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OLG München Beschluss vom 22.04.2008 - 29 W 1211/08 - Zum Verbot der Jackpot-Werbung in Bayern

OLG München v. 22.04.2008: Zum Verbot der Jackpot-Werbung in Bayern



Das OLG München (Beschluss vom 22.04.2008 - 29 W 1211/08) hat entschieden:

  1.  Die Vorschriften in § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) sind Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG.

  2.  Eine einseitig die Vorteile der Teilnahme am Glücksspiel, insbesondere die Möglichkeit besonders hoher Gewinne, herausstellende Werbung steht im Widerspruch zu den Vorgaben aus § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV und ist gemäß § 4 Nr. 11, § 3 UWG unlauter.

Siehe auch
Glücksspiele
und
Werbung


Entscheidungsgründe:


I.

Die Antragstellerin, die Wettbewerbszentrale, ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen.

Der Antragsgegner, der Freistaat Bayern, veranstaltet jedenfalls in Bayern die Zahlenlotterie LOTTO - 6 aus 49. Für diese veranlasste er folgende den Gegenstand des vorliegenden Verfügungsverfahrens bildende Werbemaßnahmen:

  1.  Eine am 8. Februar 2008 erschienene Zeitungsanzeige (vgl. Anlage ASt 4), bei der die letzten drei Zeilen lauteten: Chance 1 : 140 Mio. Spielteilnahme ab 18. Glücksspiel kann süchtig machen. Infos unter www. (…).de wie nachfolgend abgebildet: (Grafik)

  2.  Die nachfolgend abgebildete Werbetafel (vgl. Anlage ASt 5): (Grafik)

  3.  Die Ausgabe Nr. 6 vom 5. Februar 2008 des vom Antragsgegner herausgegebenen Magazins (…) (vgl. Anlage ASt 6) mit dem nachfolgend wiedergegebenen Titelblatt und dem dort diagonal verlaufenden Text: Lotto: rund 15 Mio Euro am Mittwoch zu gewinnen: (Grafik)

Die Antragstellerin hat in der Werbung mit der Gewinnhöhe einen Verstoß gegen den Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag [GlüStV], BayGVBl. 2007, 906) gesehen, der gemäß § 4 Nr. 11, § 3 UWG deren Unlauterkeit begründe, und den Antragsgegner deshalb mit Schreiben vom 19. Februar 2008 (vgl. Anlage ASt 7) erfolglos abgemahnt.

Die entsprechenden Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags lauten:

   § 1 - Ziele des Staatsvertrages

Ziele des Staatsvertrages sind

  1.  das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen,

  2.  das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern,

  3.  den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten,

  4.  sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden.

und

§ 5 - Werbung

(1) Werbung für öffentliches Glücksspiel hat sich zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Glücksspielmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken. (2) Werbung für öffentliches Glücksspiel darf nicht in Widerspruch zu den Zielen des § 1 stehen, insbesondere nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern. Sie darf sich nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten. Die Werbung darf nicht irreführend sein und muss deutliche Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten enthalten. (3) Werbung für öffentliches Glücksspiel ist im Fernsehen (§§ 7 und 8 Rundfunkstaatsvertrag), im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen verboten. (4) Werbung für unerlaubte Glücksspiele ist verboten.

Die Antragstellerin hat in ihrer am 18. März 2008 eingegangenen Antragsschrift beantragt,

   dem Antragsgegner aufzugeben, es bei Meidung eines Ordnungsgelds bis zu 250.000, €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr bei der Bewerbung der Lotterie ("Lotto") die Höhe des möglichen Geldgewinns mitzuteilen, ("Jackpot"), insbesondere wenn dies wie nachstehend abgebildet geschieht:

   (folgen Abbildungen)



Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 20. März 2008 ohne Anhörung des Antragsgegners zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Mitteilung der Jackpot-Höhe überschreite nicht den in § 5 Abs. 1 GlüStV geregelten zulässigen Rahmen; sie verletze das Verbot der gezielten Aufforderung, des Anreizes oder der Ermunterung an der Teilnahme an einem besonders Sucht gefährdenden Glückspiel über das zulässige Maß hinaus nicht. Sie bediene im Wesentlichen das Informationsbedürfnis bereits zur Teilnahme entschlossener oder auch im Einzelfall potentieller Mitspieler.

Gegen diesen ihr am 31. März 2008 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 3. April 2008 eingegangenen sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Sie stellt insbesondere darauf ab, dass es sich bei den beanstandeten Verletzungshandlungen um eine durch die Hervorhebung besonders ausgeprägte Aufmerksamkeitswerbung handele, die die Grenze zum rein informativen Charakter weit überschreite.

