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OLG Düsseldorf Urteil vom 26.01.2016 - I-20 U 52/15 - Rechtsmissbräuchliche Einschaltung eines Anwalts

OLG Düsseldorf v. 26.01.2016: Keine Abmahnkosten bei rechtsmissbräuchlicher Einschaltung eines Anwalts


Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 26.01.2016 - I-20 U 52/15) hat entschieden:

   Der Gläubiger eines wettbewerblichen Anspruchs, der auf seiner Website erklärt, bei Abmahnungen durch Dritte sei die Einschaltung von Rechtsanwälten überflüssig, deren Kosten würden von ihm daher nicht erstattet, ist seinerseits daran gehindert, bei der Abmahnung eines Dritten durch ihn die Kosten eines Rechtsanwalts geltend zu machen.




Siehe auch Kontaktaufnahme vor Abmahnung und Stichwörter zum Thema Abmahnung


Gründe:


A)

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, durch das der Beklagte zur Zahlung von 5.795,20 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt worden ist. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten für zwei vorgerichtliche Abmahnungen in Höhe von 695,20 € zu, weil diese begründet gewesen seien. Der Umstand, dass die Klägerin auf ihrer Webseite den folgenden Hinweis entsprechend der Anlage B1 verwende:

   „Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt! Sollte der Inhalt oder die Aufmachung dieser Seiten fremde Rechte Dritter oder gesetzliche Bestimmungen verletzen, so bitten wir um eine entsprechende Nachricht ohne Kostennote. (…) Dennoch von Ihnen ohne vorherige Kontaktaufnahme ausgelöste Kosten werden wir vollumfänglich zurückweisen und gegebenenfalls Gegenklage wegen Verletzung vorgenannter Bestimmungen einreichen.“

stehe der Geltendmachung von Anwaltskosten für die eigene Abmahnung nicht entgegen, weil die verwendete AGB-Klausel ohnehin unwirksam sei. Darüber hinaus stehe der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 € zu. Der Unterlassungsvertrag sei durch das Schreiben der Klägerin vom 31.07.2014 zu Stande gekommen, der Beklagte habe aber auch nach dem 31.07.2014 die in jenem Schreiben beanstandete Widerrufsbelehrung verwendet.

Die Klägerin hatte mit der ursprünglichen Abmahnung (Anlage K2) vom 15. Juli 2014 unter anderem den Abschluss eines Unterlassungsvertrages wie folgt vorgeschlagen:

   „… es ab sofort bei Vermeidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 € zu unterlassen, unter seiner Präsenz auf der Plattform ebay, sowie auf sonstigen eigenen Webseiten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Verbraucher fehlerhaft über sein Widerrufsrecht gemäß den Artikeln 246 III und 246a § 1 II EGBGB i.V.m. §§ 312g, 355, 356 und 357 BGB zu belehren, insbesondere den Verbraucher nicht vollständig zu belehren über die Voraussetzungen einer eindeutigen Erklärung über die Ausübung des Widerrufs, über die Voraussetzungen des Fristbeginns der Widerrufsfrist, der Verpflichtung des Unternehmers zur Rückzahlung der Lieferkosten (Hinsendekosten), den Umständen zur Rückzahlung des Unternehmers nach spätestens 14 Tagen, den Umständen über die Wahl des Zahlungsmittels und die den Umständen über die Verweigerungsmöglichkeit der Rückzahlung durch den Unternehmer.“

Mit Anwaltsschriftsatz vom 24.07.2014 (Anlage K3) gab der Beklagte unter der Bedingung einer Umstellungsfrist bis zum 29.07.2014 die Erklärung ab,

