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OLG Frankfurt am Main Urteil vom 31.08.2006 - 6 U 118/05 - Zur unzulässigen Werbung eines Arztes für ein verschreibungspflichtiges Medikament
OLG Frankfurt am Main v. 31.08.2006: Zur unzulässigen Werbung eines Arztes für ein verschreibungspflichtiges Medikament
Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 31.08.2006 - 6 U 118/05) hat entschieden:
Das Recht eines Arztes auf werbliche Selbstdarstellung steht dem Verbot einer Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht entgegen, wenn der Arzt in einer Anzeige neben anderen Behandlungsmethoden eine "Faltenbehandlung mit Botox" aufführt (Abgrenzung zu BVerfG Botox-Faltenbehandlung, 30. April 2004, 1 BvR 2334/03, GRUR 2004, 797).
Siehe auch Arztwerbung - Werbemaßnahmen von Ärzten, Zahnärzten und Kliniken
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
Der Kläger kann von der Beklagten die Erstattung seiner Abmahnkosten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG verlangen, da seine Abmahnung berechtigt war.
Die Beklagte hat mit der Veröffentlichung der nachstehend wiedergegebenen Anzeige im „…“ vom 02.04.2005 gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 HWG verstoßen.
(nicht darstellbare Abbildung)
§ 10 Abs. 1 HWG verbietet die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel außerhalb der Fachkreise. Aus dem Tatbestandsmerkmal der „Werbung für ein Arzneimittel“ folgt, dass es sich um produktbezogene Aussagen handeln muss. Die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- bzw. Imagewerbung), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Präparate für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt, unterfällt den Vorschriften des Heilmittelwerberechts nicht (BGH WRP 1993, 473, 474 - Pharma-Werbespot).
Gemäß Artikel 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG gelten als „Werbung für Arzneimittel“ alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Der Bundesgerichtshof definiert produkt- oder leistungsbezogene Aussagen heilmittelrechtlich dann als Werbung, wenn sie darauf angelegt sind, die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise zu erregen, deren Interesse zu wecken und damit den Absatz von Waren oder Leistungen zu fördern (BGH WRP 1995, 701, 702 - Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie). Demgegenüber bezeichnet es das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung „(Botox-) Faltenbehandlung“ (GRUR 2004, 797, 798) als zweifelhaft, ob die Vorschriften des Heilmittelwerberechts auf die Selbstdarstellung eines Arztes, der über Behandlungen mit einem bestimmten Medikament informiert, Anwendung finden können, solange der Arzt nicht den Erwerb bestimmter Mittel empfiehlt. Nur bei einem Einfluss auf das Kaufverhalten der Patienten könnte der Verkehr von Arzneimitteln betroffen sein.
Die Beklagte hat in der beanstandeten Anzeige geworben mit „Faltenbehandlung mit Collagen, Botox und ...“. Bezugspunkt ihrer Werbung ist also nicht der Absatz des verschreibungspflichtigen Arzneimittels Botox. Die Beklagte bietet vielmehr eine Dienstleistung an, nämlich die Faltenbehandlung mit diesem Arzneimittel. Der Senat hat keine Zweifel, dass mit dieser Werbung jedenfalls der Verbrauch des Arzneimittels Botox gefördert wird, weil die angebotene Faltenbehandlung den Einsatz bedingt. Bereits damit ist der Tatbestand der Werbung für Arzneimittel gemäß Artikel 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG erfüllt. Überdies fördert die Beklagte mit der Anzeige aber auch den Verkauf des verschreibungspflichtigen Arzneimittels Botox, denn ohne dieses Mittel zu erwerben, kann die Faltenbehandlung sinnvollerweise nicht durchgeführt werden. Auch eine werbliche Einflussnahme auf die Entschließung von Patienten, bei der der Arzt die Anwendung eines bestimmten Arzneimittels bei der durch ihn vorgenommenen Faltenbehandlung empfiehlt, betrifft in seiner Auswirkung unmittelbar den Verkehr von Arzneimitteln, wenn sich der Patient aufgrund der Empfehlung für dieses Arzneimittel entscheidet, mit dem ihn der werbende oder ein anderer Arzt behandeln soll.
Die Produktbezogenheit der Absatzwerbung wird nicht dadurch aufgelöst, dass die Beklagte die Faltenbehandlung nicht nur mit Botox, sondern auch mit Collagen und ... (hierbei handelt es sich um eine eingetragene Marke der Firma X, die für ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff ... verwendet wird) bewirbt. Der Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes bleibt solange eröffnet, wie bestimmte oder zumindest individualisierbare Arzneimittel beworben werden (BGH WRP 1993, 473, 474 - Pharma-Werbespot). Dies bleibt jedenfalls in Bezug auf Botox ungeachtet des Umstandes der Fall, dass die Beklagte die Faltenbehandlung auch unter Einsatz von Collagen und dem Arzneimittel ... anbietet.
