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BGH Urteil vom 06.12.2012 - III ZR 173/12 - Keine Wiederholungsgefahr bei Unternehmensverschmelzung

BGH v. 06.12.2012: Keine Wiederholungsgefahr bei Unternehmensverschmelzung


Der BGH (Urteil vom 06.12.2012 - III ZR 173/12) hat entschieden:
  1. Enthalten die von einem Unternehmen (hier: Mobilfunkanbieter) abgeschlossenen Verträge nach Maßgabe der §§ 307ff BGB unwirksame Klauseln, so begründet dies, wenn der Rechtsträger des Unternehmens nach Maßgabe des Umwandlungsgesetzes auf einen anderen Rechtsträger verschmolzen wird, auch im Falle der Fortführung des Betriebs bei dem übernehmenden Rechtsträger keine - für einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG erforderliche - Wiederholungsgefahr (im Anschluss an BGH, Urteil vom 26. April 2007, I ZR 34/05, BGHZ 172, 165).

  2. Da der neue Rechtsträger in die abgeschlossenen Verträge eintritt, sind in einem solchen Falle an die Begründung einer Erstbegehungsgefahr (hinsichtlich des Sich-Berufens) keine allzu strengen Anforderungen zu stellen.



Siehe auch Strafbewehrte Unterlassungserklärung


Tatbestand:

Der Kläger ist ein Verbraucherverband und in die beim Bundesamt für Justiz gemäß § 4 Abs. 1 UKlaG geführte Liste als qualifizierte Einrichtung eingetragen. Er forderte zunächst die m. AG, die Rechtsvorgängerin der jetzigen Beklagten, einen Mobilfunkanbieter, auf, sich - strafbewehrt - zu verpflichten, es zu unterlassen, die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Prepaid-​Mobilfunkdienstleistungen enthaltene Klausel (9.2 Rufnummernportabilität):
"Voraussetzung der Portierung ist die schriftliche Erklärung des Kunden, auf die Rückzahlung eines eventuell nicht verbrauchten Guthabens … zu verzichten …".
gegenüber Verbrauchern zu verwenden oder sich auf diese zu berufen. Die m. AG erklärte, die fragliche Klausel werde seit geraumer Zeit nicht mehr "gelebt". Außerdem gab sie die gewünschte Unterlassungserklärung, allerdings ohne das geforderte Vertragsstrafeversprechen, ab.

Der Kläger, der sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden gab und das darin liegende Vertragsangebot ablehnte, hat daraufhin Unterlassungsklage erhoben. Nach Klageerhebung ist die m. AG mit Wirkung vom 20. Mai 2011 auf die d. GmbH und schließlich am 23. Mai 2011 auf die m. GmbH, die jetzige Beklagte, verschmolzen worden. Infolgedessen haben die Parteien den Rechtsstreit teilweise - hinsichtlich des Antrags, es zu unterlassen, die fragliche Klausel zu verwenden - übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die in der Hauptsache noch auf die Unterlassung des "Sich-​Berufens" gerichtete Klage hat in erster Instanz Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten ist sie abgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.


Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist zulässig, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Fall der Rechtsnachfolge generell formulierten Rechtsgrundsätze bei Wettbewerbsverstößen auf Ansprüche aus dem Unterlassungsklagengesetz ebenfalls anzuwenden seien. Nach dieser Rechtsprechung hätte ein Wettbewerbsverstoß der Rechtsvorgängerin der Beklagten zwar bei dieser eine Wiederholungsgefahr begründet, die aber nicht von dieser durch die Verschmelzung erloschenen Gesellschaft auf die Beklagte übergegangen wäre. Denn es handele sich dabei um einen tatsächlichen Umstand, der nach den Verhältnissen in der Person des in Anspruch Genommenen zu beurteilen sei. Auch Wettbewerbsverstöße, die Mitarbeiter im Unternehmen unter der Verantwortung des früheren Rechtsinhabers begangen haben, seien dem neuen nicht zuzurechnen. Dabei spiele es keine Rolle, ob dessen Geschäftsführung mit denselben Personen besetzt sei wie die der Rechtsvorgängerin.

