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OLG Celle Urteil vom 15.05.2014 - 13 U 15/14 - Unterlassungserklärung mit einer E-Mail-Adresse und Bestätigungsmail im Double-Opt-In-Verfahren
OLG Celle v. 15.05.2014: Unterlassungserklärung mit einer E-Mail-Adresse und Bestätigungsmail im Double-Opt-In-Verfahren
Das OLG Celle (Urteil vom 15.05.2014 - 13 U 15/14) hat entschieden:
- Ist eine Unterlassungserklärung allein auf die Zusendung von Werbe-Mails an eine konkrete E-Mail Adresse des Empfängers beschränkt und erfasst nicht die Zusendung von Werbe-Mails an weitere E-Mail-Adressen des Empfängers, so lässt sie die Wiederholungsgefahr nur hinsichtlich der konkreten Verletzungsform entfallen.
- Das sog. double-opt-in-Verfahren kann als praxisgerechte Möglichkeit angesehen werden, die Einwilligung in E-Mail-Werbung nachzuweisen. Die Übersendung einer Aufforderung zur Bestätigung im Rahmen des double-opt-in-Verfahrens ist nicht als unzulässige Werbung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG anzusehen (entgegen OLG München, 27. September 2012, 29 U 1682/12, MDR 2012, 1484).
Siehe auch Strafbewehrte Unterlassungserklärung zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr und Das Double-Opt-In-Verfahren - Opt-In - Opt-Out - confirmed-opt-in
Gründe:
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2, § 543 Abs. 1, § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung ist in vollem Umfang begründet, nachdem der Kläger seinen ursprünglich gestellten Zahlungsantrag zurückgenommen hat.
Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 28. Januar 2014 seine Rechtsauffassung wie folgt dargelegt:
"1. Der Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt, obwohl er unbestimmte Rechtsbegriffe enthält. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist grundsätzlich nicht unzulässig. Die Grenze zur Unbestimmtheit ist zwar insbesondere überschritten bei einem Streit der Parteien über die Bedeutung des unbestimmten Rechtsbegriffs im konkreten Fall oder bei fehlender objektiver Kriterien zur Abgrenzung zulässigen und unzulässigen Verhaltens (Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 12 Rn. 2.36, 2.39). Solche Ausnahmefälle sind vorliegend jedoch nicht gegeben. Insbesondere besteht über die Bedeutung des unbestimmten Rechtsbegriffs "ausdrückliche Einwilligung" kein Streit zwischen den Parteien. Die Abgrenzung kann auch nach objektiven Kriterien vorgenommen werden. Dass im Vollstreckungsfall das Vollstreckungsgericht prüfen müsste, ob eine bestimmte Mail-Adresse dem Kläger zuzuordnen ist, ist unbedenklich und steht der Bestimmtheit des Klagantrags nicht entgegen. Auch der Bundesgerichtshof hat einen im Wesentlichen gleichartigen Antrag für hinreichend bestimmt erachtet (BGH, Urteil vom 12. September 2013 - I ZR 208/12, juris Tz. 13 f.).
2. Die Beklagte hat jedenfalls durch die Zusendung der zweiten Werbe-Mail vom 6. Februar 2013 (Anlage K 3) in rechtswidriger Weise in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers eingegriffen, so dass diesem ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zusteht.
a) Bereits die einmalige unverlangte Zusendung einer E-Mail mit werblichem Inhalt an ein Unternehmen - zu dem auch eine Rechtsanwaltskanzlei zählt - stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, der nicht im Sinne des § 3 UWG unerheblich ist, eine unzumutbare Belästigung i. S. d. § 7 UWG darstellt und damit nach der erforderlichen Abwägung der widerstreitenden Interessen rechtswidrig ist (vgl. im Einzelnen: BGH, Urteil vom 12. September 2013, a. a. O., Tz. 15, 20 ff.; Urteil vom 20. Mai 2009 - i ZR 218/07, juris Tz. 11).
