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OLG Jena Urteil vom 08.07.2009 - 2 U 983/08 - Irreführende Werbung durch Nennung eines unzutreffenden Gründungsjahres

OLG Jena v. 08.07.2009: Irreführende Werbung durch Nennung eines unzutreffenden Gründungsjahres einer Porzellanmanufaktur


Das OLG Jena (Urteil vom 08.07.2009 - 2 U 983/08) hat entschieden:
  1. Unter einem Gründungsjahr versteht der verständige Durchschnittsverbraucher im Falle einer Porzellanmanufaktur dasjenige Datum, in dem das Unternehmen tatsächlich in der Lage war, in der zusammen mit der Jahreszahl genutzten Manufaktur Porzellan herzustellen. Der Verkehr erwartet jedenfalls bei der Nennung des Gründungsdatums, dass es eine Produktion von Porzellan in einem solchen Umfang und in einer solchen Qualität gegeben hat, dass nicht mehr nur von einem Experimentierstadium in Bezug auf die Herstellung und Produktion von Porzellan gesprochen werden kann

  2. Die Angabe des Gründungsjahres einer Porzellanmanufaktur ist irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG, wenn sich nicht sicher belegen und aufklären lässt, dass bereit zu diesem Zeitpunkt mit der Herstellung von Porzellan begonnen wurde. Die Beweislast trifft insoweit den Inhaber des Unternehmens, wenn er ein zumindest seit etwa 100 Jahren eingeführtes und bislang bei Jubiläen entsprechend gepflegtes Gründungsdatum erst in den Jahren 2005 und 2006 änderte.



Siehe auch Verschiedene Werbeaussagen und Einzelfälle unerlaubter und wettbewerbswidriger Werbung


Gründe:

I.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Herstellung von künstlerisch wertvollem Porzellan. Die Klägerin macht wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz geltend.

Die Beklagte warb als "Aelteste Volkstedter Porzellanmanufakur" seit einem im Einzelnen nicht bekannten Zeitpunkt, spätestens seit Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Jahreszahl 1762 in ihrer Manufakturbezeichnung und auf der Bodenmarke der Porzellanwaren. Dies entspricht dem Jahr, in dem in Volkstedt eine "Societät" zur Porzellanherstellung gegründet und ein Gut als Produktionsstätte erworben wurde. Sie hat jedenfalls im Jahre 2007, im Zusammenhang mit der Eröffnung einer "Gläsernen Manufaktur" in Rudolstadt, gegenüber einer breiten Öffentlichkeit die Jahreszahlangabe auf 1760 geändert. Dies entspricht dem Jahr, in dem der Nacherfinder des Porzellans in Thüringen, Georg Heinrich Macheleid, in Sitzendorf ein fürstliches Privileg zur Porzellanherstellung erhielt. Die Klägerin hält die Änderung der Angabe zum Gründungsjahr für irreführend. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Die Anfänge einer möglichen Manufaktur des Nacherfinders des Porzellans in Thüringen, Georg Heinrich Macheleid, in Sitzendorf liegen jedoch im Dunkeln. Andere Porzellanmanufakturen des 18. Jahrhunderts haben zwar durchweg einige Jahre nach ihrer Gründung eine nennenswerte Porzellanherstellung aufgenommen; bei ihnen steht das gewählte Gründungsjahr jedoch auch in einem Zusammenhang mit der Eröffnung einer Manufaktur (vgl. den als Anlage B 150 vorgelegten Aufsatz von Fritzsche in KERAMOS 2008, 3 ff.).

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Irreführung liege nicht vor. Von entscheidender Bedeutung in Bezug auf das Verbraucherverständnis sei die Einbringung des Wissens um die Porzellanherstellung durch Georg Heinrich Macheleid, an dessen Person die Produktionsmöglichkeit durch das 1760 erteilte fürstliche Privileg gebunden gewesen sei. Die Örtlichkeit Volkstedt habe demgegenüber keine besondere Bedeutung. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Gera vom 21.11.2008, Az. 2 HKO 244/07, abzuändern und
  1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit der Aussage zu werben oder werben zu lassen, die Aelteste Volkstedter Porzellanmanufaktur sei 1760 gegründet worden, dies insbesondere durch Verwendung des von der Jahreszahl 1762 auf die Jahreszahl 1760 veränderten Signets "Aelteste Volkstedter Porzellanmanufaktur", und durch schriftliche und mündliche Äußerungen derart, dass die Aelteste Volkstedter Porzellanmanufaktur bereits 1760 gegründet sei.

    sowie

  2. die Beklagte weiter zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen,
    1. in welchem Umfang Handlungen gemäß Ziff. 1 begangen wurden, unter Angabe der Auflage, des Verbreitungsgrades und Verbreitungsortes sowie der Werbeaufwendungen, aufgeschlüsselt nach Monaten seit der Eröffnung der gläsernen Manufaktur in Rudolstadt,

    2. welche Großkunden mit der in Ziff. 1 beanstandeten Werbung beworben wurden,

    3. in welchem Umfang mit welchen Gewinnmargen Produkte mit der Bodenmarke 1760 verkauft wurden, aufgeschlüsselt nach Monaten seit der Eröffnung der gläsernen Manufaktur in Rudolstadt am 29.06.2007.
und

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen gemäß Ziff. 1 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts.


II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 8 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG (= § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG aF.), weil die Angabe des Gründungsdatums "1760" für die "Aelteste Volkstedter Porzellanmanufaktur" irreführend ist und diese Irreführung die erforderliche wettbewerbliche Relevanz besitzt. Auskunfts- und Feststellungsanspruch haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 9 UWG, 242 BGB, 256 ZPO. Allerdings ist der geltend gemachte Auskunftsanspruch teilweise zu weit gehend, so dass die Berufung insoweit zurückzuweisen war.

