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Landgericht Düsseldorf Urteil vom 18.07.2013 - 37 O 33/13 - Irreführung durch Werbung mit sehr altem Testurteil

LG Düsseldorf v. 18.07.2013: Irreführung durch Werbung mit sehr altem Testurteil


Das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 18.07.2013 - 37 O 33/13) hat entschieden:
Die Werbung mit einem 15 Jahre alten Testurteil ist irreführend, wenn die Fundstelle des Tests nicht mehr ohne weiteres auffindbar ist.




Siehe auch Die Werbung mit Testergebnissen und Stichwörter zum Thema Werbung


Tatbestand:

Die Parteien betreiben Partnervermittlungsinstitute und vermitteln bundesweit Partnersuchende.

Die Antragstellerin bietet ihre Leistungen vor allem über die mit der Domain »[…] adressierte Website an, die Antragsgegnerin unterhält das mit der Domain ... adressierte Internetangebot. Erstmals Anfang März 2013 fiel der Antragstellerin auf, dass die Antragsgegnerin damals im Rahmen ihrer Internet-Präsenz wie folgt warb, die Stiftung Warentest habe bereits 1998 in ihrem Erfahrungsbericht festgestellt:
"So war es bei unserem Team bis auf eine Ausnahme […] nicht möglich, die Person kennenzulernen, mit denen die Agentur per Anzeige geworben hatte. Und das ist bei […] bis heute so geblieben."
Wegen der Einzelheiten des Inhalts der Veröffentlichung, auf den sich die Aussage der Antragsgegnerin bezieht, wird auf die von der Antragstellerin als Anlage AS 2 zur Akte gereichte Kopie verwiesen.

Auf die deswegen ausgesprochene Abmahnung der Antragstellerin reagierte die Antragsgegnerin mit dem als Anlage AS 5 in Kopie vorgelegten Schreiben, auf welches wegen der Einzelheiten verwiesen wird, und warb danach wie folgt:
[folgt die Abbildung der beanstandeten Werbung]
Im Handel und bei der Stiftung Warentest kann das Heft, in dem der Beitrag im Jahr 1998 veröffentlicht wurde, nicht mehr bezogen werden. Die Antragstellerin beschaffte sich die vorgelegte Kopie bei einem Antiquariat im Erzgebirge. Der einzige offenbar vorhandene Jahrgang 1998 wurde für 12,00 € zuzüglich 6,00 € Versand abgegeben.

Die Antragstellerin hält die Werbung für wettbewerbswidrig. Die Angabe der genauen Fundstelle sei im Entscheidungsfall nicht ausreichend, weil der interessierte Verbraucher sich das entsprechende Heft der Zeitschrift »test« praktisch nicht mehr beschaffen könne. Außerdem sei das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen und irreführend, weil der unbefangene Leser den Eindruck gewinne, alle getesteten Anbieter außer der Antragsgegnerin setzten in der Kundenwerbung "Lockvögel" ein. Zudem seien die damaligen Erkenntnisse der Stiftung Warentest veraltet.

Mit Beschlussverfügung des Vorsitzenden vom 28. März 2013 hat die Kammer der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten,
für die von ihr erbrachten Dienstleistungen einer Partnervermittlung wie folgt zu werben:
[folgt die Abbildung der beanstandeten Werbung]
Hiergegen erhebt die Antragsgegnerin Widerspruch.

Die Antragstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 28. März 2013 zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Aufhebung der Beschlussverfügung vom 28. März 2013 zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hält das von der Antragstellerin mit verschiedenen Begründungen verfolgte Unterlassungsbegehren für unzulässig, weil der Streitgegenstand nicht hinreichend bestimmt sei.

Sie behauptet, der interessierte Leser sei ohne Weiteres in der Lage, sich eine Kopie des Artikels zu besorgen, weil eine große Anzahl öffentlicher Bibliotheken in Deutschland - als solches unbestritten- die Jahressammlung der Zeitschrift "test" in ihren Präsenzbeständen habe und der Öffentlichkeit eine Einsichtnahme und auch Kopien gestattete. Außerdem bestehe die Möglichkeit, sich den Artikel in Kopie nach Hause senden zu lassen. Dieser Service könne bei dem Dokumentenlieferdienst "subito - Dokumente aus Bibliotheken e.V." in Anspruch genommen werden. Nach kostenloser Registrierung auf dessen Internetseite www.subito-doc.de könne der Verbraucher die gewünschte Zeitschrift nebst Jahrgang ermitteln. Anschließend könne er dann den konkreten Artikel bei einer der aufgeführten öffentlichen Bibliotheken gegen eine geringe Gebühr (zwischen EUR 7,00 und 8,50) bestellen. Die Lieferung erfolge nach Wahl des Verbrauchers per Post, Fax oder E-Mail.