Die Antragstellerin beantragt,

   den angegriffenen Beschluss aufzuheben und zu entscheiden wie im ersten Rechtszug beantragt.

Der Antragsgegner, dem der Senat Gelegenheit zur Äußerung gegeben hatte, beantragt,

   die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin zeitnah von den angegriffenen Werbemaßnahmen Kenntnis erlangt habe. Dass der Antrag erst mehr als einen Monat nach Kenntniserlangung gestellt worden sei, zeige, dass keine Dringlichkeit bestehe, so dass es an einem Verfügungsgrund fehle. Die Antragstellerin sei auch nicht aktivlegitimiert; ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen ihm dem Antragsgegner und einem Mitglied der Antragstellerin sei schon deshalb ausgeschlossen, weil er in seinem Landesgebiet allein berechtigt und verpflichtet sei, die Lotterie 6 aus 49 zu veranstalten. Im Übrigen sei die angegriffene Werbung auch nicht wettbewerbswidrig.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.





II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Der Antragstellerin steht ein Unterlassungsanspruch zu, der die angegriffenen und kerngleiche Verletzungshandlungen umfasst. Dagegen kann sie nicht die Unterlassung jedweder Werbung unter Erwähnung der Gewinnhöhe verlangen.

a) Der Antragstellerin steht hinsichtlich der angegriffenen Verletzungsformen ein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV zu.

aa) Die Antragstellerin ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert.

Der Begriff der Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art in dieser Vorschrift ist weit auszulegen. Die beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Es reicht aus, dass eine nicht gänzlich unbedeutende potenzielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann; ein entsprechendes Wettbewerbsverhältnis wird wesentlich durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur selben Branche oder zu zumindest angrenzenden Branchen begründet (vgl. BGH GRUR 2007, 809 Krankenhauswerbung Tz. 14 m. w. N.).

Angesichts der umfassenden Klagebefugnis der Antragstellerin (vgl. BGH GRUR 1995, 122 Laienwerbung für Augenoptiker; Senat GRUR-RR 2003, 222 Internetradio; Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl. 2008, Einl. Rz. 2.29; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. 2007, Kap. 13 Rz. 30c; jeweils m. w. N.) ist zumindest für das vorliegende Verfahren davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bei der Antragstellerin vorliegen.

bb) Gemäß § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Marktteilnehmer sind neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind (§ 2 Nr. 2 UWG).

Die Vorschriften in § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV sind derartige Marktverhaltensregelungen. Sie dienen dem Schutz der Spieler und Spielinteressenten vor Glücksspielsucht; zu diesem Zweck setzen sie dem Werbeauftreten von Anbietern öffentlichen Glückspiels auf dem Markt Grenzen.

§ 5 Abs. 1 GlüStV bestimmt, dass sich Werbung für öffentliches Glücksspiel zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Glücksspielmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken hat. § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüStV konkretisiert diese Beschränkung dahin, dass die Werbung nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern darf. Da jeder Art von Werbung ein gewisses Aufforderungs- bzw. Anreizmoment immanent ist, richtet sich dieses Verbot vor allem gegen unangemessene unsachliche Werbung (vgl. BayLT-Drs. 15/8486, S. 15).



Für die Beantwortung der Frage, ob eine Werbemaßnahme unangemessen oder unsachlich ist, kommt es entscheidend darauf an, dass § 5 Abs. 1 GlüStV Werbung für öffentliches Glücksspiel ausdrücklich auf Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel beschränkt. Eine einseitig die Vorteile der Teilnahme am Glücksspiel, insbesondere die Möglichkeit besonders hoher Gewinne, herausstellende Werbung steht im Widerspruch zu diesen Vorgaben und ist unangemessen und unsachlich.

cc) Danach sind die drei von der Antragstellerin angegriffenen Werbemaßnahmen durch § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV untersagt und deshalb gemäß § 4 Nr. 11, § 3 UWG unlauter. (1) Die Zeitungsanzeige gemäß Anlage ASt 4 stellt die Höhe des bei der jeweils nächsten Ausspielung möglichen Gewinns blickfangmäßig in den Vordergrund. Andere Informationen als diesen die besondere Attraktivität der Spielteilnahme begründenden Umstand erwähnt sie nur in wesentlich kleinerer Schrift. Zwischen der plakativen Hervorhebung der Gewinnangabe und der im Schriftbild demgegenüber kaum in Erscheinung tretenden Erwähnung der Suchtgefahr und der geringen Gewinnwahrscheinlichkeit besteht ein eklatantes Missverhältnis.

