Landgericht Berlin Beschluss vom 15.07.1997 - 538 Qs 52/97 - Mitführen eines an die Fahrzeugstromversorgung angeschlossenen empfangsbereiten Radarwarngeräts
LG Berlin v. 15.07.1997: Mitführen eines an die Fahrzeugstromversorgung angeschlossenen empfangsbereiten Radarwarngeräts
Dem Beschuldigten wird vorgeworfen. das Radarwarngerät Super Weidebach Laser Plus in seinem Kfz am 21. 1. 1997 in Berlin an die Fahrzeugstromversorgung angeschlossen empfangsbereit mit sich geführt zu haben. Auf den Widerspruch des Beschuldigten gegen die Beschlagnahme des Gerätes durch die Polizei bestätigte das AG Tiergarten durch den angefochtenen Beschluß die Beschlagnahme gemäß § 98 Abs. 2 StPO.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschuldigten vom 29.4 1997 ist begründet.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten ist nicht nach § 95 i.V.m. § 86 Telekommunikationsgesetz (TKG) strafbar. Die Strafvorschriften des Fernmeldeanlagengesetzes a. F. (FAG) sind aufgehoben.
Nach Auffassung des Generalstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft 1 bei dem LG Berlin ist die Benutzung nicht zugelassener Radarwarngeräte nach § 95 TKG strafbar. Die von einem Radarwarngerät empfangenen Signale seien ,,Nachrichten" im Sinne der Norm. Zwar werde der Begriff der ,,Nachricht" im TKG nicht definiert. Die vom BGH in seiner Entscheidung vom 11.12. 1980 (BGHSt 30, 15ff.) vertretene Auslegung des Nachrichtenbegriffs zum FAG a. E sei jedoch auf § 95 TKG zu übertragen. Nach der Entscheidung des BGH sei der Empfang funktechnisch erzeugter elektrischer Schwingungen dann Empfang von Nachrichten im Sinne des FAG, wenn durch die Reflexion der Strahlen der Empfänger Kenntnis über das Vorhandensein von Gegenständen, über Entfernungen usw. erhalte (BGHSt a. a. 0., S. 20). Der Begriff einer ,,Nachricht" sei nicht in dem Sinne eingeschränkt auszulegen, daß diese von einem Absender ausgehen müsse, der einen Empfänger über etwas bestimmtes in Kenntnis setzen wolle.
Das Bundesministerium für Post- und Telekommunikation vertritt dagegen die Auffassung, aufgrund der Liberalisierung der Telekommunikation durch das TKG sei die Übertragbarkeit älterer Rechtsprechung auf die jetzigen Verhältnisse eingeschränkt. Der Betrieb von Radarwarngeräten sei nicht durch § 95 TKG unter Strafe gestellt. Eine Subsumtion unter diese Norm scheitere am Begriff der ,,Nachricht". Diese setze nämlich voraus, daß eine Information von einer Quelle in Form einer Telekommunikationsanlage ausgehe mit dem Ziel, von mindestens einer mit dieser Quelle nicht identischen Empfangsstelle aufgenommen zu werden. Nachrichten seien mithin an einen Mitteilungszweck gebunden.
Nach Auffassung der Kammer können die dargelegten unterschiedlichen Auffassungen zum Nachrichtenbegriff dahinstehen, da jedenfalls das Tatbestandsmerkmal des ,,Abhörens" in § 95 TKG nicht erfüllt ist. Die Strafvorschrift im TKG ist zumindest insoweit enger gefaßt als § 15 Abs. 1 FAG a.F., wo bereits das ,,Errichten oder Betreiben" einer entsprechenden Anlage unter Strafe gestellt war. Nach dem eigentlichen Wortverständnis ,,hört" jedoch nur derjenige etwas ,,ab", der einen inhaltlichen Vorgang - auch - inhaltlich wahrnimmt. Die bloße Informationserlangung durch das Benutzen eines Radarwarngeräts, ob ein Radargerät in Betrieb ist oder nicht, fällt nicht in diesen Bereich. Der Gesetzgeber hat den Begriff des ,,Abhörens' in § 201 Abs. 2 Nr.1 StGB verwendet. Geschütztes Rechtsgut ist dort die menschliche - inhaltliche - Kommunikation (vgl. Tröndle. StGB, 48. Aufl., Rdnr. 2 zu § 201 StGB). Die Kammer sieht keine zwingenden Gründe dafür, daß der Begriff des ,,Abhörens in § 95 TKG nach dem Willen des Gesetzgebers abweichend von § 201 StGB auszulegen wäre. Die Funktion eines Radarwarngeräts erschöpft sich nämlich darin festzustellen. ob ein in der Nähe befindliches Radargerät in Betrieb ist oder nicht, ohne daß schützenswerte inhaltliche Komponenten eine Rolle spielen.
Geht man allerdings im Interesse öffentlicher Sicherheit von einem Sanktionsbedürfnis im Hinblick auf das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten aus - wozu die Kammer neigt -, wäre dieses vom Gesetzgeber deutlich zu machen.“