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BVerfG Urteil vom 11. 06.1958 - 1 BvR 596/56 - Zur Begrenzung des Grundrechts auf Berufswahlfreiheit und Berufsausübungsfreiheit (Apothekenurteil)
BVerfG v. 11.06.1958: Zur Begrenzung des Grundrechts auf Berufswahlfreiheit und Berufsausübungsfreiheit (Apothekenurteil)
Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 11. 06.1958 - 1 BvR 596/56) hat entschieden:
- In Art. 12 Abs. 1 GG wird nicht die Gewerbefreiheit als objektives Prinzip der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung proklamiert, sondern dem Einzelnen das Grundrecht gewährleistet, jede erlaubte Tätigkeit als Beruf zu ergreifen, auch wenn sie nicht einem traditionell oder rechtlich fixierten “Berufsbild” entspricht.
- Der Begriff “Beruf” in Art. 12 Abs. 1 GG umfasst grundsätzlich auch Berufe, die Tätigkeiten zum Inhalt haben, welche dem Staate vorbehalten sind, sowie “staatlich gebundene” Berufe. Doch gibt und ermöglicht für Berufe, die “öffentlicher Dienst” sind, Art. 33 GG in weitem Umfang Sonderregelungen.
- Wenn eine Tätigkeit in selbständiger und in unselbständiger Form ausgeübt werden kann und beide Formen der Ausübung eigenes soziales Gewicht haben, so ist auch die Wahl der einen oder anderen Form der Berufstätigkeit und der Übergang von der einen zur anderen eine Berufswahl im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG.
- Inhalt und Umfang der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG lassen sich schon durch eine Auslegung, die dem Sinn des Grundrechts und seiner Bedeutung im sozialen Leben Rechnung trägt, weitgehend sachgemäß bestimmen; es bedarf dann nicht des Rückgriffs auf die Schranke des Wesensgehalts (Art. 19 Abs. 2 GG).
- Die Regelungsbefugnis nach Art. 12 Abs. 1 Satz GG erstreckt sich auf Berufsausübung und Berufswahl, aber nicht auf beide in gleicher Intensität. Sie ist um der Berufsausübung willen gegeben und darf nur unter diesem Blickpunkt allenfalls auch in die Freiheit der Berufswahl eingreifen. Inhaltlich ist sie umso freier, je mehr sie reine Ausübungsregelung ist, umso enger begrenzt, je mehr sie auch die Berufswahl berührt.
- Das Grundrecht soll die Freiheit des Individuums schützen, der Regelungsvorbehalt ausreichenden Schutz der Gemeinschaftsinteressen sicherstellen. Aus der Notwendigkeit, beiden Forderungen gerecht zu werden, ergibt sich für das Eingreifen des Gesetzgebers ein Gebot der Differenzierung etwa nach folgenden Grundsätzen:
- Die Freiheit der Berufsausübung kann beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen; der Grundrechtsschutz beschränkt sich auf die Abwehr in sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer Auflagen.
- Die Freiheit der Berufswahl darf nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert. Ist ein solcher Eingriff unumgänglich, so muss der Gesetzgeber stets diejenige Form des Eingriffs wählen, die das Grundrecht am wenigsten beschränkt.
- Wird in die Freiheit der Berufswahl durch Aufstellung bestimmter Voraussetzungen für die Aufnahme des Berufs eingegriffen, so ist zwischen subjektiven und objektiven Voraussetzungen zu unterscheiden: für die subjektiven Voraussetzungen (insbesondere Vor- und Ausbildung) gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in dem Sinn, dass sie zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen dürfen.
An den Nachweis der Notwendigkeit objektiver Zulassungsvoraussetzungen sind besonders strenge Anforderungen zu stellen; im allgemeinen wird nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diese Maßnahme rechtfertigen können.
- Regelungen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG müssen stets auf der “Stufe” vorgenommen werden, die den geringsten Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringt; die nächste “Stufe” darf der Gesetzgeber erst dann betreten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann, dass die befürchteten Gefahren mit (verfassungsmäßigen) Mitteln der vorausgehenden “Stufe” nicht wirksam bekämpft werden können.
- Das Bundesverfassungsgericht hat zu prüfen, ob der Gesetzgeber die sich hiernach ergebenden Beschränkungen seiner Regelungsbefugnis beachtet hat; wenn die freie Berufswahl durch objektive Zulassungsvoraussetzungen eingeschränkt wird, kann es auch prüfen, ob gerade dieser Eingriff zum Schutz eines überragenden Gemeinschaftsguts zwingend geboten ist.
- Auf dem Gebiete des Apothekenrechts entspricht der Verfassungslage gegenwärtig allein die Niederlassungsfreiheit, verstanden als das Fehlen objektiver Beschränkungen der Zulassung.
Siehe auch Apotheke
Zum Sachverhalt:
A.
1. Der Beschwerdeführer ist seit 1940 approbierter Apotheker. Nach seiner Rückkehr aus dem Kriege war er in der sowjetischen Besatzungszone zunächst Verwalter, später Staatspächter einer Apotheke. Im Jahre 1955 hat er diese Zone verlassen und ist seitdem als Angestellter in einer Apotheke in Traunstein tätig. Im Juli 1956 beantragte er bei der Regierung von Oberbayern, ihm die Betriebserlaubnis zur Eröffnung einer Apotheke in Traunreut zu erteilen.
Der Antrag des Beschwerdeführers wurde auf Grund des Art. 3 Abs. 1 des bayerischen Gesetzes über das Apothekenwesen vom 16. Juni 1952 in der Fassung des Gesetzes vom 10. Dezember 1955 (GVBl. S. 267) - im folgenden: ApothekenG - durch Bescheid vom 29. November 1956 abgelehnt, sein Einspruch am 12. Juni 1957 zurückgewiesen.
2. Nach dem ApothekenG bedarf der Erlaubnis, wer eine Apotheke neu errichten, eine geschlossene Apotheke wieder eröffnen oder eine bestehende übernehmen will (Art. 1 Abs. 2). Voraussetzung für die Erteilung der Betriebserlaubnis ist in allen Fällen die Bestallung (Approbation); außerdem muss der Bewerber Deutscher im Sinne des Art. 116 GG und gewisse Zeit als approbierter Apotheker tätig gewesen sein; endlich muss er bestimmten Anforderungen an seine persönliche Zuverlässigkeit und Eignung genügen (Art. 2 Abs. 1).
Für die Neuerrichtung einer Apotheke ergeben sich weitere Erfordernisse aus Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes; er lautet:
"(1) Für eine neuzuerrichtende Apotheke darf die Betriebserlaubnis nur erteilt werden, wenn
- die Errichtung der Apotheke zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln im öffentlichen Interesse liegt und
- anzunehmen ist, dass ihre wirtschaftliche Grundlage gesichert ist und durch sie die wirtschaftliche Grundlage der benachbarten Apotheken nicht soweit beeinträchtigt wird, dass die Voraussetzungen für den ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb nicht mehr gewährleistet sind.
Mit der Erlaubnis kann die Auflage verbunden werden, die Apotheke im Interesse einer gleichmäßigen Arzneiversorgung in einer bestimmten Lage zu errichten."
3. Der Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 29. November 1956 begründet die Ablehnung des Antrags des Beschwerdeführers sowohl aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a als auch aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b ApothekenG:
Die Errichtung der beantragten Apotheke liege nicht im öffentlichen Interesse. Von Traunreut aus seien etwa 6000 Menschen mit Arzneimitteln zu versorgen. Dafür genüge die eine vorhandene Apotheke völlig. Aus Erwägungen der öffentlichen Gesundheitspflege seien weitere Apotheken nur dort zuzulassen, wo ein größeres Einzugsgebiet zu versorgen sei. Wirtschaftlich schlecht fundierte Apotheken seien erfahrungsgemäß leichter geneigt, Arzneimittel ohne ärztliche Verschreibung abzugeben und bei der Abgabe von Opiaten eine gesetzlich unzulässige Großzügigkeit walten zu lassen.
Außerdem würde die wirtschaftliche Grundlage der neuen Apotheke nicht gesichert sein, da die Zahl von 7-8000 Einwohnern je Apotheke grundsätzlich als Mindestgrenze zur Sicherung ihrer Leistungsfähigkeit angesehen werden müsse. Der Antragsteller müssen im eigenen Interesse davor bewahrt werden, eine nicht lebensfähige Apotheke zu errichten.
Schließlich würde die wirtschaftliche Grundlage der bereits bestehenden Apotheke durch die Neuzulassung so weit beeinträchtigt werden, dass die Voraussetzungen für einen ordnungsmäßigen Apothekenbetrieb nicht mehr gewährleistet seien. Das ergebe sich aus den vom Finanzamt bestätigten Umsatzzahlen der bestehenden Apotheke, die sich erfahrungsgemäß bei Zulassung einer weiteren Apotheke um 40 % vermindern würden.
Im Einspruchsbescheid vom 12. Juni 1957 führt die Regierung folgendes aus: Nach dem ApothekenG werde nicht das Bedürfnis geprüft. Selbst wenn kein Bedürfnis bestehe, könne das öffentliche Interesse an der Errichtung einer neuen Apotheke bejaht werden, da es allein von den Gesichtspunkten der öffentlichen Gesundheitspflege und der Volksgesundheit bestimmt werde. Das öffentliche Interesse finde jedoch dort seine Grenze, wo die neue Apotheke nicht lebensfähig sei und die Existenz einer benachbarten Apotheke gefährde.
Durch diese gesetzliche Regelung werde der Wesensgehalt des Art. 12 GG nicht angetastet. Jeder Apotheker könne eine der mehr als 1300 bayerischen Apotheken kaufen, pachten oder nach Eintritt in eine Personalgesellschaft leiten. Er habe einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Betriebserlaubnis für eine neue Apotheke, wenn sie lebensfähig sei und bestehende Apotheken in ihrem Bestand nicht gefährde. Diese Regelung schütze keineswegs die bestehenden Apotheken in ihrem gegenwärtigen Umsatz; jede Neuerrichtung führe selbstverständlich zu einem gewissen Rückgang des Umsatzes der benachbarten Apotheken. Es solle vielmehr nur verhindert werden, dass durch die Neuerrichtung die Lebensfähigkeit einer bestehenden Apotheke gefährdet werde. In Traunreut und Umgebung seien Apotheken in einer Dichte vorhanden, wie sie in anderen Landesteilen bei weitem nicht erreicht sei. Es sei Aufgabe und Pflicht der für die Volksgesundheit verantwortlichen staatlichen Aufsichtsbehörde, die Anträge auf Errichtung weiterer Apotheken so zu lenken, dass zunächst auch im übrigen Staatsgebiet ein ähnliches Verhältnis zwischen der Einwohnerzahl und den zur Verfügung stehenden Apotheken erreicht werde.
4. Mit der Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer den Bescheid vom 29. November 1956 und den Einspruchsbescheid vom 12. Juni 1957 an. Er ist der Auffassung, dass Art. 3 Abs. 1 ApothekenG- die Bestimmung, auf die sich die Bescheide stützen - wegen Verstoßes gegen Art. 12 und Art. 2 GG nichtig sei. Er hat gebeten, über seine Verfassungsbeschwerde vor Erschöpfung des Rechtswegs zu entscheiden. Diesem Antrag hat das Bundesverfassungsgericht entsprochen.
5. Der Bayerische Ministerpräsident hat eine Äußerung des Staatsministeriums des Innern übermittelt, in der die Auffassung vertreten wird, dass Art. 3 Abs. 1 ApothekenG in der Fassung vom 10. Dezember 1955 nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoße. Diese Verfassungsbestimmung schließe gesetzliche Vorschriften über die Berufszulassung nicht aus, sondern lasse sie unter dem Gesichtspunkt der Regelung der Berufsausübung zu. Im übrigen sei davon auszugehen, dass nach der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 durch die Verwaltungspraxis jede Neuerrichtung einer Apotheke grundsätzlich im öffentlichen Interesse liege, weil sie in der Regel die Versorgung der Bevölkerung verbessere und einen gesunden Konkurrenzkampf fördere. Freilich werde das öffentliche Interesse an der Neuerrichtung durch das Gesetz nur dann anerkannt, wenn die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b genannten Voraussetzungen für einen geordneten Apothekenbetrieb gegeben seien. Insoweit werde das grundsätzlich zu bejahende öffentliche Interesse konkretisiert und begrenzt. Nur die Errichtung von Apotheken, deren Leistungsfähigkeit gesichert erscheine und die die bereits vorhandenen Apotheken in ihrem Bestand nicht gefährdeten, liege im öffentlichen Interesse. Auch Art. 3 Abs. 1 Buchst. b habe ausschließlich den Schutz der Volksgesundheit im Auge. Dementsprechend sei im Erlass des Staatsministeriums des Innern vom 29. März 1956 - III 8 5426 G 7 - ein Einspruchsrecht der Nachbarapotheker gegen die Verlegung von Apotheken mit der Begründung verneint worden, dass Art. 3 Abs. 1 nicht dazu diene, den Apothekern eine Konkurrenz fernzuhalten oder ihnen sonstige Vorteile einzuräumen. Die unter b) genannten sachlichen Voraussetzungen für die Betriebserlaubnis seien zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Apotheken erforderlich. Die Vielzahl der Betriebsvorschriften mache es den Apothekern unmöglich, ihren Betrieb allein nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu führen. Es müssten daher erhebliche Betriebsmittel zur Verfügung stehen und ein gewisser Geschäftsumfang auf die Dauer gesichert sein. Es sei auch unmöglich, die Einhaltung der Betriebsvorschriften allein durch behördliche Überwachung zu erzwingen; vielmehr müsse schon vor Erteilung der Betriebserlaubnis geprüft werden, ob die neu zu errichtende Apotheke in der Lage sei, eine ordnungsgemäße Arzneiversorgung auf die Dauer durchzuführen.
Das Bedenken, dass die in Art. 3 Abs. 1 angegebenen Voraussetzungen zu unbestimmt seien und die Versagung der Betriebserlaubnis praktisch in das unüberprüfbare Ermessen der Verwaltungsbehörde stellten, sei nicht begründet. Die Vorschrift enthalte durchweg unbestimmte Rechtsbegriffe, so dass das Vorliegen der Voraussetzungen von den Verwaltungsgerichten in vollem Umfange nachgeprüft werden könne. Allgemeine Erfahrungssätze ergäben, was zur wirtschaftlichen Grundlage einer Apotheke gehöre, die den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechen solle. Den Apothekern verbleibe trotz Art. 3 Abs. 1 ein genügend weites Betätigungsfeld; das zeige schon die Tatsache, dass in der Zeit vom 30. Mai 1956 bis zum 1. Juli 1957 bei einem Landesdurchschnitt von 7282 Einwohnern auf eine öffentliche Apotheke 46 Betriebserlaubnisse für neue Apotheken erteilt und nur 6 Neuerrichtungen abgelehnt worden seien; in der gleichen Zeit seien 64 Betriebserlaubnisse für bestehende Apotheken erteilt worden. Die Vorschrift erweise sich so bei voller Wahrung der Initiative des Einzelnen als eine geeignete Lenkungsmaßnahme, indem sie eine ungesunde Häufung von Apotheken verhindere und die Bewerber veranlasse, sich anderen, mit Apotheken nicht genügend versorgten Gebieten zuzuwenden. Der Schutz der Gewerbefreiheit stehe nicht über dem Schutz der Volksgesundheit, deren Erhaltung und Pflege eine Aufgabe des Gesetzgebers sei; er erfülle damit den sozialen Auftrag der Verfassung. Der Gesetzgeber sei im Rahmen seiner Gestaltungsmöglichkeiten nicht auf die Gefahrenabwehr beschränkt, er könne auch positive Maßnahmen zur Förderung der Volksgesundheit treffen. Das ApothekenG verfolge beide Ziele.
Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, dass die Allgemeinheit nicht durch eine Beschränkung der Apothekenzahl, sondern allein durch die Apothekenbetriebsordnung, das Standesrecht der Apotheker und eine strenge behördliche Kontrolle geschützt werden könne und müsse; nicht die Apotheke, sondern der ungeeignete Apotheker gefährde die Volksgesundheit.
Der inhaltlich nicht näher umschriebene Begriff des öffentlichen Interesses führe im übrigen zu einer Bedürfnisprüfung. Die praktische Handhabung des Art. 3 Abs. 1 unterscheide sich kaum von dem früheren System der Personalkonzession; denn auch bei der Ausschreibung einer Apotheke nach der Königlichen. Verordnung über das Apothekenwesen vom 27. Juni 1913 habe das öffentliche Interesse geprüft werden müssen. Dagegen fehlten der neuen Regelung die Vorteile des Systems der Personalkonzession, das sichergestellt habe, dass praktisch jeder Apotheker - wenn auch spät - habe Apothekenbesitzer werden können, ohne dass er unangemessenen Forderungen des Vorbesitzers oder seiner Erben ausgesetzt gewesen sei. Nach dem bayerischen System seien die Apotheken veräußerlich und vererblich. Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. g sei Voraussetzung der Betriebserlaubnis die Verfügungsmacht über Apothekenräume; das führe dazu, dass vom Erwerber einer bestehenden Apotheke hohe Preise gefordert würden, wobei vor allem ein erheblicher Geschäftswert (goodwill) veranschlagt werde. Gerade durch überhöhte Forderungen beim Erwerb bestehender Apotheken würden aber die Gefahren für eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung heraufbeschworen, die durch eine Beschränkung der Apothekenzahl vermieden werden sollten.
Im übrigen werde das öffentliche Interesse im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a nicht, wie die Bayerische Staatsregierung es darstelle, durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. b konkretisiert; vielmehr stehe Art. 3 Abs. 1 Buchst. a selbständig neben Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, so dass die Betriebserlaubnis nur dann erteilt werden dürfe, wenn die Voraussetzungen beider Bestimmungen vorlägen.
Die Bundesregierung hat in ihrer Äußerung zur Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG Stellung genommen. Sie schließt sich im Ergebnis den Ausführungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an.
6. In der mündlichen Verhandlung waren der Beschwerdeführer, die Bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung vertreten.
Das Bundesverfassungsgericht hat, um sich über die Verhältnisse im Apotheken- und Arzneimittelwesen, insbesondere die Ergebnisse der behördlichen Niederlassungslenkung und die Folgen der unbeschränkten Niederlassungsfreiheit in der früheren amerikanischen Besatzungszone sowie über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Apotheken und die Lage im Arzneimittelverkehr außerhalb der Apotheken einen Überblick zu verschaffen als Sachverständige gehört: Ministerialrat Dr. Danner vom Bundesministerium des Innern, Oberregierungsrat Knies vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, Diplomvolkswirt Lauer aus Fürth, Prof. Dr. Schlemmer, Geschäftsführer der Bayerischen Landesapothekerkammer, Regierungspharmazierat Dr. Weidenbach aus München.
Über die schweizerischen Apothekenverhältnisse haben sich als Sachverständige Dr. med. A. Sauter, Direktor des Eidgenössischen Gesundheitsamtes in Bern, und Apotheker Dr. Bider, Sekretär des Schweizerischen Apothekervereins, geäußert. Ein schriftliches Gutachten des an der Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung verhinderten Generalsekretärs der Federation Internationale Pharmaceutique, Dr. Birza, Amsterdam, über die Apothekenverhältnisse in den Niederlanden wurde verlesen.