Die Unausgewogenheit der Anzeige, die sich aus der einseitigen Hervorhebung der Möglichkeit eines besonders hohen Gewinns ergibt, bewirkt einen gesteigerten Anreiz für die durch die Werbung angesprochenen Personen, an der Lotterie teilzunehmen. Der gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV gestattete informative und aufklärende Gehalt der Werbung tritt deutlich gegenüber deren Aufmachung als Reklame mit Anreiz zur Teilnahme zurück. Das verstößt gegen § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV.

Den beiden anderen angegriffenen Werbemaßnahmen (Werbetafel gemäß Anlage ASt 5 und Titelblattwerbung gemäß Anlage ASt 6) kommt der verbotene Anreizcharakter in noch höherem Maße zu, da diese nicht einmal untergeordnete Hinweise auf gegen eine Spielteilnahme sprechende Umstände enthalten, sondern die attraktive Gewinnhöhe in Alleinstellung anführen. Sie stehen damit sogar im Widerspruch zu der Vorgabe in Nr. 2 der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum GlüStV), nach der eine Information über Höchstgewinne mit der Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust zu verbinden ist. Es kann insoweit dahinstehen, ob im Inneren des Magazins mit dem angegriffenen Titelblatt aufklärende Angaben enthalten sind, da diese beim Anblick des Titelblatts nicht wahrgenommen werden und deshalb von einer Verbindung, wie sie Nr. 2 der Richtlinien verlangt, nicht gesprochen werden kann.




Bei der Werbung auf dem Titelblatt des Magazins (vgl. Anlage ASt 6) kommt hinzu, dass bei der Feststellung des maßgebenden Gesamteindrucks, den die Werbemaßnahme auf die angesprochenen Verkehrskreise macht, auch die übrige Gestaltung des Titelblatts insbesondere der ebenfalls blickfangmäßig gestaltete Titel Spiel mit zu berücksichtigen ist. Im Zusammenwirken mit diesem in der Befehlsform gehaltenen Titel kommt der Hervorhebung des möglichen Gewinns nicht nur eine zur Spielteilnahme anreizende, sondern auch eine ausdrücklich dazu auffordernde Wirkung zu.

(2) Keiner näheren Erörterung in dem anhängigen Rechtsstreit bedarf der Umstand, dass zumindest die Werbetafel gemäß Anlage ASt 5 und die Titelblattwerbung gemäß Anlage ASt 6 nicht die durch § 5 Abs. 2 Satz 3 GlüStV gebotenen deutlichen Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten enthalten, da dieser Verstoß keinen Niederschlag in der Fassung des von der Antragstellerin gestellten Antrags gefunden hat und daher nicht Streitgegenstand ist.

(3) Der Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG, § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV ist angesichts der gerichtsbekannten marktbeherrschenden Stellung des Antragsgegners bei der Veranstaltung von Lotterien und der Reichweite seiner Werbemaßnahmen geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher nicht nur unerheblich i. S. d. § 3 UWG zu beeinträchtigen. Der Antragstellerin steht deshalb gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der angegriffenen Verletzungsformen zu.

b) Der Unterlassungsanspruch erstreckt sich indes nicht wie von der Antragstellerin beantragt auf die Nennung der Gewinnhöhe in der Werbung schlechthin.

Nicht jede Art der werbenden Erwähnung der Gewinnhöhe ist durch § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV untersagt und deshalb unlauter. Die Höhe eines möglichen Gewinns ist ein die Attraktivität eines Glücksspiels beeinflussender Faktor. Gleichwohl kann es dem in § 5 Abs. 1 GlüStV angesprochenen Ziel, legale Glücksspielmöglichkeiten anzubieten, entsprechen, in die Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel einen Hinweis auf die Gewinnhöhe aufzunehmen. Die Zulässigkeit der Nennung der Gewinnhöhe setzen auch die bereits erwähnten Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum GlüStV) voraus, indem dort in Nr. 2 ausdrücklich eine "Information über Höchstgewinne" mit dem Gebot der Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust verknüpft wird.

Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass eine Werbeaussage, die neben einer Angabe zur Gewinnhöhe in ausgewogener Weise andere Angaben zum beworbenen Glücksspiel, insbesondere zur Suchtgefahr und zur Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust, enthält, insgesamt nicht unangemessen und unsachlich ist, sondern eine zulässige Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel darstellt.