1. Die Werbung mit dem Gründungsdatum eines Unternehmens ist eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse des Unternehmens im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG, die beim Publikum den Eindruck von Solidität, Erfahrung und Wertschätzung vermitteln soll. Das gilt nicht nur in der Lebensmittel- oder Getränkebranche, insbesondere im Brauhandwerk, sondern auch, wie im vorliegenden Falle, im Bereich der Herstellung von künstlerisch wertvollem Porzellan, weil das Publikum den Erzeugnissen aus älteren Manufakturen erfahrungsgemäß besondere Wertschätzung entgegenbringt. Deshalb werben auch nahezu alle älteren Manufakturen zumindest in Werbeschriften mit ihrem Gründungsdatum. Wird mit dem Gründungsjahr geworben, so ist dies dann nicht irreführend, wenn das angegebene Gründungsdatum zutreffend ist und seit dem genannten Datum eine ausreichende Kontinuität der Unternehmensführung vorliegt (so zum Beispiel im Fall OLG Dresden GRUR 1998, 171). Umgekehrt ist die Werbeangabe irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG, wenn ein unzutreffendes Gründungsjahr benannt wird und bzw. oder die erforderliche Unternehmenskontinuität nicht besteht.

Vorliegend benennt die Beklagte für die "Aelteste Volkstedter" mit dem Jahr 1760 nicht das zutreffende Gründungsdatum dieser Manufaktur. Jedenfalls hat sie nicht darlegen und beweisen können, dass eine (Volkstedter) Porzellanmanufaktur bereits seit dem Jahre 1760 mit der Porzellanherstellung befasst ist.

2. Eine Irreführung ist anhand des Verständnisses der relevanten Durchschnittsverbraucher, also der durchschnittlich informierten und verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher, von der geschäftlichen Angabe zu beurteilen (BGH GRUR 2000, 619, 621 – Orient-​Teppichmuster). Dabei hat bereits das Landgericht richtig herausgestellt, dass das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers vom Gericht selbst beurteilt werden kann, wenn und soweit es den entsprechenden Verbraucherkreisen angehört. Auch wenn Porzellanfiguren teilweise teure Sammlerstücke sind, so richtet sich die Werbung einer Porzellanmanufaktur mit dem Gründungsjahr, also auch die Angabe der Beklagten, nicht nur an ein besonderes Fachpublikum, sondern gerade auch an die Allgemeinheit. Dieses Verständnis kann der Senat, wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, aufgrund des eigenen Erfahrungswissens (BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft) selbst beurteilen. Dies gilt vorliegend auch für den Fall, dass das Verkehrsverständnis nicht einheitlich sein sollte, sondern unterschiedliche Auffassungen von der Bedeutung des Gründungsjahres bestehen, solange Verbraucher jedenfalls in einem erheblichen Teil irregeführt werden können (BGH GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung; zu mehrdeutigen Angaben vgl. auch BGH GRUR 1992, 66, 67 - Königl. - Bayerische Weisse). Denn insoweit haben beide Parteien, insbesondere auch die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.06.2009  nach entsprechenden Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung die Einholung eines Meinungsforschungsgutachtens für entbehrlich gehalten, entsprechende Beweisanträge im Berufungsverfahren ausdrücklich nicht wiederholt und auf das Erfahrungswissen des erkennenden Gerichts Bezug genommen.  Überdies war dem Sachvortrag im Schriftsatz der Beklagten vom 22.04.2008 schon nicht zu entnehmen, dass sie behaupten will, einem von ihrer Auffassung abweichenden Verkehrsverständnis, das eine Irreführung zur Folge hat, unterlägen lediglich 15 – 20 % der angesprochenen Kaufinteressenten für künstlerisch wertvolles Porzellan.

a) Wenn bei der Werbung für eine Porzellanmanufaktur eine Jahreszahl angegeben ist, versteht der Durchschnittsverbraucher darunter zunächst ganz allgemein, dass das Gründungsjahr der genannten Manufaktur angegeben wird. Hierüber besteht zwischen den Parteien auch kein Streit.

Unter einem Gründungsjahr versteht der verständige Durchschnittsverbraucher im Falle einer Porzellanmanufaktur dasjenige Datum, in dem das Unternehmen tatsächlich in der Lage war, in der zusammen mit der Jahreszahl genannten Manufaktur Porzellan herzustellen. Mit der Nennung des Gründungsdatums einer Manufaktur verbindet der Verbraucher dabei nicht nur die Vorstellung, in diesem Jahre sei von einem bestimmten Wissensträger eine Erfindung getätigt worden bzw. habe dieser "Erfinder" ein fürstliches Privileg verliehen bekommen. Das Privileg (vgl. zu seiner Bedeutung auch Osterrieth, PatG, Rn. 25) hatte zwar wesentliche Bedeutung im Hinblick auf ein "rechtliches Dürfen" bezüglich der Porzellanherstellung in einem bestimmten Wirtschaftsraum, weil es eine Art gewerberechtliche Erlaubnis darstellte und dem Inhaber eine Monopolstellung verschaffte. Das "rechtliche Dürfen" und das Bestehen einer "Produktionsmöglichkeit" allein begründen aber noch keine Verbrauchererwartung in die Tradition. Dies setzt weiter voraus, dass die im Zusammenhang mit der Jahreszahl genannte Manufaktur auch tatsächlich (wirtschaftlich) tätig wurde, das heißt in einer der genannten Manufaktur zuzuordnenden Betriebsstätte Porzellan hergestellt wurde.

Insoweit unterscheidet sich die Verbrauchererwartung auch von den berechtigten wissenschaftlichen Interessen von Historikern, geschichtliche Vorgänge zu belegen. Die Verbrauchererwartung knüpft bei der Alterswerbung vielmehr allein an eine handwerkliche Tradition an, die neben der Erfindung voraussetzt, dass das Handwerk in dem beworbenen Betrieb seit dem genannten Gründungsjahr auch tatsächlich ausgeübt und seither basierend auf dieser Tradition überliefert und ständig fortentwickelt wurde, eben weil die Manufaktur nicht nur rechtlich befugt, sondern auch tatsächlich dazu in der Lage war. Deshalb erwartet der Verkehr bei der Nennung des Gründungsdatums, dass es zu dem als Gründungsjahr benannten Zeitpunkt bereits eine der genannten Manufaktur zuzuordnende wirtschaftliche Tätigkeit, also eine Produktion von Porzellan gegeben hat. Ob dies bereits das Erstellen einer kleinen Serie voraussetzt oder lediglich die Herstellung einzelner verkäuflicher Stücke, kann der Senat unentschieden lassen. Jedenfalls erwartet der Verkehr insoweit, dass es eine Produktion von Porzellan in einem solchen Umfang und in einer solchen Qualität gegeben hat, dass nicht mehr nur von einem Experimentierstadium in Bezug auf die Herstellung und Produktion von Porzellan gesprochen werden kann. Außerdem erwartet der Verbraucher auch von einer gegründeten Manufaktur, gewisse "essentialia" einer Kleinunternehmung, wie z.B. eine ausreichende Betriebsstätte sowie eine Ausstattung mit Betriebs- und Finanzmitteln, die eine wirtschaftliche Tätigkeit überhaupt erst ermöglichen können. Nur dieses Verständnis wird den Maßstäben gerecht, die das Publikum mit der Alters- bzw. Traditionswerbung in Verbindung bringt. Denn es geht dem Verbraucher insoweit gerade darum, dass eine ausreichende Erfahrung bei der Herstellung der Kunstgegenständen aus Porzellan vorhanden ist, die heute noch einen Kaufanreiz darstellt, etwa weil auf alte Formen oder gestalterische Besonderheiten zurückgegriffen werden kann. Eine solche Erfahrung wird aber erst durch eine beginnende Produktion begründet und nicht bereits durch eine Erfindung im Experimentierstadium (Senat Magazindienst 2008, 939).

