Köln WRP 1999, 222 f.). Damalige Kenntniserlangung der insoweit zuständigen Personen liegt ersichtlich nicht vor. Auch soweit man Kenntnis eines Sachbearbeiters ausreichen lässt, von dem nach seiner Funktion erwartet werden darf, dass er eine gewisse rechtliche Relevanz des in Rede stehenden Verhaltens eines Anderen erkennen und seine Kenntnis auch an diejenigen Personen seines Unternehmens weitergeben kann, die zu Entscheidungen über das Einreichen entsprechender Maßnahmen befugt sind (so OLG Frankfurt NJW 2000, 1961 f.), ergibt das im Streitfall kein der Antragsgegnerin günstigeres Ergebnis, da auch eine solche Konstellation nicht ersichtlich ist.

b) Da es dem Verletzten freisteht, wen er in Anspruch nimmt und wen nicht, steht der Dringlichkeit nach Auffassung des Senats auch nicht allein der Umstand entgegen, dass ein Antragsteller - wie hier unterstellt - gegen Verstöße anderer Personen nicht eingeschritten ist (ebenso OLG Dresden nach Marx WRP 2004, 970, 972; OLG Stuttgart GRUR-RR 2005, 307; a.M.: OLG Frankfurt WRP 1996, 1193).

c) Der Dringlichkeit steht auch nicht entgegen, dass ein Gläubiger bereits zu einem früheren Zeitpunkt - wie hier unterstellt - Kenntnis von Verstößen erlangt hat, die dem nunmehr angegriffenen zwar ähnlich sind, gleichwohl aber einen anderen Streitgegenstand bilden (OLG Frankfurt Magazindienst 2006, 1179; OLG Hamburg, Urt. v. 04.05.2006 - 3 U 210/05 - juris Rn. 31 [insoweit nicht abgedruckt in WRP 2006, 1152 f.]).


3. Mit Recht macht die Antragsgegnerin allerdings geltend, dass der Unterlassungsantrag bzw. die Untersagungsformel zu weit gefasst ist. Schon aus der bereits angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich, dass nicht auszuschließen ist, dass bei der Kombination der streitgegenständlichen Second-Level-Domain mit bestimmten (sonstigen) nicht länderspezifischen Top-Level-Domains eine Zuordnungsverwirrung ausscheiden könnte (BGH GRUR 2007, 259, 260, Tz. 18 - solingen.info), was vorliegend gegen das vom Landgericht verhängte allumfassende Verbot von “t…. -r….” (i.V. mit jedweder Top-Level-Domain) streitet. Hinzukommt, dass derzeit noch nicht absehbar ist, welche Top-Level-Domains künftig auf dem Markt in Erscheinung treten werden.

Zu verbieten sind daher nach Sachlage - was im Verhältnis zum Antrag und zum erstinstanzlichen Aüsspruch ein “Minus” darstellt - derzeit nur die drei konkreten Verletzungsformen, also:

   Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, untersagt,

   zur Kennzeichnung von Internet-Domains die Bezeichnung “t…. -r….” als Second-Level-Domain in Kombination mit den Top-Level-Domains “.com”, “.ch” oder “.at” zu verwenden und/oder verwenden zu lassen.



Da wegen des weitergehenden Verbots die Berufung Aussicht auf Erfolg hat, ist eine Zurückweisung der Berufung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann möglich, wenn die Antragstellerin den zu weit gehenden Teil im Wege der Antragsteilrücknahme zurücknimmt.

II.

Es fehlt auch an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie an dem Erfordernis der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO, wobei in diesem Zusammenhang im Übrigen auch in Rechnung zu stellen ist, dass es sich um ein der höchstrichterlichen Nachprüfung ohnehin entzogenes Eilverfahren handelt (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 18.04.2006 - 5 U 30/05, S. 14).”





C.

An vorstehenden Ausführungen hält der Senat auch in Ansehung der Stellungnahme der Antragsgegnerin fest, sodass die Berufung zurückzuweisen ist, nachdem die Antragstellern das Untersagungsbegehren nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zu B I 3 nunmehr im Wege der Antragsteilrücknahme eingeschränkt hat.

Im Hinblick auf die Stellungnahme der Antragsgegnerin ist - in der dort gewählten Reihenfolge - lediglich Folgendes zu ergänzen:

I.

