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Landgericht Köln Urteil vom 04.03.2015 - 84 O 205/14 - Eingabe eines geschützten Zeichens in der Suchfunktion einer Internet-Handelsplattform

LG Köln v. 04.03.2015: Kennzeichnungsverletzung durch Suchergebnisse nach Eingabe eines geschützten Zeichens in der Suchfunktion einer Internet-Handelsplattform


Das Landgericht Köln (Urteil vom 04.03.2015 - 84 O 205/14) hat entschieden:

   Eine Kennzeichnungsverletzung kann vorliegen, wenn der Kunde nach Eingabe eines geschützten Zeichens in die Suchfunktion einer Internet-Handelsplattform auf eine durch einen Algorithmus generierte Ergebnisliste geführt wird, in der nur Produkte von Mitbewerbern ohne eindeutigen Hinweis darauf gezeigt werden, dass es sich dabei nicht um Produkte des Zeicheninhabers handelt.



Siehe auch Amazon und Störerhaftung durch Suchmaschinenbetreiber


Tatbestand:


Die Antragstellerin vertreibt unter der geschäftlichen Bezeichnung "..." Büro- und Gamingstühle in Form von Auto-​Sport/Rennsitzen. Auf die Internetauszüge (Anlage Ast. 1) wird Bezug genommen. Die Antragstellerin ist Inhaberin der Wortmarken "..." und "...", eingetragen als EU-​Marken ... und ..., beide eingetragen unter anderem für Möbel. Wegen der Einzelheiten nimmt die Kammer auf die als Anlagen Ast. 2 und Ast. 3 vorgelegten Markenunterlagen Bezug.

Die Antragsgegnerin ist Betreiberin des bekannten Onlineshop "amazon.de", auf der eigene Waren sowie im Marketplace Waren von Drittanbietern angeboten und abgewickelt werden.

Die Antragstellerin vertreibt ihre Stühle nicht über amazon.de.

Bei Eingabe der Bezeichnung "..." in der Suchfunktion auf der Webseite ... de werden diverse Angebote von Büro/Racingstühlen von Drittanbietern gelistet, u.a. erfolgt ein Angebot "HJH OFFICE 625300 Racing Gaming Chair Sportsitz Monaco, schwarz-​weiß von HJH Office". Wegen der Einzelheiten und der konkreten Ausgestaltung verweist die Kammer auf Anlage Ast. 10.

Bei Eingabe der Wörter "need for seat" in der Suchfunktion auf der Webseite ... de werden diverse Angebote von Büro/Racingstühlen von Drittanbietern gelistet, u.a. erfolgt ein Angebot "Nucieus Series Work Chair, Black ilira-​stretch M4 Back, Clover Seat von Hon". Wegen der Einzelheiten und der konkreten Ausgestaltung verweist die Kammer auf Anlage Ast. 11.

Die Antragstellerin meint, die Antragsgegnerin verletze mit den beschrieben Angeboten von Stühlen ihre Rechte an der Gemeinschaftsmarke "..." und ihrer geschäftlichen Bezeichnung "..." . Hilfsweise stelle sich das Angebot als Verletzung ihrer Marke "..." dar und begründe - weiter hilfsweise - einen Wettbewerbsverstoß wegen Irreführung der Kunden über die Herkunft der angebotenen Stühle. Die Antragsgegnerin sei als Betreiberin der Website amazon.de verantwortlich für die Rechtsverstöße im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Angeboten der Bürostühle.

Am 16.09.2014 hat die Antragstellerin bei der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln die nachstehend wiedergegebene einstweilige Verfügung erwirkt:

   LANDGERICHT KÖLN

BESCHLUSS

(einstweilige Verfügung)

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

...

Antragstellerin,

Verfahrensbevollmächtigte: ...

gegen

...

Antragsgegnerin,

hat die Antragstellerin die Voraussetzungen für die nachstehende einstweilige Verfügung glaubhaft gemacht durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung sowie weiterer Unterlagen.

Die vorgerichtliche Korrespondenz hat vorgelegen.

Auf Antrag der Antragstellerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, folgendes angeordnet:

  1.  Die Antragsgegnerin hat es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen,

   in der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr







  2.  Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

Die Verfügungsansprüche folgen aus den Art.9 Abs. 1 a GMV, §§ 15 MarkenG, 3, 5, 8 UWG.

Die Antragstellerin hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die im Tenor zu Ziffer I, 1 und 2) wiedergegebene Werbung der Antragsgegnerin ihre Markenrechte verletzt und die im Tenor zu Ziffer I, 3) wiedergegebene Werbung irreführend ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Streitwert: 225.000,-​- €

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss kann Widerspruch eingelegt werden.

Dieser ist bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich durch einen zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen und soll begründet werden.

