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BGH Urteil vom 24.09.2013 - II ZR 216/11 - Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils

BGH v. 24.09.2013: Zur Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils wegen eines tiefgreifenden Zerwürfnisses der Gesellschafter


Der BGH (Urteil vom 24.09.2013 - II ZR 216/11) hat entschieden:
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats setzt ein wichtiger Grund zum Ausschluss eines Gesellschafters im Falle eines - vom Berufungsgericht hier festgestellten - tiefgreifenden Zerwürfnisses der Gesellschafter voraus, dass das Zerwürfnis von dem betroffenen Gesellschafter zumindest überwiegend verursacht worden ist und in der Person des oder der die Ausschließung betreibenden Gesellschafter keine Umstände vorliegen, die deren Ausschließung oder die Auflösung der Gesellschaft rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1960 - II ZR 22/59, BGHZ 32, 17, 31; Urteil vom 10. Juni 1991 - II ZR 234/89, GmbHR 1991, 362, 363; Urteil vom 24. Februar 2003 - II ZR 243/02, ZIP 2003, 759, 761).




Siehe auch Die GmbH - Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Gesellschaften - Gesellschaftsformen - Gesellschaftsrecht - Handelsgesellschaften - Unternehmensformen für Onlinehops


Tatbestand:

I. Der Kläger war mit drei weiteren Gesellschaftern Gründer der beklagten GmbH, die ein Kino betreibt. Alle Gesellschafter waren mit jeweils 25% an der Beklagten beteiligt und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer. Jeder Gesellschafter hatte bestimmte Leistungen als Beitrag zur Förderung des Gesellschaftszwecks zu erbringen. Zum Aufgabenbereich des Klägers gehörte die Betreuung der Auszubildenden und die Übernahme einzelner Wochenenddienste. Nachdem die persönliche Beziehung des Klägers mit der Mitgesellschafterin L. gescheitert war, kam es zu Spannungen zwischen den Gesellschaftern. Dem Kläger wurde die Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer und Gesellschafter vorgeworfen.

Der Kläger wurde im November und Dezember 2005 dreimal wegen der Vernachlässigung seiner Geschäftsführerpflichten anwaltlich abgemahnt. In einer Gesellschafterversammlung am 16. Dezember 2005 einigten sich die Gesellschafter darauf, dass der Kläger bis auf weiteres bezahlten Urlaub nehmen dürfe und sich während dieser Zeit jedweder Geschäftsführertätigkeit enthalten solle. Hieran hielt sich der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. In der Gesellschafterversammlung vom 22. Februar 2006 wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen.

In der Versammlung vom 16. März 2006 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten in Abwesenheit des Klägers einstimmig, dessen Geschäftsanteile aus wichtigem Grund einzuziehen und den Kläger auszuschließen, weil sein weiteres Verbleiben in der Gesellschaft aufgrund seines Verhaltens für die übrigen Gesellschafter untragbar sei.

§ 15 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten regelt die Einziehung von Geschäftsanteilen und lautet auszugsweise:
1. Die Gesellschafter können die Einziehung von Geschäftsanteilen mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit beschließen.

2. Der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters bedarf es nicht,

...

wenn in seiner Person ein anderer wichtiger Grund, der seine Ausschließung aus der Gesellschaft rechtfertigt, gegeben ist. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn ein weiteres Verbleiben des betroffenen Gesellschafters in der Gesellschaft für diese untragbar ist, insbesondere,

...

In allen diesen Fällen erfolgt die Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 75 v.H. der abgegebenen Stimmen; der betroffene Gesellschafter hat kein Stimmrecht mehr.
Der Kläger hat beantragt, die Beschlüsse vom 16. März 2006 für nichtig zu erklären. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten.


Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.

I.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Ein wichtiger Grund für den Ausschluss des Klägers und die Einziehung seiner Geschäftsanteile liege nicht vor.

Der Kläger habe mehrmals gegen seine Pflichten verstoßen, unter anderem indem er seit dem 27. Oktober 2005 nicht mehr im Betrieb mitgearbeitet habe, an keinen Teamsitzungen mehr teilgenommen habe, außer an derjenigen am 9. November 2005, am 20. November 2005 sowie am 3. Dezember 2005 jeweils seinen Wochenenddienst mit halbstündiger Verspätung angetreten habe und seine Aufgabe, die Auszubildenden zu betreuen, nicht mehr erfüllt habe. Der Kläger habe am 18. November 2005 und am 19. November 2005 Kundenreservierungen für eine Kinovorstellung storniert, um so für sich selbst Plätze zur Verfügung zu haben. Der Kläger habe gegen die Satzung verstoßen, indem er am 28. November 2005 mit einem Bahnbetreiber eine Kooperationsvereinbarung mit einem Geschäftsvolumen von 5.000 € getroffen habe, ohne dies mit den Mitgesellschaftern abzusprechen oder sie nachträglich zu informieren. Am 2. Januar 2006 und am 6. Januar 2006 habe der Kläger die Büroräume des Kinos betreten, Schränke und Schubladen durchsucht, Anweisungen erteilt und Gespräche mit Filmverleihern geführt, obwohl mit den weiteren Gesellschaftern vereinbart gewesen sei, sich jeglicher Geschäftsführertätigkeit zu enthalten.

Der Kläger habe mehrfach Mitgesellschafter persönlich angegriffen und beleidigt. Der Beklagten sei zuzugestehen, dass die gebotene umfassende Interessenwürdigung der Lage den Schluss zulasse, dass ein sinnvolles Zusammenwirken der Gesellschafter nicht mehr zu erwarten sei. Insoweit fehle es an der für das Funktionieren einer personalistisch ausgestalteten GmbH neben dem wirtschaftlichen Erfolg erforderlichen ersprießlichen Zusammenarbeit und an der Achtung vor dem anderen. Allerdings seien die weiteren vom Bundesgerichtshof aufgestellten Voraussetzungen, die den Ausschluss des Klägers unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigen könnten, nämlich dass das Zerwürfnis von ihm zumindest überwiegend verursacht worden sei und in der Person des oder der Ausschließenden nicht ebenfalls ein Ausschließungsgrund vorliege, nicht sämtlich gegeben. Zwar sei nicht ersichtlich, dass den Mitgesellschaftern ihrerseits ein ihren eigenen Ausschluss rechtfertigendes Verhalten vorzuwerfen wäre. Es sei aber auch nicht dargelegt, dass das Zerwürfnis innerhalb der Gesellschaft zumindest überwiegend von dem Kläger verursacht worden sei.

Es sei anzunehmen, dass in erster Linie die Zerrüttung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Mitgesellschafterin L. das Verhältnis der Mitgesellschafter der Beklagten belastet und damit die wesentliche Ursache für die Zerrüttung des Gesellschaftsverhältnisses gesetzt habe. Wer wiederum das Scheitern der Lebensgemeinschaft zu vertreten habe, könne der Senat nicht beurteilen. Die darüber hinaus von dem Kläger in Fortsetzung dieser in die Gesellschaft hineingetragenen Auseinandersetzung begangenen Pflichtverletzungen stünden außer Frage. Die Verfehlungen seien aber nicht schwerwiegend genug, um die Überzeugung des Senats davon zu begründen, dass die tiefgreifende Krise zumindest überwiegend dem Kläger anzulasten sei. Dabei werde nicht verkannt, dass durch die in Rede stehenden Verhaltensweisen und verbalen Entgleisungen des Klägers die Zerrüttung zumindest vertieft worden sei. Nicht erwiesen sei jedoch, dass nicht die durch die persönliche Trennung der Mitgesellschafter entstandenen Spannungen und Umgangsformen ein weiteres Miteinander der Gesellschafter bereits untragbar gemacht hätten und demgegenüber den weiteren Ursachenbeiträgen des Klägers ein vergleichsweise geringes Gewicht beizumessen sei.


II.

Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten tiefgreifenden Zerwürfnis der Gesellschafter, das auf dem Boden der Feststellungen des Berufungsgericht überwiegend vom Kläger verursacht worden ist, waren die Mitgesellschafter des Klägers berechtigt, dessen Geschäftsanteil auf der Grundlage von § 15 Nr. 2 der Satzung der Beklagten einzuziehen, weil ein wichtiger Grund in der Person des Klägers vorliegt, der seine Ausschließung aus der Gesellschaft rechtfertigt. Die gegenteilige Würdigung des Berufungsgerichts ist aus Rechtsgründen zu beanstanden.

1. Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist nach § 34 Abs. 2 GmbHG ohne Zustimmung des Anteilsberechtigten nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen derselben vor dem Zeitpunkt, in welchem der Berechtigte den Geschäftsanteil erworben hat, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt waren. § 15 Nr. 2 der Satzung der Beklagten knüpft die Zwangseinziehung in zulässiger Weise an das Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person des Gesellschafters, der seine Ausschließung aus der Gesellschaft rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 1977 - II ZR 11/76, WM 1977, 1276, 1277).

2. Es ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in erster Linie Aufgabe des Tatrichters zu beurteilen, ob im konkreten Fall ein wichtiger Grund vorliegt; er hat die dafür maßgebenden Umstände festzustellen, zu würdigen und abzuwägen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung erstreckt sich allein darauf, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes richtig erfasst, ob es aufgrund vollständiger Sachverhaltsermittlung geurteilt und ob es in seine Wertung sämtliche Umstände des konkreten Falls einbezogen hat (BGH, Urteil vom 10. Juni 1991 - II ZR 234/89, GmbHR 1991, 362; Urteil vom 24. Februar 2003 - II ZR 243/02, ZIP 2003, 759, 760 mwN). Gemessen an diesem Maßstab ist die Würdigung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft.

a) Das Berufungsgericht ist allerdings rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Einziehung eines Geschäftsanteils ebenso wie die Ausschließung eines Gesellschafters einer umfassenden Prüfung aller Umstände des Einzelfalls und einer Gesamtabwägung der beteiligten Interessen sowie des Verhaltens der übrigen Gesellschafter bedarf (BGH, Urteil vom 23. Februar 1981 - II ZR 229/79, BGHZ 80, 346, 350; Urteil vom 13. Februar 1995 - II ZR 225/93, ZIP 1995, 567, 569 mwN).

b) Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass ein sinnvolles Zusammenwirken der Gesellschafter nicht mehr zu erwarten ist, weil es an der für das Funktionieren einer personalistisch ausgestalteten GmbH erforderlichen ersprießlichen Zusammenarbeit und der Achtung vor dem anderen fehle, ist gleichfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf dieser Tatsachengrundlage kann dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die weiteren Voraussetzungen, die den Ausschluss des Klägers unter diesem Gesichtspunkt und damit die Einziehung seines Geschäftsanteils rechtfertigen könnten, seien nicht sämtlich gegeben, aus Rechtsgründen keinen Bestand haben.

aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats setzt ein wichtiger Grund zum Ausschluss eines Gesellschafters im Falle eines - vom Berufungsgericht hier festgestellten - tiefgreifenden Zerwürfnisses der Gesellschafter voraus, dass das Zerwürfnis von dem betroffenen Gesellschafter zumindest überwiegend verursacht worden ist und in der Person des oder der die Ausschließung betreibenden Gesellschafter keine Umstände vorliegen, die deren Ausschließung oder die Auflösung der Gesellschaft rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1960 - II ZR 22/59, BGHZ 32, 17, 31; Urteil vom 10. Juni 1991 - II ZR 234/89, GmbHR 1991, 362, 363; Urteil vom 24. Februar 2003 - II ZR 243/02, ZIP 2003, 759, 761).

bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht ersichtlich, dass den Mitgesellschaftern ihrerseits ein ihren eigenen Ausschluss rechtfertigendes Verhalten vorzuwerfen wäre. Das Berufungsgericht hat vielmehr allein Verhaltensweisen des Klägers festgestellt, die die Achtung vor seinen Mitgesellschaftern vermissen lassen und einer ersprießlichen Zusammenarbeit im Wege stehen. Weiter hat es angenommen, dass durch die Verhaltensweisen des Klägers die Zerrüttung zwischen den Gesellschaftern zumindest vertieft wurde. Damit ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aber hinreichend dargelegt, dass das Zerwürfnis innerhalb der Gesellschaft überwiegend vom Kläger verursacht worden ist.

Dass sich das Berufungsgericht nicht zu der Beurteilung in der Lage gesehen hat, wer das Scheitern der Lebensgemeinschaft des Klägers mit seiner Mitgesellschafterin L. zu vertreten habe, und es nicht für erwiesen erachtet hat, dass nicht die durch die persönliche Trennung der Mitgesellschafter entstandenen Spannungen und Umgangsformen ein weiteres Miteinander der Gesellschafter bereits untragbar gemacht hätten, rechtfertigt keine andere Würdigung. Das Scheitern der Lebensgemeinschaft ist für die Beantwortung der Frage, wer das innergesellschaftliche Zerwürfnis überwiegend verursacht hat, nur dann und soweit von Bedeutung, wie der daraus resultierende persönliche Konflikt von den Beteiligten in die Gesellschaft hineingetragen wurde. Das Berufungsgericht hat aber nur in Bezug auf den Kläger festgestellt, dass seine Pflichtverletzungen in Fortsetzung seiner in die Gesellschaft hineingetragenen persönlichen Auseinandersetzung mit der Mitgesellschafterin L. begangen wurden. Dass die Mitgesellschafter in vergleichbarer Weise die persönliche Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der Gesellschafterin L. in die Gesellschaft hineingetragen oder in anderer Weise zum Zerwürfnis der Gesellschafter beigetragen haben, hat das Berufungsgericht dagegen nicht festgestellt und hat der Kläger, dessen - auch nach Auffassung des Berufungsgerichts für das Zerwürfnis der Gesellschafter (zumindest mit)ursächliche - Pflichtverletzungen rechtsfehlerfrei festgestellt sind, nach der insoweit rechtlich unbedenklichen Würdigung des Berufungsgerichts auch nicht substantiiert vorgetragen.

III. Der Senat hat gem. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist. Weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten.



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