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BGH v. 29.01.2003: Zur Partei- und Prozessfähigkeit einer in den Vereinigten Staaten von Amerika gegründeten Gesellschaft mit Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrages.
Der BGH (Urteil vom 29.01.2003 - VIII ZR 155/02) hat entschieden:
Zur Partei- und Prozessfähigkeit einer in den Vereinigten Staaten von Amerika gegründeten Gesellschaft mit Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrages.
Zum Sachverhalt: Die Klägerin behauptete, als Aktiengesellschaft wirksam nach dem Recht des US-amerikanischen Bundesstaates Florida gegründet zu sein. Sie war an der R GmbH mit einem Geschäftsanteil von 50.000 DM beteiligt. Durch notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag vom 31. Juli 1995 verkaufte sie diesen Geschäftsanteil an den Beklagten zu einem Kaufpreis von 50.000 DM und übertrug den Geschäftsanteil an den Beklagten.
Die Klägerin verlangte von dem Beklagten die Zahlung des Kaufpreises. Der Beklagte behauptete, die Klägerin habe ihren Verwaltungssitz allein in Deutschland. Der Beklagte meinte deswegen, die Klägerin entbehre der Partei- und Prozessfähigkeit. In der Sache machte der Beklagte geltend, dass seine Zahlungsverpflichtung durch eine Vereinbarung vom 13. September 1995 nachträglich entfallen sei.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Das Oberlandesgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen.
Mit der - zugelassenen - Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Die Revision hatte - vorläufigen - Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Klägerin sei nicht rechtsfähig. Das Personalstatut der Klägerin bestimme sich entsprechend der sogenannten Sitztheorie nach dem tatsächlichen Sitz ihrer Hauptverwaltung. Die Anknüpfung an den Sitz der juristischen Person zur Ermittlung des Personalstatuts stehe auch nicht im Gegensatz zu Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954, in dem es heißt:
"Gesellschaften, die gemäß den Gesetzen und sonstigen Vorschriften des einen Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet sind, gelten als Gesellschaften dieses Vertragsteils; ihr rechtlicher Status wird in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt."
Durch Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages sei keine Kollisionsnorm des internationalen Privatrechts geschaffen worden. Zu diesem Ergebnis führe eine am Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelung orientierte Auslegung. Da dem deutschen Gesellschaftsrecht eine "Incorporation" fremd sei, könne die Rechts- und Prozessfähigkeit der Klägerin nur dann gegeben sein, wenn sie ihren Sitz im Gründungsstaat Florida habe. Darlegungs- und beweispflichtig hierfür sei die Klägerin. Dass der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane in Florida liege, habe die Klägerin aber nicht hinreichend dargelegt.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht durfte die Rechtsfähigkeit der Klägerin nicht mit der Begründung verneinen, es sei nicht festzustellen, dass sich der tatsächliche Sitz ihrer Hauptverwaltung im US-Bundesstaat Florida, dem Ort, an dem sie nach dem Vorbringen der Klägerin wirksam gegründet sei, befinde. Aufgrund des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 (BGBl. II 1956, 487 f.) ist eine in den Vereinigten Staaten von Amerika wirksam gegründete und noch bestehende Kapitalgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland rechtsfähig, gleichgültig, wo ihr effektiver Verwaltungssitz liegt.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Beurteilung der Rechtsfähigkeit einer ausländischen juristischen Person allerdings grundsätzlich entsprechend der Sitztheorie das Recht des Staates maßgebend, in dem die juristische Person ihren Verwaltungssitz hat, wobei es nicht auf den in der Satzung genannten, sondern auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankommt (BGHZ 53, 181, 183; BGHZ 78, 318, 334). Das gilt auch dann, wenn eine Gesellschaft in einem anderen Staat wirksam gegründet worden ist und sodann ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegt. Die einmal erworbene Rechtsfähigkeit setzt sich nicht ohne weiteres in Deutschland fort. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Gesellschaft nach dem Recht des Gründungsstaates fortbesteht und ob sie nach deutschem Recht rechtsfähig ist (BGH, Beschluss vom 30. März 2000 - VII ZR 370/98, ZIP 2000, 967 unter B 2 a).