Köln, den 16. September 2014
Landgericht, 33. Zivilkammer
...
...
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Gegen Ziffern I. 1. und I. 2. sowie Ziffer II. hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt. Nach antragsgemäßer Verweisung an die erkennende Kammer beantragt die Antragstellerin nunmehr,

   die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

   die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 16.09.2014 (33 O 200/14) hinsichtlich Ziffern I. 1. und I. 2, sowie Ziffer II, aufzuheben und insoweit den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor, eine Kennzeichenverletzung liege nicht vor. Sie, die Antragsgegnerin, benutze die Kennzeichen der Antragstellerin nicht. Darüber hinaus bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die Suchergebnisse seien nicht durch hinterlegte Keywords, Metatags oder vordefinierten Suchbegriffe herbeigeführt worden, sondern Ergebnis eines Algorithmus. Der Suchalgorithmus berücksichtige unter anderem vorangegangenes Nutzerverhalten. Es würden demnach nicht nur Treffer zu der Suche angezeigt, die den gesuchten Begriff enthielten, sondern auch solche, die den Nutzer ebenfalls interessieren könnten. Die nach der Eingabe von "..." und "..." aufgelisteten Stühle seien als solche auch als Produkte anderer Hersteller identifizierbar. Dies folge allein aus dem Hinweis nach der Produktüberschrift "von..." Den Kunden des Online-​Shops sei auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis, dass die Suche nach einem bestimmten Produkt keine Treffer erzielt habe, bekannt, dass statt dessen Alternativen anderer Hersteller angeboten würden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie den sonstigen Akteninhalt verwiesen.





Entscheidungsgründe:


Die Beschlussverfügung der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 16.09.2014 (33 O 200/14) war zu Ziffern I. 1., I. 2. und II. zu bestätigen, weil sich ihr Erlass auch nach dem weiteren Vorbringen der Parteien gerechtfertigt erweist.

Das Suchergebnis auf der Webseite amazon.de nach Eingabe der Suchbegriffe "..." und "...", wie es sich aus der im Tenor der einstweiligen Verfügung wiedergegebenen konkreten Verletzungsform ergibt, verletzt die Rechte der Antragstellerin an der Gemeinschaftswortmarke "..." sowie an der geschäftliche Bezeichnung der Antragstellerin "..." und begründet mithin Unterlassungsansprüche aus Art. 9 Abs. 1 a GMV, §§ 15 Abs. 2, Abs. 4 MarkenG.

Dass der Antragstellerin entsprechende Kennzeichenrechte an der Gemeinschaftsmarke und ihrer geschäftlichen Bezeichnung zustehen, steht zwischen den Parteien nicht im Streit, so dass sich weitere Ausführungen erübrigen (zur Schutzfähigkeit der geschäftlichen Bezeichnung "..." (vgl. Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26.11.2013 - 33 O 149/13).




Eine Kennzeichenverletzung liegt auch nach Auffassung der erkennenden Kammer vor. Die Kammer schließt sich ausdrücklich der Auffassung der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln an, die in ihrem Urteil vom 26.11.2013 im Hinblick auf den damals allein streitgegenständlichen Suchbegriff "..." ausgeführt hat:

   "Die geschäftliche Bezeichnung "..." wurde auf der Webseite ... de auch in einer Weise genutzt, die dazu geeignet ist, Verwechslungen mit der entsprechenden Bezeichnung der Antragstellerin hervorzurufen. Dabei kommt nicht auf die streitige Frage an, wie das streitgegenständliche Suchergebnis technisch im Detail zustande gekommen ist und ob im vorliegenden Fall keine Keywords, Metatags oder vordefinierten Suchbegriffe zu dem Suchergebnis geführt haben. Denn das Suchergebnis nach Eingabe der Bezeichnung "..." beruht jedenfalls auf einem nach dem Vortrag der Antragsgegnerin entwickelten Algorithmus eines Unternehmens der ...-​Gruppe. Dieser Algorithmus führt dazu, dass der Kunde nach Eingabe des Suchworts "..." auf die streitgegenständliche Ergebnisliste geführt wird. Unter Heranziehung der Maßstäbe, die die Rechtsprechung für die Verwendung von Metatags aufgestellt hat (BGH NJW 2007, 292 - Impuls), ist zur Annahme einer Verwechslungsgefahr allerdings erforderlich, dass die konkrete Ausgestaltung der Anzeigen/ des Angebots in der Ergebnisliste so gestaltet ist, dass der Nutzer die angebotenen Produkte mit dem Unternehmen der Antragstellerin in Verbindung bringt (ähnlich OLG Frankfurt aM, Beschluss v. 03.03.2009, 6 W 29/09, abrufbar unter beck-​online.de). Dies ist bei der streitgegenständlichen Trefferliste im Ergebnis der Fall.

