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OLG Dresden Beschluss vom 05.11.2002 - 2 U 1433/02 - Bestellung eines Nicht-EU-Ausländers zum GmbH-Geschäftsführer
OLG Dresden v. 05.11.2002: Bestellung eines Nicht-EU-Ausländers zum GmbH-Geschäftsführer
Das OLG Dresden (Beschluss vom 05.11.2002 - 2 U 1433/02) hat entschieden:
An der Bestellung eines Nicht-EU-Ausländers zum Geschäftsführer einer GmbH sind keine über § 6 Abs. 2 GmbHG hinausgehenden persönlichen Anforderungen zu knüpfen. Der Wirksamkeit seiner Bestellung steht insbesondere nicht entgegen, dass er infolge seiner Staatsangehörigkeit seinen gesetzlichen Pflichten als Geschäftsführer nicht ohne Weiteres nachkommen kann.
Siehe auch Ausländischer GmbH-Geschäftsführer und Die GmbH - Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründe:
Die Berufung der Beklagten, über welche angesichts der Säumnis der prozessordnungsgemäß geladenen Klägerin und der Zulässigkeit der von dieser erhobenen Klage auf der Grundlage des Tatsachenvortrages der Beklagten zu entscheiden war, ist begründet, so dass der Senat insgesamt durch Versäumnisurteil zu erkennen hatte (§ 539 Abs. 2 ZPO).
A.
Die Klägerin ist prozessfähig, da sie mit dem am 18.08.2000 wirksam zum Geschäftsführer bestellten I. S. über ein Vertretungsorgan verfügt.
1. Der Berufung von I. S. zum Geschäftsführer steht nicht entgegen, dass dieser als Bürger der russischen Föderation seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat und seiner Geschäftsführertätigkeit nach dem ihm erteilten Visum längstens drei Monate im Jahr im Inland nachkommen kann (vgl. § 14 AuslG, § 12 Abs. 1 und Abs. 5 DV AuslG, §§ 9, 1 ArGV, § 5 Abs. 2 Nr. 1 BVG).
a) Der Wortlaut von § 6 Abs. 2 GmbHG schließt Angehörige von Nicht-EU-Staaten weder von der Ausübung des Geschäftsführeramtes aus noch fordert er die jederzeitige Möglichkeit zur Einreise i.S.d. ausländerrechtlichen Bestimmungen. Auch kann eine mit einer Auflage versehene ausländerrechtliche Aufenthaltsgenehmigung nicht einem behördlich angeordneten Berufsverbot i.S.v. § 6 Abs. 2 Satz 4 GmbHG gleichgestellt werden (vgl. Wachter, ZIP 1999, 1575 [1579]).
b) Eine weitergehende Restriktion der in § 6 Abs. 2 GmbHG normierten persönlichen Anforderungen für das Amt des Geschäftsführers ist nicht veranlasst.
aa) Eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor.
Aus der Gesetzgebungsgeschichte der im Jahr 1980 eingeführten Vorschrift ergibt sich kein Hinweis auf eine ungewollte Unvollständigkeit des Wortlauts. Auch die im Jahr 1990 durch das Betreuungsgesetz erfolgte Ergänzung hat der Gesetzgeber nicht zum Anlass für eine Änderung genommen (vgl. Wachter, a.a.O.).
bb) Der Senat vermag auch in der Systematik des GmbH-Gesetzes keine hinreichende normative Verankerung dafür zu erkennen, dass zum Geschäftsführer nicht bestellt werden könne, wer in Folge seiner Staatsangehörigkeit seinen gesetzlichen Pflichten nicht ohne Weiteres werde nachkommen können (so aber: OLG Zweibrücken GmbHR 2001, 435 [436]; OLG Köln GmbHR 1999, 182 [183]; OLG Köln NJW-RR 1999, 1637 [1638]; OLG Hamm ZIP 1999, 1919 [1920]; vgl. zu § 76 Abs. 3 AktG: Hüffer, AktG, 5. Aufl. § 77 Rn. 25).