Ob bereits die Zusendung der ersten Werbe-Mail am 30. Januar 2013 (Anlage K 1) ohne Zustimmung des Klägers erfolgte und damit rechtswidrig in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingriff, kann offen bleiben. Unerheblich ist daher, ob der Kläger - wie von der Beklagten behauptet - eine Bestellung mit seiner E-Mail-Adresse auf den Namen einer Kollegin vorgenommen haben sollte, so dass die Werbung unter Verwendung elektronischer Post - zunächst - nach § 7 Abs. 3 UWG keine unzumutbare Belästigung dargestellt haben mag. Jedenfalls nachdem er durch E-Mail vom 31. Januar 2013 (Anlage K 2) der weiteren Zusendung von Werbung widersprochen hatte, fehlte es an einer Einwilligung für die Zusendung der weiteren Werbe-Mail.
b) Die hierdurch indizierte Wiederholungsgefahr ist nicht durch die von dem Beklagten am 12. Februar 2013 abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung weggefallen. Diese Unterlassungserklärung war auf die Zusendung von Werbung an die in dem konkreten vorangegangenen Verstoß betroffene E-Mail-Adresse "...@....com" beschränkt und entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht dahingehend auszulegen, dass sie auch die Zusendung von Werbe-Mails an andere Mail-Adressen des Klägers erfasste. Sie ließ daher die Wiederholungsgefahr nur hinsichtlich der konkreten Verletzungsform entfallen. Die Wiederholungsgefahr blieb indessen hinsichtlich der kerngleichen Verletzungsformen bestehen mit der Folge, dass der Gläubiger seinen Anspruch insofern noch gerichtlich durchsetzen kann (vgl. zu Letzterem: Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.102b, 1.123).
aa) Der Unterlassungsanspruch umfasst nicht nur die konkrete Verletzungshandlung, sondern auch im Kern gleichartige Handlungen. Der Unterlassungsanspruch des Klägers ist daher nicht auf ein Verbot der Versendung von E-Mails an diejenige E-Mail-Adresse beschränkt, an die die Beklagte bislang E-Mails versandt hat, sondern umfasst auch weitere beliebige E-Mail-Adressen des Klägers (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2004 - i ZR 81/01, juris Tz. 48).
Unterlassungsansprüche können zwar durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzt sein (Bornkamm, a. a. O., § 8 Rn. 1.55 m. w. N.). Im vorliegenden Fall belastete ein Unterlassungsanspruch, der die Zusendung von Werbung an sämtliche E-Mail-Adressen des Klägers umfasste, die Beklagte jedoch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere bürdete er ihr entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Beklagten kein unzumutbares Risiko auf.
Grundsätzlich hat der Versender von Werbung darzulegen, dass eine Einwilligung hierzu vorliegt und diese insbesondere von dem Adressaten stammt (BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 81/01, juris Tz. 40 ff., 43). Die Einhaltung dieser Voraussetzungen kann der Versender von Werbe-Mails durch das sog. "double-opt-in-Verfahren" (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 164/09, juris) in zumutbarer Weise für jede einzelne E-Mail-Adresse sicherstellen.
bb) Zwar erstreckt sich eine die konkrete Verletzungsform wiedergebende Unterwerfungserklärung ebenso wie ein entsprechender Unterlassungstitel im Allgemeinen nicht nur auf identische, sondern auf alle Handlungen, die gleichfalls das Charakteristische der Verletzungshandlung aufweisen. Grundsätzlich lässt daher eine auf die konkrete Verletzungsform bezogene Unterwerfungserklärung die Wiederholungsgefahr auch für Varianten des Falls entfallen, die mit der konkreten Verletzungsform kerngleich sind (BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 202/07, juris Tz. 45; Bornkamm, a. a. O., Rn. 1.102a m. w. N.). Die Auslegung der Unterwerfungserklärung des Schuldners kann jedoch ergeben, dass sie bewusst eng auf die bezeichnete konkrete Verletzungsform beschränkt sein soll (BGH a. a. O., Bornkamm, a. a. O., Rn. 1.102b).