Entscheidungsgründe:
B.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Verwaltungsakte der Regierung von Oberbayern mit der Begründung, die ihnen zugrunde liegende Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 ApothekenG sei nichtig. Die Verwaltung habe also ohne gesetzliche Grundlage seine freie Berufswahl verhindert und damit sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
Es ist zu prüfen, ob Art. 3 Abs. 1 ApothekenG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ist dies nicht der Fall, so verletzen die Verwaltungsakte ohne weiteres Art. 12 Abs. 1 GG; die Rechtsnorm ist für nichtig zu erklären (§ 95 Abs. 3 BVerfGG). Bei Gültigkeit der Norm bliebe zu prüfen, ob sie verfassungsmäßig ausgelegt worden ist oder ob die Rechtsanwendung Grundrechte verletzt.
II.
Der Verfassungsbeschwerde wäre ohne Prüfung der materiellen Verfassungsmäßigkeit des Art. 3 Abs. 1 ApothekenG in der Fassung des Gesetzes vom 10. Dezember 1955 stattzugeben, wenn der bayerische Landesgesetzgeber zum Erlass des Gesetzes vom 10. Dezember 1955 nicht zuständig gewesen wäre, durch das Art. 3 Abs. 1 die den angegriffenen Bescheiden zugrunde liegende Fassung erhalten hat.
Das Recht der Errichtung von Apotheken gehört zur konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nach Art. 74 Nr. 11 GG (BVerfGE 5, 25). Als das Änderungsgesetz vom 10. Dezember 1955 erlassen wurde, war formell noch das Bundes-Apothekenstoppgesetz vom 13. Januar 1953 in der Fassung der Änderungsgesetze vom 4. Juli 1953 und 10. August 1954 in Kraft, das die Gesetzgebungsbefugnis der Länder auf dem Gebiete des Apothekenrechts ausschalten sollte. Dieses Gesetz ist durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1956 (BVerfGE 5, 25) für nichtig erklärt worden.
Die Feststellung der Nichtigkeit wirkt ex tunc. Für die Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Bund und Ländern bedeutet dies, dass ein für nichtig erklärtes Bundesgesetz nicht die Sperrwirkung nach Art. 72 Abs. 1 GG auslösen kann. Das Apothekenstoppgesetz hatte deshalb die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder nicht beseitigt, so dass der bayerische Landesgesetzgeber befugt war, das Änderungsgesetz vom 10. Dezember 1955 zu erlassen.
III.
Art. 3 ApothekenG muss im Rahmen der Gesamtkonzeption des Gesetzes gesehen werden. Diese wiederum ist nur verständlich auf der Grundlage der historischen Entwicklung des Apothekenrechts.
1. Der Apotheker als Inhaber einer "Offizin", in der er gegebenenfalls mit Gehilfen, für die er verantwortlich ist - eigenhändig Heilmittel bereitet und abgibt, tritt schon im späten Mittelalter als eigener, namentlich vom Arzt deutlich unterschiedener Beruf hervor. Kaiser Friedrich II. hat im dritten Buch des Liber Augustalis um die Mitte des 13. Jahrhunderts festgelegt, dass die Heilmittel nicht von den Ärzten, sondern von den Apothekern hergestellt werden sollen. Sie sollen
"die Arznei auf ihre Kosten unter Aufsicht der Ärzte gemäß der Anordnung der Konstitution herstellen und nicht zur Führung von Apotheken zugelassen werden, wenn sie nicht vorher beeidet haben, dass sie alle ihre Arzneien gemäß vorgenannter Anordnung ohne Trug herstellen werden"
(vgl. Wolfgang-Hagen Hein "Die Medizinalgesetze Friedrichs II. in einer illuminierten Handschrift der Vatikanischen Bibliothek" in PharmZtg. 1957, 1016 ff.).
Die Arzneimittelabgabe war von Anfang an mehr eine selbstverständliche Folge- oder Nebentätigkeit des Apothekers, der die Arzneimittel nicht eigentlich als Kaufmann einem vorhandenen Warenvorrat entnahm, sondern in handwerklicher Weise jeweils auf Anforderung herstellte und abgab. Da die Apotheker auf Grund ihrer staatlichen oder städtischen "Privilegien" eine Art Monopolstellung genossen (vgl. Urdang-Dieckmann "Einführung in die Geschichte der deutschen Pharmazie", 1954, S. 59 ff.), wurden schon früh die Preise für Arzneimittel behördlich festgesetzt; bereits die erwähnte Gesetzgebung Friedrichs II. enthielt solche Preisbestimmungen. Andererseits durften die Apotheker, die sich mit der Arzneimittelherstellung allein nicht ernähren konnten, in weitem Umfange Waren verkaufen, deren Absatz anderen Kaufleuten zum Schutze der Apotheker verboten war, wie "Zucker, Gewürze, alkoholische Getränke, Wein, Tabak, Kaffee und Schokolade"; dabei ist hervorzuheben, dass dieser Vorbehalt zugunsten der Apotheker nicht deshalb galt, weil einige dieser Artikel auch in der Medizin Verwendung finden konnten, sondern hauptsächlich das Ziel verfolgte, den Apothekern "ihren Unterhalt zu garantieren" (Urdang- Dieckmann a.a.O. S. 64). Erst gegen Ausgang des 17. Jahrhunderts wurden die "Monopolrechte" der Apotheker mehr und mehr auf reine Arzneimittel beschränkt (vgl. für die spätere Zeit: §§ 456, 458 II 8 PrALR; § 13 der preuß. Revid. ApothO vom 11. Oktober 1801 - Koch, ALR, 6. Ausg., Bd. 3, S. 889).
Die rechtliche Grundlage der Berufsausübung des Apothekers war das von der Obrigkeit erteilte Privileg, das gegen Konkurrenz schützte, aber auch mit Auferlegung erhöhter Berufspflichten und scharfer behördlicher Aufsicht verbunden war. Bei der Vergebung von Privilegien konnte naturgemäß das örtliche Bedürfnis berücksichtigt werden. Der Gedanke, dass es sich bei der Apotheke um ein Gewerbe handele, das auf der Grundlage privatrechtlicher Verfügungsberechtigung über die Betriebsstätte ausgeübt werde, scheint von Anfang an herrschend gewesen zu sein; beamtete Apotheker sind kaum nachweisbar (über eine vorübergehende Verstaatlichung in Braunschweig s. Urdang- Dieckmann a.a.O. S. 63). Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zeigt die rechtliche Behandlung des Berufs noch keine auffallenden Besonderheiten, da die meisten gewerblichen Betätigungen nur auf der Grundlage von Privilegien, besonderer Erlaubnis oder ständischen Bindungen ausgeübt werden konnten. Zunftzwang bestand für den Apotheker nicht.
2. Das Prinzip der Gewerbefreiheit, das im Gefolge der gesellschaftspolitischen Umwandlung zu Beginn des 19. Jahrhunderts sich in allen deutschen Ländern langsam durchsetzte, hat den Apothekerberuf nicht berührt. Angesichts der "Gefährlichkeit" des Berufs und seiner Bedeutung für die Volksgesundheit im ganzen blieb es bei der Konzessionspflicht für den Apotheker und seine Betriebsstätte. Die Reichsgewerbeordnung nimmt die "Errichtung und Verlegung von Apotheken" von ihrem Geltungsbereich aus, aber nicht deshalb, weil der Apothekenbetrieb kein Gewerbe sei, sondern weil das Apothekenrecht einer spezialgesetzlichen Regelung bedürfe (s. dazu BVerfGE 5, 25 [30]). Die Gewerbeordnung belässt es deshalb zunächst beim Landesrecht und fordert lediglich den Nachweis der persönlichen Qualifikation des Apothekers durch die "Approbation". Diese setzt eine fachliche Ausbildung des Apothekers voraus, welche - entsprechend der unter 1. geschilderten Entwicklung - sich vorwiegend nach seinem eigentlichen Aufgabengebiet, der Arzneimittelherstellung, richtet. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts hatte es an einer wissenschaftlichen Vorbildung und weitgehend überhaupt an einer geordneten theoretischen Ausbildung gefehlt; der Beruf trug handwerklichen Charakter. In Bayern hatte freilich schon ein herzogliches Edikt vom Jahre 1595 die Ablegung einer schriftlichen, mündlichen und praktischen Prüfung verlangt, die von Ärzten abgenommen wurde (Urdang-Dieckmann a.a.O. S. 69). In Preußen wurde seit 1725 eine Art pharmazeutischer Hochschulausbildung gefordert, jedoch nur von "Apothekern I. Klasse", während die "Apotheker II. Klasse", die lediglich in Kleinstädten eine Apotheke leiten durften, nur eine fünfjährige Lehr- und eine sechsjährige Gesellenzeit zurückzulegen hatten (Urdang-Dieckmann a.a.O. S. 69). Erst verhältnismäßig spät, nämlich im Laufe des 19. Jahrhunderts, ergab sich als Folge der Entwicklung der pharmazeutischen Wissenschaft die Notwendigkeit eines Hochschulstudiums; das Erfordernis einer Reifeprüfung zur Aufnahme des Hochschulstudiums wurde allgemein noch später, erst nach dem ersten Weltkrieg, eingeführt (vgl. Wankmüller "Die Ausbildung der bayerischen Apotheker vor 150 Jahren" in PharmZtg. 1957, 1019 ff.).
Der Apothekenbetrieb wird im 19. Jahrhundert landesrechtlich überall als Gewerbe behandelt; der Inhaber bedarf einer Betriebserlaubnis. Als rechtliche Grundlagen der Betriebsführung bestehen zunächst die alten Privilegien und Realrechte weiter; hier kann die Apotheke als "Betrieb" frei veräußert und vererbt werden, das Betriebsrecht ist häufig mit dem Grundstück rechtlich verbunden. Daneben entsteht im Laufe des 19. Jahrhunderts die Form der "Personalkonzession", die einem Apotheker für seine Person erteilt wird, bei seinem Ausscheiden an den Staat "heimfällt" und neu vergeben wird. Der neue, allein von der Behörde bestimmte Konzessionär muss Grundstück und Einrichtung übernehmen. Die Neuverleihung folgt bestimmten Grundsätzen, die vor allem das "Betriebsberechtigungsalter" (entsprechend dem beamtenrechtlichen Dienstalter) berücksichtigen; freier Verkauf und Vererblichkeit der Apotheke ist ausgeschlossen, dagegen besteht meist ein "Witwenrecht".
Das System der Personalkonzession war innerhalb des Systems staatlicher Reglementierung der Berufszulassung in gewissem Sinn ein Schritt in Richtung auf die Berufsfreiheit hin, insofern es die Apotheken aus der Bindung an den engen Kreis der Privilegien- und Realrechtsinhaber löste und jedem approbierten Apotheker die grundsätzliche und gleiche Möglichkeit eröffnete, selbständiger Apothekeninhaber zu werden. Die Realisierung der Möglichkeit ist freilich vom Ermessen der Behörde abhängig, es gibt noch kein subjektives Recht des Apothekers auf Erteilung der Betriebserlaubnis. Dieses System hat sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts durchgesetzt; neue Konzessionen werden nur noch als Personalkonzessionen erteilt.
3. In Bayern ist der sich aus dieser Entwicklung ergebende Rechtszustand zuletzt in der Verordnung über das Apothekenwesen von 1913 zusammengefasst: Grundsätzlich besteht das System der Personalkonzession ohne Vererblichkeit und Veräußerlichkeit; neue Apotheken werden bei "Bedürfnis" errichtet, das nach Ermessen der Verwaltung ohne gerichtliche Nachprüfung festgestellt wird; neue und frei werdende alte Apotheken werden grundsätzlich nach dem "Berechtigungsalter" der Bewerber vergeben. Zu bestimmen, ob und wo eine neue Apotheke errichtet werden soll, ist ausschließlich Sache der Behörde, der Apotheker kann nur Anregungen geben. Der Erwerber einer bestehenden Apotheke hat Grundstück und Warenbestand unter Umständen zu dem von der Behörde bestimmten Taxwert - zu übernehmen, ein besonderer Geschäftswert wird nicht angesetzt. Neben diesem System bestehen die alten Realrechte weiter; bei ihrer Veräußerung kann der Preis frei - also auch mit Einschluss eines besonderen Geschäftswertes - bestimmt werden.
4. Auf diesen Rechtszustand trafen in Bayern - wie in den anderen Ländern der amerikanischen Besatzungszone - um die Jahreswende 1948/49 die sogenannten Gewerbefreiheitsdirektiven der amerikanischen Militärregierung. Sie führten zur völligen Berufsfreiheit. Im einzelnen galt folgendes (vgl. Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20. Mai 1949 - Staatsanzeiger Nr. 21 -): Jeder approbierte Apotheker konnte eine neue Apotheke errichten. Er bedurfte dazu wohl einer behördlichen "Zulassung", hatte aber Anspruch auf ihre Erteilung, wenn er persönlich qualifiziert war und wenn die Betriebsräume und Einrichtungen den Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung entsprachen. Der Verwaltungsbehörde verblieb nur die Prüfung dieser Voraussetzungen; jeder Einfluss auf Zahl und örtliche Verteilung der Apotheken wurde ihr entzogen. Eine weitere Folge war die Vererblichkeit und Veräußerlichkeit der Apotheken.
5. Gegen die unbeschränkte Niederlassungsfreiheit erhob die Bayerische Staatsregierung Bedenken; auch aus den Kreisen des Standes kam Widerspruch. Die Staatsregierung versuchte durch Verhandlungen mit der Militärregierung die Apotheken von der Gewerbefreiheit auszunehmen. Als dies nicht gelang, bereitete sie schon im Jahre 1949 Entwürfe zu einem bayerischen Apothekengesetz vor. Diese Entwürfe schlugen jedoch ebensowenig wie der im Jahre 1950 von der Deutschen Apothekerschaft verfasste "Frankfurter Entwurf" eine Rückkehr zu dem System der Personalkonzession vor, sondern gingen von dem Prinzip einer "gelenkten Niederlassungsfreiheit" aus - gegenüber der absoluten Niederlassungsfreiheit eine rückläufige Tendenz, die den staatlichen Einfluss wieder stärker betonte und die "Kommerzialisierung" nur für die bestehenden Betriebe beibehalten wollte: Die Initiative zur Errichtung einer neuen Apotheke soll nicht bei der Behörde, die ein "Bedürfnis" festzustellen hat, sondern bei den einzelnen Apothekern liegen. Die Neuerrichtung bedarf der Erlaubnis, die aber erteilt werden muss, wenn die Notwendigkeit (nach Zahl und Dichte der Bevölkerung) nachgewiesen wird und Gewähr dafür besteht, dass die Apotheke eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende einwandfreie Arzneiversorgung für die Dauer durchführen kann. Die Betriebserlaubnis soll dem Apotheker persönlich erteilt werden, aber dem Verfügungsrecht an Räumen und Einrichtung folgen; die Apotheke soll vererblich, veräußerlich, verpachtbar sein.
6. Das bayerische Gesetz über das Apothekenwesen vom 16. Juni 1952 entspricht in seinen Grundzügen dem "Frankfurter Entwurf". Es will, wie der Vertreter Bayerns in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, "die richtige Mittellinie zwischen Freiheit und staatlicher Lenkung" halten. Es geht davon aus, dass die Apotheke als wirtschaftliches "Unternehmen" (Art. 1) vererblich, veräußerlich und verpachtbar ist. Dies ist zwar nicht ausdrücklich gesagt wie im "Frankfurter Entwurf"; die freie Nutzung des in dem Apothekenbetrieb verkörperten wirtschaftlichen Wertes - verstanden vor allem als die Möglichkeit, Apotheken frei zu vererben, zu erwerben und zu veräußern - wird aber von den Apothekern selbst als ein wesentlicher Fortschritt des bayerischen Gesetzes angesehen.
Für die bayerische Regelung ist charakteristisch:
- Zum selbständigen Betrieb einer Apotheke bedarf es stets einer Betriebserlaubnis; sie ist eine persönliche, d.h. mit dem Tod des Inhabers erlöschende Erlaubnis, auf die grundsätzlich ein Rechtsanspruch besteht. Sie wird aber nur für einen bestimmten Apothekenbetrieb erteilt.
- Will der Bewerber eine bestehende Apotheke weiterbetreiben und hat er sich das Verfügungsrecht über die Betriebsräume verschafft, so erhält er die Betriebserlaubnis ohne weiteres; es wird weder geprüft, ob für den Betrieb ein Bedürfnis (weiter) besteht, noch ob seine wirtschaftliche Grundlage gesichert oder der Bewerber finanziell leistungsfähig ist.
- Beabsichtigt der Bewerber, eine neue Apotheke zu errichten, so müssen weitere, objektive Voraussetzungen gegeben sein, deren Vorhandensein die Verwaltungsbehörde vor Erteilung der Betriebserlaubnis festzustellen hat: Die Errichtung der Apotheke muss im öffentlichen Interesse liegen, und die wirtschaftliche Grundlage sowohl der neuen wie der benachbarten bestehenden Apotheken muss voraussichtlich gesichert sein. Die Realisierung des Rechtsanspruchs ist damit von einer Entscheidung der Verwaltungsbehörde abhängig, die sich unter Umständen auch auf die Frage erstreckt, welcher von mehreren Bewerbern die beste Gewähr für die Führung eines einwandfreien Apothekenbetriebes bietet.
- Bei der Neuerrichtung von Apotheken kann die Behörde so durch negative (die Erlaubnis versagende) Entscheidungen die örtliche Verteilung der Apotheken indirekt steuern. Sie kann aber nicht positiv von sich aus die Verteilung der Apotheken über das Staatsgebiet regeln; vor allem ist ihr nicht - wie bei dem System der Ausschreibung - die förmliche Initiative zur Errichtung neuer Apotheken an bestimmten Orten vorbehalten. Das Gesetz lässt lediglich die Auflage zu, eine neue Apotheke in einer bestimmten Lage (innerhalb der Gemeinde) zu errichten; doch wird diese Bestimmung wegen rechtlicher Zweifel in der Praxis nicht angewandt.
Diese Rechtslage ist in der mündlichen Verhandlung klargestellt worden; namentlich hat sich ergeben, dass der letzte Halbsatz (nach Buchst. g) des Art. 2 Abs. 1 mit seiner Verweisung auf Art. 3 Abs. 1 die hier bezeichneten Voraussetzungen nur für neu zu errichtende Apotheken fordern will.
7. Kernstück des Gesetzes ist der Art. 3, der die Voraussetzungen für die Errichtung neuer Apotheken regelt. Nach der ursprünglichen Fassung der Bestimmung konnte die Verwaltungsbehörde die Betriebserlaubnis versagen, wenn die örtlichen Voraussetzungen für den einwandfreien und leistungsfähigen Apothekenbetrieb nicht gegeben waren, so dass die ordnungsgemäße Arzneiversorgung und damit die öffentliche Gesundheitspflege gefährdet erschienen. Diese (offenbar mit Rücksicht auf das damals noch bestehende Einspruchsrecht der Militärregierung gewählte) "weiche" Fassung ist im Dezember 1955 durch die hier zur Prüfung stehende neue Fassung ersetzt worden, die das behördliche Ermessen mit der Tendenz einer Einschränkung der Niederlassungsfreiheit einengt.
