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OLG Düsseldorf Beschluss vom 04.05.2016 - I-15 W 13/16 - Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht durch notarielle Unterwerfungserklärung

OLG Düsseldorf v. 04.05.2016: Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht durch notarielle Unterwerfungserklärung


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 04.05.2016 - I-15 W 13/16) hat entschieden:
Ist es zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, besteht eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Ihre Fortdauer kann nur unter sehr engen Voraussetzungen widerlegt werden. Im Allgemeinen bedarf es dazu einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Verletzers. Eine notariell beurkundete Unterlassungserklärung, mit der sich der Schuldner hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, ist damit nicht gleichzusetzen, weil eine Vollstreckung aus diesem Unterlassungstitel noch die gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln gemäß § 890 Abs. 2 ZPO voraussetzt und der Gläubiger bis zur Zustellung des Androhungsbeschlusses gegen Verletzungshandlungen nicht geschützt ist




Siehe auch Strafbewehrte Unterlassungserklärung zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr und Stichwörter zum Thema Abmahnung


Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist ein rechtsfähiger Verband, dem 725 Kraftfahrzeugbetriebe angehören, die zu einem wesentlichen Teil auch mit Kraftfahrzeugen handeln. Sie ist gemäß § 3 Abs. 4 ihrer Satzung berechtigt, sonstige Maßnahmen zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen der Innungsmitglieder durchzuführen.

Der Antragsgegner hat zwischen November 2014 und Anfang 2016 im Internet auf den Verkaufsportalen www.....de und www.....de insgesamt 16 verschiedene Fahrzeuge für Kaufpreise in Höhe von insgesamt 229.499,- Euro zum Verkauf angeboten. Die Angebote waren nicht als Händlerangebote gekennzeichnet und nicht ausschließlich im für Händlerangebote vorgesehenen Bereich abrufbar. Sie wiesen unter der Überschrift „Privatanbieter“ Wohnort und Telefonnummer des Antragsgegners aus; weitere Angaben zu seiner Identität und Anschrift waren nicht vorhanden. Wegen weiterer Einzelheiten zu den Verkaufsangeboten wird auf die Anlagen JuS 5/1-16 der beigefügten Antragsschrift Bezug genommen.

Der Antragsgegner hat am 04.04.2016 eine notariell beurkundete Unterlassungserklärung abgegeben und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus seinem Vermögen unterworfen (Anlage JuS 7). Nach Zugang des Originals am 11.04.2016 hat die Antragstellerin den Erlass eines Androhungsbeschlusses gemäß § 890 Abs. 2 ZPO beantragt, über den bislang nicht entschieden ist.

Mit bei Gericht am 12.04.2016 eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin ferner den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Das Landgericht Kleve hat den Antrag mit Beschluss vom 15.04.2016 zurückgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, die Antragstellerin habe kein Rechtsschutzbedürfnis, neben dem beantragten Androhungsbeschluss ein einstweiliges Verfügungsverfahren zu betreiben, da dieser Weg nicht ohne weiteres eine schnellere Entscheidung gewährleiste und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Antragsgegner den Zeitraum bis zur Zustellung eines Androhungsbeschlusses dafür nutzen werde, gegen die von ihm selbst abgegebene notarielle Unterlassungsverpflichtungserklärung zu verstoßen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde vom 25.04.2016, der das Landgericht mit Beschluss vom 27.04.2016 nicht abgeholfen hat.


II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden, und hat in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Unrecht zurückgewiesen.

1. Die – wie von ihr durch Vorlage von Mitgliederliste und Satzung (Anlagen JuS 2 und 3) glaubhaft gemacht – gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungsbefugte und anspruchsberechtigte Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Verfügungsanspruch auf Unterlassung von Verkaufsangeboten der im Tenor beschriebenen Art aus § 8 Abs. 1 UWG i. V. m. §§ 3 Abs. 3, Anhang zu § 3 Abs. 3 Nr. 23 UWG und i. V. m. §§ 3 Abs. 1 und 2, 5a Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 UWG.