Die Ausführungen des Landgerichts und der Vortrag der Beklagten geben dem Senat keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Zwar werden zutreffend die Bedeutung der Nacherfindung des Porzellans in Thüringen durch Heinrich Macheleid und die Erteilung des fürstlichen Privilegs hervorgehoben. Die Argumentation greift jedoch nach Auffassung des Senats zu kurz, wenn allein die unabdingbare Nacherfindung und die Erteilung des fürstlichen Privilegs mit dem Gründungsakt der Manufaktur in Volkstedt gleichgesetzt werden. Auch wenn Wirtschaftsbetriebe nach ihrer Gründung eine "Gründungsphase" mit beschränkter wirtschaftlicher Bedeutung durchmachen mögen und dies gerade auch für ältere Betriebe z.B. des 18. Jahrhunderts gilt, so wird vom Verbraucher doch nicht erwartet, dass die Alterswerbung einer Porzellanmanufaktur sich auf einen Zeitraum bezieht, in dem das Produkt in der beworbenen Manufaktur noch gar nicht hergestellt werden konnte oder lediglich Probestücke gefertigt werden konnten. Vielmehr gründet die Verbrauchererwartung auch auf die tatsächliche Aufnahme der Herstellung von Porzellan in einer bestehenden Manufaktur.

b) Zusätzlich erwartet der relevante Durchschnittsverbraucher von der Jahreszahl 1760 im Zusammenhang mit der Unternehmensbezeichnung "Aelteste Volkstedter" auch, dass seit diesem Jahr eine Manufaktur in Volkstedt mit der Produktion von Porzellan begonnen hat. Jahres- und Ortsangabe stehen nämlich bei Porzellanmanufakturen in einem derartig engen Zusammenhang, dass der Verbraucher davon ausgeht, dass die Manufaktur seit dem genannten Datum an dem genannten Ort tätig ist, also im vorliegenden Falle die Volkstedter Porzellanmanufaktur ihre Betriebsstätte in Volkstedt hatte und hat, und nicht an einem anderen Ort (so auch in firmenrechtlichem Zusammenhang BayObLG NJW-​RR 1993, 103). Dabei kann es keine entscheidende Rolle spielen, dass die örtlichen Gegebenheiten dergestalt sind, dass z.B. die Orte Volkstedt und Sitzendorf gar nicht weit auseinander liegen. Denn in einem räumlich eng begrenzten Gebiet wie Thüringen und Franken, in dem viele verschiedene Porzellanmanufakturen auch mit ihrer Tradition um die Gunst der Verbraucher werben, können auch Orte, die nur wenige Kilometer voneinander entfernt liegen, unterschiedliche Traditionen begründen.

Die Bezeichnung "Aelteste Volkstedter" bezieht sich nach dem relevanten Verbraucherverständnis nicht nur auf eine rein firmenmäßige Bezeichnung einer bestimmten Porzellanmanufaktur, deren Gründungsort ein anderer gewesen sein könnte. Dies folgt auch nicht aus dem Umstand, dass sich die Firmenbezeichnung "Aelteste Volkstedter" erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausgebildet hat, als es zu mehrfachen Neugründungen von Porzellanmanufakturen am Ort Volkstedt gekommen war. Die Argumentation des Landgerichts, in Bezug auf die "Aelteste Volkstedter" würde der Produktionsstätte keine besondere Bedeutung beigemessen, überzeugt nicht. Wäre die Tradition allein auf die Person des Heinrich Macheleid bezogen, dann hätten die Rechtsvorgänger der Beklagten eine andere Manufakturbezeichnung (z.B. "Macheleid'sche") gewählt. So aber wird die Verbindung zu einem bestimmten Ort gerade deswegen gewählt, weil dort die Produktionsstätte errichtet wurde, losgelöst davon, ob an diesem Ort z.B. Rohstoffvorräte oder besonders geschulte Mitarbeiter vorhanden waren. Die Beklagte verwendet Gründungsdatum und Ortsangabe auch ohne Trennung und ohne Bezug auf eine möglicherweise an einem anderen Ort (hier: Sitzendorf) begründete Tradition. Die Auffassung des Landgerichts, die Jahreszahl 1760 finde wegen des Gründungsjahres ohne Bezug auf den Produktionsort Volkstedt Verwendung, ist schließlich auch gerade im Lichte des geschilderten Verbraucherverständnisses und der andernorts geübten Praxis (vgl. dazu beispielhaft nachfolgend unter c) zu Fürstenberg) nicht überzeugend.