Formal besteht danach ein Verbot der Errichtung neuer Apotheken mit Erlaubnisvorbehalt. Die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Erteilung der Erlaubnis sind so umschrieben, dass zwei selbständige Bedingungen nebeneinander zu erfüllen sind, deren erste (unter a) besagt, dass eine neue Apotheke nur errichtet werden darf, wenn die Errichtung zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln im "öffentlichen Interesse" liegt. Das könnte bedeuten, dass die Errichtung der neuen Apotheke erst zulässig sein soll, wenn sie zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln erforderlich wäre, mit anderen Worten, wenn die bestehenden Apotheken die Bevölkerung nicht ausreichend versorgen könnten. Diese Auslegung liegt besonders nahe, wenn die Entstehungsgeschichte berücksichtigt wird. Bereits die ursprüngliche Fassung des Art. 3 war damit motiviert worden, dass eine gesunde Arzneiversorgung der Bevölkerung ein Übermaß an Apotheken nicht zulasse. "Die Errichtung von Apotheken, die für die Arzneiversorgung unnötig sind, soll daher ... untersagt werden können" (Begründung zum Regierungsentwurf des Apothekengesetzes, Verhdlg. d. Bayer. Landtags, 2. Legislaturperiode, Beil. 1837). Die Änderung des Art. 3 im Jahre 1955 beruhte auf der Beobachtung, dass die bisherige Fassung nicht ausgereicht hatte, die Entstehung "unnötiger" Apotheken zu verhindern. In dem Initiativantrag, der am 12. Oktober 1955 im Bayer. Landtag eingebracht wurde, hieß es:
"Diese sog. negative Bedürfnisprüfung ... entspricht nicht den tatsächlichen Verhältnissen, weil durch die negative Regelung nur in verhältnismäßig wenigen Fällen die Errichtung völlig überflüssiger Apotheken verhindert werden kann ... Die besondere Stellung, die die Apotheke im Rahmen des öffentlichen Gesundheitswesens einnimmt, verbietet ein Übermaß von Apotheken. Dieses Ziel kann nur durch eine positive Prüfung der Notwendigkeit der Errichtung neuer Apotheken erreicht werden."
Die gleichen Gesichtspunkte beherrschten die Erörterungen im Landtag und im Senat (vgl. Verhdlg. d. Bayer. Landtags, 3. Legislaturperiode, Beil. 883, StenBer. S. 1273; Verhdlg. d. Bayer. Senats, Bd. 8 S. 722). Im Schreiben des Bayerischen Ministerpräsidenten vom 10. August 1957 und in der mündlichen Verhandlung von den bayerischen Vertretern ist jedoch eine andere Auslegung des Art. 3 vertreten worden, die auch der ständigen Verwaltungspraxis in Bayern entsprechen soll. Nach dieser Darstellung liegt der Akzent der Prüfung auf den Voraussetzungen unter b): werde die wirtschaftliche Grundlage sowohl der neuen wie der benachbarten bestehenden Apotheken als nicht gefährdet angesehen, so sei grundsätzlich ein öffentliches Interesse an der Errichtung der neuen Apotheke anzunehmen. Es brauche dann nicht noch ein besonderes (positives) öffentliches Interesse für eine weitere Apotheke nachgewiesen zu werden; das öffentliche Interesse werde also grundsätzlich bejaht, außer wenn die Voraussetzungen unter b) vorlägen.
Das Verbotsprinzip des Art. 3 würde bei dieser Auslegung durch eine Vermutung für das (teilweise) Vorliegen der Voraussetzungen einer Ausnahme von dem Verbot gemildert. Die scheinbar verschiedenen und kumulativ geforderten Voraussetzungen unter a) und b) würden zu einer einheitlichen, in sich zusammenhängenden Regelung zusammenwachsen. Damit würde der lediglich unter a) aufgeführte finale Gesichtspunkt ("zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln") nur noch für b) Bedeutung gewinnen. Zu prüfen wäre demnach, ob die wirtschaftliche Grundlage der neuen und die der benachbarten bestehenden Apotheken so gesichert ist, dass bei ihnen allen ein ordnungsgemäßer Apothekenbetrieb, wie er zur Sicherung einer sachgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu fordern ist, für eine absehbare Zukunft gewährleistet erscheint. Nur wenn das zu verneinen wäre, dürfte (und müsste) die Erlaubnis versagt werden.
Manche Ausführungen in der Begründung der angefochtenen Bescheide der Regierung von Oberbayern erwecken allerdings Zweifel daran, ob diese Interpretation des Art. 3 wirklich von den bayerischen Verwaltungsbehörden einhellig ihren Entscheidungen zugrunde gelegt wird. Doch kann dies hier dahinstehen.
IV.
Die Frage, ob Art. 3 Abs. 1 ApothekenG mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist, setzt einige grundsätzliche Überlegungen über die Bedeutung dieser Verfassungsbestimmung voraus.
1. Art. 12 Abs. 1 schützt die Freiheit des Bürgers in einem für die moderne arbeitsteilige Gesellschaft besonders wichtigen Bereich: er gewährleistet dem Einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als "Beruf" zu ergreifen, d. h. zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen. Es handelt sich um ein Grundrecht, nicht - wie etwa in Art. 151 Abs. 3 WV - um die Proklamierung der "Gewerbefreiheit" als eines objektiven Prinzips der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Verbürgt ist dem Einzelnen mehr als die Freiheit selbständiger Ausübung eines Gewerbes. Wohl zielt das Grundrecht auf den Schutz der wirtschaftlich sinnvollen - Arbeit, aber es sieht sie als "Beruf", d. h. in ihrer Beziehung zur Persönlichkeit des Menschen im ganzen, die sich erst darin voll ausformt und vollendet, dass der Einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensaufgabe und Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt. Das Grundrecht gewinnt so Bedeutung für alle sozialen Schichten; die Arbeit als "Beruf" hat für alle gleichen Wert und gleiche Würde.
2. Aus dieser Sicht des Grundrechts ist der Begriff "Beruf" weit auszulegen. Er umfasst nicht nur alle Berufe, die sich in bestimmten, traditionell oder sogar rechtlich fixierten "Berufsbildern" darstellen, sondern auch die vom Einzelnen frei gewählten untypischen (erlaubten) Betätigungen, aus denen sich dann wieder neue, feste Berufsbilder ergeben mögen (grundsätzlich ebenso BVerwGE 2, 89 [92]; 4, 250 [254 f.]).
Auch Berufe, die Tätigkeiten zum Inhalt haben, welche nach heutigen Vorstellungen der organisierten Gemeinschaft, in erster Linie dem Staate, vorbehalten bleiben müssen, sind in Art. 12 Abs. 1 jedenfalls in dem Sinn gemeint, dass auch sie vom Einzelnen als Beruf frei gewählt werden können und dass keinem ihre Wahl aufgezwungen oder verboten werden darf. Es liegt kein Grund vor anzunehmen, dass das Grundrecht "seinem Wesen nach" für solche Berufe nicht gelte, wie das Bundesverwaltungsgericht meint (BVerwGE 2, 85 [86]; 4, 250 [254]). Doch gibt und ermöglicht für alle Berufe, die "öffentlicher Dienst" sind, Art. 33 GG weithin Sonderregelungen. Sie ergeben sich aus der Natur der Sache: die Zahl der Arbeitsplätze (und damit im Grenzfall unter Umständen die tatsächliche Unmöglichkeit der Wahl des Berufs für den Einzelnen) wird hier allein von der Organisationsgewalt (im weitesten Sinne) der jeweils zuständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft bestimmt. Das hiernach mögliche Maß an Freiheit der Berufswahl für den Einzelnen wird durch den gleichen Zugang aller zu allen öffentlichen Ämtern bei gleicher Eignung (Art. 33 Abs. 2 GG) gewährleistet.
"Staatlich gebundene" Berufe sind in mannigfaltiger Gestalt möglich und wirklich. Sie fallen ebenfalls unter Art. 12 Abs. 1. Die Frage, an welchem Punkt zwischen "freiem" Beruf mit gewissen öffentlich-rechtlichen Auflagen und Berufen mit völliger Einbeziehung in die unmittelbare Staatsorganisation solche Berufe ihren Platz erhalten sollen, hängt von Eigenart und Gewicht der hier zu erfüllenden öffentlichen Aufgaben ab. Je näher ein Beruf durch öffentlich-rechtliche Bindungen und Auflagen an den "öffentlichen Dienst" herangeführt wird, umso stärker können Sonderregelungen in Anlehnung an Art. 33 GG die Wirkung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 tatsächlich zurückdrängen. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers brauchen hier nicht näher untersucht zu werden, da die bayerische Regelung in Übereinstimmung mit den allgemeinen deutschen Apothekenverhältnissen (vgl. BVerfGE 5, 25) - trotz gewisser öffentlich-rechtlicher Bindungen sich ihrer Struktur nach als eine gewerberechtliche darstellt.
Art. 12 Abs. 1 unterscheidet nicht zwischen dem selbständig und dem unselbständig ausgeübten Beruf; auch abhängige Arbeit kann als Beruf gewählt werden und wird es in der modernen Gesellschaft tatsächlich immer mehr. Wenn eine Tätigkeit in selbständiger und in unselbständiger Form ausgeübt werden kann und beide Formen der Ausübung eigenes soziales Gewicht haben, so ist auch die Wahl der einen oder der anderen Form der Berufstätigkeit und der Übergang von der einen zur anderen eine Berufswahl im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG. Das trifft beim Apothekerberuf zu: Der selbständige Apotheker betreibt ein Unternehmen, das die Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz ist, der unselbständige Apotheker steht im Dienste eines solchen Unternehmens; es bestehen nach allgemeiner Anschauung wie nach dem Urteil der Berufsangehörigen selbst verschiedene "Berufe" innerhalb des einen Standes der "Apotheker"; die Zugehörigkeit zum einen ist nicht nur Vorbereitungs- und Durchgangsstadium für den Eintritt in den andern. Dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 4, 167 [170]) ist deshalb im Ergebnis darin zuzustimmen, dass der Übergang von der Tätigkeit eines angestellten zur Tätigkeit eines selbständigen Apothekers ein Akt der Berufswahl ist, der dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG untersteht.
3. Aus der dargelegten allgemeinen Bedeutung des Art. 12 Abs. 1 lassen sich die entscheidenden Gesichtspunkte für Inhalt und Umfang der Regelungsbefugnis des einfachen Gesetzgebers nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 gewinnen.
a) Wenn in Art. 12 Abs. 1 nur das Prinzip der Gewerbefreiheit verfassungsmäßig festgelegt wäre, so hätte es nahe gelegen, dieses Prinzip lediglich im Rahmen eines allgemeinen Gesetzesvorbehalts zu verwirklichen, Gewerbefreiheit - wie in der Weimarer Verfassung - "nach Maßgabe des Gesetzes" zu gewährleisten. Der Gesetzgeber würde zwar auch dann an das Prinzip gebunden sein, könnte aber im Rahmen seiner allgemeinen Wirtschaftspolitik die ihm sachgemäß und erwünscht erscheinenden Ausnahmen vorsehen. Angesichts der komplizierten modernen Wirtschaftsverhältnisse würde sich dabei vermutlich die schon seit langem wirksame Tendenz zur Einschränkung des aus der frühliberalen Zeit stammenden Prinzips vollständiger Gewerbefreiheit verstärkt geltend machen. Dem könnte verfassungsrechtlich nicht entgegengetreten werden.
Viel enger wird der Ermessensbereich des Gesetzgebers, wenn von der Einsicht ausgegangen wird, dass es sich hier um ein echtes Grundrecht des einzelnen Bürgers handelt, um ein Grundrecht zudem, das seiner Idee nach mit der Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit eng zusammenhängt und das eben deshalb auch praktisch von größter Bedeutung für die gesamte Lebensgestaltung jedes Einzelnen ist - im Gegensatz zu den Grundrechten, die nur der Abwehr gelegentlicher Einzeleingriffe der öffentlichen Gewalt dienen. Der wirksame Schutz dieses Grundrechts verlangt, gesetzlichen Eingriffen hier grundsätzlich enge Grenzen zu ziehen.
Freilich ist festzuhalten, dass das gesetzgeberische Ermessen nur aus Gründen des Grundrechtsschutzes eingeengt werden darf. Das Grundgesetz ist wirtschaftspolitisch in dem Sinn neutral, dass der Gesetzgeber jede ihm sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik verfolgen darf, sofern er dabei das Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte, beachtet (BVerfGE 4, 7 [17 f.]). Ein auf Grund des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 erlassenes Gesetz kann also nicht deshalb verfassungsrechtlich beanstandet werden, weil es etwa der sonstigen staatlichen Wirtschaftspolitik widerspricht oder weil es mit einer bestimmten dieser allgemeinen Wirtschaftspolitik etwa zugrunde liegenden volkswirtschaftlichen Lehrmeinung nicht in Einklang steht; noch weniger selbstverständlich deshalb, weil die in dem Gesetz zutage tretende wirtschaftspolitische Auffassung vom Richter nicht gebilligt wird.
Grenzen für den Gesetzgeber können sich nur dort ergeben, wo sie ihm auf Grund des - richtig ausgelegten - Grundrechts gezogen werden müssen. Die praktische Schwierigkeit liegt darin, das grundsätzlich freie wirtschaftspolitische, sozialpolitische und berufspolitische Ermessen, das dem Gesetzgeber gewahrt bleiben muss, mit dem Freiheitsschutz, auf den der einzelne Bürger gerade auch dem Gesetzgeber gegenüber einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat, zu vereinen.
b) Beurteilt man die Eingriffsmöglichkeiten des Gesetzgebers in den grundrechtlich geschützten Bereich von der Verfassungsbestimmung selbst her, so könnte der Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 darauf hindeuten, dass Eingriffe nur bei der Berufsausübung zulässig sein sollten, während die Berufswahl der gesetzlichen Regelung schlechthin entzogen wäre. Das kann indessen nicht der Sinn der Bestimmung sein. Denn die Begriffe "Wahl" und "Ausübung" des Berufes lassen sich nicht so trennen, dass jeder von ihnen nur eine bestimmte zeitliche Phase des Berufslebens bezeichnete, die sich mit der andern nicht überschnitte; namentlich stellt die Aufnahme der Berufstätigkeit sowohl den Anfang der Berufsausübung dar wie die gerade hierin - und häufig nur hierin - sich äußernde Betätigung der Berufswahl; ebenso sind der in der laufenden Berufsausübung sich ausdrückende Wille zur Beibehaltung des Berufs und schließlich die freiwillige Beendigung der Berufsausübung im Grunde zugleich Akte der Berufswahl. Die beiden Begriffe erfassen den einheitlichen Komplex "berufliche Betätigung" von verschiedenen Blickpunkten her (ähnlich Klein-v. Mangoldt Anm. IV 2 (S. 370 ff.) zu Art. 12 im Anschluss an Über Freiheit des Berufs, Hamburg 1952).
So kann eine Auslegung, die dem Gesetzgeber jeden Eingriff in die Freiheit der Berufswahl schlechthin verwehren wollte, nicht richtig sein; sie würde der Lebenswirklichkeit nicht entsprechen und deshalb auch rechtlich nicht zu einleuchtenden Ergebnissen führen. Eine primär als Berufsausübungsregelung sich darstellende gesetzliche Vorschrift ist vielmehr grundsätzlich auch dann zulässig, wenn sie mittelbar auf die Freiheit der Berufswahl zurückwirkt. Das geschieht vor allem dann, wenn Voraussetzungen für die Berufsaufnahme, also den Beginn der Berufsausübung, festgelegt werden, mit anderen Worten, wenn der Beginn der Berufsausübung von einer Zulassung abhängig gemacht wird. dass das Grundgesetz Zulassungsregelungen nicht schlechthin hat ausschließen wollen, beweist Art. 74 Nr. 19, der eine Kompetenz zur Gesetzgebung für die "Zulassung" zu bestimmten Berufen begründet. Auch die Entstehungsgeschichte zeigt, dass man eine Ermächtigung zu Beschränkungen der Zulassung zwar grundsätzlich vermeiden, Andererseits aber die zahlreichen bestehenden Zulassungsbeschränkungen nicht allgemein für unzulässig erklären wollte (Abg. v. Mangoldt in der 5. und 23. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 29. September und 19. November 1948). Der Grundgesetzgeber ist hierbei allerdings nicht zu voller sachlicher und begrifflicher Klärung der Probleme gelangt; er hat schließlich eine Formulierung gewählt, die sich an die aus dem Gewerberecht geläufige Scheidung zwischen "Wahl" und "Ausübung" des Gewerbes anschloss, und im übrigen die weitere Regelung bewusst "weitgehend" dem Gesetz überlassen (vgl. Jahrb. d. öff. Rechts n. F. Bd. 1 S. 134, 136).
dass die Regelungsbefugnis nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG sich im vorstehend entwickelten Sinne auf Berufsausübung und Berufswahl bezieht, wird in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend angenommen (vgl. etwa Hamel DVBl. 1958 S. 37 und die dort angegebenen Belege); namentlich vertreten sowohl der Bundesgerichtshof wie das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, dass der Gesetzgeber die Aufnahme gewisser Berufe von einer Erlaubnis, der "Zulassung", und diese von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig machen könne (s. etwa BVerwGE 4, 167 [169]; 4, 250 [255]; BGH in den Vorlagegutachten BGHSt. 4, 385 [391]; 7, 394 [399]).
So ist Art. 12 Abs. 1 ein einheitliches Grundrecht (der "Berufsfreiheit") jedenfalls in dem Sinn, dass der Regelungsvorbehalt des Satz 2 sich "dem Grunde nach" sowohl auf die Berufsausübung wie auf die Berufswahl erstreckt. Das heißt jedoch nicht, dass die Befugnisse des Gesetzgebers hinsichtlich jeder dieser "Phasen" der Berufstätigkeit inhaltlich gleich weit gehen. Denn es bleibt stets der im Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 deutlich zum Ausdruck kommende Wille der Verfassung zu beachten, dass die Berufswahl "frei" sein soll, die Berufsausübung geregelt werden darf. Dem entspricht nur eine Auslegung, die annimmt, dass die Regelungsbefugnis die beiden "Phasen" nicht in gleicher sachlicher Intensität erfasst, dass der Gesetzgeber vielmehr um so stärker beschränkt ist, je mehr er in die Freiheit der Berufswahl eingreift. Diese Auslegung entspricht auch den Grundauffassungen der Verfassung und dem von ihr vorausgesetzten Menschenbild (BVerfGE 2, 1 [12]; 4, 7 [15 f.]; 6, 32 [40]). Die Berufswahl soll ein Akt der Selbstbestimmung, des freien Willensentschlusses des Einzelnen, sein; sie muss von Eingriffen der öffentlichen Gewalt möglichst unberührt bleiben. Durch die Berufsausübung greift der Einzelne unmittelbar in das soziale Leben ein; hier können ihm im Interesse der andern und der Gesamtheit Beschränkungen auferlegt werden.