a) Die Antragstellerin hat schlüssig vorgetragen und mittels der Anlagen JuS 5/1-16 glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner gegen Nr. 23 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG verstoßen hat. Demzufolge hat er bei den beanstandeten Verkaufsangeboten die unwahre Angabe gemacht, er sei Verbraucher und nicht für Zwecke seines Gewerbes tätig, indem er sich als „Privatanbieter“ bezeichnet und seine Verkaufsangebote auch im Übrigen weder als Händlerangebote gekennzeichnet noch im für Händlerangebote vorgesehenen Bereich eingestellt hat, obwohl er – wie sich aus Anzahl und Umfang der Verkaufsangebote ergibt – einen gewerblichen Kraftfahrzeughandel betreibt.

Er hat sich demnach außerdem dadurch nach § 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG wettbewerbswidrig verhalten, dass er als Unternehmer im Rahmen dieser Verkaufsangebote die für den Verbraucher wesentlichen Informationen über seine Identität und vollständige Anschrift vorenthalten hat.

b) Die aufgrund dieser Wettbewerbsverstöße gemäß § 8 Abs. 1 UWG bestehende Wiederholungsgefahr ist durch die notariell beurkundete Unterlassungserklärung des Antragsgegners vom 04.04.2016 (Anlage JuS 7) nicht weggefallen.

Ist es – wie hier – zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, besteht eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Ihre Fortdauer kann nur unter sehr engen Voraussetzungen widerlegt werden. Im Allgemeinen bedarf es dazu einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Verletzers (vgl. BGH, GRUR 1997, 379 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II m. w. N.; Bornkamm in: Köhler/ Bornkamm, Kommentar zum UWG, 34. Aufl., § 8 UWG Rn. 1.34 und 1.38 m. w. N.). Eine notariell beurkundete Unterlassungserklärung, mit der sich der Schuldner hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, ist damit nicht gleichzusetzen, weil eine Vollstreckung aus diesem Unterlassungstitel noch die gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln gemäß § 890 Abs. 2 ZPO voraussetzt und der Gläubiger bis zur Zustellung des Androhungsbeschlusses gegen Verletzungshandlungen nicht geschützt ist (OLG Köln, GRUR-RR 2015, 405 m. w. N.; Berneke/Schüttpelz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 3. Aufl., Rn. 100; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, aaO, § 12 UWG Rn. 1.112d m. w. N.). Es gibt keinen überzeugenden Grund, warum die zeitliche Lücke zwischen dem Zugang der notariellen Urkunde und der Zustellung des Androhungsbeschlusses zu Lasten des Gläubigers gehen soll. Das gilt umso mehr, als der Schuldner alternativ die sogar gesetzlich in § 12 Abs. 1 UWG vorgesehene Möglichkeit zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung besitzt (OLG Köln, GRUR-RR 2015, 405 m. w. N.). Die Fortdauer der Wiederholungsgefahr richtet sich auch nicht danach, ob konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Schuldner den Zeitraum bis zur Zustellung des Androhungsbeschlusses für weitere Wettbewerbsverstöße nutzen wird. Bei Abgabe einer Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafeversprechen wird eine solche zusätzliche Voraussetzung zu Recht deshalb nicht aufgestellt, weil der Gläubiger keine Möglichkeit besitzt, den Unterlassungsanspruch durchzusetzen. Bis zur Zustellung des Androhungsbeschlusses ist die Interessenlage bei einer notariell beurkundeten Unterlassungserklärung vergleichbar, weil der Schuldner solange ebenfalls sanktionslos gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen kann. Der Gläubiger darf somit in diesem Zeitraum nicht deshalb schlechter gestellt werden, weil der Schuldner diese Form der Unterlassungserklärung gewählt hat.

c) In Anknüpfung an die vorstehenden Ausführungen besteht ferner ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Das Rechtsschutzbedürfnis, das auch für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bestehen muss (Berneke/Schüttpelz, aaO, Rn. 99), darf bei vorhandener Wiederholungsgefahr grundsätzlich nicht mit materiell-rechtlichen Erwägungen verneint werden, etwa unter Hinweis auf eine erfolgte Unterwerfung (Köhler in: Köhler/Bornkamm, aaO, § 12 UWG Rn. 2.15). Das Landgericht hat deshalb zu Unrecht ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis damit begründet, dass es keine konkreten Anhaltspunkte für einen Verstoß des Antragsgegners gegen seine notarielle Unterlassungserklärung gebe, weil dies die materiell-rechtliche – hier zu bejahende – Frage betrifft, ob die Wiederholungsgefahr fortdauert (siehe oben b)).

Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt vielmehr nur ausnahmsweise, wenn das Gericht unnütz, unlauter oder prozesszweckwidrig bemüht wird. Hat der Gläubiger mehrere gleichwertige Wege zur Durchsetzung seines Begehrens, so muss er grundsätzlich den prozessual einfacheren und billigeren wählen (Köhler in: Köhler/Bornkamm, aaO, § 12 UWG Rn. 2.15 m. w. N.). Da die einstweilige Verfügung eine Eilmaßnahme zur Sicherung eines Anspruchs oder zur Regelung eines Rechtsverhältnisses darstellt, ist eine alternative Rechtsschutzmöglichkeit für den Antragsteller darüber hinaus nur gleichwertig, wenn er damit ebenso schnell seinen Anspruch sichern oder das Rechtsverhältnis regeln kann. Gibt der Schuldner eine notarielle Unterwerfungserklärung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ab, hängt es vom Einzelfall ab, ob es dem Gläubiger zumutbar ist, einen Androhungsbeschluss nach § 890 Abs. 2 ZPO zu beantragen (Berneke/ Schüttpelz, aaO, Rn. 100). Dagegen wird in vielen Fällen sprechen, dass diese Alternative im Vergleich zu einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit einem nicht unerheblichen Zeitverlust verbunden ist. Häufig kann der Gläubiger ohne vorherige Anhörung des Schuldners und ohne mündliche Verhandlung innerhalb von wenigen Tagen eine einstweilige Verfügung erwirken. Demgegenüber vergeht bis zur Zustellung der Ordnungsmittelandrohung regelmäßig ein deutlich längerer Zeitraum, zumal der Schuldner gemäß § 891 ZPO vorher angehört werden muss und Streit darüber entstehen kann, welches Gericht für die Ordnungsmittelandrohung nach einer notariellen Unterwerfungserklärung zuständig ist (vgl. Bornkamm in: Köhler/ Bornkamm, aaO, § 12 UWG Rn. 1.112d m. w. N.). Dies zeigt gerade auch der vorliegende Fall, weil das zuerst von der Antragstellerin angerufene Amtsgericht Emmerich mit Hinweis vom 20.04.2016 seine sachliche Zuständigkeit verneint hat (Anlage JuS 7). Zu diesem Zeitpunkt, in dem somit im Verfahren auf Erlass eines Androhungsbeschlusses noch nicht einmal die Zuständigkeit geklärt ist, hätte die einstweilige Verfügung jedoch bereits erlassen sein können, da die Antragstellerin die (übrigen) Voraussetzungen dafür schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht hat. Inzwischen sind mehr als drei Wochen seit dem Zugang der notariellen Unterwerfungserklärung vergangen, ohne dass über den unverzüglich im Anschluss daran gestellten Antrag nach § 890 Abs. 2 ZPO entschieden worden ist. Bei dieser Sachlage ist ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht zu verneinen, zumal sie aus den unter b) dargelegten Gründen ein schützenswertes Interesse daran besitzt, bis zur Zustellung des noch zu erlassenden Androhungsbeschlusses ihren Unterlassungsanspruch durchzusetzen.

2. Ein Verfügungsgrund nach §§ 935, 940 ZPO ist ebenfalls gegeben.

Die Sache war für die Antragstellerin eilbedürftig. In Verfahren wegen unlauteren Wettbewerbs wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG die Dringlichkeit vermutet. Diese Vermutung ist nicht widerlegt, sondern die Antragstellerin hat bereits einen Tag nach Zugang der notariellen Unterlassungserklärung den Erlass der einstweiligen Verfügung beantragt.

3. Die Androhung der Ordnungsmittel folgt aus § 890 Abs. 2 ZPO.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.










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