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OLG Düsseldorf Beschluss vom 16.04.2009 - I-3 Wx 85/09 - Geschäftsführer eines Nicht-EU-Staates
OLG Düsseldorf v. 16.04.2009: Ablehnung der Eintragung eines zusätzlichen Geschäftsführers einer deutschen GmbH wegen fehlender Einreisemöglichkeit des Betreffenden mit Staatsangehörigkeit eines Nicht-EU-Staates
Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 16.04.2009 - I-3 Wx 85/09) hat entschieden:
Nach Neufassung des § 4a GmbHG, der es erlaubt, dass eine deutsche GmbH ihren Verwaltungssitz an jeden beliebigen Ort im Ausland verlegt, mithin ihre Geschäfte auch vollständig im oder aus dem Ausland tätigt, ist – auch mit Blick auf die denkbare Möglichkeit einer Anordnung des persönlichen Erscheinens des Geschäftsführers der GmbH durch ein inländisches Gericht oder eine inländische Behörde - nicht anzunehmen, dass ein Geschäftsführer mit Staatsangehörigkeit und Wohnsitz eines Nicht-EU-Staates seine gesetzlichen Aufgaben bei fehlender Einreisemöglichkeit typischerweise nicht erfüllen könnte.
Siehe auch Ausländischer GmbH-Geschäftsführer und Die GmbH - Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist im Handelsregister eingetragen. Sie beantragt, Herrn S. M. als weiteren, zu dem bereits eingetragenen Geschäftsführer hinzutretenden Geschäftsführer im Handelsregister einzutragen. Herr M. ist iranischer Staatsangehöriger, der Aufenthalt im Bundesgebiet ist ihm nur mit einem Visum gestattet.
Mit Zwischenverfügung vom 26. August 2008 hat das Registergericht der Antragstellerin den Nachweis aufgegeben, dass dem einzutragenden Geschäftsführer eine Aufenthaltserlaubnis ohne Gewerbesperrvermerk oder eine Niederlassungserlaubnis erteilt sei, weil - so das Amtsgericht - Ausländer, die nicht Bürger eines EU-Staates seien, zu Geschäftsführern einer GmbH nur bestellt werden könnten, wenn sie die ausländerrechtlichen Voraussetzungen erfüllten, um jederzeit in die Bundesrepublik einreisen zu können.
Gegen diese Zwischenverfügung hat sich die Antragstellerin mit ihrer Erstbeschwerde gewendet, die vor dem Landgericht erfolglos geblieben ist. Die Zurückweisung ihrer Beschwerde greift sie nunmehr mit ihrem weiteren Rechtsmittel an, zu dessen Begründung sie unter anderem anführt, die hier in Rede stehende Gesellschaft wickele einen wesentlichen Teil ihrer Geschäfte in der Beziehung zum Gebiet des Iran ab und sei darauf angewiesen, auch in diesem ausländischen Geschäftsfeld tätig zu werden, wobei die Geschäftstätigkeiten mit dem im Bundesgebiet ansässigen, bereits eingetragenen Geschäftsführer abzustimmen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Das gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1, 29 FGG als weitere Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg, weil die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 546 ZPO beruht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Das Registergericht habe die Eintragung des Herrn S. M. als Geschäftsführer berechtigterweise abgelehnt, da er die für die Bestellung zum Geschäftsführer erforderlichen persönlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Ob diese Voraussetzungen gegeben seien, habe das Registergericht bei der Eintragung eines weiteren Geschäftsführers im Handelsregister zu prüfen, da es dessen Bestellung nicht nur in formeller, sondern auch in materieller Hinsicht zu überprüfen habe. Aus § 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG lasse sich entnehmen, dass nur solche Personen zu Geschäftsführern bestellt werden könnten, die auch die der Gesellschaft und ihnen persönlich in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer obliegenden gesetzlichen Pflichten erfüllen könnten. Daher seien die an die wirksame Bestellung eines Geschäftsführers zu stellenden Anforderungen nicht abschließend in § 6 GmbHG geregelt. Vielmehr ergebe sich aus anderen Vorschriften jenes Gesetzes, dass der Geschäftsführer jederzeit in der Lage sein müsse, seine Funktionen auch tatsächlich ständig im Interesse der Gesellschaft auszuüben und die mit ihnen verbundenen Pflichten zu erfüllen. Diese Erfüllung sei jedoch nur dann sichergestellt, wenn für einen ausländischen Geschäftsführer mit Wohnsitz im Ausland jederzeit die Möglichkeit bestehe, in das Bundesgebiet einzureisen, um hier seine gesetzlichen Aufgaben als Geschäftsführer wahrnehmen zu können. Es sei nicht ersichtlich, dass Herr S. M. als iranischer Staatsangehöriger mit dortigem Wohnsitz diesen Anforderungen nachkommen könne. Ungeachtet der heutigen Möglichkeiten der Kommunikation über Staatsgrenzen hinweg sei eine ordnungsgemäße Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben eines Geschäftsführers vom Ausland aus nicht sichergestellt. Denn hierfür sei es unerlässlich, jederzeit selbst und unmittelbar Einsicht in Bücher und Schriften des Unternehmens nehmen zu können, sowie direkten persönlichen Kontakt zu Mitarbeitern und Geschäftspartnern - namentlich Gläubigern - zu haben. Selbst soweit ein Geschäftsführer einzelne Aufgaben an Mitarbeiter delegieren könne, verbleibe die abschließende Verantwortlichkeit bei ihm, was zur Folge habe, dass ihn eine Überwachungspflicht treffe, der er vom Ausland aus nicht in erforderlichem Maße persönlich, ohne auf die Auskünfte Dritter angewiesen zu sein, nachkommen könne.
An diesem Ergebnis ändere auch der Umstand nichts, dass im vorliegenden Fall bereits ein weiterer Geschäftsführer bestellt und eingetragen sei, der als deutscher Staatsangehöriger jederzeit Zugriff auf die Geschäfte habe. Bei dessen Ablösung oder Verhinderung bestehe die Gefahr, dass der nunmehr einzutragende neue Geschäftsführer alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft werde.
Schließlich verbleibe die Kammer bei den ihrer Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsauffassungen auch unter Berücksichtigung der Novellierung des GmbH-Gesetzes. Auch wenn der Gesetzgeber Möglichkeiten einer GmbH zu Geschäftstätigkeiten im Ausland habe erweitern wollen, ändere dies nichts daran, dass ein Geschäftsführer zur Wahrung seiner Kontrollfunktionen weiterhin unmittelbaren Zugriff auf die Geschäfte der Gesellschaft haben müsse. Dies könne aber allenfalls dann angenommen werden, wenn die Gesellschaft überwiegend im Ausland tätig werde, was hier nicht erkennbar sei.
2. Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung in dem maßgeblichen Punkte nicht stand.
Die Entscheidung des vorliegenden Falles hängt maßgeblich von der Frage ab, ob die Bestellung von Nicht-EU-Ausländern als Geschäftsführer einer GmbH zu ihrer Wirksamkeit voraussetzt, dass für die betreffende Person die Einreise in das Inland jederzeit möglich ist. Diese Frage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (Übersicht über den Streitstand bei GK-Ulmer, GmbHG, 2005, § 6 Rdnr. 13 f.). Der Senat verneint sie (wie im übrigen bereits, wenngleich aus anderen Erwägungen, in seiner Entscheidung DB 1977, S. 1840).
Es spricht bereits einiges dafür, dass die in § 6 Abs. 2 GmbHG genannten Bestellungsvoraussetzungen und Bestellungshindernisse abschließenden Charakter haben und bezüglich des hier in Rede stehenden ungeschriebenen Bestellungserfordernisses keiner Analogie zugänglich sind, weil es an einer Regelungslücke fehlt, indem der Gesetzgeber nicht nur in den Jahren 1980 und 1990, sondern auch bei der jüngsten Novellierung des GmbH-Gesetzes § 6 Abs. 2 GmbHG in der hier maßgeblichen Hinsicht nicht ergänzt hat. Indes kommt es auf diese Gesichtspunkte letztlich nicht entscheidungstragend an.
Denn selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, aus § 6 Abs. 2 GmbHG lasse sich entnehmen, dass nur solche Personen zu Geschäftsführern bestellt werden könnten, die die der Gesellschaft und ihnen persönlich in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer obliegenden gesetzlichen Pflichten zu erfüllen in der Lage seien, würde hieraus im Kern nichts anderes folgen, als dass derjenige, der vorhersehbar seinen gesetzlichen Verpflichtungen als Geschäftsführer nicht nachkommen kann, grundsätzlich nicht als solcher bestellt werden darf. Es kann jedoch nicht angenommen werden, dass ein Geschäftsführer mit Staatsangehörigkeit und Wohnsitz eines Nicht-EU-Staates seine gesetzlichen Aufgaben bei fehlender Einreisemöglichkeit typischerweise nicht erfüllen könnte.
Zum einen ist die diesbezügliche, auf die Typizität abstellende Argumentation in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass ein im Ausland ansässiger Geschäftsführer in aller Regel weit entfernt von dem Verwaltungssitz der Gesellschaft residiere und deshalb nur unter erheblichen Schwierigkeiten beispielsweise Einsicht in Bücher und Unterlagen des Unternehmens nehmen und einen unmittelbaren Kontakt zu Mitarbeitern und Geschäftspartnern, insbesondere Gläubigern, unterhalten könne. Diese Regelhaftigkeit mag nach der Sitztheorie, nach der eine deutsche GmbH ihren effektiven Verwaltungssitz im Inland haben musste, berechtigt gewesen sein. Jedenfalls ist ihr durch die Neufassung des § 4 a GmbHG der Boden entzogen. Nunmehr kann eine deutsche GmbH ihren Verwaltungssitz an jeden beliebigen Ort im Ausland verlegen, mithin ihre Geschäfte auch vollständig im Ausland oder aus dem Ausland tätigen. Diese uneingeschränkte Möglichkeit allein reicht aus, um die oben angeführte Typizität zu beseitigen, ohne dass das Registergericht zunächst Ermittlungen dazu anstellen müsste, ob eine Gesellschaft im konkreten Fall überwiegend im Ausland oder im Inland tätig ist oder voraussichtlich sein wird.
Zum anderen ist im Schrifttum ausführlich aufgezeigt worden, dass die Annahme, der Geschäftsführer einer GmbH könne seine höchstpersönlichen, d. h. nicht delegierbaren Aufgaben nur vom Inland aus wahrnehmen, unzutreffend ist, vielmehr die diesbezüglichen Geschäftsführerpflichten gegebenenfalls auch vom Ausland aus erfüllt werden können. Insbesondere können sich Geschäftsführer bei verschiedenen, in diesem Zusammenhang erörterten Anmeldungen zum Handelsregister kraft notariell beglaubigter Vollmacht vertreten lassen, müssen bestimmte Versicherungen nicht mündlich vor dem Registergericht abgegeben werden, sondern können auch durch Einreichung einer vom Geschäftsführer unterzeichneten und notariell beglaubigten Erklärung durch einen hierzu Beauftragten bewirkt werden und kann der formlose Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch vom Ausland aus gestellt werden, wobei in öffentlich beglaubigter Form abzugebende Erklärungen auch vor einem Konsularbeamten im Ausland oder vor einem ausländischen Notar vorgenommen werden können (hierzu im Einzelnen: Wachter ZIP 1999, S. 1577/1580 sowie GmbHR 2003, S. 538/541; Ulmer a.a.O., Rdnr. 16). Schließlich kann auch die denkbare Möglichkeit, dass das persönliche Erscheinen des Geschäftsführers der GmbH im Inland von einem Gericht oder einer Behörde im Rahmen ihrer Amtsbefugnisse angeordnet wird, nicht den Standpunkt begründen, im Falle der Bestellung eines Nicht-EU-Ausländers sei zu fordern, dass diesem die Einreise in das Bundesgebiet jederzeit möglich sein müsse. Denn eine solche Anordnung persönlichen Erscheinens ist als ein Ausnahmefall anzusehen. Zudem ist auch von diesen Ausnahmefällen nur ein Teil problematisch, nämlich derjenige eines den Geschäftsführer treffenden Ausreiseverbotes seines Heimatstaates. Denn sollte der Geschäftsführer an seinem persönlichen Erscheinen in der Bundesrepublik nur deshalb gehindert sein, weil derselbe Staat, dessen Gericht oder Behörde sein persönliches Erscheinen angeordnet hat, ihm ein Einreisevisum verweigern würde, könnte ein derartiges widersprüchliches Verhalten von Rechts wegen nicht als gegen die Wirksamkeit seiner Bestellung zum Geschäftsführer sprechend erachtet werden.
Einer Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2, 3 FGG bedarf es nicht. Auch die - soweit ersichtlich - neueste, von dem hier vertretenen Standpunkt abweichende obergerichtliche Entscheidung (OLG Celle ZIP 2007, S. 1157 f.) ist noch unter Geltung des „alten“ GmbH-Gesetzes ergangen und beruht damit auf einer gegenüber der vorliegenden Entscheidung wesentlich anderen Rechtslage.
III.
Eine Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren ist nicht veranlasst. Angesichts dessen erübrigt sich auch eine Wertfestsetzung.