Auf die vorgenannten Möglichkeiten der Beschaffung des Artikels seien ihre Prozessbevollmächtigten durch eine Mitarbeiterin der Stiftung Warentest hingewiesen worden.

Im Übrigen hält die Antragsgegnerin ihre Werbung für wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.


Entscheidungsgründe:

I.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht mangels Bestimmtheit des prozessualen Anspruchs (Streitgegenstands) unzulässig (vgl. zum Nachstehenden: BGH, GRUR 2013, 401 ff. - Biomineralwasser, Rn. 16 ff. m.w.Nw.).

Die Antragstellerin stützt ihren Unterlassungsantrag auf verschiedene Gesichtspunkte. Trotz dieser in verschiedene Richtungen weisenden Beanstandungen hat die Antragstellerin damit nur einen Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Zu dem Lebenssachverhalt, der die Grundlage der Streitgegenstandsbestimmung bildet, rechnen nach der Rechtsprechung des BGH alle Tatsachen, die bei einer vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag der Klagepartei zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören. Das ist dann der Fall, wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufgeteilt werden kann, selbst wenn diese einer eigenständigen rechtlichen Bewertung zugänglich sind. Der Streitgegenstand wird damit durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren der Klagepartei bezieht, unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen dieses Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs kannten und hätten vortragen können. Eine Mehrheit von Streitgegenständen liegt dagegen dann vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbstständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet.

In den Fällen, in denen sich - wie hier - das wettbewerbsrechtliche Unterlassungsbegehren gegen die konkrete Verletzungsform richtet, ist in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird. Das Rechtsschutzbegehren richtet sich in diesem Fall gegen ein konkret umschriebenes Verhalten, das gerade auch bei einer vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise den Tatsachenkomplex und damit die Beanstandungen umschreibt, zu der die konkrete Verletzungsform Anlass geben kann. Beanstandet der Antragsteller in einem solchen Fall etwa eine Werbeanzeige unter mehreren Gesichtspunkten, überlässt er es bei einem Erfolg seines Antrags dem Gericht, zu bestimmen, auf welchen Aspekt das Unterlassungsgebot gestützt wird.


II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch unter Berücksichtigung der - inzwischen vorliegenden - Schutzschrift und der Widerspruchsbegründung begründet.

Die beanstandete Werbeaussage mit dem in ihr verwendeten Zitat aus dem Artikel »Partnervermittlung Service - Report« aus dem Heft 2/1998 der von der Stiftung Warentest herausgegebenen Zeitschrift »test« ist wettbewerbsrechtlich unzulässig.

Zugunsten der Antragstellerin ist das Bestehen eines im Wege einstweiliger Verfügung sicherbaren Unterlassungsanspruchs (Verfügungsanspruchs) aus §§ 8 Abs. 1, 3 und 5 Abs. 2 Nr. 1 sowie 6 Abs. 1, 2 Nr. 1 UWG zu bejahen.

1. Bei der beanstandeten Aussage handelt es sich - weil die Antragstellerin als Mitbewerberin der Antragsgegnerin in dem Artikel namentlich genannt wird - um vergleichende Werbung im Sinne des § 6 Abs. 1 UWG.

