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Landgericht Köln Urteil vom 23.09.2014 - 33 O 29/14 - Zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr durch notarielle Unterwerfungserklärung
LG Köln v. 23.09.2014: Zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr durch notarielle Unterwerfungserklärung des Unterlassungsschuldners
Das Landgericht Köln (Urteil vom 23.09.2014 - 33 O 29/14) hat entschieden:
Unterwirft sich der Unterlassungsschuldner in einer notariellen Urkunde und leitet er die vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde dem Gläubiger mit dem Hinweis zu, dass eine Vollstreckung aus diesem Unterlassungstitel noch die gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln voraussetze, stellt der Schuldner den Gläubiger klaglos. Da dieser damit bereits im Besitz eines Titels ist, sind sowohl der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als auch die Hauptsacheklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Mangels Wiederholungsgefahr ist eine Unterlassungsklage jedenfalls auch unbegründet.
Siehe auch Strafbewehrte Unterlassungserklärung zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr und Stichwörter zum Thema Abmahnung
Tatbestand:
Die Parteien handeln auf der Internethandelsplattform Amazon mit Fahrrädern und Fahrradanhängern. Der Beklagte bot am 2.12.2013 ein Verdeck für einen Kinderfahrradanhänger der Marke "C" an.
Die Klägerin mahnte den Beklagten ab, weil in dem Angebot widersprüchliche Angaben zur Verwendbarkeit des Verdecks gemacht worden seien. Einmal sei mitgeteilt worden, das das Verdeck für die Modelle des Jahres 2013 passe und einmal, dass es für alle C der Session 2010-212 anwendbar sei.
Auf die Abmahnung hin verpflichtete sich der Beklagte im Rahmen einer notariellen Urkunde, das beanstandete Verhalten zu unterlassen und unterwarf sich gleichzeitig der sofortigen Zwangsvollstreckung.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die notarielle Urkunde nicht geeignet gewesen sei, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Dazu sei es erforderlich, dass der Unterlassungsgläubiger die Urkunde mit Vollstreckungs- und Zustellklausel in Händen halte und dem Unterlassungsschuldner durch das Gericht 1. Instanz die gesetzlichen Ordnungsmittel angedroht worden seien und der Androhungsbeschluss zugestellt worden sei. Zwar habe der Beklagte ihr die Urkunde mit Vollstreckungsklausel zukommen lassen. Sanktionsmöglichkeiten seien jedoch erst eröffnet, wenn sie die Ausfertigung der Urkunde zunächst dem Beklagten durch Gerichtsvollzieher zustellen lasse und das Gericht die Androhung beschließe.
Nachdem dem Beklagten am 21.5.2014 der Androhungsbeschluss des Amtsgericht Ingoldstadt 12 C 731/14 vom 16.5.2014 zugestellt worden ist, hat die Klägerin den auf Unterlassung gerichteten Antrag zu I) in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Sie beantragt nunmehr,
- festzustellen, dass der Antrag zu I) ursprünglich zulässig und begründet war und erst durch die Zustellung des Androhungsbeschlusses am 21.5.2014 unbegründet geworden ist,
- den Beklagten zu verurteilen, sie von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,90 € freizustellen.
Der Beklagte hat sich der Erledigung nicht angeschlossen und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass die Wiederholungsgefahr nicht erst mit dem Bestehen einer Sanktionsmöglichkeit entfalle. Auch bei der Unterlassungserklärung fielen in einigen Fällen der Zeitpunkt, zu dem die Wiederholungsgefahr entfalle und dem, nach dem eine Sanktionsmöglichkeit gegeben sei, auseinander. Auch bei einer einstweiligen Verfügung setze die Sanktionsmöglichkeit erst ein, wenn die Verfügung vollzogen sei. Die Wiederholungsgefahr werde jedoch bereits mit Erlass ausgeräumt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nur hinsichtlich der Abmahnkosten begründet, hinsichtlich der Feststellungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, jedenfalls unbegründet.
1. Nachdem die Klägerin bzgl. des Antrags zu I) einseitig den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, war zu prüfen, ob festgestellt werden kann, dass der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war und nachträglich unzulässig oder unbegründet geworden ist.
Der Antrag zu I) war von vornherein unzulässig und unbegründet.
Mit der Zuleitung einer vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde mit dem Hinweis, dass eine Vollstreckung aus diesem Unterlassungstitel noch die gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln voraussetze, stellt der Schuldner den Gläubiger klaglos. Da er bereits im Besitz eines Titels ist, sind sowohl der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als auch die Hauptsacheklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014 Rn. 1.112d). Mangels Wiederholungsgefahr ist eine Unterlassungsklage jedenfalls auch unbegründet.