Der Senat verbleibt bei seiner Auffassung, dass ein Verfügungsgrund vorliegt. Die seit langer Zeit bestehende Existenz der streitgegenständlichen Domains liefert kein Indiz für eine seit langer Zeit bestehende diesbezügliche Kenntnis auf Seiten der Antragstellerin. Kenntniserlangung durch Botschaftspersonal der Antragstellerin ist auch dann nicht dringlichkeitsschädlich, wenn es sich hierbei um die promovierte Leiterin der Konsularabteilung der Antragstellerin handelt. Ergänzend ist auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung hinzuweisen, wonach auch für den Beginn der Verjährung hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals “Kenntnis” (nach früherem Recht) bei Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf die positive Kenntnis des für die Vorbereitung und Verfolgung des Anspruchs zuständigen Bediensteten abzustellen ist (BGH MDR 2007, 463 = NJW 2007, 834 f., m.w.N.).

II.

Der - im Namen der Antragstellerin nicht vorkommende - Bindestrich in der streitgegenständlichen Second-Level-Domain steht im Streitfall einer Namensverletzung nicht entgegen. Ausschlaggebend ist vorliegend, da es sich um eine nicht nur reservierte, sondern bereits benutzte Domain handelt, nicht die Verletzung wegen einer Blockadewirkung (deren Vorliegen die Antragsgegnerin wegen verbleibender orthographischer Varianten anzweifelt), sondern die Zuordnungsverwirrung kraft Benutzung der Domain. Aus dieser Zuordnungsverwirrung führt der Bindestrich - bei ansonsten identischer Bezeichnung - aber nicht heraus. Das steht nicht in Widerspruch zu dem von der Antragsgegnerin zitierten Urteil des Oberlandesgerichts Köln (MarkenR 2007, 123), sondern wird dort - im Gegenteil - genauso beurteilt. Das Gericht hat den namensrechtlichen Anspruch dort im Ergebnis nur wegen nicht besonders schwer wiegender Zuordnungsverwirrung verneint, da die angegriffene Bindestrich-Domain autmatisch zu einer gänzlich anderslautenden Domain führte und der Besucher sofort merkte, dass er sich nicht auf der Internetseite der Angreiferin befand. Eine solche - besondere - Konstellation, die einer - auch dort bestehenden - Zuordnungsverwirrung ausnahmsweise die rechtliche Relevanz nahm, steht im Streitfall aber nicht zur Entscheidung an.




III.

Die hier zu treffende Entscheidung steht entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin aus dem zu B I 1 b aa (Abs. 2) genannten Grund auch nicht in Widerspruch zu den Ausführungen zu einer - mit “t…. -r…. .at” bzw. “t…. -r…. .ch” nicht vergleichbaren - Domain “karlsruhe.at” in OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 383, wobei hinzukommt, dass jene Ausführungen im dazu ergangenen Revisionsurteil (BGH GRUR 2007, 259 - solingen.info) weder eine entscheidungserhebliche Rolle gespielt haben noch als solche dort bestätigt worden wären.


IV.

Der zuletzt formulierte Untersagungsantrag und vom Senat erlassene Verbotsausspruch ist nicht zu weit gefasst. Verboten sind die im Tenor wiedergegebenen Kombinationen einer konkret bezeichneten Second-Level-Domain mit drei konkret bezeichneten Top-Level-Domains. Die Antragstellerin hat zuletzt diese drei Kombinationen mit Recht als konkret verwendete Verletzungsformen angegriffen.


D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 269 Abs. 3, § 92 Abs. 1 ZPO, da die Antragstellerin nunmehr - nach Antragsteilrücknahme - in geringerem Umfang obsiegt (Untersagung nur konkret benutzter Domains) als sie zunächst begehrt hat, was der Senat mit einer Quote von 1/5 bewertet. Die Quote ist nicht mathematisch mit Blick auf die Zahl der ansonsten denkbaren Domainkombinationen nach ursprünglich gestelltem weiten Antrag zu bilden, sondern nach dem Schwerpunkt des Interesses, das sich naturgemäß regelmäßig - und so auch hier - in erster Linie gegen die tatsächlich in Erscheinung getretenen konkreten Verletzungssachverhalte richtet.


E.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 3 ZPO.

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