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OLG Karlsruhe (Urteil vom 12.02.2009 - 4 U 160/07 - Für den bloßen Erwerb preisgebundener Arzneimittel dürfen Apotheken keine "Bonus-Taler" an Kunden abgeben
OLG Karlsruhe v. 12.02.2009: Für den bloßen Erwerb preisgebundener Arzneimittel dürfen Apotheken keine "Bonus-Taler" an Kunden abgeben
Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 12.02.2009 - 4 U 160/07) hat entschieden:
Ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung liegt nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem sich aus der Verordnung ergebenden Preis abgibt. Die Bestimmungen werden vielmehr auch dann verletzt, wenn für das Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber - gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels - Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen.
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Zum Sachverhalt: Der Kläger, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., nahm die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch, weil sie als Apotheker gegen arzneimittelrechtliche Preisregelungen verstoßen und damit wettbewerbswidrig gehandelt hätten.
In der Berufungsinstanz war unstreitig, dass die Beklagten zumindest gelegentlich auch beim bloßen Erwerb verschreibungspflichtiger preisgebundener Arzneimittel Bonustaler an ihre Kunden ausgegeben haben.
Das Landgericht Offenburg (Az. 5 O 107/06) hat der Unterlassungsklage stattgegeben. Das Unterlassungsverlangen des Klägers sei aus §§ 3, 4 Ziff. 11, 8 Abs. 1 UWG i.V. mit § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) und §§ 1, 3 Abs. 1 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) gerechtfertigt. Die Ausgabe von Bonustalern für den bloßen Erwerb preisgebundener Arzneimittel sei als Preisnachlass zu bewerten, der den Vorschriften der AMPreisV zuwiderlaufe. Ein Verstoß gegen die AMPreisV liege nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem sich aus der AMPreisV ergebenden Preis abgebe. Vielmehr würden die Bestimmungen über die Preisbindung auch dann verletzt, wenn für das Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt werde, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels-Vorteile gewährt würden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen ließen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich der Bonus, wie hier, unschwer bei einem Folgegeschäft des Alltagslebens realisieren lasse. Dem Bonus komme in diesem Fall Geldersatzfunktion zu.
Mit ihrer Berufung rügen die Beklagten die Verletzung materiellen Rechts. Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung die Bedeutung und Reichweite der AMPreisV verkannt. Die AMPreisV finde auf das Verhältnis zwischen Apotheke und Kunde keine Anwendung, da der - gesetzlich versicherte - Kunde nicht Schuldner des Arzneimittelpreises sei. Zudem tangiere der Bonus den Arzneimittelpreis nicht, weil er sich erst bei einem Folgegeschäft über nicht preisgebundene Ware realisiere; um einen Rabatt auf das Erstgeschäft handele es sich nicht. Schließlich habe das Landgericht übersehen, dass die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) den Arzneimittelpreisregelungen vorgingen. Davon abgesehen sei die Gewährung von Bonustalern mittlerweile zumindest aufgrund der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) rechtmäßig.
Die Beklagten haben in der Berufungsinstanz insgesamt Klageabweisung beantragt.
Die Berufung blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe:
"1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Ein Verstoß gegen § 520 Abs. 3 Ziff. 1 ZPO liegt nicht vor. Die für die Berufungsbegründung vorgeschriebene Erklärung des Berufungsklägers, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen beantragt werden, muss nicht notwendig in einem förmlichen, vom übrigen Inhalt der Begründung abgesetzten, bestimmt gefassten Antrag niedergelegt werden. Vielmehr genügt es, dass der innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingereichte Schriftsatz des Berufungsklägers seinem Inhalt nach deutlich erkennen lässt, in welchem Umfang das Urteil angefochten wird (vgl. BGH NJW-RR 1999, 211). Dies ist hier der Fall. Die Berufungsführer setzen sich in ihrer Berufungsbegründung ausschließlich kritisch mit den Argumenten auseinander, die das Landgericht dazu bewogen haben, der Unterlassungsklage stattzugeben. Damit wird hinreichend deutlich, dass die Beklagten nur ihre Verurteilung auf die Klage hin - und nicht die auf Widerklage zu ihren Gunsten ergangene Feststellung - angreifen. Dass sie am Schluss ihrer Berufungsbegründung ungenau von einer "Aufhebung" des gesamten Urteils sprechen, ist demgegenüber unschädlich.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Weder beruht die angefochtene Entscheidung auf einem Rechtsfehler noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Auf die ausführlichen und zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils, denen sich der Senat anschließt, wird verwiesen. Sie sind zu ergänzen wie folgt:
a) Die Vorschriften des AMG und der AMPreisV werden vorliegend nicht durch die Regelungen des HWG verdrängt.