c) Dass das Verbraucherverständnis, wie es der Senat zugrunde legt, zutreffend ist, zeigt sich auch in der Praxis der Porzellanmanufakturen und spiegelt sich in Aufsätzen aus der Fachliteratur wieder: Privilegerteilung und Produktionsbeginn werden stets zumindest gleichrangig ermittelt und erwähnt; ohne den Beginn einer Porzellanherstellung wird von einer an einem bestimmten Ort gegründeten Manufaktur nicht gesprochen. Beispielhaft deutlich wird dies z.B. an der Meißener Porzellanmanufaktur: Johann Friedrich Böttger hatte allgemeinen Quellen zufolge die (Wieder-​)Erfindung des Porzellans bereits 1708 bewerkstelligt. Eine Privilegerteilung schied bei dem in Schutzhaft befindlichen Boettger aus. Da jedoch erst 1710 die entsprechende Porzellanmanufaktur als Betriebsstätte auf der Meißener Albrechtsburg gegründet wurde, gilt unbestritten 1710 als das Gründungsjahr der Meißener Manufaktur. Auch andere im 18. Jahrhundert entstandene und bis heute bestehende Manufakturen bezeichnen mit der Angabe ihres Gründungsdatums die Begründung einer Manufaktur zumindest auch im Sinne eines Produktionsbeginns und in einer bestimmten Produktionsstätte. Das gilt für Fürstenberg, weil der Herzog von Braunschweig im Jahre 1747 das herzogliche Schloss Fürstenberg zur Betriebsstätte der zuvor möglicherweise andernorts schon vorbereitend tätigen Manufaktur bestimmte. Teilweise fallen die Erteilung eines Privilegs und der Beginn der Herstellung von Porzellan in einer bestimmten Produktionsstätte auch zusammen (jeweils nach Fritzsche, Keramos 2008, 3 ff.): In Wien begann 1718 nach Privilegerteilung die Produktion im gräflich Kufsteinschen Hause mit zehn Arbeitern und einem Brennofen. In Höchst begann die Produktion 1746 im selben Jahre wie die Privilegerteilung nach Niederlegung eines Gesellschaftsvertrages. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Beginn der Porzellanherstellung in der Manufaktur des genannten Ortes von gleichrangiger Bedeutung ist.

d) Das Verkehrsverständnis vom Gründungsjahr einer Porzellanmanufaktur ist nicht mit dem allgemeinen Verständnis vom Gründungsjahr einer Universität oder einer Stadt vergleichbar. Bei Städten hat die erste urkundliche Erwähnung deshalb Bedeutung, weil klar ist, dass auch vor diesem Datum Menschen an diesen Orten zusammenlebten und deshalb kein anderer Anhaltspunkt als die Urkunde vorhanden ist. Bei Universitäten mag zwar der Lehrbetrieb bisweilen zu einem Zeitpunkt nach urkundlicher Festlegung der Gründung aufgenommen worden sein. Mit der Verbrauchererwartung in Bezug auf einen Handwerks- oder Wirtschaftsbetrieb ist die Gründung einer "staatlichen" Universität jedoch nicht zu vergleichen.

e) Selbst wenn nicht alle informierten Verbraucher das vom Senat für maßgeblich gehaltene Verständnis vom Gründungsjahr teilen, sondern einige besonders informierte, weil historisch gebildete Verbraucher allein auf einen urkundlich belegten Zeitpunkt in Form der Erteilung des Privilegs abstellen, so wird der erhebliche Teil der Verbraucher den Beginn der Porzellanherstellung in einem vorhandenen Betrieb an einem bestimmten Ort mit dem Gründungsdatum in Verbindung bringen, wie dies auch (vgl. oben unter c) der geübten Praxis der meisten alten Manufakturen entspricht. Das vom Senat zugrunde gelegte Verständnis teilen daher nicht etwa nur 15 – 20 % der Verbraucher, weil es das überwiegend praktizierte und nahe liegende Verständnis ist. Anknüpfungspunkt für das Verbraucherverständnis ist entgegen der Auffassung der Beklagten gerade nicht der Anspruch auf historische Genauigkeit, sondern die Bezugnahme auf eine besonders wertgeschätzte handwerkliche Tradition. Diese kann aber bei der weit überwiegenden Anzahl der Verbraucher ohne einen vorhandenen Produktionsbetrieb, insbesondere auch an dem Ort, der im Namen der Manufaktur genannt wird, nicht begründet werden.

3. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der weit überwiegenden Anzahl von Verbrauchern vom Gründungsjahr einer Porzellanmanufaktur im Allgemeinen und des Gründungsjahres einer "Volkstedter Porzellanmanufaktur" im Besonderen ist die Angabe des Gründungsjahres 1760 bei der "Aeltesten Volkstedter Porzellanmanufaktur" irreführend, weil sie nicht zutreffend ist. Jedenfalls hat die Beklagte die Richtigkeit auch nicht darlegen und beweisen können.

a) Anhand der vorgelegten historischen Quellen ist erst für das Jahr 1762 nachweisbar, dass am Ort Volkstedt eine Manufaktur gegründet und mit der Herstellung von Porzellan begonnen wurde. Zum einen ist für das Jahr 1762 belegt, dass bezüglich der "Porzellanfabrik" am 15. April tatsächlich ein Gesellschaftsvertrag ("Haupt-​Sozietätsvertrag") unter Einbeziehung des Fürsten geschlossen wurde, der zwar nicht mehr auffindbar ist, über dessen Zustandekommen und wesentliche Gesellschafterstruktur unter Beteiligung des Fürsten und des Verkäufers der Produktionsstätte aber kein Streit besteht (vgl. auch die Bezugnahme in der Anlage B 19 und bei Stieda, S. 9, Anlage B 2; Scherf, S. 38, Anlage B 9). Dass es 1760 bereits eine leistungsfähige "Gesellschaft" oder auch nur "Compagnie" gegeben hätte, die nicht nur aus Heinrich Georg Macheleid in Sitzendorf bestanden hätte, ist, obwohl der Begriff "Compagnie" im Privileg verwendet wird, nicht belegbar. Zum anderen ist im Mai 1762 von der Gesellschaft das Bergmannsche Gut in Volkstedt als Produktionsstätte erworben wurde (vgl. Anlage B 27). Auch ist erst ab diesem Zeitpunkt eine Finanzausstattung des Unternehmens sicher und nachweisbar (vgl. Stieda 1910, S. 10 Anlage B 2, aber auch Weiß, Anlage B 4, S. 304). Außerdem wurde erst ab dieser Zeit für eine zweckmäßige Organisation des Absatzes (in der Regel nach Erfurt) gesorgt. Die Fabrik ist erst nach ihrer "Verlegung" nach Volkstedt, also in die nähere Umgebung des Fürstenhofs, ("haben wir uns also die Fabrik nach Volkstedt verlegt zu denken", so die Ursprungsformulierung von Stieda, 1902, S. 33, Anlage B 1, die später vielfach übernommen wurde) "in die Höhe gekommen" und hat sich nachweisbar positiv entwickelt. Letztlich bestätigt dies auch die Landeskunde des Fürstentums aus dem Jahre 1862 (Anlage A 3, Bl. 377 des Verfügungsverfahrens Senat 2 U 906/07), die ausdrücklich von der Gründung einer Fabrik durch eine "Gewerkschaft, an deren Spitze der Landesfürst stand", spricht und die (bald darauf) 1000 Klafter Holz erhielt und deren technischer Leiter Macheleid gewesen sei. Auch Zufriedenheit mit den Porzellanprodukten äußernde Pro Memoria des Fürsten stammen erst aus einer Zeit ab Mitte 1762 (vgl. Anlagen B 23, 24). Die Volkstedter Manufaktur konnte erst in der Folge der Niederlegung des Sozietätsvertrags, der sich daraus ergebenden Finanzierungssicherheit und des Ankaufs der Betriebsstätte seit dem Jahre 1762 zu produzieren beginnen, selbst wenn der führende Kopf dieser Manufaktur Macheleid war, der schon zuvor mit Porzellan experimentierte und Probestücke vorlegte.

