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OLG Frankfurt am Main Urteil vom 25.02.2010 - 6 U 70/09 - Haftung des "Domain Parking"-Inhabers für Kennzeichenverletzungen seiner Kunden
OLG Frankfurt am Main v. 25.02.2010: Haftung des "Domain Parking"-Inhabers für Kennzeichenverletzungen seiner Kunden
Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.02.2010 - 6 U 70/09) hat entschieden:
Der Betreiber einer Internethandelsplattform für Domains mit "Domain Parking"-Angebot ist weder als Täter oder Teilnehmer noch als Störer noch unter dem Gesichtspunkt der Beauftragtenhaftung für - ohne seine Kenntnis erfolgte - Kennzeichenverletzungen verantwortlich, die seine Kunden dadurch begehen, dass sie auf ihrer Unterseite eine mit einer geschützten Marke hochgradig ("zum Vertippen") ähnliche Domain einstellen und zugleich ein Keyword wählen, das zur Einblendung von Werbelinks für Waren oder Dienstleistungen führt, für welche auch die geschützte Marke eingetragen ist.
Siehe auch Domainrecht und Störerhaftung des Betreibers von Internetangeboten
Gründe:
Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313 a I, 1 ZPO abgesehen.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten nicht zu. Zwar sind die Rechte der Klägerin an der Marke „A“ dadurch verletzt worden, dass ein Kunde der Beklagten auf der Internetplattform der Beklagten unter Inanspruchnahme des „Domain Parking“-Angebots eine Unterseite mit der geparkten Domain „B“ eingerichtet und durch Wahl eines geeigneten Keywords dafür gesorgt hat, dass bei Eingabe des Domainnamens „B“ durch einen Internetnutzer nicht nur diese Unterseite aufgerufen, sondern zugleich Werbelinks eingeblendet wurden, die inhaltlichen Bezug zu den Dienstleistungen hatten, für die die Marke der Klägerin geschützt ist. Die Beklagte konnte für diese Markenverletzung jedoch zum Zeitpunkt der Abmahnung, deren Kosten die Klägerin ersetzt verlangt, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verantwortlich gemacht werden. Zur Begründung wird in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Das Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Beurteilung.
Der Kunde der Beklagten, der die Markenverletzung begangen hat, kann nicht als Beauftragter der Beklagten im Sinne von §§ 14 VII, 15 VI MarkenG eingestuft werden. Voraussetzung für die Beauftragtenhaftung ist, dass der Dritte seine Tätigkeit in einem Geschäftsbereich entfaltet, der dem Betriebsinhaber zugeordnet ist (vgl. BGH – I ZR 109/06 – Partnerprogramm, Tz. 27). Das folgt aus dem Zweck der Beauftragtenhaftung, der darin besteht, dass der Betriebsinhaber sich der Haftung für Rechtsverletzungen in seiner Verantwortungssphäre nicht durch Einschaltung von Hilfspersonen soll entziehen können. Es muss daher stets um ein Verhalten gehen, das in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Betriebsinhabers fällt und von diesem auf einen Dritten verlagert worden ist. Maßgebend für die Beurteilung dieser Frage ist das Wesen der Tätigkeit des Dritten im Verhältnis zu derjenigen des Betriebsinhabers.
Im vorliegenden Fall besteht zwar zwischen der Beklagten und dem Zulieferer der Werbelinks ein Vertragsverhältnis. Die Beklagte bedient sich jedoch nicht ihres Kunden (und Domaininhabers), um ihre vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Werbezulieferer erfüllen zu können. Vielmehr besteht der wesentliche Inhalt der Geschäftstätigkeit der Beklagten darin, dem Domaininhaber als ihrem Kunden die zum Domain-Parking gehörenden Leistungen zu erbringen, zu denen auch die Einblendung von Werbelinks entsprechend dem vom Kunden gewählten Keyword gehört; hierzu beschafft sie sich die entsprechenden Anzeigen bei dem Zulieferer der Werbelinks. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, die Beklagte schalte zur Ausübung ihrer geschäftlichen Tätigkeit ihre Kunden als Beauftragte ein. Vielmehr dient umgekehrt das Vertragsverhältnis der Beklagten mit dem Werbezulieferer dazu, die vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten gegenüber ihren Kunden zu erfüllen.
Die Beklagte haftet aus den vom Landgericht dargelegten Gründen auch nicht als Mittäterin oder Teilnehmerin für die von ihrem Kunden begangene Markenverletzung (vgl. hierzu auch OLG München, Urteil vom 13.8.2009 – 6 U 5740/07, S. 13 ff.). Die Beklagte hatte auf Grund des automatisierten Geschäftsablaufs bis zur Abmahnung positive Kenntnis weder von der geparkten Domain selbst noch von dem die Markenverletzung erst begründenden Keyword, das ihr Kunde gewählt hatte. Damit fehlt es am Vorsatz hinsichtlich der Verletzungshandlung, ohne den weder eine mittäterschaftliche noch eine Gehilfenhaftung in Betracht kommt (vgl. BGH – Internetversteigerung I, Tz. 45). Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg (WRP 2008, 1569) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Im dortigen Fall ging es um die Frage, ob nach Begehung einer Markenverletzung auf einer Internetplattform den Betreiber dieser Plattform auf Grund einer daraus resultierenden Garantenstellung die Verpflichtung trifft, die Begehung künftiger Markenverletzung zu unterbinden. Eine solche Täterschaft oder Teilnahme durch Unterlassen kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Betreiber der Pattform – wie im vorliegenden Fall bis zur Abmahnung – auf die Verletzungshandlung noch nicht hingewiesen worden ist.
