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OLG Karlsruhe Beschluss vom 25.09.1996 - 6 U 46/96 - Handel mit CD-ROMs mit Telefondaten der Telekom

OLG Karlsruhe v. 25.09.1996: Zum Handel mit CD-ROMs mit Telefondaten der Telekom


Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 25.09.1996 - 6 U 46/96) hat entschieden:
Die systematische und vollständige Übernahme der Teilnehmerdaten aus einem Telefonverzeichnis der TELEKOM in ein eigenes Datenwerk ist als unlautere Behinderung wettbewerbswidrig.




Siehe auch Handel mit Adressen, Telefonnummern, E-Mail-Adressen und sonstigen Personendaten - Listbroking - Listenprivileg


Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Vertriebs einer CD-ROM durch die Verfügungsbeklagten (nachfolgend: Beklagten), in welcher Daten gespeichert sind, die den von der Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) verlegten Telefonbüchern entnommen worden sind. Die Klägerin wirft den Beklagten eine Verletzung ihr an der Sammlung dieser Daten zustehender Urheberrechte und ein wettbewerbswidriges Verhalten vor. Auf Antrag der Klägerin hat das Landgericht mit einstweiliger Verfügung vom 01.03.1996 den Beklagten verboten,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Produkt CD-ROM "D-Info Version 2.0" zu bewerben, anzubieten oder zu vertreiben oder zu bewerben, anzubieten oder vertreiben zu lassen.
Auf den Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht die einstweilige Verfügung bestätigt.

Die Beklagten haben hiergegen Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, der Vertrieb der CD-ROM sei datenschutzrechtlich nicht relevant, da nur ein verschwindend geringer Bruchteil der erfaßten Personen Einwendungen gegen seine Speicherung erhoben habe. Die Erwerber der CD hätten ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der übermittelten Daten, und es bestehe kein Grund zu der Annahme, daß ein schutzwürdiges Interesse der Betroffenen an dem Ausschluß der Übermittlung gegeben sei. Ein urheberrechtlicher Schutz an den Telefonbüchern stehe der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil sie nicht Urheberin sei und ihr Nutzungsrechte nicht zustünden. Im übrigen fehle der Sammlung, Einteilung und Anordnung des Datenmaterials in den Fernsprechverzeichnissen der Klägerin die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche eigenschöpferische und überdurchschnittliche Gestaltung. Diese seien schließlich auch amtliche Werke i.S. des § 5 Abs. 2 UrhG. Die Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes seien nicht erfüllt. Der zu erfassende Datenbestand sei durch die Kunden der Klägerin und die diesen zugeteilten Telefonnummern sowie die alphabetische Anordnung der Namen vorgegeben, für eine abweichende Gestaltung fehle jeglicher Spielraum. Selbst bei einer unmittelbaren Übernahme und Aneignung eines fremden Arbeitsergebnisses könne der Beklagten ein Wettbewerbsverstoß daher nicht angelastet werden.

Die Klägerin ist der Berufung entgegengetreten und hat ausgeführt, das "Ausschlachten" von Telekommunikationsverzeichnissen sei keine leistungsgerechte Wettbewerbsmaßnahme. Die Beklagte habe nicht nur die reinen Standardeinträge übernommen, sondern überdies sämtliche Werbeeinträge, die mit erheblichen Kosten und Mühen zusammengestellt, recherchiert und erarbeitet worden seien. Die Klägerin als alleinige Herausgeberin sämtlicher Telefonbücher sei gem. § 4 UrhG Inhaberin des Urheberrechts am Sammelwerk. Sie sei für die konkrete Anordnung und Auslese der Telefonbuchteilnehmerdaten allein verantwortlich. Daß Datenzusammenstellungen nicht "gemeinfrei" seien, sei international und europarechtlich ausdrücklich geregelt. Entsprechende Bestimmungen enthalte das TRIPS-Abkommen wie auch die EG-Datenbankrichtlinie. Die Sittenwidrigkeit der Leistungsübernahme durch die Beklagte ergebe sich im übrigen auch aus allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen. Auch verletze die Beklagte datenschutzrechtliche Bestimmungen.

Mit Urteil vom 29.03.1996, welches den Beklagten am 17.04.1996 zugestellt worden ist, hat das Landgericht der von der Klägerin erhobenen Hauptsacheklage stattgegeben. Mit Rücksicht hierauf haben die Parteien im Termin vom 11.09.1996 übereinstimmend die Hauptsache mit Wirkung ab 03.05.1996 für erledigt erklärt.


II.

Nachdem die Parteien mit Rücksicht auf die vom Senat in seinem Beschluß vom 21.01.1996 (WRP 1996, 590) vertretene Rechtsauffassung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist gem. § 91 a ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hiernach waren den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da sie unterlegen wären, wenn nicht die Erledigung der Hauptsache eingetreten wäre. Mit zutreffenden Ausführungen, denen der Senat folgt und auf die Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gem. § 1 UWG zugebilligt.