Im vorliegenden Fall ergibt die Auslegung der Unterlassungserklärung, dass sie allein auf Zusendung von Werbe-Mails an die bezeichnete E-Mail-Adresse des Klägers und nicht auch an weitere E-Mail-Adressen, die ihm zuzuordnen sind, beschränkt war. Obwohl der Kläger mit E-Mail vom 31. Januar 2013 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung dahin verlangt hatte, ihm - egal, auf welchem Wege - keine Werbung mehr zukommen zu lassen, war die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung demgegenüber auf die Zusendung von Werbung an die konkrete E-Mail-Adresse beschränkt. Obwohl der Kläger dies mit E-Mail vom 13. Februar 2013 unter Nachweis von Rechtsprechung beanstandet hatte und mit dieser Mail sowie mit weiterer Mail vom 21. März 2013 die Zusendung einer ausreichenden Unterlassungserklärung verlangt hatte, hat die Beklagte hierauf nicht reagiert. Im gerichtlichen Verfahren hat sie sich zudem ausdrücklich auf den Standpunkt gestellt, dass ein Unterlassungsanspruch nicht hinsichtlich jeglicher, auch der Beklagten unbekannter E-Mail-Adressen des Klägers bestünde. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann die Unterlassungserklärung nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie auch die Zusendung von Werbung an weitere E-Mail-Adressen des Klägers erfasse.
3. Hinreichende Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Klägers vorwiegend im Gebührenerzielungsinteresse bestehen nicht. Eine solche Rechtsmissbräuchlichkeit i. S. d. § 8 Abs. 4 UWG, der entsprechend auch auf Ansprüche aus § 1004 BGB anwendbar sein könnte, ist dann anzunehmen, wenn die Abmahntätigkeit sich verselbständigt, d. h. in keinem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Geschäftstätigkeit steht und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann (Köhler, a. a. O., § 8 Rn. 4.12 m. w. N.). Umstände, die hierauf schließen ließen, bestehen nicht.
Unverlangt zugesandte Werbung, die - was allgemeinkundig ist - heutzutage massenhaft auftritt, stellt eine mehr als nur unerhebliche Belästigung und Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs dar. Einem Vorgehen gegen solche Werbung kann daher ein berechtigteres wirtschaftliches Interesse jedenfalls im Grundsatz nicht abgesprochen werden. Dass der Kläger, der als Rechtsanwalt beruflich auf vergleichbare Fälle spezialisiert ist, in seinen außergerichtlichen Schreiben und gerichtlichen Schriftsätzen umfangreich Rechtsprechung zitiert und zur Rechtslage vorträgt, spricht nicht für einen Rechtsmissbrauch. Vortrag, der in nennenswertem Umfang keinen Bezug zu dem vorliegenden Fall hätte, wurde nicht gehalten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger von einem sachgerechten Gegenstandswert ausgegangen ist und mit seiner Abmahnung vom 31. Januar 2013 noch keine Kosten geltend gemacht hat. Der zuletzt genannte Gesichtspunkt ist auch dann bei der vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen, obwohl nicht zweifelsfrei feststeht, dass bereits diese Abmahnung berechtigt war."
An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beklagten in ihren Schriftsätzen vom 30. Januar 2014 und vom 17. März 2014 fest:
1. Die Berufung ist zulässig. Der Senat hat den Streitwert für das Berufungsverfahren in dem genannten Beschluss auf bis zu 3.000,00 € festgesetzt. Dies entspricht der Beschwer des Klägers. Die von der Beklagten zitierten abweichenden Bewertungen der Beschwer beziehen sich - soweit ersichtlich - nicht auf Zusendungen an gewerblich tätige Empfänger (vgl. zur Differenzierung auch: OLG Hamm, Urteil vom 17. Oktober 2013 - 6 U 95/13 -, juris Tz. 19) und betreffen zudem jedenfalls überwiegend die Wertfestsetzung in einstweiligen Verfügungsverfahren.