Dass es eine (funktionierende) Volkstedter Produktionsstätte bereits 1760 gegeben hätte, ist deshalb unzweifelhaft falsch. Die Quellen lassen auch nicht den Schluss zu, dass sich die Volkstedter Manufaktur aus dem von Macheleid in Sitzendorf begründeten Kleinst- oder Handbetrieb heraus entwickelt hat. Vielmehr wurde lediglich Macheleid als Person und Wissensträger (eine Macheleid'sche Gesellschaft hat es nachweislich 1760 noch nicht gegeben) in die Sozietät und die Manufaktur in Volkstedt integriert. Ohne Sozietät und Betriebsstätte hätte Macheleid allein in Volkstedt aber nicht wirken können. Selbst wenn eine zuvor bereits bestehende Macheleid'sche Fertigung in der erst 1762 gegründeten Sozietät und Manufaktur aufgegangen sein sollte, kann sich die Beklagte nicht auf eine 1760 gegründete Manufaktur in Volkstedt berufen, da sie, anders als historische Quellen es formulieren, nicht mit einer "Porcellainfabrique zu Volkstedt und Sitzendorf" wirbt (vgl. z.B. Stieda 1910, S. 10; Anlage B 2; sowie die Bestätigungen des Privilegs durch Fürst Ludwig Günther II. zu Schwarzburg, dort als Anlage B 19 Nr. 50 und 51). Soweit die Beklagte sich allein auf den Gründungsort Volkstedt bzw. eine in Volkstedt gegründete Porzellanmanufaktur bezieht, ist die Angabe des Gründungsjahres 1760 im Lichte des zugrunde zu legenden Verbraucherverständnisses also unzutreffend, ohne dass es auf Fragen der Darlegungs- und Beweislast ankäme.

Das Vorhandensein eines Brennofens in Sitzendorf, möglicherweise im Wohnhaus von Macheleid, hat im Lichte der Verbrauchererwartung, die das Gründungsdatum einer in Volkstedt angesiedelten Porzellanmanufaktur zuordnet, keine entscheidende Bedeutung.

b) Selbst wenn man aber - wie der Senat nicht - annehmen wollte, dass die aus Sitzendorf "verlegte" Fertigung Macheleids schon eine Tradition der Aeltesten Volkstedter Porzellanmanufaktur begründen konnte, wäre die Gründungsjahrangabe 1760 unzutreffend, weil die Beklagte nicht hat beweisen können, dass in Sitzendorf bereits 1760 eine über das bloße Experimentierstadium hinaus gehende Herstellung von Porzellan in einer Manufaktur stattgefunden hat.

aa) Dies ergibt sich aus den historischen Quellen nicht ausreichend sicher. Insoweit bleibt der Senat bei seiner Bewertung der Quellen, wie er sie bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren vorgenommen hat (Magazindienst 2008, 939). Andere und bessere Erkenntnisquellen oder Beweisangebote als die bereits im Verfügungsverfahren vorgelegten historischen Abhandlungen bieten auch die von der Beklagten im Hauptsacheverfahren vorgelegten bzw. vorgetragenen Quellen (Anlagen B 4 bis B 15) nicht. Insbesondere ist feststellbar, dass die zusätzlich vorgelegten jüngeren Quellen naturgemäß stets (lediglich) auf die älteren Quellen Bezug nehmen und Formulierungen übernehmen, ohne auf eigene Erkenntnisse zurückgreifen zu können. Auch soweit 1760 als das Gründungsdatum einer Manufaktur (oder "Fabrik") in Sitzendorf genannt wird, bleibt dies historisch unexakt und ist mit den vorhandenen Quellen nicht belegbar.

(1) Aus den wohl ausführlichsten Abhandlungen von Prof. Dr. Wilhelm Stieda (aus den Jahren 1902 und 1910, teilweise gleichlautend; vgl. Anlagen B 1 und B 2) ergibt sich (Seite 33 des Werkes von 1902), dass nach Erteilung des Privilegs unter dem 01.10.1760 durch den Fürsten und nach dem von Macheleid verfassten Dankesbrief vom 08.10.1760 die "Fabrik in Gang kam", ohne dass dies näher beschrieben wird. Unklar bleibt auch, was genau gemeint ist, wenn bei Prof. Dr. Stieda von einer "Fabrik" in Sitzendorf die Rede ist. Allein aus der Verwendung dieses Begriffes, der unzweifelhaft nicht mit dem heutigen Verständnis einer "Fabrik" gleichgesetzt werden kann, ergibt sich jedenfalls nicht, dass im Jahre 1760 (in Sitzendorf) eine nennenswerte Produktion stattgefunden hat, die über das Experimentierstadium hinausging. Denn selbst Prof. Dr. Stieda kann seine Formulierung, dass die Fabrik in Gang gekommen sei, lediglich damit begründen, dass im April 1761 zur Förderung der Sitzendorfer Porzellanfabrik 100 Klafter Holz bewilligt wurden. Stieda referiert in seiner Abhandlung außerdem aus einem erhalten gebliebenen Dokument Macheleids, dass dieser sich nach seinem Ausscheiden darauf berufen hat, er habe "bis Mitte 1762" Arbeiter ("Dreher und Mahler, Steinbrecher, 2 ordentliche, auch andere Daglöhner") bezahlt und sonstige Kosten getragen. Genaue Rückschlüsse auf den Umfang einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Jahre 1760, die über das Experimentierstadium hinausgehen, lassen sich aus diesen Angaben aber ebenfalls nicht ableiten.