Schließlich hat das Landgericht auch eine Störerhaftung der Beklagten mit zutreffenden Erwägungen verneint (ebenso OLG München a.a.O., S. 17 ff.).
Eine Störerhaftung der Beklagten für Markenverletzungen der in Rede stehenden Art kommt grundsätzlich in Betracht, da die Beklagte mit ihrem Angebot eine typische Gefahrenquelle für die Begehung solcher Verletzungshandlungen schafft. Art und Umfang der sie treffenden Prüfungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Da mit der Klage allerdings ausschließlich Ersatz der Kosten für die erste Abmahnung geltend gemacht werden, müssten die Voraussetzungen für eine „originäre“ - d.h. von Anfang an und nicht erst nach Hinweis auf die Rechtsverletzung bestehende - Prüfungspflicht der Beklagten erfüllt sein. Eine solche Prüfungspflicht lehnt der Bundesgerichtshof jedoch jedenfalls für den Betreiber einer Internet-Versteigerungsplattform als unzumutbar ab, und zwar selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Betreiber einer solchen Plattform mit der Rechtsverletzung Einnahmen erzielt (vgl. BGH – Internet-Versteigerung I, Tz. 49). Auch im vorliegenden Fall erscheint unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine „originäre“ Prüfungspflicht der Beklagten unverhältnismäßig.
Für eher erhöhte Anforderungen an den Prüfungsumfang mag sprechen, dass jedenfalls bei den „Vertipp-Domains“ ein Missbrauch des Domain-Parkings nach dem auch hier erfolgten Muster ausgesprochen nahe liegt und eine „legale“ Nutzung sogar kaum denkbar ist (vgl. hierzu Leistner/Stang WRP 2008, 547 f.). Da dies für generische Domains aber nicht gilt, könnte sich die Auferlegung einer „originären“ Prüfungspflicht von vornherein nur auf „Vertipp-Domains“ beschränken. Daraus würde sich für die Beklagte ein beträchtlicher Prüfungsumfang ergeben. Die Beklagte müsste bei jedem Domain-Parking-Auftrag prüfen, ob es sich um eine nicht-generische Domain handelt und ob es ein geschütztes Zeichen gibt, das dieser Domain „zum Vertippen ähnlich“ ist; weiter müsste sie ermitteln, für welche Waren und Dienstleistungen diese Marke eingetragen ist und ob das von ihrem Kunden gewählte Keyword eine Nähe zu diesen Waren und Dienstleistungen aufweist.
Der mit einer solchen Prüfung verbundene Aufwand ist so groß, dass er das gesamte Geschäftsmodell der Beklagten in Frage stellen würde (vgl. auch hierzu BGH - Internet-Versteigerung I, Tz. 49). Dabei kommt es nicht einmal darauf an, in welchem Umfang und zu welchen Kosten ein Teil dieser Prüfungstätigkeiten auch automatisiert durchgeführt werden könnte.
Jedenfalls der letzte der genannten Prüfungsschritte setzt eine individuelle Einzelfallbeurteilung voraus, die der Beklagten nicht zuzumuten ist.
Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung kommt hinzu, dass der durch die in Rede stehende konkrete Markenverletzung bewirkte Eingriff in die Interessen des Markeninhabers im Allgemeinen begrenzt ist. Letztlich wird nur eine geringe Zahl von Nachfragern, die die Marke versehentlich falsch eingeben oder deren korrekte Schreibweise nicht kennen, bei ihrer Suche nach der Marke gewissen Irritationen ausgesetzt; dagegen ist die Möglichkeit, dass sie durch die Werbelinks auf einen anderen Anbieter umgelenkt werden, zwar gegeben, aber in der Praxis von eher geringer Bedeutung. Auch im Hinblick darauf erscheint eine „originäre“ Prüfungspflicht der Beklagten unverhältnismäßig. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob gerade die Klägerin auf Grund der Besonderheiten ihres Geschäftsangebotes ein erhöhtes Interesse an der Unterbindung der hier in Rede stehenden Markenverletzung hatte; denn für die Frage, welche „originären“ Prüfungspflichten der Beklagten zuzumuten sind, kommt es auf die Interessenlage der möglicherweise betroffenen Markeninhaber im Allgemeinen an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) ist nicht geboten. Da der erkennende Senat in der Sache selbst mit der Beurteilung des Oberlandesgerichts München (a.a.O.) übereinstimmt, sind die Voraussetzungen des § 543 II Nr. 2 ZPO nicht gegeben. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (insoweit a.A. OLG München a.a.O.). Die Entscheidung hängt von der Anwendung der allgemeinen Grundsätze, die der Bundesgerichtshof zur Beauftragtenhaftung sowie zur Haftung des Betreibers einer Internetplattform für Markenverletzungen entwickelt hat, auf den konkreten Fall ab. Allein der Umstand, sich diese Frage in weiteren Fälle stellen kann, verleiht dem Rechtsstreit keine grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 543 II Nr. 1 ZPO).