In der konkreten Ausgestaltung ist zunächst zwar zu Gunsten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, dass das Kennzeichen "..." oder "..." selbst nicht der Ergebnisliste auftaucht. Des weiteren erfolgt die Angabe "von ... " und "von HSH Office". Anders als die Antragsgegnerin meint, folgt hieraus aber nicht eindeutig, dass die angebotenen Stühle allesamt nicht von der Antragstellerin, sondern von anderen Herstellern stammen. Der bloße Hinweis "von..." kann von den angesprochenen Kunden, zu denen auch die erkennende Kammer zählt, sowohl als Hinweis auf den Hersteller, als auch auf den Verkäufer verstanden werden und ist insoweit mehrdeutig. ... Wenn daher am Anfang des Suchergebnisses kein Hinweis wie etwa "Die Suche nach "..."ergab keinen Produkttreffer. Folgende Angebote könnten Sie dennoch interessieren: ..." erfolgt, bedarf es jedenfalls im Rahmen der jeweiligen Trefferliste eindeutiger Hinweise, dass es sich jeweils um einen Stuhl einen anderen Herstellers als der gesuchten Antragstellerin handelt. Diesen Anforderungen genügt jedenfalls das erste Angebot in der Trefferliste "Racing Bürostuhl Sportsitz Drehstuhl Chefsessel "Silverstone" schwarz/silbergrau, Rückenlehne verstellbar, bis..." nicht. ... Der Kunde, der einen Stuhl der Antragstellerin sucht, kann demnach davon ausgehen, dass es sich bei dem Angebot "Silverstone" ebenfalls um ein Produkt der Antragstellerin, verkauft durch den Verkäufer "Maxstore", handelt.

Die Antragsgegnerin kann auch nicht damit gehört werden, dass der Verbraucher weiß, dass Amazon ein "Onlinekaufhaus" mit Produkten diverser Hersteller ist. Der Antragsgegnerin bleibt es - wie den Verkäufern in einem herkömmlichen Kaufhaus - unbenommen, dem Kunden Alternativen zu dem angefragten Hersteller aufzuzeigen, so lange sich aus dem Suchergebnis ergibt, dass es sich nicht um den angefragten Hersteller handelt.

Dem Anspruch der Antragstellerin kann des weiteren auch nicht entgegengehalten werden, dass die Suchanfrage "needforseat" nicht als Herstellerbezeichnung sondern als nicht unterscheidungskräftige Bedarfsanzeige des Kunden für einen Stuhl erfolge und die Verwendung des Zeichens gem. § 23 Nr. 2 MarkenG nicht untersagt werden könne. Es ist lebensfremd, dass die Nutzer der deutschen Seite amazon de auf der Suche nach einem Büro/Gamingstuhl eines beliebigen Herstellers nicht nahe liegende allgemeine Beschreibungen wie "Gamingstuhl", "Sportsitz", "Rennstuhl" "Racing Bürostuhl" etc. verwenden, sondern das Wort "needforseat".

Die Antragsgegnerin haftet zuletzt auch für die Verletzung der geschäftlichen Bezeichnung der Antragstellerin als Störerin. ..."



Ergänzend sei lediglich Folgendes ausgeführt:

Das von der Antragsgegnerin vorgelegte Gutachten der ... (Anlage RS 4) zur Verbrauchererwartung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Diese betrifft einen anderen Sachverhalt. Die Suchergebnisse, die den Probanden vorgehalten wurden, enthielten Treffer sowohl zu der gesuchten Marke (Bodum) als auch zu Produkten von Mitbewerbern. Es mag sein, dass wesentliche Teile des Verkehrs bei dieser Fallgestaltung die Treffer, die nicht mit der Marke Bodum gekennzeichnet sind, den Konkurrenzprodukten zuordnen, eben weil diese im Gegensatz zu den Bodum- Produkten nicht mit der Marke Bodum gekennzeichnet sind. Im hier vorliegenden Fall, in dem ausschließlich Konkurrenzprodukte angezeigt werden, ist dem Verkehr eine entsprechende Differenzierung jedoch versperrt. Da die Suche des Nutzers ausweislich der Suchergebnisse (vermeintlich) erfolgreich war (16 Ergebnisse für "...", 659 Ergebnisse für "...", vgl. Anlagen Ast. 10 und Ast.11) wird der Nutzer die angebotenen Produkte mit dem Unternehmen der Antragstellerin in Verbindung bringen.

Ob die einzelnen Worte "need", "for" und "seat" jeweils Bestandteil der Produktbeschreibung des "Nucleus Series Work Cair" sind und dies der Grund für die Anzeige in der Trefferansicht ist, kann dahin stehen.

Zum einen wird der zusammenhängende Begriff "need for seat" unter "Verwandte Suchbegriffe" angezeigt (vgl. Anlage Ast. 10), was nur bedeuten kann, dass der Suchalgorithmus diesen zusammenhängenden Begriff "kennt". Zum anderen dürfte es der Antragsgegnerin möglich sein, den Suchalgorithmus so zu programmieren, dass kein Treffer für "need for seat" angezeigt wird, wenn sich diese drei Wörter einzeln irgendwo in der Produktbeschreibung befinden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus Sinn und Zweck der einstweiligen Verfügung.

Streitwert für das Widerspruchsverfahren: 150.000,-​- EUR

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