(2) Graul/Kurzwelly sprechen demgegenüber in einer Abhandlung aus dem Jahre 1909 (vgl. Anlage B 3) davon, dass das "Fabrikunternehmen zunächst im bisherigen Wohnhaus von Macheleid in Sitzendorf installiert" gewesen sei. Näheres über Art und Umfang eines unternehmerischen Tätigwerdens ist nicht bekannt.

(3) In einer weiteren vorgelegten Quelle, dem Werk von Helmut Scherf aus dem Jahre 1980 bzw. 1985 (Anlage B 9) heißt es auf S. 18, dass die erste Manufaktur in Sitzendorf "sicher sehr bescheiden" gewesen sein müsse und weiter: "Es sei jedoch vermerkt, dass Macheleid bis zum Zeitpunkt der bald darauf erfolgten Verlegung der kleinen Fabrik und vielleicht auch noch später in seinem Sitzendorfer Handbetrieb sowie in der Greinerschen Glashütte in Glücksthal bei Limbach weiter laborierte. Seine Fabrikate müssen demzufolge zu dieser Zeit noch verbesserungsbedürftig gewesen sein." Dies belegt auch eine Pro Memoria des Fürsten vom 01.05.1762 (Anlage B 23), mit der dieser sich mit der Qualität des Porzellans auseinander setzte. Dass ein über das Experimentierstadium hinausgehender Produktionsbetrieb vorlag, kann dieser Quelle also nicht sicher entnommen werden.

(4) Nach den vorgelegten Quellen (z.B. Stieda 1902, Seite 33; Anlage B 1) bat Macheleid erst im April 1762 um einen Platz bei der Mankenbachschen Schmelzhütte, was urkundlich allerdings genauso wenig belegt ist wie die Gewährung dieser Bitte im Mai 1762 durch den Fürsten. Belegt ist demgegenüber, dass die 1762 gegründete Sozietät das so genannte Bergmannsche Gut erworben hat und dort eine Produktionsstätte eingerichtet wurde. Selbst wenn dabei im Unklaren bleibt, ob eine Produktion an beiden Standorten stattgefunden hat, so war dies vor 1762 jedenfalls nicht der Fall.

bb) Dass genügend Betriebsmittel für eine gewisse Produktion bereits im Jahre 1760 zur Verfügung (in Sitzendorf) standen, ist den zu Beweiszwecken vorgelegten Quellen nicht zu entnehmen.

(1) Die bereits erwähnte, von Stieda referierte Holzlieferung von 100 Klaftern betrifft erst das Jahr 1761 und wäre für einen Produktionsbetrieb im Jahre 1760 ohnehin irrelevant. Außerdem ist nicht glaubhaft gemacht, ob diese etwa 220 Festmetern entsprechende Menge ausreicht, eine Produktion zumindest in einem gewissen Umfange zu gewährleisten. Immerhin waren im Jahre 1766 bereits 400 Klafter Holz bestimmt worden (Stieda, 1902, Seite 34, Anlage B 1). Soweit sich aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Hort Fleischer ergibt, dass Macheleid auch bereits am 24.11.1760 36 Klafter Weichholz "zugepostet" worden seien, ergibt sich auch daraus nichts Belastbares über Art und Umfang einer Unternehmung bzw. einer Produktion, zumal zum Zeitpunkt der Holzlieferung die Wintermonate anstanden.

(2) Auch dass Brennöfen in einer entsprechenden Größe und Qualität bereits im Jahre 1760 vorhanden waren, um eine gewisse Tradition begründende Produktion beginnen zu können, steht nicht sicher fest. In einer "Landeskunde des Fürstentums Schwarzburg-​Rudolstadt" aus dem Jahre 1862 (Anlage A 3; Bl. 377 des Verfügungsverfahrens Senat 2 U 906/07) heißt es, dass Macheleid 1760 einen kleinen Brennofen gebaut habe und durch Arbeiter Porzellangeschirre hergestellt habe. Andererseits ergibt sich aus der Anlage A 1 zum Schriftsatz der Klägerin vom 23.09.2008 (Bl. 214 d.A.) und den dortigen Ausführungen von Stieda aus dem Jahre 1925, dass Macheleid bei der Konstruktion des Brennofens noch nicht alle Schwierigkeiten überwunden hatte und dies in einer aufgefundenen Schrift aus dem April 1762 zum Ausdruck brachte.

(3) Welche Erlaubnisse das 1760 erteilte Privileg enthielt und welche geschäftlichen Absichten seiner Beantragung zugrunde lagen, hat keine Bedeutung für die Frage, in welcher Art und in welchem Umfange 1760 bereits eine Unternehmung im vom Senat für erforderlich gehaltenen Mindestumfang bestanden hat, solange sich solche Absichten und Befugnisse nicht nachweisbar realisiert haben.

cc) Die "Verlegung" eines Produktionsbetriebes von Sitzendorf nach Volkstedt rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil sich daraus nichts über Art, Größe und Funktionalität des "Betriebes" in Sitzendorf herleiten lässt. Zwar findet sich die Beschreibung, dass "man sich die Fabrik verlegt zu denken habe" bzw., in der Folge der ursprünglichen Formulierung von Stieda (Anlagen B 1 und B 2), dass sie verlegt worden sei, gleich- oder ähnlich lautend in einer Vielzahl der vorgelegten Abhandlungen über Porzellan (Anlagen B 4 bis B 15.). Schon die gelieferte Begründung ist jedoch unpräzise und teilweise nicht zweifelsfrei. Daher beruht der Gleichklang der Formulierungen in verschiedenen Abhandlungen nicht auf dem Feststehen des historischen Faktums, dass eine funktionierende Betriebsstätte verlegt worden ist, sondern auf der allgemeinen Unkenntnis über die genauen Vorgänge und der Übernahme eines einmal gewählten, in zeitgemäße Sprache transferierten Terminus.