Allerdings könnte ein wettbewerbsrechtlich relevanter Gesetzesverstoß der Beklagten nicht festgestellt werden, wenn das Verbot aus § 7 HWG - Unzulässigkeit von Werbezugaben im Zusammenhang mit Heilmittelwerbung - auf dem Gebiet der Apothekenwerbung lex specialis gegenüber den Preisbindungsvorschriften des Arzneimittelrechts wäre. Das HWG gilt nämlich nur für die produktbezogene Heilmittelwerbung, während die reine Vertrauens- oder Imagewerbung für ein Unternehmen, wie sie hier vorliegt, keinen Tatbestand des HWG erfüllt (vgl. Bülow/Ring, HWG, 3. Aufl., Rn. 3 zu § 1). § 7 HWG geht den §§ 78 AMG, 1, 3 AMPreisVO jedoch nicht vor (a.A. offenbar OLG Hamburg, NJW-RR 2008, 61, IURIS Rn. 47; wie hier OLG Frankfurt, GRUR-RR 2008, 454; OLG Oldenburg, WRP 2006, 913; OLG Sachsen-Anhalt, GRUR-RR 2006, 336). Beide Gesetze haben eine unterschiedliche Zielrichtung. Sie dienen zwar beide dem Gesundheitsschutz, aber auf je unterschiedliche Weise: Während es im HWG darum geht, eine unsachliche Beeinflussung der Verbraucher im heiklen Bereich der Heilmittelwerbung für bestimmte Produkte zu verhindern (Bülow/Ring a.a.O. Einführung vor § 1 Rn. 1), verfolgt die arzneimittelrechtliche Preisbindung das Ziel, eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten und im Interesse der Verbraucher sowie der Apotheken einen Preiswettbewerb auf der letzten Handelsstufe zwischen Apotheker und Endverbraucher zu verhindern (vgl. § 78 Abs. 2 AMG; Rehmann, AMG, 3. Aufl., Rn. 1 zu § 78). Infolgedessen können Werbemaßnahmen wie das Bonussystem in Apotheken den Anwendungsbereich der arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften tangieren, ohne den Tatbeständen des HWG zu unterfallen. Zu messen ist eine Rabattgewährung in Apotheken mithin sowohl an § 7 HWG als auch an §§ 78 AMG, 1, 3 AMPreisV (vgl. hierzu auch LG Köln, Urteil vom 25.10.2007 - 31 O 380/07 - JURIS). Im Übrigen geht auch die Regelung aus § 7 Abs. 1 Ziff. 2 Satz 2 HWG - Unzulässigkeit von Barrabatten auf Arzneimittel, die unter Verstoß gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährt werden - davon aus, dass die Verbotsvorschriften des HWG und des AMG nebeneinander anwendbar sind.
b) Die arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften stehen im Einklang mit unmittelbar anwendbarem Europarecht.
aa) Die Binnenmarktklausel aus § 4 UPG-Richtlinie (abgedruckt bei Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl. S. 1405 ff.) steht der Anwendung von §§ 78 AMG, 1, 3 AMPreisV auch dann nicht entgegen, wenn, wie die Beklagten behaupten, in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Bonussysteme beim Arzneimittelkauf ohne weiteres zulässig sein sollten. Dies ergibt sich bereits aus den Erwägungsgründen der Richtlinie: Nach Abs. 9 berührt die Richtlinie unter anderem nicht die nationalen Vorschriften im "Bereich des Gesundheitsschutzes im Zusammenhang mit Produkten, Niederlassungsregelungen und Genehmigungsregelungen". "Die Mitgliedstaaten können somit unabhängig davon, wo der Gewerbetreibende niedergelassen ist, unter Berufung auf den Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Verbraucher im ihrem Hoheitsgebiet für Geschäftspraktiken Beschränkungen aufrechterhalten oder einführen oder diese Praktiken verbieten, beispielsweise im Zusammenhang mit Spirituosen, Tabakwaren und Arzneimitteln" (Erwägungsgründe Abs. 9 Satz 3). Daraus erhellt, dass die genannten Belange des Gesundheitsschutzes aus der Perspektive der UGP-Richtlinie zwingende Gründe des Verbraucherschutzes darstellen, die - ohne Verstoß gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs - Unterschiede in den nationalen Wettbewerbsregelungen zu rechtfertigen vermögen (vgl. Bornkamm in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O. Rn. 1.28 zu § 5).
Bei den Vorschriften aus §§ 78 AMG, 1, 3 AMPreisV handelt es sich um eine Beschränkung der Geschäftspraxis von Apotheken auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes i.S. von Abs. 9 der Erwägungsgründe. Zugleich benachteiligen diese Normen deutsche Apotheker nicht unverhältnismäßig gegenüber ihren europäischen Konkurrenten. Eine unzulässige Beschränkung ihrer Grundrechte aus Art. 3 und 12 GG liegt damit nicht vor (vgl. LG Köln a.a.O.). Der Senat verkennt nicht, dass die Anwendung der arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften auf inländische Apotheken eine Ungleichbehandlung mit ausländischen Anbietern mit sich bringen kann, soweit letztere im Inland nicht an die genannten Vorschriften gebunden sind. Dies ist jedoch als Folge der vorstehend erläuterten Rechtslage hinzunehmen.