Zwar handelt es sich bei dem als »Service-Report« überschriebenen Erfahrungsbericht der Stiftung Warentest nicht um einen Waren- oder Dienstleistungstest, in dem die Produkte unterschiedlicher Anbieter benotet werden. Die in Rede stehende Veröffentlichung ist jedoch - jedenfalls wenn sie in einer Weise genutzt wird, wie die Antragsgegnerin dies tut - an den gleichen Maßstäben zu messen, wie sie für die vergleichende Werbung mit Testergebnissen gelten, die insbesondere nur dann zulässig ist, wenn in der Werbung selbst die genaue Fundstelle ausgewiesen ist, unter der die Veröffentlichung aufgefunden werden kann. Dies dient der leichten Nachprüfbarkeit der in der Werbung verwendeten Angaben Dritter (insbesondere in Form von Testurteilen). Wird die Fundstelle angegeben, ist es für den Interessenten in der Regel einfach, sich die entsprechende Publikation gezielt und ohne weitere Nachfrage zu beschaffen. Fehlt dagegen diese Angabe, ist dies ein Umstand, der geeignet ist, relevante Teile des Verkehrs von einer Beschaffung des Tests abzuhalten. Denn bei der Nichtangabe der Fundstelle steht der am Test interessierte Verbraucher vor der Notwendigkeit, bei dem Verlag schriftlich oder mündlich zu recherchieren. Solche Schwierigkeiten werden erfahrungsgemäß häufig gescheut. (vgl. BGH GRUR 1991, 679 f.).

Im Entscheidungsfall wird das Ziel, dem interessierten Verbraucher die leichte und einfache Überprüfung des von der Antragsgegnerin verwendeten Zitats zu ermöglichen, wegen des Alters der Veröffentlichung durch die bloße Angabe der Fundstelle nicht erreicht. Die Zugänglichkeit in öffentlichen Bibliotheken und die Möglichkeit der Beschaffung bei einem externen, d.h. nicht mit dem Herausgeber der Veröffentlichung identischen, der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannten „Dokumentenlieferdienst” nicht aus, um davon ausgehen zu können, die Veröffentlichung sei leicht und einfach zugänglich. Denn für die Entscheidung ist davon auszugehen, dass - ebenso wie bei der Recherche nach der Quelle selbst - ein solcher Aufwand bei der Beschaffung einer Veröffentlichung den durchschnittlichen Verbraucher davon abhält, das in der Werbung genutzte Zitat nachzuprüfen.

2. Darüber hinaus ist die Verwendung des aus dem Zusammenhang gerissenen Zitats auch deshalb irreführend, weil es die Gesamtaussage des Service-Reports in Bezug auf die Antragsgegnerin sinnentstellend wiedergibt und damit ein unzutreffender Eindruck erweckt wird. Zwar findet sich die zitierte Aussage so in dem Artikel wieder. Insgesamt wird auch die Antragsgegnerin in der Veröffentlichung aber deutlich negativ bewertet, so heißt es in dem Artikel (S. 84, mittlere Spalte) über die Antragsgegnerin auch:
"So machte die Berliner Firma […] zwar die meisten Vorschläge, nur waren fast alle von vornherein unbrauchbar. Denn entweder erwiesen sich die Männer als viel älter oder kleiner als die Testerin oder sie waren entgegen dem ausdrücklichen Wunsch Raucher. Auf die per Foto getroffene Vorauswahl ging die Agentur nur teilweise ein, da viele Wunschpartner für eine Vermittlung nicht mehr zur Verfügung standen."
Nach Auffassung des Gerichts handelt die Antragsgegnerin unlauter, wenn sie mit der beanstandeten Aussage, die einzige einigermaßen positive Äußerung aus dem Artikel isoliert aufgreift und so versucht, sich unter Nennung der renommierten und unter Verbrauchern hohes Ansehen genießenden Stiftung Warentest, positiv von ihren Mitbewerbern abzusetzen.

3. Daneben ist die Verwendung eines 15 Jahre alten Erfahrungsberichts über Dienstleistungen nach Auffassung des Gerichts zur Irreführung geeignet, weil wegen des großen Abstands zwischen der Nutzung in der Werbung und der Publikation nicht davon ausgegangen werden kann, dass die damaligen Ergebnisse nach wie vor unverändert zutreffen.

Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist eine Werbung mit älteren Testergebnissen dann nicht irreführend, wenn der Zeitpunkt der Veröffentlichung erkennbar gemacht wird und die angebotenen Waren mit den seinerzeit geprüften gleich sind, technisch nicht durch neuere Entwicklungen überholt sind und für solche Waren auch keine neueren Prüfungsergebnisse vorliegen.

Davon, dass die damals von der Antragstellerin angebotene Dienstleistung mit der aktuell angebotenen übereinstimmt, kann nicht ausgegangen werden. Im Entscheidungsfall spricht schon der Abstand von 15 Jahren dafür, dass das damalige Untersuchungsergebnis in Bezug auf die Antragstellerin so nicht mehr zutrifft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich.



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