Der Antrag der Antragstellerin ist deshalb unbegründet, soweit er über die angegriffenen Verletzungsformen hinausgeht.

2. Im Streitfall liegt auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund der Dringlichkeit vor.

a) § 12 Abs. 2 UWG begründet eine Vermutung der Dringlichkeit, die allerdings durch ein Verhalten des Antragstellers widerlegt werden kann, dem zu entnehmen ist, dass er die Angelegenheit selbst nicht als dringend ansieht (vgl. BGH GRUR 2000, 151 [152] Späte Urteilsbegründung; Köhler, a.a.O., § 12 UWG Rz. 3.15; Retzer in: Harte/Henning, UWG, 2004, § 12, Rz. 305; jeweils m. w. N.). Die Darlegung und Glaubhaftmachung der für die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung erforderlichen Umstände obliegt dem Antragsgegner (vgl. Retzer, a.a.O., Rz. 304).

Nach der ständigen Rechtsprechung der für Wettbewerbsstreitigkeiten zuständigen Senate des Oberlandesgerichts München ist die Dringlichkeitsvermutung als widerlegt anzusehen, wenn ein Antragsteller länger als einen Monat ab Erlangung der Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß und vom Verletzer zuwartet, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt (vgl. Senat, Beschl. v. 13. August 2007 - 29 W 2073/07 -, in juris dokumentiert, dort Tz. 22; Retzer, a.a.O., § 12 Rz. 957).

b) Im Streitfall ist das Vorbringen des Antragsgegners nicht geeignet, die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen. Insbesondere kann ihm nicht entnommen werden, dass die Antragstellerin mehr als einen Monat zugewartet hätte, bevor sie den Antrag stellte.

Sichere Kenntnis der Antragstellerin von den angegriffenen Werbemaßnahmen bestand nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand erst am Tag der Abmahnung (vgl. Anlage ASt 7), dem 19. Februar 2008. Eine frühere Kenntnis der Antragstellerin wird vom Antragsgegner zwar vermutet, aber nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere ist der Umstand, dass die Werbemaßnahmen bereits Anfang Februar oder gar im Januar 2008 stattfanden, insoweit nicht aussagekräftig, da aus diesem Umstand nicht zwingend die Folgerung zu ziehen ist, die streitgegenständlichen Werbemaßnahmen seien der Antragstellerin umgehend nach ihrer Veröffentlichung bekannt geworden.

Die Einreichung der Antragsschrift am 18. März 2008 hat die mithin mit der Abmahnung beginnende Monatsfrist gewahrt.

3. Der Senat erachtet es gemäß § 938 Abs. 1 ZPO als angezeigt, zur Klarstellung die Verletzungshandlungen gemäß den Anlagen ASt 5 (Werbetafel) und ASt 6 (Magazintitelblatt) insgesamt und nicht nur ausschnittsweise in den Verbotstenor aufzunehmen.




III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO.

Der Wert des mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemachten Unterlassungsanspruchs ist nach diesen Vorschriften nach freiem Ermessen festzusetzen, wobei das maßgebliche Interesse eines Antragstellers an der Unterbindung der beanstandeten Verhaltensweise nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist. Nach allgemeiner Auffassung stellt die eigene Wertangabe eines Antragstellers zu Beginn des Verfügungsverfahrens in der Regel ein gewichtiges Indiz für eine zutreffende Bewertung dar, da zu diesem Zeitpunkt der Ausgang des Verfahrens noch nicht zuverlässig voraussehbar ist (ständige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München; vgl. auch BGH GRUR 1968, 106 [107] - Ratio-Markt; GRUR 1977, 748 [749] Kaffeeverlosung II; GRUR 1986, 93 [94] - Berufungssumme). Dies gilt nur dann nicht, wenn sich die Wertangabe eines Antragstellers nicht in objektiv vertretbaren Grenzen gehalten hat.

Im Streitfall hat die Antragstellerin den Streitwert in der Antragsschrift mit 20.000, € beziffert. Dieser Wert bewegt sich auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass im Regelfall das Interesse eines Verbandes ebenso zu bewerten ist wie das Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers (vgl. BGH GRUR 1998, 958 Verbandsinteresse), noch im unteren Bereich des Vertretbaren.

Der Senat sieht deshalb trotz der nicht begründeten Angabe des Antragsgegners in seiner Beschwerdeerwiderung, er schätze den Streitwert auf 150.000,- €, keine Veranlassung, von der Angabe der Antragstellerin abzuweichen.

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