Die Beklagte habe auch nicht durch eigenes Verhalten eine Wiederholungsgefahr geschaffen, denn sie habe die Klausel nicht selbst verwendet. Ihre bloße Untätigkeit stelle kein "Sich-​Berufen" dar; für diese Beurteilung sei es unerheblich, ob ein Dauerschuldverhältnis betroffen sei oder ein beendetes Geschehen vorliege. Dass ein Unternehmen in von ihm nicht abgeschlossene Verträge, in die unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen einbezogen seien, durch Verschmelzung eintrete und diese fortführe, reiche nicht aus, eine Wiederholungsgefahr aufrecht zu erhalten oder zu begründen. Auch wenn die abstrakte Gefahr bestehe, dass Verbraucher die unwirksame Klausel für wirksam hielten und infolgedessen davon absehen könnten, ihre Rechte wahrzunehmen, bestehe keine Informationspflicht des übernehmenden Unternehmens gegenüber den Vertragspartnern bezüglich der Unwirksamkeit der fraglichen Klausel. Hinzu komme, dass die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit von Anfang an eingeräumt habe, dass die Klausel unwirksam sei und angekündigt habe, diese im Rechtsverkehr nicht zu nutzen. Eine derartige Ankündigung reiche zwar mangels Strafbewehrung grundsätzlich allein nicht aus, eine bestehende Wiederholungsgefahr zu beseitigen, sei aber bei der zu beantwortenden Frage, ob diese überhaupt geschaffen worden sei, von Gewicht.

Eine Erstbegehungsgefahr mache der Kläger nicht geltend; diese sei im Übrigen auch nicht gegeben.


II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG, nunmehr nur noch bezogen auf ein "Sich-​Berufen" auf die von den Vorinstanzen und den Parteien zu Recht als unangemessen benachteiligend und damit unwirksam angesehene Klausel 9.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Prepaid-​Mobilfunkleistungen bei bestehenden Verträgen, verneint.

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist eine von der Rechtsvorgängerin der Beklagten begründete Wiederholungsgefahr für ein solches "Sich-​Berufen" mit der gesellschaftsrechtlichen Verschmelzung nicht auf sie übergegangen.

a) Die übertragende Gesellschaft, die m. AG, hat die fragliche Klausel ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Prepaid-​Verträge zugrunde gelegt. Auch wenn es vorliegend nicht mehr um die Einbeziehung in neue Verträge geht, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass mit der Verbandsklage nicht nur die Unterlassung der Verwendung einer beanstandeten Klausel für künftige Vertragsabschlüsse verlangt werden kann, sondern der Verwender es auch zu unterlassen hat, sich bei der Abwicklung solcher bereits bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen (vgl. BGH, Urteile vom 11. Februar 1981 - VIII ZR 335/79, NJW 1981, 1511 f und vom 13. Juli 1994 - IV ZR 107/93, BGHZ 127, 35, 37; Senatsurteil vom 18. April 2002 - III ZR 199/01, NJW 2002, 2386 sowie Urteil vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054 Rn. 36).

Durch die Aufnahme dieser Klausel in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestand auch im Hinblick auf die Verwendung in dieser Form eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, die auch für § 1 UKlaG Voraussetzung ist (vgl. BGH, Urteile vom 9. Juli 1981 - VII ZR 123/80, BGHZ 81, 222, 225, zu § 13 AGBG, und vom 9. Juli 1992 - VII ZR 7/92, BGHZ 119, 152, 165; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 1 UKlaG, Rn. 10). An die Beseitigung der Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen. Regelmäßig reichen weder die Änderung der beanstandeten Klausel noch die bloße Absichtserklärung des Verwenders, sie nicht weiter zu verwenden, aus (Senatsurteil vom 18. April 2002 aaO mwN). Für deren Fortbestehen spricht demgegenüber insbesondere, wenn der Verwender noch im Rechtsstreit die Zulässigkeit der von ihm benutzten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verteidigt und nicht bereit ist, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben (vgl. BGH, Urteile vom 15. Oktober 1991 - XI ZR 192/90, BGHZ 116, 1, 6; vom 10. Januar 1996 - XII ZR 271/94, NJW 1996, 988 und vom 12. Juli 2000 - XII ZR 159/98, NJW-​RR 2001, 485, 487; Senatsurteil vom 18. April 2002 aaO).