(1) Gegen eine solche Beschränkung der persönlichen Voraussetzungen spricht bereits, dass die organschaftliche Vertretungsmacht bei Kapitalgesellschaften in besonderer Weise von Aspekten des Verkehrsschutzes geprägt ist und diese Zielrichtung nachgerade in ihr Gegenteil verkehrt würde, wenn die Organstellung einer formal zum Geschäftsführer bestellten Person von dessen faktischer Erreichbarkeit oder von ausländerrechtlichen Verhältnissen abhinge. Dies gilt umso mehr, als diese Umstände für den Rechtsverkehr schon von den tatsächlichen Gegebenheiten her in aller Regel nicht erkennbar sind, geschweige denn für Dritte hinreichend verlässlich zu bewerten ist, wie die Rechtslage von den Ausländerbehörden und den Registergerichten mutmaßlich eingeschätzt wird.
Der erforderliche Schutz der betroffenen Verkehrskreise kann insoweit auch nicht über § 15 Abs. 3 HGB wirkungsvoll hergestellt werden, da bei einer Einzelfall bezogenen Würdigung die betroffenen Verkehrskreise bis zum Eintragungszeitpunkt das Risiko trügen, dass ein nicht im Gebiet der Europäischen Union ansässiger Ausländer, der durch Gesellschafterbeschluss zum Vertretungsorgan bestellt wurde, dessen Funktion auch tatsächlich einnimmt (vgl. Wachter, a.a.O.). Welche Unzuträglichkeiten bei einer gegenteiligen Sicht entstünden, zeigt das vorliegende Eintragungsverfahren, in dem es seit nunmehr über zwei Jahren zu keiner registergerichtlichen Entscheidung gekommen ist, exemplarisch.
(2) Der Senat vermag auch nicht zu ersehen, dass die einem Geschäftsführer nach den GmbH-Gesetz zugewiesenen Pflichtenstellungen erfordern, die in § 6 Abs. 2 GmbHG genannten persönlichen Anforderungen im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu ergänzen.
(2.1) Bei entsprechender Organisation des Geschäftsbetriebes kann ein Geschäftsführer seine Aufgaben in weiten Bereichen in Staaten ausüben, die nicht der Europäischen Union angehören, ohne hiermit von vorn herein seine gesetzlichen Pflichten zu vernachlässigen (vgl. LG Hildesheim GmbHR 1995, 655; OLG Düsseldorf GmbHR 1978, 110 [111]; OLG Frankfurt NJW 1977, 1595; Baumbach/Hueck GmbHG, 17. Aufl., § 6 Rn. 9; Wachter, a.a.O., zu § 76 Abs. 3 AktG: Kölner Kommentar/Mertens, AktG, 2. Aufl., § 76, Rn. 101).
(2.1.1) Angesichts der weltweiten kommunikativen Vernetzung lassen sich viele Tätigkeiten ohne Zeitverzug per Telefon, e-mail, Internet oder Telefax vom Ausland aus erledigen.
(2.1.2) Darüber hinaus kam eine Vielzahl von Angelegenheiten an Prokuristen und sonstige Bedienstete delegiert werden. Die Pflicht des Geschäftsführers konzentriert sich dann zunehmend auf die Auswahl und Überwachung und kann grundsätzlich auch vom Ausland aus wahrgenommen werden, sofern die Bundesrepublik Deutschland kein uneingeschränktes Aufenthalts- und Niederlassungsrecht gewährt.
(2.1.3) Hieran ändert auch nichts, dass einzelne Aufgaben, wie etwa die Verpflichtungen aus §§ 7 f. GmbHG, §§ 39 ff. GmbHG, § 49 Abs. 1 GmbHG, § 51 a GmbHG, § 57 GmbHG, § 64 GmbHG den Geschäftsführer originär treffen.
Zum einen lassen sich diese Pflichten jedenfalls im Grundsatz auch außerhalb des Bereichs der Europäischen Union gesetzgemäß wahrnehmen (vgl. etwa § 10 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 InsO). Zum anderen stellen sich die mit einem auswärtigen Aufenthalt des Geschäftsführers insoweit verbundenen Problemstellungen im Kern auch bei Geschäftsführern, die zwar Staatsbürger eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union - einschließlich der Bundesrepublik Deutschland - sind, aber faktisch ihre Geschäftsführertätigkeit vom Ausland aus wahrnehmen oder sich in dieses nach erfolgten Pflichtverletzungen zurückziehen.
(2.1.4) Entscheidendes gegen die Sicht des Senats ist ebenso wenig daraus abzuleiten, dass die Verfolgung gesetzlicher Pflichten gegenüber ausländischen Geschäftsführern tendenziell erschwert sein mag und sich diese dem Zugriff durch die deutsche Rechtsordnung leichter entziehen können als deutsche Staatsangehörige.
Die Wurzeln für die hiermit verbundenen Risiken liegen allein in der Struktur des Kapitalgesellschaftsrechts, sodass sich Rückwirkungen von der Effektivität des Rechtshilferechts auf die Wirksamkeit organschaftlicher Bestellungsakte von vornherein verbieten. Im Übrigen betrifft diese Problematik im Kern auch Geschäftsführer, die Bürger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union sind oder als deutsche Staatsbürger außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland ansässig sind.
(2.2) Der Senat verkennt dabei nicht, dass es schon wegen des präventiven Charakters der straf- und zivilrechtlichen Verantwortlichkeiten im öffentlichen Interesse liegt, als Vertretungsorgan von Kapitalgesellschaften nur Personen zuzulassen, die im Falle von Pflichtverletzungen mit einer effektiven Rechtsverfolgung durch die bundesdeutsche Justiz zu rechnen haben. Auch ist dem Senat bewusst, dass der Globalisierungsprozess mit Entwicklungen verbunden ist, denen in anderen Bereichen durch normative Regelungen zur Transparenz von Zahlungsflüssen entgegengewirkt werden soll und dass insoweit spezifische Gefahrenlagen aus Ländern drohen, deren Bürger mit einem Zugriff der deutschen Rechtspflege nicht ernsthaft zu rechnen haben.
In Anbetracht gegenläufiger öffentlicher Belange, wie etwa der dargelegten Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Stärkung deutscher Kapitalgesellschaften in den sich zunehmend verflechtenden globalen Wirtschaftsbeziehungen ist die Entscheidung dieses Widerstreits aber dem Gesetzgeber vorzubehalten, der - wie dargelegt - trotz Evidenz der Problemlage bei allen Änderungen von § 6 Abs. 2 GmbHG bzw. § 76 Abs. 3 AktG davon abgesehen hat, an die Fähigkeit zur Übernahme einer organschaftlichen Vertretung einer deutschen Kapitalgesellschaft weitere persönliche Anforderungen zu stellen.
2. Sonstige Zweifel an der Wirksamkeit des Bestellungsaktes vom 18.08.2000 sind nach Vorlage der Anlagen K 7 (Bl. 242 dA) und K 10 - K 14 (Bl. 276 ff.dA) von der Beklagten nicht mehr vorgetragen und auch nicht veranlasst.
3. Da § 15 Abs. 1 HGB nicht im Zusammenhang mit den durch das Gericht von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen gilt, ist die Klägerin auch nicht wegen der unterbliebenen Eintragung des Geschäftsführerwechsels so zu behandeln, als ob sie prozessunfähig sei (vgl. zur Abgrenzung: BGH MDR 1979, 308 [309]).
II.
Auf der Grundlage des Beklagtenvortrages ist die Klage unbegründet, so dass sie durch Versäumnisurteil abzuweisen war.
B.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97, 708 Nr. 2 ZPO.