Zusammenfassend ergibt sich: Die Regelungsbefugnis erstreckt sich auf Berufsausübung und Berufswahl. Sie ist aber um der Berufsausübung willen gegeben und darf nur unter diesem Blickpunkt allenfalls auch in die Freiheit der Berufswahl eingreifen. Inhaltlich ist sie um so freier, je mehr sie reine Ausübungsregelung ist, um so enger begrenzt, je mehr sie auch die Berufswahl berührt.
c) Was den Inhalt der so allgemein in ihrer Reichweite bestimmten Regelungsbefugnis im einzelnen anlangt, so ist zunächst der Sinn des Begriffs "regeln", insbesondere im Hinblick auf die Freiheit der Berufswahl, zu klären. Er kann nicht bedeuten, dass der Gesetzgeber im ganzen einen weiteren Ermessensspielraum habe als beim sonstigen allgemeinen Gesetzesvorbehalt, dass er das ganze Gebiet des Berufsrechts umfassender ordnen, den Inhalt des Grundrechts erst konstitutiv bestimmen dürfe (so Scheuner, Handwerksordnung und Berufsfreiheit (Sonderdruck aus "Deutsches Handwerksblatt"), 1956, etwa S. 21, 27f., 31, und Ipsen, Apothekenerrichtung und Art. 12 GG, 1957, S. 41 f.). Bei solcher Auffassung würde das Grundrecht entwertet, indem sein Gehalt ganz dem Ermessen des Gesetzgebers überantwortet würde, der doch seinerseits an das Grundrecht gebunden ist (Art. 1 Abs. 3 GG). Das würde der Bedeutung gerade dieses Grundrechts nicht entsprechen, sich kaum mit der besonderen (pleonastischen) Betonung der "freien" Berufswahl in Art. 12 Abs. 1 vertragen und überdies mit der Gesamttendenz des Grundrechtsabschnitts in Widerspruch stehen, der, wie das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 16. Januar 1957 (BVerfGE 6, 32 [40 f.]) dargelegt hat, "leerlaufende" Grundrechte im früheren Sinne nicht mehr kennt. Es gilt vielmehr auch hier der in der Entscheidung vom 15. Januar 1958 (BVerfGE 7, 198 [208 f.]) entwickelte Grundsatz, dass der Gesetzgeber, wenn er sich in dem grundrechtsgeschützten Raum bewegt, die Bedeutung des Grundrechts in der sozialen Ordnung zum Ausgangspunkt seiner Regelung nehmen muss. Nicht er bestimmt frei den Inhalt des Grundrechts, sondern umgekehrt kann sich aus dem Gehalt des Grundrechts eine inhaltliche Begrenzung seines Gesetzgebungsermessens ergeben. Auch in Art. 12 Abs. 1 liegt eine klare materielle Wertentscheidung des Grundgesetzes für einen konkreten wichtigen Lebensbereich vor; der Gesetzgeber ist deshalb hier nicht so frei wie etwa bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes, der einen allgemein für die öffentliche Gewalt geltenden Rechtsgrundsatz darstellt, dessen konkreten Gehalt der Gesetzgeber erst für bestimmte Lebensverhältnisse unter Berücksichtigung der für sie jeweils geltenden Gerechtigkeitsgesichtspunkte zu bestimmen hat.
Andererseits bedeutet "regeln" nicht, dass der Gesetzgeber das Grundrecht in keiner Hinsicht einschränken dürfe. An sich enthält jede Regelung auch das Sichtbarmachen von Grenzen. Doch deutet der Ausdruck "regeln", den der Grundgesetzgeber hier offenbar bewusst statt des in den Grundrechtsbestimmungen sonst üblichen "beschränken" oder "einschränken" gebraucht, darauf hin, dass eher an eine nähere Bestimmung der Grenzen von innen her, d. h. der im Wesen des Grundrechts selbst angelegten Grenzen, gedacht ist als an Beschränkungen, durch die der Gesetzgeber über den sachlichen Gehalt des Grundrechts selbst verfügen, nämlich seinen natürlichen, sich aus rationaler Sinnerschließung ergebenden Geltungsbereich von außen her einengen würde.
d) Das Grundrecht soll die Freiheit des Individuums schützen, der Regelungsvorbehalt ausreichenden Schutz der Gemeinschaftsinteressen sicherstellen. Der Freiheitsanspruch des Einzelnen wirkt, wie gezeigt wurde, um so stärker, je mehr sein Recht auf freie Berufswahl in Frage steht; der Gemeinschaftsschutz wird um so dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Berufsausübung der Gemeinschaft erwachsen könnten. Sucht man beiden - im sozialen Rechtsstaat gleichermaßen legitimen - Forderungen in möglichst wirksamer Weise gerecht zu werden, so kann die Lösung nur jeweils in sorgfältiger Abwägung der Bedeutung der einander gegenüberstehenden und möglicherweise einander geradezu widerstreitenden Interessen gefunden werden. Wird dabei festgehalten, dass nach der Gesamtauffassung des Grundgesetzes die freie menschliche Persönlichkeit der oberste Wert ist, dass ihr somit auch bei der Berufswahl die größtmögliche Freiheit gewahrt bleiben muss, so ergibt sich, dass diese Freiheit nur so weit eingeschränkt werden darf, als es zum gemeinen Wohl unerlässlich ist.
Für das Eingreifen des Gesetzgebers besteht danach von Verfassung wegen ein Gebot der Differenzierung, deren Prinzipien zusammenfassend etwa wie folgt umschrieben werden können:
Die Freiheit der Berufsausübung kann im Wege der "Regelung" beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen. Die Freiheit der Berufswahl darf dagegen nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger ("überragender") Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert, d. h.: soweit der Schutz von Gütern in Frage steht, denen bei sorgfältiger Abwägung der Vorrang vor dem Freiheitsanspruch des Einzelnen eingeräumt werden muss und soweit dieser Schutz nicht auf andere Weise, nämlich mit Mitteln, die die Berufswahl nicht oder weniger einschränken, gesichert werden kann. Erweist sich ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl als unumgänglich, so muss der Gesetzgeber stets die Form des Eingriffs wählen, die das Grundrecht am wenigsten beschränkt.
Für den Umfang der Regelungsbefugnis ergeben sich so gewissermaßen mehrere "Stufen":
Am freiesten ist der Gesetzgeber, wenn er eine reine Ausübungsregelung trifft, die auf die Freiheit der Berufswahl nicht zurückwirkt, vielmehr nur bestimmt, in welcher Art und Weise die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im einzelnen zu gestalten haben. Hier können in weitem Maße Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit zur Geltung kommen; nach ihnen ist zu bemessen, welche Auflagen den Berufsangehörigen gemacht werden müssen, um Nachteile und Gefahren für die Allgemeinheit abzuwehren. Auch der Gedanke der Förderung eines Berufes und damit der Erzielung einer höheren sozialen Gesamtleistung seiner Angehörigen kann schon gewisse die Freiheit der Berufsausübung einengende Vorschriften rechtfertigen. Der Grundrechtsschutz beschränkt sich insoweit auf die Abwehr in sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer gesetzlicher Auflagen; von diesen Ausnahmen abgesehen, trifft die hier in Frage stehende Beeinträchtigung der Berufsfreiheit den Grundrechtsträger nicht allzu empfindlich, da er bereits im Beruf steht und die Befugnis, ihn auszuüben, nicht berührt wird.
Eine Regelung dagegen, die schon die Aufnahme der Berufstätigkeit von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig macht und die damit die Freiheit der Berufswahl berührt, ist nur gerechtfertigt, soweit dadurch ein überragendes Gemeinschaftsgut, das der Freiheit des Einzelnen vorgeht, geschützt werden soll. Dabei besteht offensichtlich ein - auch in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem hervorgehobener (vgl. Scheuner a.a.O. S. 25 und die von ihm angeführten Belege) bedeutsamer Unterschied je nachdem, ob es sich um "subjektive" Voraussetzungen, vor allem solche der Vor- und Ausbildung, handelt oder um objektive Bedingungen der Zulassung, die mit der persönlichen Qualifikation des Berufsanwärters nichts zu tun haben und auf die er keinen Einfluss nehmen kann.
Die Regelung subjektiver Voraussetzungen der Berufsaufnahme ist ein Teil der rechtlichen Ordnung eines Berufsbildes; sie gibt den Zugang zum Beruf nur den in bestimmter - und zwar meist formaler- Weise qualifizierten Bewerbern frei. Eine solche Beschränkung legitimiert sich aus der Sache heraus; sie beruht darauf, dass viele Berufe bestimmte, nur durch theoretische und praktische Schulung erwerbbare technische Kenntnisse und Fertigkeiten (im weiteren Sinn) erfordern und dass die Ausübung dieser Berufe ohne solche Kenntnisse entweder unmöglich oder unsachgemäß wäre oder aber Schäden, ja Gefahren für die Allgemeinheit mit sich bringen würde. Der Gesetzgeber konkretisiert und "formalisiert" nur dieses sich aus einem vorgegebenen Lebensverhältnis ergebende Erfordernis; dem Einzelnen wird in Gestalt einer vorgeschriebenen formalen Ausbildung nur etwas zugemutet, was er grundsätzlich der Sache nach ohnehin auf sich nehmen müsste, wenn er den Beruf ordnungsgemäß ausüben will. Diese Freiheitsbeschränkung erweist sich so als das adäquate Mittel zur Verhütung möglicher Nachteile und Gefahren; sie ist auch deshalb nicht unbillig, weil sie für alle Berufsanwärter gleich und ihnen im voraus bekannt ist, so dass der Einzelne schon vor der Berufswahl beurteilen kann, ob es ihm möglich sein werde, die geforderten Voraussetzungen zu erfüllen. Hier gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in dem Sinne, dass die vorgeschriebenen subjektiven Voraussetzungen zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen dürfen.
Anders liegt es bei der Aufstellung objektiver Bedingungen für die Berufszulassung. Ihre Erfüllung ist dem Einfluss des Einzelnen schlechthin entzogen. Dem Sinn des Grundrechts wirken sie strikt entgegen, denn sogar derjenige, der durch Erfüllung aller von ihm geforderten Voraussetzungen die Wahl des Berufes bereits real vollzogen hat und hat vollziehen dürfen, kann trotzdem von der Zulassung zum Beruf ausgeschlossen bleiben. Diese Freiheitsbeschränkung ist um so gewichtiger und wird demgemäß auch um so schwerer empfunden, je länger und je fachlich spezialisierter die Vor- und Ausbildung war, je eindeutiger also mit der Wahl dieser Ausbildung zugleich dieser konkrete Beruf gewählt wurde. Da zudem zunächst nicht einsichtig ist, welche unmittelbaren Nachteile für die Allgemeinheit die Ausübung eines Berufs durch einen fachlich und moralisch qualifizierten Bewerber mit sich bringen soll, wird häufig der Wirkungszusammenhang zwischen dieser Beschränkung der freien Berufswahl und dem erstrebten Erfolg nicht einleuchtend dargetan werden können. Die Gefahr des Eindringens sachfremder Motive ist daher besonders groß; vor allem liegt die Vermutung nahe, die Beschränkung des Zugangs zum Beruf solle dem Konkurrenzschutz der bereits im Beruf Tätigen dienen - ein Motiv, das nach allgemeiner Meinung niemals einen Eingriff in das Recht der freien Berufswahl rechtfertigen könnte. Durch die Wahl dieses gröbsten und radikalsten Mittels der Absperrung fachlich und moralisch (präsumtiv) voll geeigneter Bewerber vom Berufe kann so abgesehen von dem möglichen Konflikt mit dem Prinzip der (Gleichheit - der Freiheitsanspruch des Einzelnen in besonders empfindlicher Weise verletzt werden. Daraus ist abzuleiten, dass an den Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Freiheitsbeschränkung besonders strenge Anforderungen zu stellen sind; im allgemeinen wird nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diesen Eingriff in die freie Berufswahl legitimieren können; der Zweck der Förderung sonstiger Gemeinschaftsinteressen, die Sorge für das soziale Prestige eines Berufs durch Beschränkung der Zahl seiner Angehörigen reicht nicht aus, auch wenn solche Ziele im übrigen gesetzgeberische Maßnahmen rechtfertigen würden.
Der Gesetzgeber muss Regelungen nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 jeweils auf der "Stufe" vornehmen, die den geringsten Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringt, und darf die nächste "Stufe" erst dann betreten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann, dass die befürchteten Gefahren mit (verfassungsmäßigen) Mitteln der vorausgehenden "Stufe" nicht wirksam bekämpft werden können.
4. Auch der Bundesgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht wollen dem Gesetzgeber Grenzen für die Statuierung objektiver Zulassungsvoraussetzungen ziehen; sie entnehmen sie jedoch ausschließlich der Vorschrift des Art. 19 Abs. 2 GG, in deren Auslegung sie allerdings nicht übereinstimmen (vgl. Hamel DVBl. 1958 S. 37 [38] und die dort angeführten Entscheidungen). Von dem hier eingenommenen Standpunkt aus kann dahingestellt bleiben, ob aus dem Verbot der Antastung des Wesensgehalts der Grundrechte sich weitere Grenzen für den Regelungsgesetzgeber des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 ergeben würden und wie sie im einzelnen zu ziehen wären. Denn die vorstehenden Darlegungen haben ergeben, dass bereits eine dem Sinn des Grundrechts und seiner Bedeutung im Rahmen des sozialen Lebens Rechnung tragende Auslegung zu einer sachgemäßen Begrenzung der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers führt.
5. Die sich aus der Rücksicht auf das Grundrecht ergebenden Beschränkungen der Regelungsbefugnis sind materielle Verfassungsgebote, die sich in erster Linie an den Gesetzgeber selbst richten. Ihre Einhaltung ist aber vom Bundesverfassungsgericht zu überwachen. Wenn eine Einschränkung der freien Berufswahl auf der "letzten Stufe" (der objektiven Zulassungsvoraussetzungen) in Frage steht, hat das Bundesverfassungsgericht deshalb zunächst zu prüfen, ob ein überragendes Gemeinschaftsgut gefährdet ist und ob die gesetzliche Regelung der Abwehr dieser Gefahr überhaupt dienen kann. Es muss aber ferner auch prüfen, ob gerade dieser Eingriff zum Schutz jenes Gutes zwingend geboten ist, mit anderen Worten, ob der Gesetzgeber diesen Schutz nicht mit Regelungen auf einer vorausgehenden Stufe hätte durchführen können.
Gegen die Prüfung in der zuletzt genannten Richtung ist eingewandt worden, dass sie über die Kompetenz eines Gerichts hinausgehe: ein Gericht könne nicht beurteilen, ob eine bestimmte gesetzgeberische Maßnahme geboten sei, weil es nicht wissen könne, ob es andere gleich wirksame Mittel gebe und ob sie für den Gesetzgeber realisierbar seien; das lasse sich nur übersehen, wenn man die gesamten zu ordnenden Lebensverhältnisse, aber auch die politischen Möglichkeiten der Gesetzgebung kenne. Diese Auffassung, die vor allem aus praktischen Erwägungen der Prüfungsbefugnis des Bundesverfassungsgerichts enge Grenzen ziehen möchte, wird gelegentlich theoretisch mit dem Hinweis unterbaut, dass das Gericht durch Inanspruchnahme einer so weitgehenden Prüfungsbefugnis in die Sphäre des Gesetzgebers übergreifen und damit einen Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung begehen würde.
Das Bundesverfassungsgericht kann dieser Ansicht nicht zustimmen.
Dem Gericht ist der Schutz der Grundrechte gegenüber dem Gesetzgeber übertragen. Wenn sich aus der Auslegung eines Grundrechts Grenzen für den Gesetzgeber ergeben, muss das Gericht ihre Einhaltung überwachen können; es darf sich dieser Aufgabe nicht entziehen, wenn anders es nicht die Grundrechte praktisch zum guten Teil entwerten und seiner ihm vom Grundgesetz zugewiesenen Funktion ihren eigentlichen Sinn nehmen will.
Die in diesem Zusammenhang oft aufgestellte Forderung, zwischen mehreren gleichgeeigneten Mitteln müsse der Gesetzgeber frei wählen können, würde das besondere hier in Frage stehende Problem verfehlen. Sie hat den (normalen) Fall eines Grundrechts im Auge, das in sich keine abgestuften Schutzbereiche enthält (wie etwa in BVerfGE 2, 266). Hier ist der Gesetzgeber allerdings in der Wahl zwischen mehreren gleichgeeigneten gesetzlichen Maßnahmen - innerhalb bestimmter Grenzen - frei, weil sie alle dasselbe Grundrecht in seinem einheitlichen, nicht in sich gestuften Gehalt treffen. Wenn es sich aber um ein Grundrecht handelt, das in sich Bereiche schwächeren und stärkeren Freiheitsschutzes enthält, dann muss jedenfalls verfassungsgerichtlich nachprüfbar sein, ob die Voraussetzungen für eine Regelung auf der Stufe vorliegen, wo die Freiheit am stärksten geschützt ist; mit anderen Worten, es muss geprüft werden können, ob gesetzliche Maßnahmen auf den vorausliegenden Stufen nicht ausgereicht hätten, ob also der tatsächliche Eingriff "zwingend geboten" war. Wollte man dem Gesetzgeber auch die freie Wahl zwischen "gleichgeeigneten Mitteln" lassen, die verschiedenen Stufen angehören, so könnte das praktisch dazu führen, dass gerade die das Grundrecht am stärksten beschränkenden Eingriffe, die wegen ihrer drastischen Wirkung zur Erreichung des erstrebten Zieles besonders geeignet sind, am häufigsten gewählt würden und dann ungeprüft hingenommen werden müssten. Ein wirksamer Schutz gerade des Freiheitsbereiches, den Art. 12 Abs. 1 GG am nachhaltigsten schützen will, wäre dann nicht mehr gewährleistet.
Bundesgerichtshof und Bundesverwaltungsgericht folgen derselben grundsätzlichen Auffassung. Auch sie sehen es deshalb als ihre Aufgabe an zu prüfen, ob der schärfste Eingriff in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG, nämlich die Einführung objektiver Zulassungsvoraussetzungen, "zwingend geboten" ist.
Sie nehmen diese Prüfung allerdings auf der Grundlage anderer rechtlicher Konstruktionen vor. Diesen kann das Bundesverfassungsgericht nicht beitreten. Namentlich geht es nicht an, mit dem Bundesverwaltungsgericht anzunehmen, die unabweisbare Notwendigkeit einer gesetzlichen Maßnahme müsse deshalb geprüft werden, weil von ihrer Anerkennung die Zulässigkeit eines Eingriffs in den Wesensgehalt des Grundrechts abhänge (BVerwGE 2, 85 [87]; 4, 167 [171 f.]). Denn der Wesensgehalt eines Grundrechts darf nach dem klaren Wortlaut des Art. 19 Abs. 2 GG "in keinem Falle" angetastet werden; die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Eingriff ausnahmsweise trotzdem zulässig sei, ist gegenstandslos. Aber auch der Auffassung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGHSt 4, 375 [377]; DÖV 1955 S. 729 [730]) kann sich das Bundesverfassungsgericht nicht anschließen, weil sie geeignet ist, den Wesensgehalt der Grundrechte zu relativieren (vgl. die Darstellung bei Klein-v. Mangoldt, Anm. V 4 d zu Art. 19 GG - S. 557 ff. -).