dd) Dass sich nicht sicher belegen und aufklären lässt, ob in Sitzendorf im Jahre 1760 bereits eine Porzellanmanufaktur mit der Herstellung von Porzellan befasst war, geht dann zu Lasten der darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten.  Zwar obliegt die Darlegungs- und Beweislast bei einem auf Irreführung gestützten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch grundsätzlich dem Kläger (vgl. BGH GRUR 2004, 246 – Mondpreise ?). Anerkannt sind auf der Grundlage des auch im Prozessrecht geltenden Gebots von Treu und Glauben jedoch Beweiserleichterungen, die eine Beweislastumkehr zur Folge haben können (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 5 UWG Rn. 3.23 ff.). Insbesondere ist die Beweislastverteilung im Lichte der Irreführungsrichtlinie und der UGP Richtlinie auch gemeinschaftskonform zu beurteilen (MünchKomm UWG/Busche § 5 Rn. 251; Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 5 UWG Rn. 1.18). Anerkannt ist eine Beweislastumkehr bei solchen Konstellationen, in denen es dem Kläger nicht möglich ist, näher vorzutragen oder zu beweisen, weil es um Umstände aus der Sphäre bzw. dem Verantwortungsbereich des Beklagten geht (vgl. BVerfG NJW 2000, 1483). Im Hinblick auf Art. 12 der UGP-​Richtlinie (= Art. 7 der "Irreführungsrichtlinie" 2006/114/EG), der vorsieht, dass vom Werbenden Beweise für die Richtigkeit von aufgestellten Behauptungen verlangt werden können, ist für den vorliegenden Fall ebenfalls eine Beweislastumkehr anzunehmen, weil die Besonderheiten des Falles es gebieten. Zwar ist nicht genau einer der Fälle gegeben, die bislang anerkannt sind, eine Beweislastumkehr zu rechtfertigen (vgl. hierzu ausführlich Senat Magazindienst 2009, 939).

Im Lichte der Vorgaben der UGP-​Richtlinie, die insoweit nicht in nationales Recht umgesetzt wurde, muss die Beweislastumkehr vorliegend deshalb gelten, weil es die Beklagte war, die ein zumindest etwa 100 Jahren eingeführtes (vgl. geschäftliche Mitteilungen aus dem Jahre 1937 Bl. 194 d.A.; vgl. auch die Bodenmarke mit der Jahreszahl 1762 in ihrer Verwendung seit dem 20. Jahrhundert; Anlagen B 26 und B 13) und bislang bei Jubiläen entsprechend gepflegtes Gründungsdatum (vgl. Anlage 5 zum klägerischen Schriftsatz vom 01.09.2008) erst in den Jahren 2005 und 2006 änderte und die deshalb anhand ihrer besseren Erkenntnisse oder abweichenden Bewertung der historischen Ereignisse, die zum Wechsel geführt haben, darlegen und beweisen muss, warum die Unternehmenstradition schon länger bestand und deshalb das Gründungsdatum 1760, obwohl gerade nach Erscheinen der wesentlichen Quellen Anfang des 20. Jahrhunderts als Gründungsjahr 1762 gewählt wurde, zutreffend ist. Diese Situation ist vergleichbar der Offenbarung von Betriebsinterna, da es die Beklagte war, die kurz vor ihrem 250jährigen Bestehen bei der Bestimmung ihres Gründungsjahres von der bisherigen Bewertung abgewichen ist. Da die Beklagte die unverändert gebliebenen Quellen lediglich anders wertet, diese Bewertung (nämlich das bloße Abstellen auf die Erteilung des Privilegs)  aber nicht mit dem Verbraucherverständnis vom Gründungsjahr einer Porzellanfabrik in Einklang zu bringen ist, kann ihr dieser Beweis nicht gelingen.

c) Da bereits die Angabe des Gründungsjahres im Rahmen der Traditionswerbung der Beklagten nicht zutreffend ist, kommt es auf die Frage der erforderlichen Unternehmenskontinuität in der Folgezeit und damit auf die Bedeutung des Anfang des 20. Jahrhunderts eingetretenen Konkurses nicht entscheidend an.

4. Steht nach alledem in Bezug auf die Angabe des Gründungsjahres "1760" eine Eignung zur Irreführung zur Überzeugung des Senats fest, so ist die falsche Angabe über das Gründungsjahr auch geeignet, das Angebot des Unternehmens in einem besonderen Lichte erscheinen zu lassen und ist deshalb auch für den Kaufentschluss des Publikum von ausreichender wettbewerblicher Relevanz (vgl. zu alledem Piper/Ohly § 5 UWG Rn. 638). Die Verneinung der wettbewerblichen Relevanz mit der Begründung, Traditionswerbung könne die Kaufentscheidung des Verkehrs heute nicht mehr beeinflussen, hat der Bundesgerichtshof bereits als ungerechtfertigt bezeichnet (BGH GRUR 2003, 628 – Klosterbrauerei). Die Beklagte würde auch nicht (wie sie selbst vorträgt sogar mit erheblichem Aufwand) eine Umstellung ihres Gründungsjahres betreiben, wenn sie nicht selbst davon ausginge, dass dies für die Kaufentscheidung der Verbraucher Bedeutung hat.

Es fehlt auch nicht deshalb an der erforderlichen Relevanz, weil es sich "nur" um einen Unterschied von zwei Jahren bei der Altersangabe handelt. Die Altersangabe ist für den Verbraucher wie für den Sammler bei der Beurteilung des Angebots der Manufakturen und in Bezug auf den Anreiz, den die Jahreszahl ausübt, von Bedeutung. Denn der Umstand, dass die Beklagte sich auf eine zwei Jahre ältere Tradition beruft, rückt sie in der Reihe der älteren, im 18. Jahrhundert gegründeten Manufakturen an andere Stelle, insbesondere auch in unmittelbare Nähe der anderen Thüringer Manufaktur von Veilsdorf, die sich auf ein Gründungsjahr 1760 beruft sowie in einen (möglicherweise angestrebten) werblichen Zusammenhang mit den Jubiläen der dann genau 50 Jahre älteren Manufaktur in Meißen.