bb) Nicht zu folgen ist der Ansicht der Berufung, das Bonussystem stelle - seine Zulässigkeit nach dem UWG dahingestellt - jedenfalls keine unlautere Geschäftspraxis i.S. der UGP-Richtlinie dar, weil die Gewährung eines Bonustalers nicht dazu geeignet sei, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen, vgl. Art: 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie. Das Gegenteil ist der Fall. Schließlich verfolgt das Bonussystem in Apotheken offensichtlich das Ziel, in nennenswertem Umfang Kunden beim Arzneimittelkauf an die betreffende Apotheke zu binden. Sie ist hierzu aus Sicht des Senates, der selbst zu den von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verkehrskreisen gehört, auch geeignet. Obwohl der wirtschaftliche Wert eines einzelnen Bonustalers - nach den Feststellungen des Landgerichts ca. 50 Cent - relativ niedrig ist, lohnt sich das Sammeln der vielseitig verwendbaren Taler für den Apothekenkunden durchaus. Dies kann gerade Patienten, die regelmäßig Rezepte einlösen müssen, dazu veranlassen, Stammkunden einer Apotheke mit Bonussystem zu werden.
c) Die Anwendung der AMPrVO auf den vorliegenden Fall hängt nicht davon ab, ob der Vertrag über den Erwerb des Arzneimittels - vermittelt durch den Kassenarzt als Vertreter der Krankenkasse und den Versicherten als Boten - als Vertrag zugunsten Dritter zwischen der Krankenkasse und der Apotheke zustande kommt (vgl. BSG E 77, 194, 200) oder ob - wie beim Erwerb eines Medikaments durch Privatpatienten - der Kaufvertrag unmittelbar zwischen dem Versicherten und der Apotheke geschlossen wird. So oder so belastet der Kaufpreis für das Medikament, abgesehen von Zuzahlungen, letztlich nicht den Versicherten, sondern die erstattungspflichtige Krankenkasse, während der Bonus dem Versicherten zugute kommt. In beiden Fällen ist der Schutzbereich der Vorschriften über die Preisbindung tangiert, die einen Preiswettbewerb auf der letzten Handelsstufe verhindern sollen: Auch wenn der Kunde den Arzneimittepreis nicht schuldet oder ganz erstattet erhält, stellen die Bonuspunkte einen spürbaren finanziellen Anreiz für den Kunden dar. Er verschafft der betreffenden Apotheke auf dies Weise einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Apotheken ohne Bonussystem, wie er gerade verhindert werden soll.
d) Die Gewährung der "Douglas-Taler" oder Bonuspunkte stellt sich in der vorliegenden Konstellation aus Sicht des Kunden in erster Linie als Rabatt auf das Erstgeschäft über den Kauf preisgebundener Arzneimittel dar. Allerdings sollen die Bonuspunkte den Kunden auch zum Abschluss von - infolge des Bonus verbilligten - Zweitgeschäften in der Apotheke animieren. Diese Bewerbung des Zweitgeschäftes steht hier jedoch nicht im Vordergrund. Dies gilt vor allem, weil die Bonuspunkte auch außerhalb der Apotheke der Beklagten in breitem Umfang für Bedarfsgeschäfte des täglichen Lebens ausgegeben werden können (vgl. Anlage zum Protokoll des Landgerichts vom 24.02.2007 "Douglas-Taler - Offenburgs heimliche Währung", I 239). Gerade hierdurch gewinnen die "Douglas-Taler" , wie das Landgericht zutreffend ausführt, eine Geldersatzfunktion, die sie von handelsüblichen geringwertigen Zugaben (vgl. BGH GRUR 2002, 1088 - Zugabebündel), aber auch von Bonussystemen unterscheidet, bei denen der Bonus nur für nicht preisgebundene Artikel aus dem Sortiment der werbenden Apotheke umgesetzt werden kann. Ob im letztgenannten Fall ein Verstoß gegen die AMPreisVO vorliegt (so KG, GRUR-RR 2008, 450; OLG Köln, GRUR 2006, 88; OLG Oldenburg, WRP 2006, 913; Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O. Rn. 11.138 zu § 4; a.A. OLG Naumburg, GRUR-RR 2006, 336; OLG Rostock, GRUR-RR 2005, 391; OLG Bamberg, Urteil vom 6. November 2007 - 3 U 24/07; Peter, GRUR 2006, 910), kann hier dahinstehen. Jedenfalls dann, wenn die Bonuspunkte den Kunden in nennenswerter Breite zur Ersparnis alltäglicher Ausgaben einladen, begibt sich die werbende Apotheke auf das durch die AMPreisVO verschlossene Gebiet des Preiswettbewerbs (vgl. OLG Frankfurt, GRUR-RR 2008, 454; GRUR-RR 2006, 233). Eine strikte Trennung zwischen - nicht preisbegünstigtem - Erstgeschäft und ermäßigtem Zweitgeschäft, die zu einer Zulässigkeit des Bonussystems führt (vgl. OLG Rostock a.a.O.; OLG Naumburg a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.) wird dieser Konstellation nicht gerecht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist mit Blick auf die abweichenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte Rostock, Naumburg und Bamberg zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO."