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OLG Stuttgart Beschluss vom 02.01.2014 - 2 W 63/13 + 2 W 77/13 - Streitwertbemessung in Verfügungssachen

OLG Stuttgart v. 02.01.2014: Zur Streitwertbemessung bei Einstweiligen Verfügungen


Das OLG Stuttgart (Beschluss vom 02.01.2014 - 2 W 63/13 + 2 W 77/13) hat entschieden:
Der Streitwert des Verfügungsverfahrens soll gegenüber einem gedachten Hauptsacheverfahren wegen des nur vorläufig regelnden Charakters niedriger zu bemessen sein. Ein Streitwert von 1.000 Euro ist anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Streitwerts bietet. Es sollte darauf ankommen, ob es sich vom Unrechtsgehalt der Handlung her um einen geringfügigen Wettbewerbsverstoß durch einen Kleinunternehmer handelt.




Siehe auch Streitwert - Gegenstandswert in Abmahnsachen und Einstweiligen Verfügungen und Stichwörter zum Thema Abmahnung


Gründe:

I.

Die gegenläufigen Beschwerden sind zulässig, nur diejenige des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers hat Erfolg.

A

Der Verfügungskläger [im Folgenden kurz: Kläger], ein Verband, dessen satzungsmäßige Aufgabe es ist, auf die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs hinzuwirken, hatte die Verfügungsbeklagte [im Folgenden kurz: Beklagte] erfolgslos abgemahnt und daraufhin einen Verfügungsbeschluss u.a. mit dem Unterlassungsgebot erwirkt:
im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Letztverbraucher zu werben, ohne gleichzeitig die Identität (vollständige Firmierung inklusive Rechtsformzusatz) und Anschrift (Sitz) des Unternehmens anzugeben,

wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift „g...- D... G... M...“, Ausgabe April/Mai/Juni 2013 auf Seite 72 (Anlage zu diesem Beschluss).
Das Landgericht entsprach der Streitwertvorgabe (Bl. 2) des Klägers in seiner Wertbemessung mit 10.000,00 € (Bl. 26). Nachdem die Beklagte eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, streiten die Beteiligten nur noch über die Höhe des Gegenstandswerts. Auf die Beschwerde der Beklagten hat das Landgericht den Streitwert auf 7.500,00 € abgesenkt (Herleitung [Bl. 63]: gedachter Hauptsachestreitwert 15.000,00 €, 25 % Abschlag „wegen der Abmilderung des Verstoßes im Internetshop ... bei jeder möglichen Bestellung der angesprochenen Verkehrskreise“, weiterer 1/3-​Abschlag wegen der Verfahrensart) und legte die Sache zur Entscheidung vor. Gleiches geschah im Hinblick auf die Beschwerde nun des Klägervertreters wegen dieser Ermäßigung des Streitwertes.


B

1. Die Streitwertvorgabe des Klägers war angemessen, auch wenn man dafür hält, dass der Streitwert des Verfügungsverfahrens gegenüber einem gedachten Hauptsacheverfahren wegen des nur vorläufig regelnden Charakters niedriger zu bemessen sein soll (dafür im Regelfall nun auch § 51 Abs. 4 GKG; vgl. hierzu BT-​Drs. 17/13057 S. 31). Dies veranschaulichen auch Beschlüsse zur hier streitbetroffenen Norm des § 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG (20.000,00 € im Verfügungsverfahren: OLG Hamm B. v. 11.08.2011 - I-​4 W 66/11; 13.10.2011 - I-​4 W 84/11; HansOLG Hamburg B. v. 20.10.2011 - 5 W 134/11; OLG Düsseldorf B. v. 05.09.2011 - I-​20 W 110/11; 15.000,00 €: Brandenburgisches OLG B. v. 19.03.2012 - 6 U 79/11; 10.000,00 €: Senat B. v. 20.12.2012 - 2 W 32/12; 20.000,00 € in Hauptsacheverfahren: OLG Düsseldorf U. v. 02.10.2012 - I-​20 U 223/11).

