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Amtsgericht Hamm Urteil vom 14.10.2008 - 16 C 127/08 - Zur Zulässigkeit der Datenweitergabe von säumigen Schuldnern an Kreditauskunftsunternehmen
AG Hamm v. 14.10.2008: Zur Zulässigkeit der Datenweitergabe von säumigen Schuldnern an Kreditauskunftsunternehmen
Das Amtsgericht Hamm (Urteil vom 14.10.2008 - 16 C 127/08) hat entschieden:
Das Vorliegen sog. „weicher Negativmerkmale“ erfordert vor einer Mitteilung an ein Kreditauskunftsunternehmen in jedem Fall eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des in Betracht kommenden Dritten oder der Allgemeinheit einerseits und den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen andererseits. Die Datenübermittlung ist in der Regel zulässig, wenn das Verhalten des Kunden auf Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsverweigerung bzw. Zahlungsunwilligkeit beruht.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Widerruf von an die I AG übermittelten Daten. Die Klägerin hatte im März 2006 bei der Firma 1a-Autoservice ihr Kraftfahrzeug reparieren lassen. Diese stellte die erbrachten Leistungen am 03.04.2006 mit 736,36 € und am 19.04.2006 mit 1 461,48 € in Rechnung. Zahlungen leistete die Klägerin auf diese Rechnungen zunächst nicht. Deshalb beauftragte die Firma 1a-Autoservice im Januar 2007 die Beklagte mit dem Einzug der Forderung. Mit Schreiben vom 15.01.2007 forderte die Beklagte die Klägerin unter Fristsetzung zum 25.01.2007 zum Ausgleich der Forderungen auf. Eine weitere Mahnung erfolgte durch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 29.01.2007 unter Fristsetzung zum 12.02.2007. Die Beklagte meldete die Forderung bei der I AG, wobei zwischen den Parteien strittig ist, ob die Meldung bereits am 12.02. oder erst am 13.02.2007 erfolgte. Bei einer telefonischen Kontaktaufnahme am 21.02.2007 wollte die Klägerin zu der Forderung keine Stellungnahme abgeben, sondern sich nochmals melden. Am 27.02.2007 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die Forderung berechtigt, sie aber nicht in der Lage sei, diese kurzfristig zu begleichen. Die Parteien schlossen letztlich eine Ratenzahlungsvereinbarung, in deren Rahmen die Forderung bis 15.06.2007 vollständig getilgt wurde.
Die Klägerin behauptet, die erteilte Rechnung sei versehentlich nicht bezahlt worden und in Vergessenheit geraten. Sie habe von der Firma 1a-Autoservice keine Mahnungen erhalten. Erstmals nach 9 Monaten sei sie von der Beklagten mit Schreiben vom 15.01.2007 an die ausstehende Rechnung erinnert worden. Da sie sich im Urlaub befunden habe, habe sie erst auf das 2. Mahnschreiben der Beklagten vom 29.01.2007 reagiert. Sie habe sich sofort bereit erklärt, den offenen Rechnungsbetrag zu bezahlen, der ihr vorgeschlagenen Ratenzahlungsvereinbarung habe sie unverzüglich zugestimmt und den Saldo ausgeglichen. Dennoch habe die Beklagte bereits am 12.02.2007 und damit vor Ablauf der ihr im Schreiben vom 29.01.2007 gesetzten Frist ihre personenbezogenen Daten an die Schufa übermittelt. Eine Interessenabwägung vor Weitergabe der Daten sei unterblieben. Durch die Schufa-Eintragung sei sie erheblich beeinträchtigt. Sie betreibe einen Pflegeservice, für den sie regelmäßig neue Fahrzeuge anschaffen müsse. Dafür sei ihr mehrfach unter Hinweis auf die Schufa-Eintragung die Kreditgewährung verweigert worden, so dass sie gezwungen gewesen sei, die benötigten Fahrzeuge zu leasen. Auch dabei seien ihr wegen der Eintragung unverhältnismäßige Schwierigkeiten gemacht worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die an die I AG übermittelten Daten, die im Zusammenhang mit einer Forderung der Firma 1a-Autoservice, Inhaber A, stehen und bei der Klägerin zu einem Schufa-Eintrag unter der Rubrik „Sonstige Dienstleister“, „B Inkasso GmbH“ insbesondere den Eintragungen „Konto nach Abwicklung“ und „Gemeldeter Forderungsbetrag i.H.v. 2 901,00 €“ geführt haben, zu widerrufen;
an die Klägerin als Verzugsfolgeschaden 136,50 € nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe auf mehrfache schriftliche und mündliche Mahnungen der Firma 1a-Autoservice nicht reagiert. Erst nach Ablauf der mit anwaltlichem Schreiben vom 29.01.2007 gesetzten Frist und erfolgter Interessenabwägung sei am 13.02.2007 die Forderung der ... AG gemeldet worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
"Die Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Widerruf der an die I AG übermittelten Daten analog §§ 823, 1004 BGB nicht zu.