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte vorliegend lediglich mitgeteilt, dass die fragliche Klausel nicht mehr "gelebt werde", und eine Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung abgegeben. Dies war nach den genannten Grundsätzen für die Beseitigung der von ihr geschaffenen Wiederholungsgefahr nicht ausreichend.

b) Auch wenn die Beklagte, wie die Revision geltend macht, im Zuge der Verschmelzung den ursprünglichen Geschäftsbetrieb "als lebenden Organismus" übernommen hat und mit denselben Personen fortführt, ist allein damit die fortbestehende Gefahr des "Sich-​Berufens" auf die fragliche Klausel nicht automatisch auf die Beklagte mit übergegangen. Die übertragende Gesellschaft ist aufgrund der Verschmelzung erloschen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Zwar gingen mit der Verschmelzung sowohl das Vermögen als auch die Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über und die Beklagte ist damit auch in bestehende Vertragsverhältnisse eingetreten, ohne dass es einer Vertragsänderung bedurft hätte. Damit war aber nicht der gleichzeitige Übergang auch der von der Rechtsvorgängerin geschaffenen Wiederholungsgefahr verbunden.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Bereich des Wettbewerbs- und Markenrechts setzen sich Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG und § 14 Abs. 5 MarkenG bei dem aufnehmenden Rechtsträger regelmäßig nicht fort. Der neue Unternehmensinhaber tritt nicht im Wege der (Gesamt-​)Rechtsnachfolge in die gesetzliche Unterlassungspflicht ein. Die Wiederholungsgefahr ist ein tatsächlicher Umstand, der nach den Verhältnissen in der Person des in Anspruch Genommenen zu beurteilen ist. Dies gilt nicht nur, wenn der Rechtsvorgänger die Wiederholungsgefahr persönlich durch eigenes Verhalten begründet hat, sondern auch, wenn der Wettbewerbsverstoß durch Organe des Rechtsvorgängers oder Mitarbeiter seines Unternehmens begangen worden ist (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2007 - I ZR 34/05, BGHZ 172, 165 Rn. 11, 14 - Schuldnachfolge; vom 3. April 2008 - I ZR 49/05, NJW-​RR 2009, 536 Rn. 39 - Schuhpark und vom 18. März 2010 - I ZR 158/07, BGHZ 185, 11 Rn. 40 - Modulgerüst II; zustimmend Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 15, Rn 12, Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 8 Rn. 153; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 8 UWG, Rn. 2.52; Heidinger in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 1. Aufl., § 20 UmwG, Rn. 40; kritisch z.B. Fezer/Büscher, UWG, § 8 Rn 158, Mels/Franzen, GRUR 2008, 968 f). Dabei lässt es der Zweck des § 8 Abs. 2 UWG nicht zu, Wettbewerbsverstöße, die Mitarbeiter im Unternehmen unter der Verantwortung des früheren Rechtsinhabers begangen haben, nunmehr dem neuen zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2007 aaO Rn. 12). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob den neuen Unternehmensinhaber eine originäre Haftung aus § 8 Abs. 2 UWG im Hinblick auf die früher begangenen Wettbewerbsverstöße von Mitarbeitern oder Beauftragten treffen kann. Dann muss in der Person des Übernehmenden der Tatbestand dieser Norm erfüllt sein. Für den Unterlassungsanspruch genügt es aber nicht, dass es früher im Unternehmen von Mitarbeitern oder Beauftragten zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen ist und in ihrer Person noch Wiederholungsgefahr besteht. Vielmehr muss, soweit es die Haftung des neuen Unternehmensinhabers aus § 8 Abs. 2 UWG (oder § 31 BGB analog) angeht, in der Person der betreffenden Mitarbeiter oder Beauftragten Erstbegehungsgefahr bestehen. Die bloße Tatsache des Unternehmensübergangs und der Fortführung des Betriebs selbst mit identischem Personal reicht dafür nicht aus (vgl. BGH, Urteile vom 26. April 2007 aaO Rn. 15 und vom 3. April 2008 - I ZR 49/05, NJW-​RR 2009, 536 Rn. 39 - Schuhpark -; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO und Rn. 2.31; Teplitzky aaO).

bb) Diese bislang für das Wettbewerbs- und Markenrecht entwickelten Grundsätze, die entgegen der Auffassung der Revision (unter Hinweis auf das Urteil vom 11. Dezember 2007, EuGH, EuZW 2008, 93) auch nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union stehen (vgl. Köhler, WRP 2010, 475, 476), sind auf den Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG entsprechend zu übertragen (ebenso Palandt/Bassenge, BGB, 71. Aufl., § 1 UKlaG, Rn. 8; zweifelnd Witt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-​Recht, 11. Aufl., § 1 UKlaG, Rn. 38).

Die Unterlassungsansprüche aus § 8 UWG und § 1 UKlaG verfolgen ähnliche Ziele und werden auch bisher schon in der Rechtsprechung parallel interpretiert. So setzt der Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG (ungeschrieben) eine Wiederholungsgefahr voraus, die § 8 Abs. 1 UWG für den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch ausdrücklich verlangt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1981 - VII ZR 123/80, BGHZ 81, 222, 225 zu § 13 AGBG unter Hinweis auf § 13 UWG a.F.). Auch das Erfordernis einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zur Ausräumung einer bestehenden Wiederholungsgefahr hat ersichtlich die Rechtslage beim wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch zum Vorbild (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG). Hinzu kommt, dass die (angekündigte) Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff BGB nicht standhalten, Unterlassungsansprüche von Mitbewerbern nach § 8 Abs. 1 UWG auslösen kann (BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 140/08, GRUR 2010, 1120 Rn. 22 ff). Es wäre aber wenig einsichtig, wenn hinsichtlich der Weitergeltung des Unterlassungsanspruchs beziehungsweise des Fortbestands der Wiederholungsgefahr unterschiedliche Anforderungen bestünden, je nachdem, ob ein Mitbewerber im privaten Interesse nach § 8 UWG oder ein klagebefugter Verband im öffentlichen Interesse nach § 1 UKlaG die (weitere) Verwendung unwirksamer Klauseln verhindern will.

Diese Beurteilung steht nicht in Widerspruch zu Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 1 UKlaG. Zwar weist die Revision mit Recht darauf hin, dass als Verwender im Sinne des § 1 UKlaG grundsätzlich nur derjenige in Betracht kommt, der Vertragspartei der geschlossenen oder zu schließenden Verträge ist oder werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 1990 - VIII ZR 239/89, BGHZ 112, 204, 215 f), und dass die Beklagte als Rechtsnachfolgerin in die von der m. AG abgeschlossenen Verträge eingetreten ist mit der Folge, dass sie ihren Vertragspartnern nicht entgegenhalten könnte, die unwirksame Klausel sei nicht von ihr verwendet worden (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1987 - VIII ZR 71/86, NJW 1987, 2506, 2507). Aus diesem Umstand lässt sich jedoch für die Reichweite des Unterlassungsanspruchs sowie für eine gegenwärtige oder drohende Verwendung von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die jetzige Beklagte, hier in der Form des "Sich-​Berufens", nichts Entscheidendes herleiten.

Das Ziel des § 1 UKlaG, den Rechtsverkehr von sachlich unangemessenen Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen frei zu halten (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1994 - IV ZR 107/93, BGHZ 127, 35, 38; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 1 UKlaG, Rn. 1; Witt in Ulmer/Brandner/Hensen aaO § 1 UKlaG, Rn 1) wird nicht verfehlt, wenn ein Vorgehen gegen einen durch Verschmelzung entstandenen Rechtsnachfolger von einer nur von ihm selbst gesetzten Gefahr der Verwendung bei der Abwicklung vorhandener Verträge abhängig gemacht wird. Dem mit § 1 UKlaG verfolgten Ziel genügt es, wenn eine Haftung der übernehmenden Gesellschaft, hier der Beklagten, wie im Wettbewerbsrecht nur unter dem Gesichtspunkt eines neu entstehenden ("originären") Unterlassungsanspruchs gegen den neuen Unternehmensinhaber wegen Erstbegehungsgefahr besteht, wobei freilich der Umstand, dass eine dem AGB-​Recht widersprechende "Vertragslage" besteht, gebührend zu berücksichtigen ist (s. dazu unter 3).

2. Der Auffassung der Revision, eine Wiederholungsgefahr sei in der Person der Beklagten jedenfalls deshalb zu besorgen, weil sie ihrerseits selbst die fragliche Klausel verwende, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Die Verwendung ergibt sich auch hier nicht bereits aus der bloßen Übernahme und Fortführung der von der Rechtsvorgängerin mit den Kunden geschlossenen Verträge.