Auf diese anderen Ausgangspositionen kommt es jedoch für die hier zu behandelnde Frage nicht an. Entscheidend ist allein: Beide oberen Bundesgerichte nehmen mit Selbstverständlichkeit die Befugnis in Anspruch zu prüfen, ob dieser qualitativ stärkste Einbruch in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheitssphäre des Individuums "zwingend geboten", "unabweisbar notwendig" ist.
Diese Prüfung lässt sich auch durchführen. Dabei kann sich das Gericht freilich nicht damit zufrieden geben, dass Ziel und Zweck der gesetzlichen Regelung nur allgemein und schlagwortartig bezeichnet werden und der freiheitsbeschränkende Eingriff als Mittel zur Erreichung dieser Ziele nicht völlig ungeeignet erscheint. Der Inhalt des zur Prüfung stehenden Gesetzes und die für seine Gestaltung maßgebend gewesenen Erwägungen des Gesetzgebers müssen vielmehr im einzelnen analysiert werden. Das setzt naturgemäß voraus, dass das Gericht - notfalls mit Hilfe von Sachverständigen - sich einen möglichst umfassenden Einblick in die durch das Gesetz zu ordnenden Lebensverhältnisse verschafft. Gerade dadurch wird sich oft ergeben, dass es möglich ist, größere Lebenszusammenhänge, die bisher in begrifflich undeutlicher Zusammenfassung als "Gegenstand" einer gesetzgeberischen Regelung angegeben waren, in einzelne klarer erfassbare Sachverhalte aufzulösen und sie so unter Ausschaltung subjektiver Wertungen auch für ein Gericht beurteilbar zu machen. Die Beurteilung hypothetischer Kausalverläufe, die den Normierungen des Gesetzgebers zugrunde liegen, auf ihre größere oder geringere Wahrscheinlichkeit hin ist eine Aufgabe, die ihrer Art nach auch vom Richter erfüllbar ist. Selbstverständlich werden bei dieser Prüfung die Erfahrungsgrundlagen, Erwägungen und Wertungen des Gesetzgebers für das Bundesverfassungsgericht stets. von größter Bedeutung sein; wo sie nicht entkräftet werden, dürfen sie die Vermutung der Richtigkeit für sich in Anspruch nehmen. Andererseits aber muss die Pflicht zum Schutz des Grundrechts das Gericht daran hindern, die Auffassungen des Gesetzgebers, der legitimerweise auch andere Ziele als die des Grundrechtsschutzes verfolgt, ohne weiteres zu akzeptieren und seine Maßnahmen als unvermeidliche Beschränkungen des Grundrechts hinzunehmen.
Wie der Bundesgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht hält sich auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Rahmen des Art. 98 der bayerischen Verfassung für befugt und befähigt zu prüfen, ob die Einschränkung eines Grundrechts durch Gesetz "zwingend erforderlich" sei (vgl. etwa VGH n.F. 9 II 158 [177 f.] und die dort angegebenen Entscheidungen).
Es mag schließlich darauf hingewiesen werden, dass schon der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, wenn er über die Gültigkeit von Notverordnungen zu entscheiden hatte, grundsätzlich Fragen ähnlicher Art prüfte, wie etwa die, ob eine Notverordnung "dringlich" und "notwendig", ob "eine so weitgehende Einschränkung der Gemeinderechte dringlich erforderlich" gewesen sei, ob ein "ungewöhnlicher Notstand" vorgelegen habe (vgl. Lammers-Simons I 267 [272 f.], 276 [284 f.], 398 [404]; II 51 [57 ff.], 69).
Haben mithin schon bisher die Gerichte es als rechtlich geboten und tatsächlich möglich erkannt, zum Schutz der Freiheit des Bürgers Gesetze unter gewissen Voraussetzungen auf ihre Notwendigkeit zu prüfen, so kann eine solche Prüfung dem Bundesverfassungsgericht noch weniger entzogen sein; denn ihm ist vor allem durch das Institut der Verfassungsbeschwerde - der Schutz der Grundrechte gerade gegenüber dem Gesetzgeber anvertraut, und es ist kraft seiner allgemeinen Stellung als Verfassungsorgan und Gericht für verfassungsrechtliche Fragen dem Vorwurf unberechtigten Eingriffs in die Gesetzgebungssphäre weit weniger ausgesetzt als die anderen Gerichte.
V.
Zweck des Art. 3 Abs. 1 ApothekenG ist es nach der Äußerung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, "einer schrankenlosen Vermehrung der Zahl der Apotheken, die in ihrer Auswirkung eine Verschlechterung der Arzneimittelversorgung bedeuten würde, vorzubeugen, indem eine aus gesundheitspolitischen Gründen notwendige Grenze für die Errichtung neuer Apotheken gesetzt wird". Dieser Gedankengang kehrt bei der Begründung aller Regelungen wieder, die - mit welchem System auch immer - im Ergebnis eine Beschränkung der Zahl der Apotheken herbeiführen wollen (vgl. etwa Begründung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über das Apothekenwesen, BT III/1957 Drucks. 35 S. 10). Der Vertreter Bayerns hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, der Art. 3 habe - wie die frühere Regelung immer nur den Sinn und den Zweck gehabt, "den Apothekerstand gesund zu erhalten und damit zugleich der Volksgesundheit zu dienen". Im einzelnen werden dabei folgende Erwägungen angestellt:
Die Freigabe der Gründung neuer Apotheken wird zu einer starken Vermehrung der Apotheken im ganzen führen; auch wird eine ungleichmäßige Verteilung der Apotheken eintreten, da die neuen Betriebe in den größeren Städten und hier wieder im Stadtkern sich zusammendrängen; die starke Vermehrung der Apotheken an einzelnen Orten wird einen scharfen Konkurrenzkampf zur Folge haben, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vieler Apotheken empfindlich schmälern wird; diese Apotheken werden ihre gesetzlichen Verpflichtungen hinsichtlich Vorratshaltung, Rezeptpflicht, Güteprüfung, Einhaltung bestimmter Preise, Beschäftigung qualifizierten Personals, ständiger Dienstbereitschaft usw. kaum noch erfüllen können, jedenfalls besteht die Gefahr, dass sie in dem Bestreben, den Umsatz zu steigern, diese Pflichten vernachlässigen; die Vermehrung der Verkaufsstellen wird ein Überangebot an Arzneimitteln durch Werbung bei der Bevölkerung hervorrufen und damit die "Tablettensucht" fördern; dies alles beeinträchtigt die ordnungsmäßige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und schädigt damit - im weiteren Verlauf - die Volksgesundheit. Ein wirksames Mittel, dieser gefährlichen Entwicklung von vornherein zu begegnen, ist eine gewisse Beschränkung der Zahl der Apotheken, die ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen sicherstellt.
Unbestritten ist, dass die Volksgesundheit ein wichtiges Gemeinschaftsgut ist, dessen Schutz Einschränkungen der Freiheit des Einzelnen zu rechtfertigen vermag; unbestritten auch, dass eine geordnete Arzneimittelversorgung zum Schutz der Volksgesundheit unumgänglich ist. Als "geordnet" wird dabei eine Versorgung angesehen werden können, die sicherstellt, dass die normalerweise, aber auch für nicht allzu fernliegende Ausnahmesituationen benötigten Heilmittel und Medikamente in ausreichender Zahl und in einwandfreier Beschaffenheit für die Bevölkerung bereitstehen, zugleich aber einem missbrauch von Arzneimitteln nach Möglichkeit vorbeugt. Es kann unterstellt werden, dass der bayerische Gesetzgeber mit seiner Regelung dieses Ziel vor Augen hatte, wenngleich in den Begründungen der - damit nur in mittelbarem Zusammenhang stehende - berufspolitische Gedanke des Schutzes des Standes und der Institution "Apotheke" im hergebrachten Sinn nicht zu überhören ist.
Die entscheidende Frage ist mithin, ob bei Wegfall der Niederlassungsbeschränkungen des bayerischen Apothekengesetzes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Entwicklung im obenbezeichneten Sinn verlaufen und dadurch die geordnete Arzneiversorgung so gestört würde, dass eine Gefährdung der Volksgesundheit zu befürchten wäre.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass diese Gefahr droht.
Das Gericht hat zunächst nicht an der Tatsache vorbeigehen können, dass in anderen, der Bundesrepublik Deutschland zivilisatorisch vergleichbaren Staaten volle Niederlassungsfreiheit besteht, ohne dass deshalb von einer Gefährdung der Volksgesundheit durch Mängel der Arzneiversorgung ernstlich die Rede sein könnte. Im einzelnen mögen die Verhältnisse in mancher Hinsicht verschieden sein. Doch gibt es - jedenfalls in Europa - überall den wissenschaftlich vorgebildeten Apotheker als besonderen Stand mit strengen Berufspflichten, die Apotheke als "Offizin" mit vorgeschriebener Einrichtung, die staatlich festgesetzten Preise für Arzneimittel (Arzneitaxe). Die Verbrauchsgewohnheiten der Bevölkerung sind nicht nennenswert verschieden; überall nimmt die Rezeptur zugunsten der fertig verpackten Erzeugnisse der pharmazeutischen Industrie ab, überall besteht eine gewisse Konkurrenz der Drogerien und anderer Verkaufsstellen.
Aufschlussreich war für das Gericht vor allem das Beispiel der Schweiz, deren Apothekenwesen - wenigstens im deutschsprachigen Gebiet - besonders viele Gemeinsamkeiten mit dem deutschen aufweist. Die beiden Schweizer Sachverständigen haben bei ihrer eingehenden Schilderung auf diese und jene Mängel im Schweizer Apothekenwesen hingewiesen, die übrigens zum Teil mit der topographischen Eigenart des Landes zusammenhängen. Würdigt man aber ihre Ausführungen im ganzen, so kann keine Rede davon sein, dass die Niederlassungsfreiheit in der Schweiz eine Lage herbeigeführt hätte, durch die gefährliche Schäden für die Volksgesundheit entstanden oder für die Zukunft zu befürchten wären. Diesen Eindruck hat das Gericht besonders aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sauter gewonnen, der in seiner amtlichen Stellung als Direktor des Eidgenössischen Gesundheitsamtes besonders berufen ist, die Entwicklung unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, ob der Volksgesundheit im ganzen Gefahren drohen.
Wenn das in der mündlichen Verhandlung verlesene Schreiben der Federation Internationale Pharmaceutique vom 31. Dezember 1949 die Länder mit Niederlassungsfreiheit denen gegenüberstellt, die diese Freiheit beschränkt haben, und zum Ergebnis kommt, beide Systeme seien an sich denkbar und keines sei dem andern unbedingt vorzuziehen, so lässt sich auch daraus mindestens schließen, dass nach Ansicht dieses sachverständigen internationalen Gremiums nicht dem einen dieser Systeme, der Niederlassungsfreiheit, bereits von Haus aus die Tendenz innewohnt, Störungen der ordnungsmäßigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung hervorzurufen und damit die Volksgesundheit zu gefährden.
Indessen muss doch geprüft werden, ob besondere Gründe in Deutschland, hier besonders in Bayern, eine andere Entwicklung erwarten lassen.
Ausgangspunkt aller solcher Voraussagen ist die Annahme, dass bei Niederlassungsfreiheit eine starke Vermehrung der Zahl der Apothekenbetriebe eintreten wird; häufig wird von "uferloser", "hemmungsloser", "schrankenloser" Vermehrung gesprochen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stellt sich für das Bundesverfassungsgericht die Lage wie folgt dar:
1. Die Niederlassungsfreiheit wird selbstverständlich eine Vermehrung der Apotheken zur Folge haben. Das ist an sich keineswegs bedenklich. Die zuständigen bayerischen Stellen gehen selbst davon aus, dass auch bei Weitergeltung des Apothekengesetzes - namentlich bei der von der Bayerischen Staatsregierung vertretenen Auslegung des Artikels 3 - eine Vermehrung der Apotheken über die zur Versorgung der Bevölkerung erforderliche Zahl hinaus eintreten werde. In jeder Neuerrichtung sehen sie grundsätzlich zunächst sogar eine Verbesserung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Sie berufen sich auf ihre weitherzige Zulassungspraxis auch, um darzutun, dass die in Artikel 3 liegende Beschränkung des freien Berufszugangs nur geringfügig sei, und weisen z. B. darauf hin, dass in den 13 Monaten vom 30. Mai 1956 bis 1. Juli 1957 in Bayern 46 Betriebserlaubnisse für neu zu errichtende Apotheken erteilt und nur 6 Neuerrichtungen abgelehnt worden seien.
Es kommt sonach darauf an, wie das Ausmaß der Vermehrung zu beurteilen ist. Die Zahlen aus der kurzen Periode der Niederlassungsfreiheit in der amerikanischen Besatzungszone sind nach allgemeinem Urteil nicht beweiskräftig. Einmal bewirkt erfahrungsgemäß das Fallen bisher vorhandener Berufsschranken in der ersten Zeit stets einen lebhaften Andrang zu dem freigegebenen Beruf, zum andern bestand bei Einführung der Niederlassungsfreiheit ein ungewöhnlich starker Nachholbedarf, da im Kriege und unmittelbar nachher keine Apotheken gegründet worden waren und überdies die Bevölkerung nach 1945 vor allem durch die Aufnahme der Vertriebenen rasch und erheblich anwuchs. Schließlich hat der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung zur Gründung neuer Apotheken ermutigt, sie aber auch nachträglich wirtschaftlich gerechtfertigt. In Bayern sind in dieser Zeit 436 neue Apotheken - gegenüber einem Bestand von vorher 768 - errichtet worden; davon sind etwa 50 % "Flüchtlingsapotheken", deren Gründung durch Lastenausgleichsmittel erleichtert, vielfach erst ermöglicht wurde. Obwohl auch nach Inkrafttreten des Apothekengesetzes eine weitere nicht unbeträchtliche Zahl von Apotheken gegründet worden ist, lässt sich eine Übersetzung mit Apotheken nicht feststellen. Die bayerische Verwaltung sieht es als angemessen an, wenn im Landesdurchschnitt auf etwa 7-8000 Einwohner eine Apotheke trifft (Art. 3 der Vollzugsbekanntmachung zum Apothekengesetz vom 15. Juli 1952, Staatsanzeiger Nr. 30). In Bayern kam am 31. Dezember 1955 (also lange nach Abschluss der Periode der Niederlassungsfreiheit) auf 7282 Einwohner eine Apotheke. Auch heute besteht selbst nach dem zurückhaltenden Urteil des Sachverständigen Prof. Dr. Schlemmer in Bayern ein "erträgliches Verhältnis" zwischen der Zahl der Apotheken und der von ihnen zu versorgenden Bevölkerung. Dem entspricht es, dass trotz der großen Zahl von Neuerrichtungen wirtschaftliche Fehlgründungen kaum festzustellen waren; zu Konkursen von Apotheken ist es nicht, zur Konkursreife nur in Ausnahmefällen gekommen.
Nun ist mit Sicherheit anzunehmen, dass auch bei Fortdauer der Niederlassungsfreiheit die Vermehrung der Apotheken nicht in gleichem Maße angehalten hätte; das ergibt sich daraus, dass bereits während der beiden letzten Jahre der Niederlassungsfreiheit die Zahl der Anträge merklich zurückgegangen ist. Nichts spricht deshalb dafür, dass bei Wegfall der Lenkungsbefugnisse der Verwaltungsbehörden eine "uferlose" Vermehrung der Apotheken eintreten würde. Vielmehr werden nun wirtschaftliche Erwägungen bei den Entschlüssen der Berufsangehörigen die entscheidende Rolle spielen. Die Verantwortung für die Gründung einer neuen Apotheke wird freilich schwerer auf dem Apotheker lasten, wenn ihn nicht die Verwaltungsbehörde "in seinem eigenen Interesse davor bewahrt", eine nicht lebensfähige Apotheke zu errichten (was der angegriffene Bescheid der Regierung als Aufgabe der Verwaltung ansieht). Er konnte bisher damit rechnen, dass er bei einer an der Grenze des wirtschaftlich Möglichen liegenden Gründung durch die Verwaltungsbehörde wenigstens vor der Entstehung weiterer Apotheken in seinem künftigen "Einzugsgebiet" geschützt werden würde. Bei Niederlassungsfreiheit muss er die wirtschaftlichen Chancen des Betriebs allein beurteilen und dabei in Rechnung stellen, dass möglicherweise auch andere Apotheker sich in derselben Gegend niederlassen werden. Das erfordert sorgfältige Kalkulation und "Marktanalyse". Andererseits hat gerade der Apotheker mannigfache Möglichkeiten, sich des sachkundigen Rates seiner Standesvertretungen (Apothekervereine und Apothekerkammern) und der Behörden zu bedienen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die von einigen Sachverständigen hervorgehobene "Gründungsfreudigkeit" der Apotheker sich über alle wirtschaftliche Vorsicht und Vernunft hinwegsetzen wird. Das würde ein Maß von "Wirtschaftsblindheit" voraussetzen, das bei dem Apothekerstand im ganzen ebensowenig unterstellt werden kann wie bei anderen Gewerbetreibenden, denen - auch bei fehlender wirtschaftstheoretischer Vorbildung - die Fähigkeit, die Chancen einer Geschäftsgründung zu beurteilen, ohne weiteres zugetraut wird. Allerdings haben mehrere Sachverständige auf das (im Durchschnitt) mangelhafte wirtschaftliche Urteilsvermögen der Apotheker hingewiesen. Wie wenig sich aber auf ein so allgemeines Urteil ein sicherer Schluss gründen lässt, zeigt die klar das Gegenteil bekundende Ansicht des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, das die von ihm mitgeteilten Gründungszahlen aus den Jahren 1956/57 als einen Beweis dafür ansieht, "dass die tatsächlichen ökonomischen Möglichkeiten für eine Neuerrichtung von den Bewerbern im allgemeinen richtig beurteilt werden". Es ist nicht einzusehen, warum dieses richtige wirtschaftliche Urteil zwar bei dem bisherigen Zulassungssystem den Entschluss zur Antragstellung, nicht aber bei freier Niederlassung den Entschluss zur Neuerrichtung einer Apotheke bestimmen sollte.
