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OLG München Beschluss vom 17.12.2009 - 31 Wx 142/09 - Nicht-EU-Ausländer als Geschäftsführer einer deutschen GmbH
OLG München v. 17.12.2009: Nicht-EU-Ausländer als Geschäftsführer einer deutschen GmbH
Das OLG München (Beschluss vom 17.12.2009 - 31 Wx 142/09) hat entschieden:
Die Eintragung eines Nicht-EU-Ausländers als Geschäftsführer einer GmbH setzt nicht voraus, dass er jederzeit legal in die Bundesrepublik Deutschland einreisen kann.
Siehe auch Ausländischer GmbH-Geschäftsführer und Die GmbH - Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründe:
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Eintragung des weiteren Beteiligten als Geschäftsführer der mit Gesellschaftsvertrag vom 15.4.2009 errichteten Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der weitere Beteiligte wurde durch den alleinigen Gesellschafter zum Geschäftsführer bestellt. Er stammt aus Jordanien, lebt in Deutschland und verfügt hier über eine Duldung. Nach Behebung anderer Beanstandungen verlangte das Registergericht mit Zwischenverfügung vom 16.7.2009, die ausländerbehördliche Gestattung der Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH nachzuweisen, denn eine Duldung berechtige üblicherweise nicht zur selbständigen Tätigkeit. Mit seiner Beschwerde vom 20.7.2009 vertrat der beteiligte Notar die Auffassung, die in § 6 Abs. 2 GmbH genannten Bestellungshindernisse seien abschließend und keiner Analogie zugänglich. Das Registergericht half mit Beschluss vom 23.7.2009 der Beschwerde nicht ab mit der Begründung, einem geduldeten Ausländer sei durch behördliche Entscheidung (Ausweisung) die Ausübung eines Berufs/Gewerbes im Sinne des § 6 Abs. 2 GmbHG untersagt. Das Landgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 10.8.2009 zurück. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde. Die zuständige Ausländerbehörde hat zwischenzeitlich bestätigt, dass der weitere Beteiligte im Besitz einer unbeschränkten Genehmigung zur Erwerbstätigkeit ist und ihm eine selbständige Tätigkeit nicht gestattet ist.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet und führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen, soweit diese nicht ohnehin in der Hauptsache erledigt sind.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Geschäftsführer könne nach § 6 Abs. 2 GmbHG für die Dauer des Verbots nicht sein, wem durch gerichtliches Urteil oder vollziehbare Entscheidung einer Verwaltungsbehörde die Ausübung eines Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges untersagt worden sei, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimme. Ein Nicht-EU-Ausländer habe den Nachweis zu erbringen, dass er jederzeit die Möglichkeit habe, in das Inland einzureisen. Die Abschiebung des vorgesehenen Geschäftsführers sei nur ausgesetzt, so dass er kurzfristig mit seiner Abschiebung rechnen müsse und dann nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen dürfe; nach § 60 a Abs. 1 AufenthG werde die Abschiebung längstens für 6 Monate ausgesetzt. Damit sei nicht sichergestellt, dass er seinen gesetzlichen Verpflichtungen als Geschäftsführer nachkommen könne, weil er nicht die Möglichkeit habe, in das Inland einzureisen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.
a) Ob die Bestellung eines Nicht-EU-Ausländers als Geschäftsführer einer GmbH zu ihrer Wirksamkeit voraussetzt, dass diesem die Einreise nach Deutschland jederzeit möglich ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (bejahend OLG Celle NJW-RR 2007, 1679; OLG Zweibrücken NZG 2001, 857 m.w.N.; Scholz/Schneider GmbHG 10. Aufl. § 6 Rn. 19; Michalski/Heyder GmbHG § 6 Rn. 30; verneinend OLG Dresden NZG 2003, 629 m.w.N.; GroßKomm-GmbHG/Ulmer § 6 Rn. 15 ff.; Bohlscheid RNotZ 2005, 505/516 ff. mit ausführlicher Darstellung des Streitstands; Roth/Altmeppen GmbHG 6. Aufl. § 6 Rn. 55; Baumbach/Hueck GmbHG 18. Aufl. § 6 Rn. 9; offen gelassen OLG Stuttgart NZG 2006, 789).
b) Wie das Oberlandesgericht Düsseldorf (NZG 2009, 678) ist der Senat der Auffassung, dass jedenfalls seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) nicht mehr gefordert werden kann, dass dem Geschäftsführer die jederzeitige Einreise möglich sein muss. Denn nach § 4a GmbHG kann nun eine deutsche GmbH ihren Verwaltungssitz auch in das Ausland verlegen. Damit ist dem Argument der Boden entzogen, der im Ausland ansässige Geschäftsführer könne nur unter erheblichen Schwierigkeiten Einsicht in Bücher und Unterlagen der Gesellschaft nehmen und Kontakt zu Mitarbeitern und Geschäftspartnern – namentlich Gläubigern - halten. Auch die vom Geschäftsführer höchstpersönlich wahrzunehmenden Aufgaben erfordern nicht zwingend die Einreise nach Deutschland (vgl. dazu ausführlich Bohlscheid RNotZ 2005, 505/524 f.). Zudem erlaubt § 8 Abs. 3 Satz 2 GmbHG nun ausdrücklich, dass die Belehrung über die unbeschränkte Auskunftspflicht auch durch einen im Ausland bestellten Notar oder einem Konsularbeamten erfolgen kann. Auch das spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der jederzeitigen Einreise nicht als Voraussetzung für die Bestellung zum Geschäftsführer angesehen hat (vgl. auch Baumbach/Hueck 19. Aufl. § 6 Rn. 9; Luther/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG 17. Aufl. § 6 Rn. 14 f.; Heßeler GmbHR 2009, 759/761; a. A. Wicke GmbHG § 6 Rn. 7).
c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist es auch unerheblich, ob der vorgesehene Geschäftsführer sich von vornherein dauerhaft im Ausland aufhält oder erst nach Beendigung eines Aufenthalts in Deutschland. Wenn für einen ständig im Ausland lebenden vorgesehenen Geschäftsführer nicht der Nachweis der Einreisemöglichkeit gefordert werden kann, kann für einen noch im Inland lebenden ausreisepflichtigen Beteiligten nichts anderes gelten. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der über eine Duldung verfügende weitere Beteiligte „kurzfristig mit seiner Abschiebung rechnen“ muss und dann einem Einreiseverbot unterliegt, wofür ohnehin tatsächliche Feststellungen fehlen. Denn aus den vom Landgericht angeführten ausländerrechtlichen Vorschriften ergibt sich das nicht. § 60a Abs. 1 AufenthG dürfte hier kaum einschlägig sein, während § 60a Abs. 2 AufenthG keine Befristung enthält. Auch wird das Einreiseverbot des § 11 AufenthG erst durch den Vollzug der Abschiebung ausgelöst, nicht bereits durch deren Androhung oder Anordnung (Renner Ausländerrecht 8. Aufl. § 11 AufenthG Rn. 4), tritt also nicht ein, wenn nach Beendigung der Duldung eine freiwillige Ausreise erfolgt. Außerdem ermöglicht § 11 Abs. 2 AufenthG die Erteilung einer Betretenserlaubnis auch bei Bestehen eines Einreiseverbots.
3. Nachdem inzwischen die Ausländerbehörde bestätigt hat, dass der weitere Beteiligte im Besitz einer unbeschränkten Genehmigung zur Erwerbstätigkeit ist, hat sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt, soweit dieser Nachweis mit Zwischenverfügung vom 16.7.2009 gefordert wurde. Die Tätigkeit eines Geschäftsführers, der - wie hier - nicht zugleich Gesellschafter ist, wird im Allgemeinen nicht als selbständige Tätigkeit betrachtet, sondern als abhängige Beschäftigung (vgl. Wicke Anhang zu § 6 Rn. 14). Es kann im Übrigen nicht Aufgabe des Registergerichts sein, bei der Eintragung des ersten Geschäftsführers zu beurteilen, ob dessen künftige Tätigkeit als selbständige oder abhängige einzuordnen ist. Auch spricht schon die Neufassung des § 4 a GmbHG dagegen, die Eintragung des ausländischen Geschäftsführers in das Handelsregister von einer Arbeitserlaubnis im Inland abhängig zu machen, unabhängig davon, ob man § 6 Abs. 2 GmbHG hinsichtlich der Bestellungshindernisse als abschließend ansieht.
Ob bei bezweckter Umgehung ausländerrechtlicher Vorschriften eine Nichtigkeit des Bestellungsaktes in Betracht kommt (vgl. OLG Frankfurt NJW 1977, 1595; GroßKomm GmbHG/Ulmer § 6 Rn. 17; Michalski/Heyder § 6 Rn. 30; Lutter/Hommelhoff/Bayer § 1 Rn. 16 zur Gründung) bedarf hier keiner Entscheidung, denn dazu fehlen jegliche tatsächliche Feststellungen. Die im Beschluss vom 23.7.2009 als Bestellungshindernis angeführte Ausweisung liegt ersichtlich nicht vor; Ausreisepflicht (§ 50 AufenthG) ist nicht gleichbedeutend mit Ausweisung (§§ 53 ff. AufenthG). Im Übrigen erfordert § 6 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG eine behördliche Entscheidung, die auf ein Berufs- oder Gewerbeverbot gerichtet ist, was bei der Ausweisung nicht der Fall ist.