Entsprechend dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. November 2004 (VI ZR 65/04, juris) ist die Beschwer im vorliegenden Fall mit 3.000 € zu bewerten.
2. Ein Unterlassungsanspruch, der die unerwünschte Zusendung von Werbung an sämtliche E-Mail-Adressen des Klägers umfasst, belastete die Beklagte nicht unzumutbar und war daher nicht unverhältnismäßig. Der Senat neigt dazu, das sog. double-opt-in-Verfahren als praxisgerechte Möglichkeit anzusehen, die Einwilligung in E-Mail-Werbung nachzuweisen. Der Beweiswert dieses Verfahrens mag betreffend Telefonwerbung gering sein (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 164/09 -, juris Tz. 49 f.), dürfte jedoch betreffend die hier in Frage stehende E-Mail-Werbung ausreichend sein. Zwar kann der Verbraucher sich auch nach Bestätigung seiner Mail-Adresse im double-opt-in-Verfahren noch darauf berufen, er habe die unter dieser Adresse abgeschickte Einwilligung nicht abgegeben. Dafür trägt er allerdings die Darlegungslast (BGH, a. a. O., Tz. 38). Der Senat neigt entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 27. September 2012 - 29 U 1682/12 -, juris Tz. 51 ff.) auch dazu, die Übersendung einer Aufforderung zur Bestätigung im Rahmen des double-opt-in-Verfahrens nicht als unzulässige Werbung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG anzusehen (ebenso: Köhler, a. a. O., § 7 Rdnr. 189). Letztlich sind diese Fragen jedoch hier nicht entscheidungserheblich. Auch wenn das double-opt-in-Verfahren keinen praktikablen Weg darstellte, eine Einwilligung in die Zusendung von Werbung hinreichend zu belegen, wäre es für die Beklagte nicht unzumutbar, E-Mail-Werbung zu unterlassen, wenn eine solche Einwilligung nicht sonst von ihr bewiesen werden kann.
Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Zusendung von E-Mail-Werbung nach § 7 Abs. 3 UWG im Rahmen bestehender Kundenbeziehungen für den Absatz ähnlicher Waren und Dienstleistungen nach dem sog. opt-out-Modell zulässig ist. Dass die Voraussetzungen insbesondere des § 7 Abs. 3 Nr. 1 UWG vorliegen, hat die Beklagte nicht dargelegt und bewiesen.
3. Die am 12. Februar 2013 abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung ist aus den im Hinweisbeschluss genannten Gründen nicht dahingehend auszulegen, dass sie auch die Zusendung von Werbe-Mails an andere Mail-Adressen des Klägers erfasste. Maßgebliche Gesichtspunkte hiergegen trägt die Beklagte nicht vor. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich die Bezugnahme im vorletzten Satz von Nr. I. 2. bb) des Hinweisbeschlusses auf Seite 8 der Klageerwiderung bezieht.
4. Die Wiederholungsgefahr ist auch nicht sonst entfallen. Grundsätzlich kann eine Wiederholungsgefahr nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden (vgl. Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 8 Rdnr. 1.38 ff. m. w. N.). Eine Ausnahme greift vorliegend nicht. Eine Wiederholungsgefahr ist insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte nach ihrem Vortrag nicht mehr über Daten des Klägers verfüge, eine Kontaktaufnahme nicht mehr beabsichtigt sei und eine gütliche Einigung erzielt werden sollte. Auch diese Umstände schließen eine erneute Zusendung ungewünschter E-Mails nicht aus.
5. Das Vorgehen des Klägers ist aus den im Hinweisbeschluss genannten Gründen nicht rechtsmissbräuchlich. Dass der Kläger in vergleichbaren Fällen wiederholt Abmahnungen vornimmt und hierfür auch Textbausteine verwendet, begründet keine Rechtsmissbräuchlichkeit.
III.
Die Kostentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Rücknahme des auf die Nebenforderung gerichteten Zahlungsantrags durch den Kläger ist sowohl gebühren- als auch kostenrechtlich unerheblich.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.