Es kommt hinzu, dass - abgesehen von der Gestaltung der jeweiligen konkreten örtlichen und persönlichen Verhältnisse einige allgemeine Umstände eine "uferlose" Vermehrung der Apotheken auch bei Gründungsfreiheit nicht als wahrscheinlich erscheinen lassen:
a) Wenn man in der starken Zunahme der Zahl der Apotheken seit 1948 u. a. eine Folge der raschen Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft im ganzen sieht, so muss, wenn das stürmische Anfangstempo dieser Entwicklung abklingt, bei wirtschaftlich vernünftiger Denkweise der Berufsangehörigen die Zahl der Gründungen zurückgehen. Die allgemeine Hochkonjunktur, die sich in der - noch immer anhaltenden (vgl. etwa PharmZtg. 1958, 285, 308, 409) - Steigerung der Umsatzwerte der Apotheken spiegelt, konnte bisher zu einer optimistischeren Beurteilung der Aussichten einer Neugründung führen. Es kann nicht angenommen werden, dass Anzeichen für ein Nachlassen der Konjunkturwelle von den Apothekern übersehen werden, da auch die Fachorgane laufend darüber berichten.
b) Die Gründung einer Apotheke erfordert hohe Investitionen. Der Investitionsbedarf für die Einrichtung einer neuen Apotheke wird von den Sachverständigen auf mindestens 50 000 DM (nach Ansicht des hier besonders sachkundigen Sachverständigen Lauer sogar auf 72 000 - 75 000 DM) veranschlagt. Die Vorschriften über die Ausstattung der Apotheken mit Einrichtung und Geräten können nicht umgangen werden, weil die Verwaltungsbehörde die Apotheke "abnehmen" muss, bevor der Betrieb eröffnet werden darf (Art. 12 Abs. 2 ApothekenG). Die Sachverständigen haben weiter ausgeführt, dass eine neue Apotheke erst bei einem voraussichtlichen Umsatz von 15.0000 - 20.0000 DM "gründungsfähig" sei; nach Sättigung des Nachholbedarfs wird aber ein Umsatz in dieser Höhe wohl nur noch ausnahmsweise als gesichert angesehen werden können. Daraus ergibt sich, welch hohes Risiko bei Neuerrichtung einer Apotheke eingegangen wird. Viele Apotheker werden erwägen, ob ihm nicht eine gut bezahlte Angestelltenstellung vorzuziehen ist.
c) Die Nachwuchslage des Berufs setzt der Zahl der Apothekengründungen natürliche Grenzen. Im Beruf des Apothekers gibt es keine "Außenseiter"; andererseits qualifiziert die Ausbildung als Apotheker nicht für einen anderen Beruf als den des Apothekenleiters, Mitarbeiters in der Apotheke oder Industrieapothekers. So lässt sich die zahlenmäßige Entwicklung verhältnismäßig gut übersehen. Zur Zeit besteht nach übereinstimmendem Urteil der Sachverständigen Nachwuchsmangel, vor allem Mangel an approbierten Apothekern, so dass es schwierig ist -selbst bei übertariflicher Bezahlung-, die benötigte Zahl von Mitarbeitern zu finden oder etwa bei plötzlichen Todesfällen die vorläufige Weiterführung eines Betriebs zu sichern. Auch wird darauf hingewiesen, dass der Anteil der weiblichen Studierenden überwiegt und noch weiter steigt; von ihnen gelangt erfahrungsgemäß ein weit kleinerer Teil zum selbständigen Apothekenbesitz als von den männlichen Studierenden. Die etwa 1000 approbierten Apotheker, die zur Zeit jährlich in den Beruf treten, könnten zwar den natürlichen Nachwuchsbedarf decken; da aber die pharmazeutische Industrie und der öffentliche Dienst einen Teil von ihnen aufnehmen und von den weiblichen Approbierten ein großer Teil durch Heirat wieder ausscheidet, wird im ganzen mit einer Verschlechterung der Nachwuchslage gerechnet (vgl. die Angaben von Drost auf dem Deutschen Apothekertag in Bad Wiessee 1957, Beil. zur PharmZtg. 1958, 33 f.).
Bei dieser Sachlage ist für eine übersehbare Zukunft nicht anzunehmen, dass ein nennenswerter Teil des Nachwuchses im Beruf nicht aufgenommen werden kann und dass von diesen "überschüssigen" Kräften in größerem Umfang eine Tendenz zu wirtschaftlich unvernünftigen Gründungen ausgehen wird. Auf längere Sicht aber werden für die Entwicklung der Nachwuchslage auch die rechtliche Ordnung des Niederlassungswesens und die sich hiernach ergebenden Berufsaussichten von Bedeutung sein. Nichts spricht dafür, dass sich auf die Dauer der Nachwuchs nicht dem tatsächlichen Bedarf anpassen wird, wie es auch in der Schweiz der Fall ist.
2. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei freier Niederlassung mehr Apotheken in den größeren Städten als auf dem Land und in Kleinstädten entstehen werden. Auch das ist eine natürliche und zunächst nicht bedenkliche Erscheinung; sie hat naheliegende Gründe. In den größeren Städten bestehen noch immer zahlreiche große Apotheken mit überdurchschnittlichem Umsatz, so dass die Chance einer neuen Apotheke, einen Teil dieses Umsatzes an sich zu ziehen, noch verhältnismäßig groß ist oder doch so erscheint; die sesshafte Bevölkerung wächst in den Städten rascher als auf dem Lande, dazu tritt die infolge der Motorisierung sich ständig steigernde Fluktuation durch den Pendlerverkehr der Berufstätigen und den Reiseverkehr. Diese Umstände haben dazu geführt, dass auch seit Inkrafttreten des bayerischen Apothekengesetzes weit mehr Betriebserlaubnisse für große Städte als für ländliche Gebiete erteilt worden sind; nach Angabe des Sachverständigen Dr. Weidenbach entfielen z. B. von 40 in einem bestimmten Zeitraum in Oberbayern erteilten Erlaubnissen allein 25 auf München, von den übrigen noch ein Teil auf Städte mit starkem Bevölkerungszuwachs. Das zeigt, dass der "Trend nach der Stadt" auch nach dem Urteil der Behörden als solcher unbedenklich ist, bisher jedenfalls kein unerträgliches Maß angenommen und sicherlich die Volksgesundheit im ganzen nicht geschädigt hat. Ohne weiteres rechtfertigt er sich dort, wo er einer entsprechenden Bewegung der Bevölkerung folgt; hier ermöglicht die Niederlassungsfreiheit sogar eine raschere Anpassung an den Wechsel der Bevölkerungsdichte als ein System, das die Verlegung der Apotheke vom Ermessen der Verwaltungsbehörde abhängig macht.
Es ist nicht anzunehmen, dass bei Erreichung einer gewissen Sättigung in den Städten planlos weitere Neugründungen vorgenommen werden. Wirtschaftliche Erwägungen der oben dargestellten Art werden dem entgegenwirken und die Bewerber veranlassen, sich weniger versorgten Gebieten zuzuwenden- namentlich wird dann kaum ein Apotheker eine einigermaßen gesicherte Existenz auf dem Lande (unter Preisgabe des Geschäftswerts) aufgeben, um seine Apotheke in die Stadt zu verlegen. Beobachtungen hinsichtlich einer Verlangsamung des Drangs nach der Stadt sind übrigens bereits gemacht worden.
Auch in der Schweiz ist eine Häufung der Apotheken in den Zentren der großen Städte festzustellen. Nach dem Urteil der beiden Sachverständigen bestehen jedoch auch in den Vorstädten genügend Apotheken; ebenso ist die Versorgung der Bevölkerung auf dem Lande gesichert, vielleicht mit Ausnahme der entlegenen und dünn besiedelten Gebirgstäler, wofür sich in Deutschland Parallelen kaum finden.
Ernsthafte Anzeichen einer Störung der geordneten Arzneiversorgung durch Zusammenballung der Apotheken an größeren Orten hat das Bundesverfassungsgericht nicht erblicken können, zumal die geringere Dichte des Apothekennetzes auf dem Lande durch die sich ständig verbessernden Verkehrsverhältnisse weithin ausgeglichen wird. Wer bereits in der nicht völlig gleichmäßigen Verteilung der Apotheken über das Staatsgebiet eine Gefährdung der ordnungsmäßigen Versorgung sehen wollte, könnte auch die Regelung des bayerischen Apothekengesetzes nicht als ausreichend anerkennen; er müsste folgerichtig die Rückkehr zum System der Personalkonzession fordern, bei dem die Behörde von sich aus bestimmt, wo neue Apotheken errichtet werden sollen.
3. Wenn die Gefahr einer "hemmungslosen" Vermehrung der Apotheken - sei es auch nur an einzelnen Orten - für eine absehbare Zukunft nicht besteht, verlieren die an einen solchen Zustand anknüpfenden Befürchtungen ihre Bedeutung. Fraglich könnte nur sein, ob eine mit der Freigabe der Niederlassung verbundene größere Vermehrung der Apotheken bereits eine generelle Gefahrenlage schafft, die bei Aufrechterhaltung der jetzigen Regelung nicht eintreten würde, obwohl auch diese nach den bisherigen Erfahrungen zu einer nicht unerheblichen Vermehrung der Apotheken geführt hat und weiter führen würde. Nach der Überzeugung des Gerichts werden die hier vermuteten Gefahren überschätzt.
a) Es wird behauptet, die Leistungsfähigkeit vieler Apotheken werde bei "ungeregelter" Vermehrung so abnehmen, dass die gesetzlichen Verpflichtungen nicht erfüllt werden könnten. Es haben sich aber keine objektiven Kriterien dafür finden lassen, wann diese Gefahrengrenze erreicht sein soll, ganz abgesehen davon, dass "die gesetzlichen Verpflichtungen" des Apothekers keine feste, auch für die Zukunft unabänderliche Größe darstellen, wie noch in anderem Zusammenhang zu zeigen ist. Sowohl eine Mindesteinwohnerzahl des "Einzugsgebietes" wie eine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelte durchschnittliche "Rentabilitätsschwelle" erweisen sich hier als ungeeignet. Die Mindesteinwohnerzahl ist schon deshalb ein unsicherer Maßstab, weil die Bevölkerung vielerorts, besonders in der Nähe größerer Städte und Industriezentren, stark fluktuiert und von einem festen "Einzugsgebiet" einer Apotheke im früheren Sinne kaum noch die Rede sein kann. Der Sachverständige Pharmazierat Dr. Weidenbach hat denn auch bekundet, dass die in Bayern zugrunde gelegte Messzahl von 7-8000 Einwohnern eine erhebliche Sicherheitsspanne enthält, was indirekt dadurch bestätigt wird, dass in anderen Ländern mit viel geringeren Mindesteinwohnerzahlen gerechnet wird (in Frankreich z. B. mit 2-3000 Einwohnern, je nach Größe der Gemeinde).
Allgemeine betriebswirtschaftliche Rentabilitätsberechnungen, wie sie dem Gericht in diesem Zusammenhang vorgetragen worden sind, können naturgemäß nur zu durchschnittlichen Aussagen kommen. Der Status der einzelnen Apotheke hängt stets von einer Reihe besonderer Umstände ab, die sich zum Teil zahlenmäßiger Bewertung überhaupt entziehen (persönliche Eigenschaften, familiäre und besondere wirtschaftliche Verhältnisse des Apothekers, Anteil des Krankenkassenumsatzes, Möglichkeit der Ausdehnung des Betriebs auf "betriebsübliche" Waren u. dgl.). So kann man nicht eine bestimmte Umsatzhöhe als Gefahrengrenze in dem Sinn ansehen, dass eine diesen Umsatz nicht erreichende Apotheke nicht mehr in der Lage sei, ihre gesetzlichen Pflichten zu erfüllen; die Praxis zeigt, dass eine beträchtliche Zahl von Apotheken, die (z. T. erheblich) unter dieser Umsatzgrenze bleiben, noch bestehen und ihren Verpflichtungen gerecht werden können.
Selbstverständlich gibt es für die einzelne Apotheke eine untere Grenze, bei deren Unterschreitung sie objektiv schlechterdings nicht mehr in der Lage wäre, die Vorschriften für einen ordnungsmäßigen Apothekenbetrieb zu erfüllen. dass Apotheken, die nicht einmal diese Umsatzgrenze erreichen, gegründet oder weitergeführt werden, ist aber allgemein nicht zu erwarten. Vereinzelt mögliche, wirtschaftlich ganz unvernünftige Entschlüsse von Apothekern darf der Gesetzgeber nicht zur Grundlage einer generellen Zulassungsbeschränkung machen. Für die Regel wird gelten, dass der Apotheker bei seinen wirtschaftlichen Überlegungen die Faktoren des Einzelfalles genügend berücksichtigt und dass es deshalb generell nur zu Gründungen kommen wird, deren Umsätze eindeutig über jener "absoluten Gefahrengrenze" liegen.
Schließlich lässt sich auch nicht allgemein sagen, dass dem allein arbeitenden Apotheker die gewissenhafte Wahrnehmung seiner gesetzlichen Verpflichtungen objektiv nicht möglich sei. Dem widerspricht schon die außerordentlich große Zahl der "Einmann-Betriebe" (fast 50 % nach den Angaben von Drost a.a.O. S. 34, in Bayern nach der Schätzung des Sachverständigen Prof. Dr. Schlemmer mindestens ein Drittel), von denen die weitaus meisten zu Beanstandungen keinen Anlass gegeben haben.
Einmann-Apotheken hat es immer in großer Zahl gegeben, namentlich auch bei dem System der Personalkonzession (im Jahre 1936 in Bayern 373 bei insgesamt 831 Apotheken). Auch das bayerische Apothekengesetz müsste zu ihrer Vermehrung führen, wenn, wie es nach der Darstellung des Staatsministeriums des Innern der jetzigen Praxis entspricht, so lange neue Apotheken zugelassen werden, als die neue und die vorhandenen benachbarten Apotheken gerade noch imstande sind, eine ordnungsmäßige Arzneiversorgung durchzuführen. In der Existenz von Einmann-Apotheken als solchen ist also bisher niemals eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung erblickt worden; man hat es im Gegenteil als Vorzug der Systeme der Personalkonzession und der gelenkten Niederlassungsfreiheit gerühmt, dass es hier möglich sei, im Interesse der Arzneimittelversorgung auf die Eröffnung von Apotheken auch in solchen ländlichen Gegenden hinzuwirken, in denen nach Lage der Verhältnisse nur Einmann-Apotheken in Betracht kommen. Das zeigt gerade auch die Anwendung des bayerischen Apothekengesetzes gegenüber dem Beschwerdeführer, dem von der Verwaltungsbehörde "im Interesse einer geordneten Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln" die Übernahme einer Landapotheke mit etwa 55 000 DM Umsatz angeboten wurde.
Sofern im übrigen an einem Orte mehrere Einmann-Apotheken nebeneinander bestehen, entfallen ohnehin die meisten gegen die Einmann-Apotheken erhobenen Bedenken. Denn hier kann auch die Einmann-Apotheke in den Genuss des turnusmäßigen Ausgleichs mit den anderen Apotheken kommen, der dem Apotheker die erforderliche Freizeit und den notwendigen Urlaub - durch vorübergehende Schließung oder Vertretung - ermöglicht.
Gefahren aus der befürchteten allzu starken Zunahme von Einmann-Apotheken könnten sich also wohl nur in zwei Richtungen ergeben:
Zunächst könnte die Niederlassungsfreiheit zur Eröffnung von Einmann-Apotheken auch an solchen Orten verleiten, wo schon bisher eine Einmann-Apotheke unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder mit einer gerade noch ausreichenden Existenzgrundlage besteht. Hier werden sich aber die oben behandelten wirtschaftlichen Überlegungen noch stärker geltend machen, weil - wie alle Sachverständigen übereinstimmend bekundet haben die Neigung, Apotheken auf dem Lande oder in Kleinstädten zu gründen, ohnehin gering ist und deshalb um so geringer sein wird, je zweifelhafter die Chancen der Gründung sind.
Eine andere Gefahr könnte sich dort ergeben, wo neue Apotheken bestehende größere Apotheken zu Einmann-Apotheken herabdrücken würden. Diese Entwicklung wird aber auch, wie schon gesagt, durch Art. 3 ApothekenG nicht ausgeschlossen.
Legt man nämlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes dahin aus, dass die wirtschaftliche Grundlage der benachbarten Apotheken nur dann als beeinträchtigt anzusehen sei, wenn sie unter den normalen Standard einer Einmann-Apotheke herabgedrückt würden, dann würde man dem Gesetz geradezu unterstellen, es nehme in Kauf, dass in Zukunft nur noch Einmann-Apotheken bestehen sollen.
So wird aber doch wohl das Gesetz nicht auszulegen sein. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Zulassungsbehörden sich weitgehend auf Richtzahlen stützen, die - wie bereits erwähnt einen besonderen Sicherheitsfaktor enthalten, so dass sich, wenn auf dieser Grundlage zugelassen wird, je nach örtlicher Lage und persönlicher Tüchtigkeit des Apothekers, verschieden große Apotheken nebeneinander halten können. Auch wird sich wohl sagen lassen, dass die wirtschaftliche Grundlage einer bestehenden Großapotheke im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. b schon dann beeinträchtigt sein kann, wenn - ohne Möglichkeit einer entsprechenden Senkung der allgemeinen Unkosten - der Umsatz durch Neueröffnungen wesentlich vermindert wird, ohne dass er auch nur annähernd auf den Stand des für eine Einmann-Apotheke üblichen Umsatzes herabgedrückt sein müsste.
Aber selbst wenn Art. 3 Abs. 1 Buchst. b ApothekenG den Existenzschutz der vorhandenen Apotheken nicht nur auf dem Niveau der Einmann-Apotheke gewährleisten will, so bleibt es doch möglich, dass neue Apotheken dort zugelassen werden, wo sie zwangsläufig bestehenden großen Apotheken Konkurrenz machen, so dass mit der Zeit an Stelle einer oder weniger größerer Apotheken mehrere Einmann-Apotheken entstehen können.
In keinem Falle können also vom Standpunkt des bayerischen Gesetzes aus die Einmann-Apotheken schlechthin zu verwerfen sein.
Es ist dabei auch nicht zu übersehen, dass die moderne Entwicklung dem allein arbeitenden Apotheker die Erfüllung seiner Berufspflichten erleichtert hat: Der Rückgang der Rezeptur zugunsten der Abgabe fertig verpackter Arzneimittelerzeugnisse der Industrie (nach Aussage der Sachverständigen macht die Rezeptur durchschnittlich nur noch etwa 10% des Umsatzes aus, gelegentlich wird bereits von einem "fast völligen Verschwinden der Rezeptur" gesprochen - so Kranzfelder auf dem Deutschen Apothekertag 1957 in Bad Wiessee, a.a.O. S. 37) bedeutet für den Apotheker eine erhebliche Zeitersparnis. Seine Verpflichtung zur Prüfung der von ihm abgegebenen Arzneimittel auf ihre einwandfreie Beschaffenheit spielt deshalb, wie alle Sachverständigen bekundet haben, in der Praxis keine große Rolle mehr. Die leichte Erreichbarkeit anderer Apotheken und der Verteilungsstellen des Großhandels durch die modernen Verkehrsmittel ermöglicht auch dem Inhaber eines kleineren Betriebs eine einfachere und rationellere Lagerhaltung; nach den bayerischen Vorschriften ist denn auch nicht mehr eine bestimmte "series medicaminum" vorgeschrieben, der Apotheker hat lediglich die zur Gewährleistung einer geordneten Arzneiversorgung erforderlichen Arzneimittel in entsprechender Menge vorrätig zu halten.
b) Das Bundesverfassungsgericht ist nicht davon überzeugt, dass die Niederlassungsfreiheit die Berufsmoral der Apotheker allgemein so gefährden werde, wie das von der Verwaltung befürchtet wird. Verschärfter Konkurrenzkampf mag eine gewisse Versuchung mit sich bringen, Vorschriften zu umgehen, die sich auf den Umsatz hemmend auswirken. Dadurch wird aber der Staat, wenn er einem Beruf im öffentlichen Interesse kostenverursachende Auflagen macht, nicht "Schuldner" des Berufsstandes in dem Sinne, dass er den Berufsangehörigen ein Mindesteinkommen gewährleisten müsse. Auflagen solcher Art gibt es bei vielen Berufen; sie müssen von jedem, der den Beruf ergreift, in die allgemeine wirtschaftliche Kalkulation seiner Berufschancen mit einbezogen werden.