a) Mit Recht legt das Berufungsgericht dabei zugrunde, dass der Begriff des Verwendens ein tatsächliches, objektives Element enthält, wonach es erforderlich ist, dass über den bloßen Verwendungswillen ein auf den Vertragspartner gerichtetes Verhalten erkennbar wird. Deshalb ist es erforderlich, die unwirksame Klausel dem Vertragspartner bei der Durchsetzung seiner Rechte entgegenzuhalten oder diese unter Bezugnahme darauf zu verteidigen. Die bloße Übernahme der Verträge im Wege der Verschmelzung ohne eigene hinzu tretende Verhaltensweise lässt sich hingegen nicht als Verwenden ansehen.

b) Ein Verwenden im Sinne des § 1 UKlaG lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass die Beklagte bislang die Vertragskunden aus dem Bestand der Altverträge nicht über die Unwirksamkeit der fraglichen Klausel informiert hat. Das Gesetz über Unterlassungsklagen gewährt über den Anspruch auf Unterlassung hinaus nur einen Anspruch auf Veröffentlichung (vgl. § 7 UKlaG). Dagegen kann vom Verwender einer unwirksamen Klausel nicht verlangt werden, dass er bereits bestehende Verträge rückabwickelt oder den Vertragspartner von sich aus auf die Unangemessenheit der Klausel aufmerksam macht. Seine Unterlassungsverpflichtung geht vielmehr lediglich dahin, sich bei der Durchsetzung seiner Rechte nicht auf die unwirksame Klausel zu berufen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1981 - VIII ZR 335/79, NJW 1981, 1511, 1512). Weitergehende Ansprüche hat das Gesetz über Unterlassungsklagen nicht eröffnet (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2007 - IV ZR 130/06, NJW 2008, 1160, 1162).

c) Nichts anderes lässt sich auch Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rats vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 95, S. 29) und Art. 2 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz von Verbraucherinteressen (ABl. Nr. L 110, S. 30) entnehmen. Diese beziehen sich ausschließlich auf Klagen, mit denen der Verwendung missbräuchlicher Klauseln Einhalt geboten werden soll. Dem ist auch für den Streitfall Genüge getan. Dagegen besteht keine Notwendigkeit, § 1 UKlaG richtlinienkonform dahin auszulegen, dass sich die einmal begründete Wiederholungsgefahr in der Person eines Rechtsnachfolgers fortsetzt.

3. Entgegen der Auffassung der Revision kann ein (vorbeugender) Unterlassungsanspruch auch nicht aufgrund jedenfalls bestehender Erstbegehungsgefahr angenommen werden.

Dem steht schon entgegen, dass die Klägerin, wie das Berufungsgericht festgestellt hat (§ 314 ZPO), ihr Unterlassungsbegehren nur auf das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr gestützt hat.

Im Übrigen spricht vieles dafür, vorliegend eine Erstbegehungsgefahr zu verneinen. Zwar dürfte die Rechtsprechung des I. Zivilsenats, wonach die bloße Tatsache des Unternehmensübergangs und der Fortführung des Betriebs selbst mit identischem Personal nicht ausreicht, um hinsichtlich eines Wettbewerbsverstoßes eine Erstbegehungsgefahr zu begründen (s. oben 1 b, aa), der vorliegenden Fallkonstellation nicht gerecht werden. Denn dabei bliebe unberücksichtigt, dass schon wegen des Fortbestands der "Vertragslage" (s. oben 1 b, bb) ernsthaft zu besorgen steht, dass auch ein Rechtsnachfolger - zumal bei unverändertem Bestand des geschäftsführenden Personals - die ihn begünstigende (unwirksame) Klausel im Streitfall einem Kunden entgegenhalten wird. Andererseits dürfte auch hier gelten, dass an die Beseitigung einer Erstbegehungsgefahr weniger strenge Anforderungen zu stellen sind als an die Beseitigung einer Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2001 - I ZR 106/99, GRUR 2001, 1174, 1176; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 8 UWG, Rn. 1.26; Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 8 Rn. 33). Auch im Streitfall lässt das Verhalten der Beklagten die Annahme zu, dass eine etwaige Erstbegehungsgefahr entfallen ist. Denn die Beklagte hat sich nicht auf die fragliche Klausel berufen, diese nicht verteidigt und sich in keiner Weise eines Rechts insoweit berühmt; vielmehr hat sie sich lediglich auf den Standpunkt gestellt, dass wegen der Verschmelzung eine Wiederholungsgefahr nicht bestehe. Zudem hat sie im Prozess ausdrücklich erklärt, dass sie sich auch in Zukunft nicht auf diese Klausel berufen wolle.



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