Grundsätzlich gilt, dass eine nicht von den Bestimmungen des BDSG gedeckte Übermittlung personenbezogener Daten eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeits-rechts darstellt, das als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB auch negatorischen Schutz nach den allgemeinen Vorschriften genießt (vgl. OLG E, NJW 2005, 2401 ff.; Saarländisches OLG, MDR 2006, 525).
Die erfolgte Mitteilung der Beklagten an die I AG verstieß jedoch nicht gegen das BDSG. Zwar haben die Parteien eine Vereinbarung über das Recht zur Weitergabe von Daten nicht getroffen. Eine Weitergabe ist aber gem. § 28 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 BDSG auch zulässig, soweit es zur Wahrnehmung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle oder eines Dritten erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung oder Nutzung hat. So liegen die Verhältnisse hier.
Die streitgegenständlichen Mitteilungen der Beklagten betrafen kein sogenanntes „hartes Negativmerkmal“. Darunter fallen nach der Rechtsprechung nur die für die Beurteilung der Bonität heranzuziehenden objektiven Merkmale, bei denen den für eine Datenübermittlung sprechenden berechtigten Interessen ein solches Gewicht zukommt, dass die Belange des Betroffenen demgegenüber zurücktreten müssen. Dazu gehören die Eröffnung des Konkursverfahrens, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO durch den Schuldner oder die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen (vgl. BGH NJW 1984, 436). Allein aus dem Vorliegen dieser Merkmale ergibt sich der Rückschluss auf die Zahlungsunfähigkeit bzw. -unwilligkeit des Betroffenen.
Dagegen erfordert das Vorliegen sog. „weicher Negativmerkmale“ in jedem Fall eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des in Betracht kommenden Dritten oder der Allgemeinheit einerseits und den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen andererseits. Die Datenübermittlung ist in der Regel zulässig, wenn das Verhalten des Kunden auf Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsverweigerung bzw. Zahlungsunwilligkeit beruht (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2008, 1228 m.w.N.).
Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Interessenabwägung bei der Beklagten im vorliegenden Fall nicht stattgefunden hat, sondern die Meldung schematisch erfolgt ist, liegen nicht vor. Vielmehr hat die Beklagte im einzelnen dargelegt, wie sich die Situation im Zeitpunkt der Meldung darstellte und welche Überlegungen zu der Entscheidung geführt haben, die Meldung an die Schufa zu veranlassen. Es handelte sich um eine ältere Forderung, gegen die die Klägerin zu keinem Zeitpunkt Einwendungen erhoben hatte, weder gegenüber der Beklagten noch gegenüber der Firma 1a-Autoservice. Weder auf die Mahnung der Beklagten vom 15.01.2007 noch auf die der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 29.01.2007 hatte die Klägerin innerhalb der ihr gesetzten Fristen irgendeine Reaktion gezeigt. Aus dem Umstand, dass die Beklagte die unstreitige Forderung über einen längeren Zeitraum nicht bezahlt und auch auf zweifache Mahnungen der Beklagten bzw. ihrer Prozessbevollmächtigten nicht reagiert hatte, konnte die Beklagte berechtigterweise den Schluss ziehen, das die Klägerin entweder zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig war.
Ein Interesse künftiger Gläubiger, vor Vertragsschlüssen mit potentiell zahlungsunwilligen oder zahlungsunfähigen Schuldnern durch rechtzeitige Information geschützt zu werden, um das entsprechende Risiko realistisch einschätzen zu können, ist grundsätzlich zu bejahen.
Die Beklagte hat nach eigenen Angaben die Mitteilung der offenen Forderung an die I AG am 13.02.2007, also nach Ablauf der mit der anwaltlichen Mahnung vom 13.01.2007 gesetzten Frist veranlasst. Die Klägerin hat keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluss rechtfertigen könnten, die Mitteilung sei früher, insbesondere noch vor Fristablauf erfolgt. Dies lässt sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass in der Mitteilung der Stand der Forderung vom 12.02.2007 angegeben worden ist. Ausweislich der vorgelegten Schufa Mitteilung handelt es sich bei dem mitgeteilten Datum um dasjenige der Feststellung des aktuellen Schuldsaldos durch den Vertragspartner, nicht das Datum der Weiterleitung der Daten an die Schufa.
Im Ergebnis war die Klage, da die Mitteilung an die Schufa durch die Beklagte nicht gegen das BDSG verstieß, mit den Nebenentscheidungen gem. §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO abzuweisen."