Zu Recht geht das Landgericht davon aus, daß die Übernahme eines fremden Leistungsergebnisses, das nicht unter Sonderrechtsschutz steht, regelmäßig wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Zur Begründung eines Unlauterkeitsvorwurfs bedarf es des Hinzutretens besonderer Umstände, die das Verhalten des Nachahmers ausnahmsweise als wettbewerbswidrig erscheinen lassen. So ist es etwa als sittenwidrig anzusehen, wenn ein Leistungsergebnis mit wettbewerblicher Eigenart nachgeahmt wird, an dem sein Schöpfer bereits einen schutzwürdigen Besitzstand erlangt hat. Daß zur Schaffung des Leistungsergebnisses Mühe und Kosten aufgewendet werden mußten, reicht für sich allein für die Zubilligung eines ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes nicht aus. Im Streitfall kann dahinstehen, ob die in den von der Klägerin verlegten Telefonbüchern enthaltenen Daten der Fernsprechteilnehmer in einer Weise angeordnet, ausgewählt oder gesichtet sind, die die Annahme einer wettbewerblich eigenartigen, sich vom Durchschnittlichen abhebenden Leistung begründen könnte. Die Umstände des Einzelfalles lassen vielmehr auch ohne das Vorliegen eines schutzwürdigen Leistungsergebnisses das Verhalten der Beklagten als anstößig und damit wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG erscheinen. Die Klägerin erbringt ihre Leistung (Herausgabe der deutschen Telefonbücher und Auflistung der darin enthaltenen Daten) nicht auf dem freien Markt in Wettbewerb mit anderen Anbietern, sondern in Erfüllung der der Deutschen Telekom AG gem. § 3 der TELEKOM-Pflichtleistungsverordnung obliegenden Verpflichtung, mindestens einmal jährlich auf dem neuesten Stand befindliche Teilnehmerverzeichnisse über alle bundesdeutschen Rufnummern herauszugeben. Diese Verpflichtung ist von der Deutschen Telekom AG bzw. der Klägerin unabhängig von der jeweiligen Marktlage zu erfüllen. Die damit verbundenen organisatorischen wie sachlichen Aufwendungen und Kosten fallen an, ohne daß die Klägerin hierauf Einfluß nehmen oder ihr Verhalten der Wettbewerbslage anpassen könnte. Die Klägerin ist mithin gehalten, unter Einsatz erheblicher Mittel eine Leistung zu erbringen und der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, ohne sich hierbei an den Marktbedürfnissen orientieren zu können. Eine weitere Verpflichtung der Klägerin ergibt sich aus der Regelung des § 12 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vom 25. Juli 1996. Nach dieser Vorschrift ist die Klägerin als Anbieterin von Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit verpflichtet, auf Anforderung Teilnehmerdaten unter Beachtung der anzuwendenden datenschutzrechtlichen Regelungen anderen Lizenznehmern, die Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbieten, zum Zwecke der Aufnahme eines Auskunftsdienstes oder der Herausgabe eines Verzeichnisses der Rufnummern der Teilnehmer in kundengerechter Form zugänglich zu machen (Abs. 1). Sie ist darüber hinaus verpflichtet, auf Anforderung Teilnehmerdaten unter Beachtung der anzuwendenden datenschutzrechtlichen Regelungen jedem Dritten zum Zwecke der Aufnahme eines Auskunftsdienstes oder der Herausgabe eines Verzeichnisses der Rufnummern der Teilnehmer in kundengerechter Form zugänglich zu machen (Abs. 2). Für die Erfüllung ihrer Verpflichtung nach Abs. 1 kann sie ein Entgelt erheben, das sich an den Kosten der effizienten Bereitstellung orientiert. Für die Erfüllung ihrer Verpflichtung gem. Abs. 2 steht ihr ein angemessenes Entgelt zu. Die Ausnutzung der wettbewerblichen Zwangslage der Klägerin durch die systematische und vollständige Übernahme des von ihr geschaffenen Datenwerks und dessen Vermarktung durch die Beklagten unter Umgehung der in § 12 TKG vorgesehenen Vergütungspflicht entspricht nicht dem Verhalten eines anständigen Kaufmanns und stellt sich als anstößig dar. Die Klägerin wird hierdurch in ihren gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten behindert, die von ihr für die Anlage und Aktualisierung der Telefonbücher aufgewendeten Kosten auszugleichen. Die Beklagte eignet sich in Widerspruch zu der in § 12 TKG zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Zuordnung und Bewertung von Datensystemen eine Leistung an und verwendet sie für sich, die der Klägerin zusteht und für deren Nutzung durch Dritte sie ein Entgelt beanspruchen kann. Die Beklagten verschaffen sich dadurch einen Wettbewerbsvorsprung, daß sie unter Ersparung entsprechender Datenbeschaffungskosten ein Produkt auf den Markt bringen, das die Klägerin aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geschaffen hat und dessen Nutzung ihr kraft Gesetzes zu vergüten ist. Die in § 12 TKG geregelte Vergütungspflicht und die darin zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung steht auch nicht in Widerspruch zu europäischen Rechtsnormen, sondern entspricht den Entwicklungen zur europäischen Vereinheitlichung des rechtlichen Schutzes von Datenbanken, welche in der Richtlinie 96/EG vom 05.02.1996 ihren vorläufigen Abschluß gefunden haben.

Nach all dem stellt sich das Verhalten der Beklagten als eine wettbewerbswidrige Behinderung der Klägerin dar. Diese kann auch nicht, wie die Beklagten meinen, damit gerechtfertigt werden, daß die Klägerin für die Zurverfügungstellung von Daten überhöhte Preise verlange. Den Beklagten verbliebe in einem solchen Falle die Möglichkeit, kartellrechtliche Maßnahmen gegen die Klägerin einzuleiten. Sie waren aber nicht berechtigt, ohne weiteres kostenlos auf die Leistung der Klägerin zurückzugreifen. Das Landgericht hat ihr Verhalten daher zu Recht als wettbewerbswidrig bewertet und dem Unterlassungsbegehren der Klägerin entsprochen.

Da die Berufung der Beklagten hiergegen erfolglos geblieben wäre, wenn nicht die Erledigung der Hauptsache eingetreten wäre, entsprach es billigem Ermessen, ihnen die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.



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