Im Apothekerberuf sind zudem gegenüber der Versuchung zur Vernachlässigung der Berufspflichten bedeutsame Gegenkräfte wirksam, vor allem die traditionell hohe, durch die sorgfältige Ausbildung gepflegte und dem Nachwuchs vermittelte Berufsmoral des Standes, auf der sein soziales Ansehen beruht. Sie wird lebendig gehalten und wirksam geschützt durch die Standesgerichtsbarkeit, die nach längerer Unterbrechung auch in Bayern wieder neu eingerichtet worden ist. Selbst in der Zeit, in der sie nicht bestand, insbesondere während der Periode der Niederlassungsfreiheit, sind in Bayern Klagen über ein irgendwie gefährliches Sinken der Berufsmoral im ganzen nicht laut geworden. Verstöße gegen die Berufspflichten sind wohl vorgekommen. Doch gibt es sie in allen Berufen, und es ist nichts dafür dargetan, dass sie im Apothekerberuf besonders häufig gewesen seien oder gar ein die Volksgesundheit gefährdendes Ausmaß angenommen hätten. Der Sachverständige Prof. Dr. Schlemmer hat sich zusammenfassend dahin geäußert, dass im gegenwärtigen Zeitpunkt besondere Mängel noch nicht feststellbar seien, der Sachverständige Ministerialrat Dr. Danner hat darüber hinaus bekundet, dass selbst bei den konkursreifen Apotheken Wahrnehmungen über die Zunahme von Verstößen nicht gemacht worden seien.
Das gleiche Bild zeigt sich übrigens auch in der Schweiz, obwohl dort eine Berufsgerichtsbarkeit in strengem Sinne fehlt.
Soweit der Gesetzgeber Befürchtungen in dieser Richtung als Motiv für die Beschränkung des Zugangs zum Beruf anführt, kann er nicht überzeugen.
aa) Die gleiche Gefahr des Sinkens der Berufsmoral würde bei anderen freien Berufen bestehen. Trotzdem wird dort keinerlei Niederlassungsbeschränkung für erforderlich gehalten, vor allem nicht bei den Ärzten, obwohl die nicht zur Kassenpraxis zugelassenen Berufsangehörigen auf die Behandlung des verhältnismäßig kleinen nicht versicherten Teils der Bevölkerung beschränkt sind. Die Versuche, zwischen Ärzten und Apothekern in diesem Punkt relevante Unterschiede aufzuzeigen, leuchten nicht ein: Dem Gesichtspunkt, dass der Apotheker zum Schutz der hohen in seinem Betrieb investierten sachlichen Vermögenswerte sich schwerer entschließen werde, einen unrentablen Betrieb aufzugeben, vielmehr eher versuchen werde, ihn mit unlauteren Praktiken weiterzuführen als der im wesentlichen mit dem Einsatz seiner persönlichen Fähigkeiten arbeitende und daher wirtschaftlich beweglichere Arzt, mag nicht jede Berechtigung fehlen; doch bleibt bestehen, dass auch für den Arzt, besonders den älteren Arzt, die Aufgabe der Praxis und die Rückkehr in ein Abhängigkeitsverhältnis (soweit sie überhaupt ausführbar ist) kein leichter Entschluss ist, dem er zunächst durch Steigerung seiner Einkünfte auch mit unrechten Mitteln zu entgehen versucht sein könnte. Andererseits können von einem seine Standespflichten verletzenden Arzt sehr viel größere, jedenfalls unmittelbarere Gefahren für die Volksgesundheit ausgehen als vom Apotheker; schließlich ist die abschreckende und erzieherische Wirkung der Standesgerichtsbarkeit und der allgemeinen Straf- und Haftungsgesetze für beide Berufe im wesentlichen die gleiche.
bb) Verstöße gegen Berufspflichten sind durchaus nicht immer die Folge wirtschaftlicher Notlage; häufig werden sie von Berufsangehörigen in gesicherter Position aus Gewinnsucht begangen. Fälle dieser Art müssen zu individueller Ahndung, u. U. zum Ausschluss des Schuldigen aus dem Beruf, führen; sie können nicht als Begründung dafür verwendet werden, moralisch einwandfreien Bewerbern den Zugang zum Beruf zu verschließen.
cc) Wenn der Gesetzgeber wirklich befürchtete, beim Sinken des Umsatzes einer Apotheke unter ein gewisses, der Erfahrung entnommenes Maß drohe die Gefahr, dass der Apotheker seine Berufspflichten verletze, müsste er konsequenterweise auch die bestehenden Apotheken laufend in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung überwachen und namentlich vor jeder Neuerteilung einer Betriebserlaubnis bei Erbgang und Veräußerung prüfen, ob der hiernach zu fordernde Mindestumsatz noch gesichert und ob der Erwerber selbst finanziell leistungsfähig ist. Eine solche Prüfung tritt jedoch nur bei Neuerrichtungen ein und hier sogar auf der viel unsichereren Grundlage einer bloßen Schätzung des voraussichtlichen Umsatzes. Deshalb konnte es der Beschwerdeführer mit Grund als ungereimt empfinden, dass ihm die Errichtung einer Apotheke in dem von ihm gewählten Ort versagt wurde, während ihm die Verwaltung die Übernahme einer bestehenden Apotheke antrug, die einen geringeren Umsatz aufzuweisen hatte, als die vom Beschwerdeführer geplante Apotheke voraussichtlich erzielt hätte, jedenfalls aber einen Umsatz, der weit unter der von der Verwaltung angenommenen "Gefahrengrenze" lag.
4. Die Gefahr, dass die bei Niederlassungsfreiheit zu erwartende Vermehrung der Apotheken zu einem Überangebot an Arzneimitteln führen werde, das die Volksgesundheit schädige, ist nicht mit Tatsachen belegt worden. Der Verbrauch an Arzneimitteln hat nach dem Kriege überall zugenommen. Die Sachverständigen führen das auf die Veränderung der allgemeinen Lebensgewohnheiten, die Hebung des Lebensstandards breiter Schichten, wohl auch auf gewisse Wandlungen der ärztlichen Therapie im Zusammenhang mit dem überaus großen Angebot von Heilmitteln durch die pharmazeutische Industrie zurück. Trotzdem gibt es in Deutschland keine "Tablettensucht" in gefährlichem Ausmaß. Für die Schweiz, wo man Anzeichen für einen übermäßigen Verbrauch von Arzneimitteln feststellen zu können glaubt, hat der Sachverständige Dr. Sauter ausdrücklich bekundet, dass diese Erscheinung ihre Ursache nicht in der Niederlassungsfreiheit der Apotheker habe. Wenn er weiter annimmt, dass sie immerhin durch die zu große Zahl der Verkaufsstellen (Apotheken, Drogerien und gewisse andere Geschäfte) gefördert werde, so müsste es näherliegen, die Zahl der anderen Verkaufsstellen zu beschränken als die der Apotheken, denen das natürliche Monopol für die Abgabe von Arzneimitteln zukommt (vgl. dazu den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21. März 1958 - II StR 393/57 - PharmZtg. 1958, 509).
VI.
Die vom Gesetzgeber bei Niederlassungsfreiheit der Apotheker befürchteten Gefahren haben, wie die vorstehenden Ausführungen ergeben, nicht so wahrscheinlich gemacht werden können, dass darauf - unter Beibehaltung des geltenden Apotheken- und Arzneimittelrechts im übrigen - die schärfste Einschränkung der freien Berufswahl, nämlich die Absperrung voll qualifizierter Bewerber von der selbständigen Ausübung des Apothekerberufs, gestützt werden könnte. Dieses Ergebnis wird mittelbar dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber Gefahren, die nach seiner Annahme eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit der Apotheker erforderlich machen, dort nicht wirksam bekämpft, wo sie tatsächlich greifbar sind, obwohl er dies mit Regelungen tun könnte, die sich noch auf den Stufen der reinen Berufsausübung und der Bestimmung subjektiver Voraussetzungen der Berufszulassung für die auf dem Gebiete der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung tätigen Berufe hielten, ohne in den engsten Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG einzugreifen.
1. Die Gefahren, die mit der unrechtmäßigen oder unvorschriftsmäßigen Arzneimittelabgabe, mit dem Verkauf unzulänglicher oder schädlicher Arzneimittel und mit dem Arzneimittelmissbrauch zusammenhängen, dürften nicht erst bei der Apotheke bekämpft werden; denn sie ist bei den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen weder die eigentliche noch auch nur die wesentliche Quelle dieser Gefahren.
a) Nach der historischen Entwicklung lag - wie schon unter III 1 bemerkt - der Schwerpunkt der Apothekertätigkeit zunächst in der Heilmittelherstellung, während die Arzneimittelabgabe als Folge- oder Nebentätigkeit erschien.
Die wirtschaftliche Entwicklung, die sich an umwälzende Entdeckungen auf nahezu allen Gebieten der Naturwissenschaft anschloss, hat - gerade auch unter der Mitwirkung wissenschaftlich hervorragender Apotheker - im 19. Jahrhundert bedeutende industrielle pharmazeutische Unternehmungen entstehen lassen (vgl. Kalthoff "Der Apotheker in der pharmazeutischen Industrie" in "Die Pharmazeutische Industrie" 1953, Nr. 2 S. 43 ff.). In dem heute erreichten Stadium hat das zu einer Strukturwandlung der Apotheke geführt: Die Arzneimittelherstellung ist bis auf einen geringfügigen Rest von der Apotheke in die Industrie verlagert worden. Damit haben sich auch die mit ihr verbundenen Gefahren, die von altersher die Sonderstellung der Apotheken begründet hatten, verlagert und zugleich in ihrem Umfang wesentlich erhöht. Gleichwohl fehlt eine gesetzliche Regelung, welche die der Volksgesundheit von daher drohenden Gefahren wirksam bekämpfen würde. Der pharmazeutische Betrieb nimmt gegenüber allen sonstigen Gewerbebetrieben keine Sonderstellung ein. Er ist "ein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeitendes Unternehmen, das den allgemein gültigen betriebswirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegt" und das "die hohen finanziellen Anforderungen für Herstellung, Vertrieb und die besonderen Aufwand erfordernde Forschung" nur durch Sicherstellung seiner wirtschaftlichen Rentabilität zu erfüllen sucht (Laar in "Die Pharmazeutische Industrie" 1954, Nr. 2 S. 37 ff. [39])
Es mag richtig sein, dass eine "hochstehende" pharmazeutische Industrie keine oder nur geringfügige und daher vom Gesetzgeber nicht zu beachtende Gefahren für die Volksgesundheit mit sich bringt (Laar a.a.O.). Das trifft aber auch für einen "hochstehenden" Apothekerstand zu. Es kommt jedoch gerade darauf an, den Gefahren zu begegnen, die sich aus dem Eindringen persönlich unzuverlässiger und sachlich ungeeigneter Unternehmer ergeben können, die in dem Bestreben, um jeden Preis die Rentabilität des Betriebes zu sichern, Arzneimittel lediglich als industrielle Ware ansehen und den Gesichtspunkt der Volksgesundheit außer acht lassen. Der Bundesminister des Innern hat bei der Beantwortung einer Kleinen Anfrage im Bundestag am 30. Januar 1951 auf solche Gefahren hingewiesen: Die deutsche pharmazeutische Industrie, die 80 % aller in Apotheken abgegebenen Arzneimittel herstelle, stehe zwar auf einem hohen Niveau; neben den bedeutenden Firmen seien jedoch "auf diesem Gebiete auch kleinere und kleinste Betriebe vorhanden, deren Produkte der Überwachung in hygienischer und fachlicher Hinsicht" bedürften (BT I/1949 Drucks. Nr. 1866). Für eine solche Überwachung fehlt aber die gesetzliche Regelung. Die Berufsaufnahme in der Arzneimittelindustrie ist weder von einer Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit und Sachkunde des Unternehmers oder des Betriebsleiters noch vom Vorhandensein geeigneter Betriebsstätten abhängig - Voraussetzungen, die für die im Umfang verhältnismäßig sehr viel geringere Arzneimittelherstellung in den Apotheken stets aus Gründen des Gesundheitsschutzes für erforderlich gehalten wurden.
Liegt darin bereits eine potentielle Gefahr für die Volksgesundheit, so wird sie noch dadurch verstärkt, dass es gegenwärtig auch an wirksamen Überprüfungsmöglichkeiten für die in den Verkehr gebrachten Arzneimittel fehlt. Die - aus kriegswirtschaftlichen Gründen erlassene - Verordnung über die Herstellung von Arzneifertigwaren vom 11. Februar 1943 (RGBl. I S. 99), die mit sofortiger Wirkung die Herstellung neuer Arzneifertigwaren (Spezialitäten) verbietet und in § 4 den Reichsminister des Innern ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister "Ausnahmen von dem Verbot" zuzulassen, ist in ihrer Rechtsgültigkeit bestritten und wird daher in der Praxis nicht mehr ernsthaft angewandt, wie die Sachverständigen Ministerialrat Dr. Danner und Prof. Dr. Schlemmer bestätigt haben. Die "Vorläufige Begründung" des Bundesministers des Innern zu dem Entwurf eines Arzneimittelgesetzes vom 12. Mai 1956 beschränkt sich auf den Hinweis (S. 3), dass die Verordnung keine Bestimmung darüber enthalte, "unter welchen Voraussetzungen eine solche Ausnahmegenehmigung zu erteilen oder zu versagen" sei.
Auch an einer Deklarationspflicht des Herstellers für seine Arzneimittel fehlt es, was der Sachverständige Prof. Dr. Schlemmer als einen der größten Mängel der Arzneimittelgesetzgebung bezeichnet hat (vgl. auch Blanke auf dem Deutschen Apothekertag 1957 in Bad Wiessee, a.a.O. S. 20; "Die Pharmazeutische Industrie" 1954, Nr. 2 S. 42, und Urdang-Dieckmann a.a.O. S. 93); die Prüfung zahlreicher Arzneimittel in der Apotheke ist damit praktisch ausgeschlossen. Endlich sind die Vorschriften des Deutschen Arzneibuches, welche die einwandfreie Beschaffenheit und Güte der dort aufgeführten Stoffe gewährleisten sollen, für industriell hergestellte Arzneimittel einschließlich der Spezialitäten nicht verbindlich ("Vorläufige Begründung" S. 13).
Gesetzliche Schutzmaßnahmen an dieser durch die Verlagerung der Arzneimittelherstellung entstandenen neuen Gefahrenquelle könnten getroffen werden, ohne dass die Freiheit der Berufswahl bei den einschlägigen Berufen beeinträchtigt würde.
b) Es ist bereits dargelegt worden, dass - auch nach dem Urteil der Sachverständigen - die Ursachen des erhöhten Arzneimittelverbrauchs vorwiegend in den veränderten Lebensverhältnissen und Lebensgewohnheiten zu suchen sind, so in den durch Krieg, Unterernährung und Wohnungsnot hervorgerufenen körperlichen und seelischen Schädigungen, in der körperlichen und seelischen Abnutzung durch ein gesteigertes Arbeitstempo, in gewissen Wandlungen der Medizin selbst, endlich auch in der erweiterten sozialen Gesundheitsvorsorge durch das Krankenkassenwesen. Wenn man aber fürchtet, neben diesen Ursachen könne auch die Zunahme von Verkaufsstellen für Arzneimittel die "Tablettensucht" fördern, darf nicht übersehen werden, dass der Verkauf solcher Mittel nicht auf Apotheken beschränkt ist. Abgesehen von den Sondervorschriften des Opiumgesetzes vom 10. Dezember 1929 - RGBl. I S. 215 - und von der Regelung des Verkehrs mit rezeptpflichtigen (Verordnung vom 13. März 1941 -RGBl. I S. 136 -) und mit apothekenpflichtigen Waren (Verordnung vom 22. Oktober 1901 - RGBl. S. 380 -), dürfen Arzneimittel auch außerhalb der Apotheken feilgehalten werden. Das geschieht auch in erheblichem Umfang, wie der Sachverständige Prof. Dr. Schlemmer bekundet hat (vgl. auch Kranzfelder auf dem Deutschen Apothekertag 1957 in Bad Wiessee, a.a.O. S. 37 f.). Nach Erhebungen des deutschen Industrie- und Handelstages (PharmZtg. 1958, 170) sieht die Verkehrsauffassung den Verkauf von Arzneimitteln geradezu als wesentlich für den Begriff der Drogerie an; danach muss das Sortiment einer Drogerie "außer Drogen, Heilkräutern, frei verkäuflichen Arzneimitteln, Verbandsmaterial, Chemikalien ... auch hygienische Artikel ... umfassen", ferner (in ländlichen Gegenden) Tierarzneimittel. Auch auf die sogenannten Drogenschränke in Lebensmittelgeschäften, deren Zahl anscheinend seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Berufsausübung im Einzelhandel erheblich zugenommen hat (vgl. PharmZtg. 1958, 214 und 384), ist hier hinzuweisen. Auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 23, 184) sind Arzneimittelhersteller neuerdings dazu übergegangen, mit Stoffen, denen ausgesprochen heilende Fähigkeiten zukommen - sofern nur keine rezeptpflichtige Substanz Anwendung findet -, "Vorbeugungsmittel" herzustellen, die dann als solche in Drogerien und anderen Verkaufsstellen frei verkäuflich sein sollen (vgl. auch den von der Hauptversammlung der Arbeitsgemeinschaft der Berufsvertretungen Deutscher Apotheker (ABDA) auf dem Deutschen Apothekertag 1957 in Bad Wiessee angenommenen Antrag Nr. 2 "Arzneimittelgesetz und Verkehr mit Arzneimitteln", a.a.O. S. 5; ferner Blanke dortselbst S. 22; s. auch PharmZtg. 1958, 234 f.; zum freien Verkauf neuer Vorbeugungsmittel s. Marcetus NJW 1957, 939).
Die erhebliche Unsicherheit über die Abgrenzung der "Apothekenpflichtigkeit" folgt besonders aus den vielen Auslegungszweifeln zur Arzneimittelverordnung vom 22. Oktober 1901. Der Bundesgerichtshof hat in der eben erwähnten Entscheidung darauf hingewiesen, dass diese Zweifel schon seit langer Zeit bestehen, und hinzugefügt (S. 189): "Die unklare, unsystematische und zum Teil terminologisch widerspruchsvolle Regelung der AMVO macht es nach der Überzeugung des Senats unmöglich, aus dem Aufbau der Verordnung Auslegungsgrundsätze für die hier zu entscheidende Frage in dem einen oder anderen Sinne zu gewinnen. Der zum Teil flickwerkartige Charakter der Verordnung ... lässt Schlüsse aus dem System und der Technik kaum zu."