Die Produktbezogenheit der Absatzwerbung tritt auch nicht etwa deshalb in den Hintergrund, weil die Dienstleistung des Arztes im Vordergrund steht, wie dies beispielsweise bei der ebenfalls beworbenen Akupunktur der Fall sein mag. Denn bei der Faltenbehandlung durch Unterspritzen ist die ärztliche Leistung, das Setzen der Spritze, nur das Mittel, um den Wirkungsmechanismus auszulösen, der allein auf dem Einsatz des Arzneimittels beruht. Das Heilmittelwerbegesetz ist daher auf die Werbeanzeige, die die Abmahnung des Klägers veranlasst hat, anwendbar.
Zugleich ist der Tatbestand des § 10 Abs. 1 HWG verletzt. Dabei verkennt der Senat nicht, dass dieser Tatbestand, wie das Heilmittelwerbegesetz insgesamt, im Falle der Werbung eines Arztes verfassungskonform restriktiv unter Berücksichtigung von Artikel 12 Abs. 1 GG auszulegen ist. Das Recht der Ärzte zur Selbstdarstellung darf durch die im Heilmittelwerbegesetz normierten Werbebeschränkungen nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden (BVerfG GRUR 2004, 797, 798 - [Botox-] Faltenbehandlung). Das Recht der Beklagten zur Selbstdarstellung wird jedoch dadurch, dass die beanstandete Zeitungsanzeige als gegen § 10 Abs. 1 HWG verstoßend eingeordnet wird, nicht in einer mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbaren Weise beeinträchtigt. Denn die Beklagte hat sich in dieser Anzeige darauf beschränkt, plakativ einige Behandlungsmethoden mit unterschiedlichster Zielsetzung zu bewerben. Zwar liegt darin eine Selbstdarstellung des Inhalts, die genannten Behandlungsmethoden zu beherrschen. Die Beklagte hat dies jedoch getan, ohne sich und ihre Befähigungen diesbezüglich im einzelnen darzustellen oder sachlich über die einzelnen Behandlungsmethoden zu informieren. Das unterscheidet den hier zu entscheidenden Fall von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts „(Botox-)Faltenbehandlung“ zugrunde lag. Dort ging es ausweislich der vorangegangenen Entscheidung des Landgerichts München (WRP 2003, 1466) um einen Internet-Auftritt, in welchem der verklagte Arzt ausführlich über die Faltenbehandlung unter Einsatz von Botox informiert hatte, indem er die Technik und Wirkungsweise dieses Verfahrens und damit mittelbar seine eigene Kompetenz auf diesem Gebiet dargestellt hatte.
Da die Anzeige der Beklagten abgesehen von der reinen Aufzählung verschiedenster Behandlungsformen eine Selbstdarstellung der Person der Beklagten nicht enthält, überwiegt das Recht auf Selbstdarstellung den Gesetzeszweck des § 10 Abs. 1 HWG nicht. Dieser ist nicht nur darauf gerichtet, der Gefahr einer Selbstmedikation zu begegnen, sondern will auch erreichen, dass im Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ein Konflikt durch von der Werbung getragene Patientenwünsche vermieden wird (Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz 3. Auflage, § 10 Rdn. 1; Gröning, Heilmittelwerberecht, § 10 Rdn. 11). Demgegenüber kann die Verhütung der Gefahr einer Selbstmedikation, die das Heilmittelwerbegesetz in erster Linie mit den Regelungen in § 11 Nr. 3 und 11 Nr. 10 verfolgt, nicht als das zentrale Anliegen des § 10 betrachtet werden, weil dieser sich allein auf verschreibungspflichtige Arzneimittel bezieht.
Bei § 10 Abs. 1 HWG handelt es sich um eine Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, weil sie dem Schutz der Verbraucher dient; es handelt sich daher um eine Vorschrift im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht 24. Auflage, § 4 UWG Rdz. 11.132 und 11.135).
Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG befugt, diesen Wettbewerbsverstoß zu verfolgen, weil er ein Mitbewerber der Beklagten ist. Zwischen den Parteien bestand bereits zum Zeitpunkt der Abmahnung ein konkretes Wettbewerbsverhältnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Zwar datieren die von ihm vorgelegten Rechnungen für die Behandlung von Falten alle aus dem Jahr 2006. Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ist aber auch, wer sich erst anschickt, auf einem bestimmten Markt tätig zu werden und somit potentieller Mitbewerber ist, wobei allerdings die bloß abstrakte Möglichkeit des Marktzutritts nicht ausreicht (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 2 Rdn. 71). Aus dem Umstand, dass der Kläger bereits im Jahr 2003 an einer Schulung die Anwendung von Botulinumtoxin A und das ... betreffend teilgenommen hat und im Jahr 2006 auch tatsächlich verschiedene Behandlungen unter Anwendung dieser Mittel vorgenommen hat, folgt, dass zum Zeitpunkt der Abmahnung ein konkretes, wenn auch noch potentielles Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien bestand. ..."