Dass eine Vollstreckungslücke gegeben ist zwischen der Zuleitung der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde und dem Entstehen einer Sanktionsmöglichkeit, führt zu keiner anderen Entscheidung. Denn auch in anderen Fällen fallen der Zeitpunkt des Wegfalls der Wiederholungsgefahr und der Zeitpunkt des Entstehens einer Sanktionsmöglichkeit auseinander.
Die Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn eine Wiederholung des wettbewerbswidrigen Verhaltens ernsthaft und greifbar zu besorgen ist (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 8 Rn. 1.32). Diese Gefahr liegt bei einem Schuldner, der eine ernsthafte und vollstreckungsfähige Unterlassungserklärung notariell beurkunden lässt und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, nicht vor.
Eine vom Schuldner abgegebene einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung etwa, lässt, wenn sie ernsthaft ist und auch inhaltlich den an eine solche Erklärung zu stellenden Anforderungen entspricht, die Wiederholungsgefahr unabhängig von einer Annahmeerklärung des Gläubigers und daher gegebenenfalls auch schon vor einer solchen entfallen. Ansprüche aus der strafbewehrten Unterlassungserklärung auf Zahlung einer Vertragsstrafe kann der Gläubiger aber grundsätzlich allein für ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses begangene Verstöße geltend machen (vgl. BGH Urteil vom 17.9.2019 - I ZR 217/07 - Testfundstelle - in juris). Damit können - wie auch im vorliegenden Fall - der Wegfall der Wiederholungsgefahr und der Zeitpunkt des Entstehens einer Sanktionsmöglichkeit auseinanderfallen, so dass trotz Wegfalls der Wiederholungsgefahr für den Gläubiger noch keine Sanktionsmöglichkeit besteht.
Der Schuldner, der eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, zeigt den ernstlichen Willen, die Handlung nicht zu wiederholen. Es wird zur Unterlassungserklärung vertreten, dass vom Angebot schon ein abschreckendes Sanktionspotential ausgehe, da der Schuldner sein Angebot unbefristet abgegeben habe und er jeder Zeit damit rechnen müsse, dass der Gläubiger annimmt und dann Zuwiderhandlungen sanktioniert werden können (vgl. Köhler/Bornkamm, a. a. O., § 12 Rn. 1.116 f.).
Die vorliegende Situation ist vergleichbar, da sich der Beklagte neben der Unterlassungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Wenn der Gläubiger die notarielle Urkunde in Händen hält und nur noch der Androhungsbeschluss fehlt, muss der Schuldner jederzeit damit rechnen, dass der Gläubiger einen Androhungsbeschluss erwirkt, so dass von einer solchen notariellen Urkunde ein vergleichbares Abschreckungspotential ausgeht wie von einer noch nicht angenommenen Unterlassungserklärung.
Auch bei einem Prozessvergleich muss für eine Sanktionsmöglichkeit neben dem Abschluss des Vergleichs ein Androhungsbeschluss erwirkt werden. Der Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes rechtfertigt kein Absehen vom Erfordernis einer richterlichen Ordnungsmittelandrohung. Für die Zeit bis zur Zustellung des Beschlusses mit der Ordnungsmittelandrohung sei zwar - so der Bundesgerichtshof für den dort zu entscheidenden Fall - keine Rechtsschutzlücke entstanden, da bei einem Vergleich die Parteien eine Vertragsstrafe hätten vereinbaren können (vgl. BGH Beschluss vom 2.2.2012 I ZB 95/120 Rn. 9 - in juris). Dennoch hat es der Bundesgerichtshof in dem dort entschiedenen Fall, in dem gerade keine Vertragsstrafe vereinbart worden war, hingenommen, dass Wegfall der Wiederholungsgefahr und Sanktionsmöglichkeit zeitlich auseinanderfallen.
Zum selben Ergebnis kommt auch das Oberlandesgericht Köln, wenn es in seinem Beschluss vom 26.3.2014 - I-6 W 43/14, 6 W 43/14 ausdrücklich ausführt, dass es unbedenklich sei, dass der abgemahnte Unterlassungsschuldner dem Abmahnenden durch seine Unterwerfung bei einem Notar seiner Wahl den Gerichtsstand für das Androhungsverfahren "aufzwingen" könne, zumal ihm damit die Möglichkeit einer - wegen Wegfalls der Wiederholungsgefahr durch die notariell beurkundete Unterwerfungserklärung allerdings erkennbar unbegründeten - Klage bei einem anderen nach § 14 Abs. 2 S. 1 UWG zuständigen Gericht nicht genommen werde.
Gründe dafür, dass der Wegfall der Wiederholungsgefahr und das Bestehen einer Sanktionsmöglichkeit zwingend zeitlich zusammenfallen müssten, sind weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2. Die Kosten für die berechtigte Abmahnung vom 2.12.2013 sind begründet aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Sie waren auch der Höhe nach erforderlich. Der Ansatz einer 1,3 Gebühr bei einem Gegenstandswert von 5.000 € ist für eine irreführende Werbeaussage angemessen.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.