Abgesehen von den Schutzwirkungen des Opiumgesetzes und den - ungenügenden - Sicherungen durch Rezept- und Apothekenpflichtigkeit bestimmter Medikamente können also Arzneimittel, die besonders oft missbraucht werden, durch beliebig zu vermehrende Verkaufsstellen frei veräußert werden, ohne dass in irgendeinem Stadium - bei der Herstellung, der Weitergabe durch den Großhandel oder dem Verkauf durch den Einzelhändler- ein präventiver Gesundheitsschutz gesetzlich gewährleistet wäre. Insbesondere fehlt hier auch die besondere Schutzwirkung, die sich bei einer Beschränkung der Arzneimittelabgabe auf Apotheken bereits daraus ergeben würde, dass sich der Apotheker einer eingehenden und langjährigen praktischen und wissenschaftlichen Ausbildung unterziehen muss, bevor er eine Apotheke eröffnen darf.
Der freie Verkauf von Arzneimitteln durch beliebig vermehrbare Verkaufsstellen außer den Apotheken kann den Verbrauch um so nachhaltiger beeinflussen, als hier in der Regel die Werbung beim Publikum unbeschränkt zulässig ist. Die Polizeiverordnung über die Werbung auf dem Gebiete des Heilmittelwesens vom 29. September 1941 (RGBl. I S. 587) ist in ihrer Rechtsgültigkeit bestritten (BGHSt 5, 12; 8, 360 und BVerwG in VerwRSpr. 7, 349); die hieraus entstandene Rechtsunsicherheit hat den Gesamtvorstand des Bundesverbandes der pharmazeutischen Industrie veranlasst, am 4. März 1953 von sich aus Werberichtlinien für die ihm angeschlossenen Unternehmungen zu erlassen, da "abgesehen von den Zweifeln an der Geltung der Polizeiverordnung ... diese Verordnung nicht geeignet sei, das Entstehen und die Ausbreitung von Fehlern und Missgriffen zu verhindern" ("Die Pharmazeutische Industrie" 1953 Nr. 2 S. 47 bis 49). Auch wenn man von der Gültigkeit der Verordnung ausgeht, bleibt die Werbung in weitem Umfang zulässig. Denn abgesehen von irreführender und bestimmten Formen unzulässiger Werbung gilt die Beschränkung nur für rezeptpflichtige Arzneimittel und einzelne besonders aufgeführte Mittel. Die mit den Werbemöglichkeiten der pharmazeutischen Industrie verbundenen Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung ergeben sich aus einer Darlegung in der Zeitschrift "Die Pharmazeutische Industrie" 1954 Nr. 2 S. 41:
"Was nun das Trommelfeuer von Anpreisungen oder die Sensibilisierung der Bevölkerung anbetrifft, so wendet die pharmazeutische Industrie sich in ihrer Mehrzahl in der Werbung ja nicht an die Öffentlichkeit. Soweit aber eine Laienwerbung betrieben wird, die in erster Linie beim Arzt auf Widerstand stößt, entfällt der größere Teil auf Mittel, die für eine ärztliche Verordnung sowieso nicht in Frage kommen und daher auch als Belastung für die Krankenkassen ausfallen. dass hier manches nicht in Ordnung ist und unter irreführenden Angaben eine Ausnutzung der Unwissenheit beabsichtigt wird, wodurch Schäden an der Gesundheit ausgelöst werden können, kann sicher nicht bestritten werden."
Nach § 56 Abs. 2 Nr. 9 der Reichsgewerbeordnung ist zur Verhinderung von Missbräuchen das Feilbieten von Arzneimitteln im Umherziehen verboten. Zulässig geblieben ist jedoch das Aufsuchen von Bestellungen für Arzneimittel, die dem freien Verkehr überlassen sind. Auch das hat - wie die "Vorläufige Begründung" zum Arzneimittelgesetz (S. 31) bemerkt - zu erheblichen Missständen geführt.
2. Auch im Bereich des Apothekenwesens selbst ließen sich Gefahren, die sich aus der Arzneimittelherstellung und dem Arzneimittelverkehr für die Gesundheit der Bevölkerung möglicherweise ergeben können, durch gesetzliche Regelung der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG weitgehend beseitigen oder vermindern, ohne dass der engste Bereich des Grundrechts der Berufsfreiheit getroffen zu werden brauchte.
a) Hier ist zunächst an die Berufsgerichtsbarkeit zu denken, die in Bayern erst wieder durch das Gesetz vom 15. Juli 1957 (GVBl. S. 162) eingeführt worden ist. Der einheitliche Berufsstand der Apotheker, zu dem auch die Apothekenmitarbeiter und die Industrieapotheker gehören (was mehrere Wahlordnungen zu Apothekerkammern ausdrücklich hervorheben: vgl. etwa § 16 der Dritten Landesverordnung zur Durchführung des Landesgesetzes über die Kammern der Ärzte, Zahnärzte, Dentisten, Apotheker und Tierärzte für Rheinland-Pfalz vom 29. Januar 1954 GVBl. S. 15 -; § 4 Abs. 1 letzter Satz der Wahlordnung zur Bayerischen Apothekerkammer, veröffentlicht im Apothekerjahrbuch 1954 S. 318), kann sich mit ihrer Hilfe gegen unzuverlässige Elemente dadurch sichern, dass er bei schädlichem, hier insbesondere gesundheitsgefährdendem Verhalten in ihre Berufsausübung eingreift, sie gegebenenfalls für berufsunwürdig erklärt. Das würde - anders als die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit - die wirkliche Gefahrenquelle treffen, gleichgültig ob die Gefahr von einem selbständigen oder einem unselbständigen Apotheker ausgeht.
Eine wirksame Berufsgerichtsbarkeit könnte auch standeswidriges Verhalten beim Erwerb bestehender oder bei der Eröffnung neuer Apotheken bekämpfen, etwa den Fall, dass der Apotheker im Zusammenhang mit der Beschaffung seiner finanziellen Mittel Bindungen eingeht, die mit einer einwandfreien Arzneimittelherstellung und einer einwandfreien Arzneimittelabgabe nicht zu vereinbaren sind.
b) Der Gesetzgeber könnte durch eine Regelung der Berufsausübung nicht nur die Leitung, sondern auch den Erwerb und Besitz mehrerer Apotheken durch denselben Apotheker verhindern, sofern der Gesundheitsschutz der Bevölkerung es erfordert, dass der Apotheker selbst seine Apotheke leitet und eine Apotheke grundsätzlich nicht durch zusätzliche Verwaltungs- oder Verpachtungskosten belastet wird. Wenn aus Gründen des Gesundheitsschutzes eine allzu starke Vermehrung der Verkaufsstellen für Arzneimittel hintangehalten werden soll, könnte weiter der Verkauf dieser Mittel durch Regelungsgesetz nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG im wesentlichen ganz den Apotheken vorbehalten werden (vgl. hierzu BGHZ 22, 167 [174-178, 180]); hier würde bereits die intensive Ausbildung, die grundsätzliche Beschränkung auf den Verkauf betriebsüblicher Waren sowie das Verbot, mehrere Betriebe zu führen, einer "uferlosen" Betriebsvermehrung entgegenwirken. Es ist nicht folgerichtig, wenn auf der einen Seite zur Erhaltung der beruflichen Zuverlässigkeit der Apotheker die Zahl der Apotheken beschränkt werden soll, auf der anderen Seite aber Arzneimittel für Mensch und Tier in so großem Umfang außerhalb der Apotheken verkauft werden dürfen, dass die Existenz zahlreicher Apotheken, namentlich auf dem Lande, gefährdet ist (Kranzfelder auf dem Deutschen Apothekertag in Bad Wiessee 1957, a.a.O. S. 38); denn eben aus der Existenzgefährdung der Apotheken soll sich nach Auffassung des Gesetzgebers eine Gefährdung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung und damit der Volksgesundheit ergeben.
c) Die besonderen wirtschaftlichen Belastungen, die einen Existenzschutz der Apotheken erforderlich machen sollen, könnten durch den Gesetzgeber vermindert werden. Allerdings ist mit dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 4, 167 [174 f.]) grundsätzlich zu fordern, dass jeder, der eine Apotheke erwirbt oder neu eröffnet, solche wirtschaftlichen Notwendigkeiten von vornherein einkalkulieren muss. Abgesehen davon aber ist bei den heutigen Verkehrsverhältnissen die Beschaffung fast aller, selbst seltener Arzneimittel, über den Großhandel ohne besondere Schwierigkeiten und ohne wesentlichen Zeitverlust möglich, so dass die Lagerdispositionen elastischer gestaltet werden können. Hier würde überdies - ohne Verstoß gegen das Grundgesetz eine Pflicht des Großhandels begründet werden können, auch am Wochenende und an Feiertagen für besondere Anforderungen der Apotheken zur Verfügung zu stehen.
d) Die Prüfungspflicht des Apothekers könnte entsprechend der gegenwärtigen Entwicklung im Arzneimittelwesen ohne Gefährdung der Bevölkerung eingeschränkt werden. Schon jetzt wird die formell bestehende Pflicht tatsächlich nur mehr in geringem Umfang erfüllt. Kalthoff bemerkt hierzu in der Deutschen Apothekerzeitung 1954 Nr. 23 S. 488:
"Es handelt sich ... um eine Entwicklung, die im Zuge unseres technischen Zeitalters liegt und auch vor der Apotheke nicht halt machen konnte. Dies allein schon aus der dringenden Notwendigkeit heraus, durch eine industrielle Herstellung von Arzneimitteln den erhöhten Bedarf der Bevölkerung, die sich schon seit Jahrzehnten im ständigen Wachsen befindet, überhaupt decken zu können. dass die pharmazeutische Verarbeitung und analytische Prüfung vieler chemisch kompliziert aufgebauter hochwirksamer Arzneistoffe, die im Zusammenhang der modernen pharmazeutischen Forschung entwickelt wurden, technische Voraussetzungen bedingen, die in den Laboratorien der öffentlichen Apotheken nicht gegeben sind und sich auch dort - schon aus rein wirtschaftlichen Gründen - nie realisieren lassen, weiß jeder Apotheker. Bei objektiver Betrachtung wird aber auch jeder Apotheker zugestehen müssen, dass sich diese Entwicklung keinesfalls auf die wirtschaftliche Gestaltung nachteilig ausgewirkt hat."
Bereits nach § 30 a der früheren Preußischen Apothekenbetriebsordnung durften Arzneifertigwaren (Arzneispezialitäten), die auf der äußeren Umhüllung den Aufdruck "Anstaltspackung" trugen, nur in der ungeöffneten Packung abgegeben werden. Die bayerische Apothekenbetriebsordnung hat auf eine derartige Bestimmung verzichtet, doch braucht sich nach ihrem § 18 der Apotheker bei allen Fertigfabrikaten nur stichprobenweise von der Beschaffenheit der Mittel zu überzeugen, "insbesondere davon, dass keine Zersetzung, Verfärbung, Verdunstung oder sonstige Veränderung" eingetreten ist. Auch eine solche stichprobenweise Überprüfung ist aber weder ernsthaft zumutbar noch geeignet, Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung wirksam abzuwehren. Hier könnte nur eine verstärkte Aufsicht bei der Heilmittelherstellung und beim Arzneimittelgroßhandel Abhilfe schaffen, so dass dem Apotheker für Fertigwaren nur noch eine Prüfungspflicht auf Veränderungen während seiner eigenen Vorratshaltung obliegen würde. Eine volle Prüfung durch den Apotheker beim Fehlen jeder Deklarationspflicht muss als unzumutbar angesehen werden.
3. Die Verminderung der wirtschaftlichen und persönlichen Lasten, die sich aus den jetzigen Bestimmungen über Vorratshaltung und Prüfungspflicht für alle Apotheker ergeben, würde sich besonders auf die immer wieder hervorgehobenen Schwierigkeiten der Einmann-Apotheken auf dem Lande und in kleinen Städten auswirken. dass solche Apotheken stets in größerer Zahl bestehen werden, insbesondere auch bei Aufrechterhaltung des Art. 3 ApothekenG, wurde bereits oben (V 3) hervorgehoben, ebenso dass daraus eine ernsthafte Unterversorgung der Bevölkerung heute- schon wegen der gegenwärtigen Verkehrsverhältnisse - nicht zu besorgen ist. Der Gesetzgeber könnte diesen Apothekern aber weitere Erleichterungen - insbesondere in personeller Hinsicht- schaffen. Es kann dahingestellt bleiben, ob den Kandidaten der Pharmazie zur Vervollkommnung ihrer Ausbildung, besonders in wirtschaftlicher Hinsicht, vor Erteilung der Approbation eine zeitweise Tätigkeit in Einmann-Apotheken zugemutet werden darf. Doch könnten wohl erweiterte Vertretungsmöglichkeiten geschaffen werden, um den allein an einem Ort tätigen Apothekern die ihren wirtschaftlichen Verhältnissen angemessenen und im Interesse des Gesundheitsschutzes unerlässlichen Arbeitspausen zu ermöglichen. So würden kaum Bedenken bestehen, wenn, jedenfalls auf dem Lande, vorübergehend und unter Benachrichtigung der in Betracht kommenden Ärzte vorexaminiertes Hilfspersonal bei wirklichem Bedürfnis zur Vertretung auch auf längere Zeit zugelassen würde.
4. Die vorstehenden Hinweise auf mögliche gesetzgeberische Maßnahmen haben nicht den Sinn, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber allgemeine legislative Empfehlungen geben möchte; das ist nicht seine Aufgabe. Nur um seiner Verpflichtung zum möglichst wirksamen Grundrechtsschutz gerecht zu werden, musste das Gericht aussprechen, dass eine Einschränkung des Grundrechts der freien Berufswahl in dem engsten Schutzbereich erst erwogen werden darf, wenn die dadurch abzuwendenden Gefahren nicht schon durch andere, vernünftigerweise in Betracht kommende und nicht oder nicht in gleichem Maße grundrechtsbeschränkende gesetzliche Regelungen verhütet oder vermindert werden können. Dies auszusprechen, erschien um so notwendiger, als es in der deutschen Tradition liegt (vgl. dazu Urdang-Dieckmann a.a.O. S. 63 f.), auf dem Gebiete des Apothekenrechts das Radikalmittel der Zulassungsbeschränkung anzuwenden, während sich nunmehr, wie gezeigt, aus Art. 12 Abs. 1 GG die Notwendigkeit zur vorherigen Ausschöpfung anderer gesetzlicher Möglichkeiten ergibt.
Selbstverständlich ist es Sache des Gesetzgebers, ob er die angedeuteten Maßnahmen ergreifen will, welche er auswählt und in welcher Reihenfolge er sie verwirklicht. Das Gericht hat sich darauf beschränkt, solche Maßnahmen zu nennen, die sich bereits in der öffentlichen Diskussion (mindestens in sachverständigen Kreisen) befinden, deren Ausführung sogar zum Teil bereits in Angriff genommen worden ist, jedenfalls bei Abwägung der Gesamtlage möglich erscheint.
Freilich könnte dabei, weil die Gesetzgebungskompetenz auf diesem Gebiet zum Teil bei den Ländern, zum Teil konkurrierend bei Bund und Ländern liegen mag, der bayerische Gesetzgeber sich nicht etwa darauf berufen, dass die hier angedeuteten Möglichkeiten wirksame Abhilfe nur gewähren könnten, wenn der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch mache, dass aber mangels einer solchen Bundesinitiative der Landesgesetzgeber genötigt sei, in den Bereich des Grundrechts tiefer einzugreifen. Ein solcher Hinweis wäre gegenüber dem Grundrecht der Berufsfreiheit nicht zulässig. Art. 12 Abs. 1 GG unterscheidet hinsichtlich der gesetzlichen Regelung der Berufsausübung nicht zwischen Bundes- und Landesrecht. Das einheitlich geltende bundesverfassungsrechtliche Grundrecht ist gegenüber der Gesetzgebung des Bundes wie der Länder gleichermaßen geschützt. Bund und Länder dürfen intensivere Eingriffe in das Grundrecht nicht dadurch ermöglichen, dass sie sich auf das Fehlen ihrer Kompetenz zur einen oder anderen Maßnahme berufen. Vielmehr muss, wenn es um den Grundrechtsschutz des Staatsbürgers geht, der ja sowohl dem Bundesrecht wie dem Landesrecht untersteht, der Gesetzgeber in Bund und Ländern sich als Einheit behandeln lassen.
VII.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in diesem Verfahren nicht darüber zu entscheiden, welches Betriebssystem für die Apotheke rechtspolitisch vorzuziehen wäre, sondern nur darüber, ob das vom bayerischen Gesetzgeber tatsächlich gewählte System mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Diese Frage musste das Gericht verneinen; nach seiner Überzeugung entspricht gegenwärtig allein die Niederlassungsfreiheit, verstanden als Fehlen objektiver Beschränkungen der Zulassung, der Verfassungslage, was auch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich annimmt (BVerwGE 4, 167). dass auch weiterhin für den Betrieb einer Apotheke eine Erlaubnis erforderlich ist und diese u. a. von der Erfüllung bestimmter subjektiver Voraussetzungen (wie etwa nach Art. 2 Abs. 1 ApothekenG) abhängig gemacht werden kann, ist selbstverständlich und ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen.
Dem Bundesverfassungsgericht ist bekannt, dass die Apotheker in ihrer Mehrzahl die Niederlassungsfreiheit ablehnen. Soweit für diesen Standpunkt berufspolitische Erwägungen maßgebend sind, die dem Schutze des Standes, der Erhaltung seines traditionellen Niveaus gelten, müssen sie aber dann zurücktreten, wenn der "engste Schutzbereich" des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG in Frage steht - ganz abgesehen davon, dass die Absperrung des Berufs gegen den Nachwuchs aus den eigenen Reihen eine auch unter berufspolitischen und standesethischen Gesichtspunkten bedenkliche Maßnahme ist. Solchen standespolitischen Erwägungen wird damit nicht allgemein die Berechtigung abgesprochen; dass sie auf anderen "Stufen" des Grundrechtsschutzes gesetzliche Regelungen rechtfertigen können, folgt aus dem oben (unter IV 3 und VI) Gesagten.
Es ist vielfach, auch von dem Sachverständigen Prof. Dr. Schlemmer, geltend gemacht worden, dass das Apothekenrecht mit dem Arzneimittelrecht und dem Arzneimittelpreisrecht in unlösbarem Zusammenhang stehe und dass man deshalb das Apothekenrecht nicht allein ordnen könne, ohne gleichzeitig auch diese anderen Rechtsgebiete neu zu regeln. Das mag sachlich und rechtspolitisch richtig sein. Das Bundesverfassungsgericht kann aber nicht einen unzulässigen Eingriff in Grundrechte vorübergehend oder so lange zulassen, bis der Gesetzgeber von anderen Möglichkeiten, die in seinem Ermessen liegen, Gebrauch macht.
Art. 3 Abs. 1 ApothekenG ist, wie dargelegt, verfassungswidrig. Die auf dieser Bestimmung beruhenden Bescheide der Regierung von Oberbayern verletzen daher das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG und sind aufzuheben. Gleichzeitig ist im Urteil die Nichtigkeit des Art. 3 Abs. 1 ApothekenG - einschließlich des in unlösbarem Zusammenhang mit Satz 1 stehenden Satzes 2 - auszusprechen (§ 95 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 BVerfGG)."