Die Grundsätze der Rechtsprechung zur Unverhältnismäßigkeit der Durchsetzung eines Unterlassungsanspruches wegen Irreführung (BGH aaO. Klosterbrauerei) gelten vorliegend gerade nicht, da es die Beklagte war, die erst vor Kurzem ihre Alterswerbung geändert hat. Insofern beeinträchtigt eine Unterlassungsverfügung kein berechtigtes Interesse der Beklagten an einer eingeführten Alterswerbung. Die Beklagte kann auch nichts daraus herleiten, wie die Klägerin selbst wirbt.

Eine festgestellte wettbewerbliche Relevanz im Sinne von § 5 UWG bedeutet gleichzeitig, dass die Erheblichkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 UWG überschritten ist (BGH GRUR 2008, 186, 188 – Telefonaktion).

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, die Benennung des Gründungsjahres 1760 entspreche der fachlichen Sorgfalt im Sinne von §§ 3 Abs. 2, 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG. Zwar mag es der Arbeitsweise eines Historikers entsprechen, nach Urkunden und Belegen zu suchen und daran seine Forschungsergebnisse fest zu machen. Dies kann aber für den vorliegenden Fall nicht die fachliche Sorgfalt im Rechtssinne darstellen. Vielmehr ist es ausgesprochen ungewöhnlich, dass Unternehmen sich nach über zweihundert Jahren nochmals "älter machen". Dies mag die vom Geschäftsführer der Beklagten genannten Gründe in Bezug auf ein erfolgreiches Vermarkten von künstlerisch wertvollem Porzellan haben. Keinesfalls entspricht eine solche Vorgehensweise aber den Marktgepflogenheiten gegenüber den Verbrauchern, die sich über viele Jahrzehnte an die bislang genannten Gründungsdaten von Porzellanmanufakturen gewöhnt haben. Es geht auch nicht darum, dass jede Porzellanmanufaktur sich darum sorgen müsste, ob ihre seit Jahrzehnten oder länger gepflegten Gründungsjahrangabe einer kritischen Prüfung standhält, sondern allein darum, dass derjenige, der sein Gründungsjahr ändert ("älter macht") nachdrücklich prüft, inwieweit die Angabe nicht nur historisch zutreffend sein kann, sondern auch die Verbrauchererwartung ausreichend berücksichtigt. Diesen Sorgfaltsanforderungen hat die Beklagte nicht genügt. Denn die Marktgepflogenheiten im Sinne von §§ 3 Abs. 2, 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG stehen in einem engen Zusammenhang zu dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB; Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 2 UWG Rn. 128).

5. Da sämtliche, im Übrigen nicht im Streit befindliche Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG vorliegen, war das landgerichtliche Urteil insoweit abzuändern.

Der Auskunftsanspruch der Klägerin ergibt sich aus dem zwischen den Parteien aufgrund des Wettbewerbsverstoßes bestehenden Sonderverbindung und § 242 BGB (BGH GRUR 2008, 360 – EURO und Schwarzgeld). Die Klägerin, die über den Umfang ihrer Rechte im Ungewissen ist, benötigt die Auskünfte zur Berechnung von Schadensersatzansprüchen, die Auskunft ist der Beklagten auch zumutbar. Das Informationsinteresse der Klägerin fehlt auch nicht deshalb, weil Schadensersatzansprüche verjährt wären. Die Klägerin verlangt Auskunft für einen Zeitraum nach dem 29.06.2007. Da die Feststellungsklage am 19.12.2007 beim Landgericht eingegangen ist und am 09.01.2008 zugestellt wurde, ist die Verjährungsfrist des § 11 Abs. 1 UWG rechtzeitig gehemmt worden. Dass die Klägerin bereits vor dem 29.06.2007 Kenntnis von ihrem Anspruch gehabt hat, hat die Beklagte nicht ausreichend vorgetragen; die Mutmaßung, der Klägerin könne eine bestimmte Werbung nicht entgangen sein, genügt nicht.

Die begehrten Auskünfte sind zur Berechnung eines konkreten Schadens jedoch nicht sämtlich erforderlich, da sie teilweise nicht geeignet sind, eine konkrete Schadensberechnung oder –schätzung zu ermöglichen. Liegt die wettbewerbswidrige Handlung in einer Irreführung (marktbezogene Irreführung), dann scheidet zumindest im vorliegenden Fall als Schadensberechnungsmethode die Herausgabe des Verletzergewinns aus (vgl. BGH GRUR 1965, 313, 314 – Umsatzauskunft). Angaben zur Höhe der Werbeaufwendungen, zu Kundennamen und zu Preismargen sind deshalb nicht erforderlich, da aus ihnen, die Erfüllung der Auskunft unterstellt, keine Rückschlüsse auf den bei der Klägerin entstandenen konkreten Schaden gezogen werden können. Ein spiegelbildlicher Umsatzrückgang bei der Klägerin ist wegen des Vorhandenseins zahlreicher Mitbewerber von der Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt und auch nicht naheliegend. Daher hat sich der Auskunftsanspruch auf den Umfang und Intensität der wettbewerbswidrigen Handlungen zu beschränken; irrelevante Betriebsinterna sind nicht zu offenbaren (vgl. Köhler GRUR 1996, 82, 88).

Der Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzersatzpflicht folgt aus §§ 9 UWG, 256 ZPO. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben (vgl. BGH GRUR 2001, 1177 – Feststellungsinteresse II). Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts genügt (BGH GRUR 1992, 559 - Mikrofilmanlage).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Das teilweise Unterliegen der Klägerin wegen des Auskunftsanspruchs ist verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten verursacht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Anträge nach §§ 712, 714 ZPO hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Nach den Erklärungen der Beklagten vor dem Senat ist auch die Gewährung einer Aufbrauchsfrist nicht erforderlich, da sie ihre Werbemaßnahmen bereits umgestellt und Waren mit der auf das Jahr 1760 bezogenen Bodenmarke eingelagert hat. Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf § 3 ZPO und orientiert sich an dem von der Beklagten nicht beanstandeten, von der Klägerin angegebenen wirtschaftlichen Interesse. Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung des Einzelfalls beruht auf einem von der Auffassung der Beklagten abweichenden Verkehrsverständnis vom Gründungsjahr einer Porzellanmanufaktur, das der Senat jedoch nach anerkannten Grundsätzen hergeleitet hat. Ansonsten gebietet auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts.










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