2. Durch das Gesetz gegen unlautere Geschäftspraktiken vom 01.10.2013 (BGBl. I Nr. 59, S. 3714 f), hat sich vorliegend keine Änderung zu Gunsten der Beklagten ergeben.

a) Dabei kann offenbleiben, ob, enthielte es für den hiesigen Fall eine Gesetzesänderung, diese für die vorliegende Bewertung beachtlich wäre (vgl. zum Inkrafttreten des Gesetzes dessen Art. 10 S. 1; andererseits § 40 GKG; allg. zum Übergangsrecht etwa BGHZ 185, 359).

b) Denn jedenfalls hat die Vorschrift für den hier zur Entscheidung stehenden Fall keine Änderung erbracht.

aa) Zwar sieht § 51 Abs. 3 S. 2 GKG als weitere Sonderregel zum Gewerblichen Rechtsschutz, auf welche die Beklagte abstellt, vor:
„Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1.000 Euro anzunehmen, auch wenn diese Ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden.“
bb) Die Gesetzesbegründung führt insoweit aus:
„Ein Streitwert von 1.000 Euro ist anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Streitwerts bietet. Dieser Auffangwert ist als starre Größe einer Differenzierung nach oben oder nach unten je nach Lage des Falles nicht zugänglich. Er wird insbesondere in den Fällen zur Anwendung kommen, in denen ein Verstoß gegen Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nummer 11 UWG außerhalb des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vorliegt, die Verzerrung des Wettbewerbs aber eher unwahrscheinlich ist, da sich ein vernünftiger Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch den Verstoß in seiner Entscheidung über den Kauf einer Ware oder die Inanspruchnahme einer Dienstleistung nicht beeinflussen lassen wird“ (BT-​Drs. 17/13057 S. 30/31).
Diese Begründung soll allerdings zu kurz greifen, weil in solchen Fällen mangels geschäftlicher Relevanz bereits der Verbotstatbestand des § 1 UWG nicht erfüllt ist. Richtigerweise sollte es darauf ankommen, ob es sich vom Unrechtsgehalt der Handlung her um einen geringfügigen Wettbewerbsverstoß durch einen Kleinunternehmer handelt (z.B. geringfügige Verletzung von Informationspflichten im Sinn des § 5 a Abs. 3 oder im Sinne der PAngV; so Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. [2014], § 12, 5.3 d; vgl. allg. auch Hartmann, KostenGe, § 43 [2013], § 51 GKG, 8).

cc) Gemessen daran ist nicht von diesem Auffangwert auszugehen.

Dass die Beklagte eine Kleinunternehmerin wäre, die zu schützen augenscheinlich der Zweck der Gesetzesänderung ist, da es im Zusammenhang mit der Gebührengenerierung von abmahnenden Rechtsanwälten Kosten entgegentreten will, „die von den Abgemahnten als ungerecht hoch empfunden werden und diese teilweise empfindlich treffen“ (BT-​Drs. a.a.O. S. 30), ist schon nicht ersichtlich. Unwidersprochen hat der Kläger u.a. vorgetragen und insoweit auch glaubhaft gemacht, dass eine ganzseitige Anzeige, wie von der Beklagten geschaltet, 11.900,00 € kostet (A 21 = Bl. 51) und auf das Erreichen einer sehr großen und relativ finanzstarken Zielgruppe gerichtet ist. Da ein Verstoß gegen § 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG als unionsrechtlich vorgegebene Informationspflicht (BGH GRUR 2013, 1169 [Tz. 12] - Brandneu von der IFA) auch die Spürbarkeitsschwelle des § 5 Abs. 2 S. 1 UWG überschreitet (BGH a.a.O. [Tz. 19] - Brandneu von der IFA), gibt es auch genügend Anhaltspunkte zur wettbewerbsrechtlichen Wertbemessung.

Dies führt zur Wiederherstellung der ursprünglichen landgerichtlichen Wertfestsetzung.

II.

Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 68 Abs. 3 GKG).

Über die Zulassung der Rechtsbeschwerde war schon mangels deren Statthaftigkeit (BGH MDR 2013, 560 [Tz. 6]) nicht zu befinden.



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