   „es bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung fälligen, von Ihrer Mandantin zu bestimmenden und im Streitfalle vom zuständigen Gericht auf Angemessenheit zu überprüfenden Vertragsstrafe zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr unter seiner Präsenz auf der Plattform ebay, sowie auf sonstigen eigenen Webseiten, Verbraucher fehlerhaft über ihr Widerrufsrecht zu belehren, indem [er] sie nicht vollständig aufklärt über die Voraussetzung einer eindeutigen Erklärung über die Ausübung des Widerrufs, über die Voraussetzungen des Fristbeginns der Widerrufsfrist, die Verpflichtung des Unternehmers zur Rückzahlung der Lieferkosten (Hinsendekosten), über die Umstände zur Rückzahlung des Unternehmers nach spätestens 14 Tagen, die Umstände- über die Wahl des Zahlungsmittels und die Umstände über die Verweigerungsmöglichkeit der Rückzahlung durch den Unternehmer.“

Mit Schriftsatz vom 31.07.2014 (Anlage K5) forderte die Klägerin u.a. die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 €, wobei sie an der zu jenem Zeitpunkt von dem Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung beanstandet, dass es einerseits heiße „Widerrufsrecht: Der Verkäufer trägt die Rücksendekosten“ und andererseits „Verbraucher tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren“ sowie dass der Beklagte über unverhältnismäßig hohe Rücksendekosten belehre, die allenfalls bei Speditionsware aufträten, die der Beklagte nicht anbiete.

Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung wendet sich der Beklagte gegen seine Verurteilung. Er ist der Ansicht, die Klägerin sei nach Treu und Glauben gehindert, die Anwaltskosten für eine Abmahnung zu verlangen, wenn sie selber nicht bereit sei, derartige Kosten zu tragen. Ein Unterlassungsvertrag sei nicht zustande gekommen, weil die Klägerin sein Angebot nicht angenommen habe. Jedenfalls aber habe er nicht gegen die Unterlassungspflicht verstoßen, weil er nicht versprochen habe, in jeglicher Hinsicht fehlerfrei über das Widerrufsrecht zu belehren. Insbesondere habe er keine fehlerfreie Belehrung über die Rücksendekosten versprochen. Schließlich hält er die die Vertragsstrafe jedenfalls für zu hoch.

Der Beklagte beantragt,

   unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, auf die Abwehrklausel komme es schon deshalb nicht an, weil sie diese auf ebay nicht verwende und es für das Wettbewerbsverhältnis nur auf die ebay-Auftritte der Parteien ankomme. Darüber hinaus könne eine unwirksame Klausel keinerlei Rechtswirkungen entfalten, auch nicht zum Nachteil des Verwenders. Die Vertragsstrafe sei verwirkt, weil jeder Fehler in der Widerrufsbelehrung einen kerngleichen Verstoß darstellen müsse.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.





B)

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin ist nach § 242 BGB gehindert, von dem Beklagten Ersatz der Anwaltskosten für die beiden vorgerichtlichen Abmahnungen zu verlangen. Dem steht die Unwirksamkeit der Abwehrklausel schon deshalb nicht entgegen, weil sich der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht auf deren Unwirksamkeit berufen kann, wenn diese Unwirksamkeit ihm ausnahmsweise günstig ist. Eine Vertragsstrafe hat der Beklagte schon deshalb nicht verwirkt, weil er nach dem Unterlassungsvertrag nicht verpflichtet war, es zu unterlassen, eine in irgendeiner Hinsicht unrichtige Widerrufsbelehrung zu verwenden, sondern nur eine solche, die im Hinblick auf bestimmte Informationen unrichtig ist, zu denen die Rücksendekosten nicht gehören. Im Einzelnen:

Die Klägerin kann von dem Beklagten für die beiden Abmahnungen nicht die Zahlung der hierfür angefallenen Anwaltskosten in Höhe von 695,20 € aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG verlangen, weil sie sich durch dieses Verlangen in Widerspruch zu ihrem eigenen Verlangen setzt, nicht mit Anwaltskosten für Abmahnungen belastet zu werden und ihr Zahlungsverlangen daher gegen den Grundsatz von Treu- und Glauben, § 242 BGB, verstößt. Die Klägerin verlangt von ihren Mitbewerbern, dass diese sich nach der Entdeckung von Wettbewerbsverstößen zunächst selber an sie wenden sollen, um eine kostenträchtige anwaltliche Abmahnung zu vermeiden. Sie droht insoweit an, die Anwaltskosten nicht zu zahlen und sogar den gleichwohl einen Anwalt bemühenden Wettbewerber mit einem Rechtsstreit zu überziehen. Unabhängig davon, dass eine derartige Klausel keine rechtlichen Wirkungen entfaltet, ist sie geeignet, jedenfalls rechtunkundige Mitbewerber zu verunsichern und zu veranlassen, vorsichtshalber selber abzumahnen. Wer ein solches Verhalten von Anderen erwartet, muss sich dann aber im Gegenzug auch ebenso verhalten und sich behandeln lassen, als habe er sich rechtlich verpflichtet, vor der Inanspruchnahme anwaltlichen Beistandes die Rechtsverletzung zunächst selber geltend zu machen, denn es ist kein Grund ersichtlich, diese Vergünstigung, die die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, den Mitbewerbern vorzuenthalten (ebenso OLG Hamm, NJW-RR 2012, 562, 563 f.).




Für diese Beurteilung ist es ohne Belang, dass die Abwehrklausel unwirksam ist (so aber OLG Celle WRP 2013, 934 Rn. 9 in einem Hinweisbeschluss). Die Unwirksamkeit schließt nicht aus, dass rechtlich unkundige Mitbewerber auf Grund der Abwehrklausel von der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts abgehalten werden. Die Klägerin gibt jedenfalls eindeutig zu erkennen, dass sie vor der Beauftragung eines Anwalts erwartet, vom Mitbewerber selbst und ohne Kosten abgemahnt zu werden, weshalb sie eben auch selber dieser Erwartung entsprechen muss. Würde man die Unwirksamkeit der Klausel zu Gunsten der Klägerin berücksichtigen, würde dies auch gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz verstoßen, dass sich der Verwender unwirksamer AGB-Klauseln dann nicht auf deren Unwirksamkeit berufen kann, wenn deren Unwirksamkeit ihm ausnahmsweise günstig ist (BGH NJW 1998, 594, 595).

Schließlich ist unerheblich, dass die Klägerin diese Abwehrklausel nur in ihrem Online-Shop verwendet. Sie verlangt von dem Beklagten mit den Abmahnungen – zu Recht – Unterlassung in Bezug auf jegliche Onlinepräsenz und sie steht mit ihren Produkten nach eigenem Vorbringen auch nicht nur auf ebay, sondern auch mit ihrem Online-Shop im Wettbewerb.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 € aus § 339 S. 2 BGB, denn der Beklagte hat nicht gegen die vertraglich übernommene Unterlassungspflicht verstoßen. Dabei kann dahinstehen, ob die Verwendung der angegriffenen Widerrufsbelehrung nach dem 31.07.2014 überhaupt streitgegenständlich ist – nur eine solche kann – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – zu einer Vertragsstrafe führen, weil das Angebot des Beklagten zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages erst mit der Abmahnung und der Einforderung der Vertragsstrafe vom 31.07.2014 zustande gekommen ist, denn der Unterlassungsvertrag ist dahin auszulegen, dass unabhängig von der sogenannten „Kerntheorie“ der Beklagte gerade nicht die Verwendung einer in jeder Hinsicht richtigen Belehrung versprochen hat, sondern die Richtigkeit der Belehrung lediglich in Bezug auf die konkret beanstandeten Punkte versprochen hat. Zu diesen zählen aber die Rücksendekosten nicht.