2. Von den Regeln des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts kann aber durch Staatsverträge abgewichen werden (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB). Ein solcher Staatsvertrag besteht zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika in Form des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 29. Oktober 1954. Im Hinblick auf dieses Abkommen wird in der Rechtsprechung und Literatur bezüglich der Frage der Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit von Gesellschaften überwiegend zu Recht die Anknüpfung an das Gründungsrecht befürwortet (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 13. Oktober 1986 - 4 U 98/85 = NJW 1987, 2168; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. Dezember 1994 - 6 U 59/94 = NJW-RR 1995, 1124; OLG Naumburg, Urteil vom 19. Dezember 1995 - 7 U 146/95, juris; Beitzke, Einige Bemerkungen zur Rechtsstellung ausländischer Gesellschaften in deutschen Staatsverträgen, in: Festschrift für Luther (1976) S. 1 f., S. 10; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 1980, § 14 II 2; von Bar, Internationales Privatrecht, Bd. II 1991, S. 456; Ebenroth/Bippus, Die Anerkennungsproblematik im internationalen Gesellschaftsrecht, NJW 1988, 2137 f.; Bungert, Deutsch-amerikanisches internationales Gesellschaftsrecht, ZVglRWiss 93 (1994), 117, 134 f.; Ulmer, Die Anerkennung US-amerikanischer Gesellschaften in Deutschland, IPRax 1996, 100; MünchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht, 3. Aufl., Einleitung Rdnr. 151; MünchKomm-Kindler, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., Rdnr. 241 f.; Palandt-Heldrich, BGB, 62. Aufl., Art. 12 EGBGB Anh. Rn. 21; Soergel-Lüderitz, BGB, 12. Aufl., Art. 10 EGBGB Anh. Rdnr. 12; a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 1. Oktober 1997 - 15 U 173/96, juris; Berndt, Die Rechtsfähigkeit US-amerikanischer Kapitalgesellschaften im Inland, JZ 1996, 187 f.; Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, Neubearbeitung 1998, XVI, Staatsverträge Rdnr. 210; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 8. Aufl. 2000, § 17 II 5 c; Ebke, Unternehmensrecht und Binnenmarkt, RabelsZ 62 (1998) S. 209 f., 211; offengelassen BFH, Beschluss vom 13. November 1991 - I B 72/91, BStBl. II 1992, 263).
Art. XXV Abs. 5 Satz 2 dieses Abkommens knüpft an das Gründungsrecht und nicht an das Sitzrecht der amerikanischen und deutschen Gesellschaften an; denn es bestimmt, dass als Gesellschaft eines Vertragsteils diejenigen Gesellschaften gelten, die gemäß den Gesetzen und sonstigen Vorschriften dieses Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet worden sind. Durch die Regelung in Art. XXV Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 des deutsch-amerikanischen Vertrages, wonach der rechtliche Status in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt wird, ist festgelegt, dass die Gesellschaften, die entsprechend dem ersten Halbsatz des zweiten Satzes von Art. XXV Abs. 5 im Gebiet eines Vertragsteils errichtet worden sind, als Rechtssubjekte in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt werden. Nach dieser Vertragsbestimmung ist also eine in Übereinstimmung mit US-amerikanischen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft als in der Bundesrepublik Deutschland rechtsfähiges Gebilde anzuerkennen. Die Anerkennung des rechtlichen Status durch Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Vertrages bedeutet zugleich, dass für eine Gesellschaft, die in dem Gebiet des einen Vertragsteils errichtet worden ist, die Regeln der Rechtsordnung dieses Vertragsteils die Voraussetzungen festlegen, unter denen diese Gesellschaft in dem Gebiet des anderen Vertragsteils als Rechtssubjekt handeln kann.
Für diese Auslegung des Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Handelsvertrages sprechen dessen Präambel als auch die Art. V Abs. 5, VI Abs. 1, VII Abs. 1 und IX Abs. 4. In der Präambel des Abkommens heißt es, dass der Vertrag auf den Grundsätzen der gegenseitig gewährten Inländerbehandlung und unbedingten Meistbegünstigung beruht. Die Gewährung der Inländerbehandlung und Meistbegünstigung wird ausdrücklich in Art. V Abs. 5 des Vertrages für das Eigentum und die Räumlichkeiten von Gesellschaften des einen Vertragsteils im Gebiet des anderen Vertragsteils und in Art. IX Abs. 4 hinsichtlich des Rechts, Vermögen jeder Art zu veräußern und anderweit darüber zu verfügen, gewährt. Durch Art. VI Abs. 1 wird den Gesellschaften des einen Vertragsteils im Gebiet des anderen Vertragsteils hinsichtlich des Zutritts zu den Gerichten aller Instanzen "für die Verfolgung wie auch die Verteidigung ihrer Rechte Inländerbehandlung gewährt". Art. VII des Handelsvertrages gewährt schließlich die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften jedes Vertragsteils in dem Gebiet des anderen Vertragsteils.
Wenn Inländerbehandlung, Meistbegünstigung und Niederlassungsfreiheit vereinbart sind und eine Gesellschaft demgemäß sich in einem anderen Land geschäftlich betätigen darf, kann ihr dort nicht die Rechtspersönlichkeit abgesprochen werden, die ihr nach dem Recht des Staates zusteht, in dem sie errichtet worden ist. Insbesondere die Niederlassungsfreiheit hat die volle Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit mit zum Inhalt (vgl. Beitzke, aaO S. 10; vgl. nunmehr auch EuGH, Urteil vom 5. November 2002 - C 208/00 - NJW 2002, 3614 = WM 2002, 2372 zum Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2000 - VII ZR 370/98, ZIP 2000, 967 zum Verstoß gegen die in den Art. 43 EG und 48 EG zuerkannte Niederlassungsfreiheit aufgrund der Anwendung der Sitztheorie). Die Rechts- und Parteifähigkeit der Klägerin ist dementsprechend nach dem Recht der Vereinigten Staaten von Amerika zu beurteilen. Dieses Recht hat der Tatrichter nach § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2002 - XI ZR 136/01, WM 2002, 1186 unter II 2 b m.w.Nachw.).
III.
Das angefochtene Urteil kann demgemäß keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist allerdings nicht zur Entscheidung reif, da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache ist zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. ..."
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