Der Unterlassungsvertrag ist nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen (BGH GRUR 1997, 931, 932 – Sekundenschnell). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unterlassungsschuldner durch die Unterwerfungserklärung eine Wiederholungsgefahr beseitigen will. Zwar steht es den Parteien frei, auch losgelöst von der konkreten Verletzungsform deren Kern zu umschreiben bzw. auch darüber hinausgehende Verpflichtungen einzugehen. Ein Unterlassungsvertrag kann aber gleichwohl nicht völlig losgelöst von seiner Entstehungsgeschichte ausgelegt werden (Senat, Urteil vom 01. September 2009 – I-20 U 220/08, –, Rn. 14, juris). Hier hat die Klägerin mehrere Beanstandungen zur Veranlassung genommen, von dem Beklagten zunächst eine sehr allgemein gehaltene Unterwerfung zu verlangen, nämlich „es zu unterlassen, … den Verbraucher fehlerhaft über sein Widerrufsrecht gemäß den Artikeln 246 III und 246a § 1 II EGBGB i.V.m. §§ 312g, 355, 356 und 357 BGB zu belehren“, wobei die konkreten Beanstandungen lediglich beispielhaft mit „insbesondere“ angeschlossen wurden. Ein derartiges Versprechen hat der Beklagte indes nicht abgegeben. Sein Versprechen ging vielmehr dahin, es zu unterlassen „Verbraucher fehlerhaft über ihr Widerrufsrecht zu belehren, indem [er] sie nicht vollständig aufklärt über die Voraussetzung einer eindeutigen Erklärung über die Ausübung des Widerrufs, über die Voraussetzungen des Fristbeginns der Widerrufsfrist, die Verpflichtung des Unternehmers zur Rückzahlung der Lieferkosten (Hinsendekosten), über die Umstände zur Rückzahlung des Unternehmers nach spätestens 14 Tagen, die Umstände- über die Wahl des Zahlungsmittels und die Umstände über die Verweigerungsmöglichkeit der Rückzahlung durch den Unternehmer.“ Damit aber hat er klar zu erkennen gegeben, dass er für die Richtigkeit seiner Widerrufsbelehrung nur in Bezug auf die genannten Punkte und nicht in jeglicher Hinsicht einstehen will. Dies ist im Übrigen auch ausreichend gewesen – auch wenn es hierauf nicht ankommt – um die Wiederholungsgefahr auszuräumen, denn es beschränkt sich nicht auf die konkrete Verletzungsform, sondern umschreibt den Kern der abgemahnten Verletzungshandlung zutreffend. Dieser besteht nämlich nicht in einer unrichtigen Belehrung, sondern in einer hinsichtlich konkreter Informationspflichten unrichtigen Belehrung. Angesichts der Vielzahl bislang höchstrichterlich nicht geklärter Zweifelsfragen zu den Einzelheiten einer ordnungsgemäßen Belehrung, liegt die Annahme fern, der Beklagte habe eine in jeder Hinsicht zutreffende Widerrufsbelehrung versprechen wollen, und das ohne inhaltlich festzulegen, wie eine solche denn zu fassen ist (so schon Senat, Urt. v. 31.03.2009, I-20 U 141/07 sowie Senat, Urteil vom 01. September 2009 – I-20 U 220/08–, Rn. 15, juris). Hier ergibt sich der Wille zur Beschränkung zudem auch schon eindeutig daraus, dass der Beklagte die zunächst geforderte allgemein gehaltene Erklärung nicht abgegeben hat.



Gerade die Belehrung über die Rücksendekosten, die mit der Abmahnung vom 31.8.2014 beanstandet wurde, ist aber nicht Gegenstand dieses Unterlassungsversprechens, weshalb schon deshalb keine Vertragsstrafe verwirkt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es liegt insbesondere keine Divergenz zu der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (WRP 2013, 934) vor. Zum einen handelt es sich dabei um einen bloßen Hinweisbeschluss, nicht um eine der Rechtskraft fähige Entscheidung, der im Übrigen die oben angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unberücksichtigt lässt. Eine Divergenz liegt aber schon deshalb nicht vor, weil ausweislich der Ausführungen in Rn. 10 das Oberlandesgericht Celle die Frage ausdrücklich offen gelassen hat.

Streitwert: 5.795,20 €

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