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VGH München Urteil vom 30.06.2009 - 20 BV 08.3242 - Zur Registrierungspflicht für batteriebetriebene Kapselgehörschutzgeräte

VGH München v. 30.06.2009: Zur Registrierungspflicht für batteriebetriebene Kapselgehörschutzgeräte


Der VGH München (Urteil vom 30.06.2009 - 20 BV 08.3242) hat entschieden:
  1. Ob Geräte für ihren ordnungsgemäßen Betrieb elektrische Ströme benötigen, beurteilt sich nach deren Zweckbestimmung.

  2. In Fällen, in denen bei Wegfall der elektrischen Funktion noch eine sinnvolle, vom Einsatzzweck des Gerätes umfasste Verwendung verbleibt, beantwortet sich die Frage nach der Zweckbestimmung aus einer ganzheitlichen Wertung unter besonderer Berücksichtigung der vom Hersteller bestimmten und vom Verbraucher erwarteten Funktionen.

  3. Zu den registrierungspflichtigen Elektrogeräten im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroG zählen Geräte, die zu ihrem ordnungsgemäßen Betrieb elektrische Ströme oder elektromagnetische Felder benötigen, die für den Betrieb mit Wechselspannung von höchstens 1000 Volt oder Gleichspannung mit höchstens 1500 Volt ausgelegt sind. Letzteres ist bei batterieetriebenen Kapselgehörschutzgeräten der Fall, auch wenn sie auch ohne Strom noch einen Teil ihrer Funktion erfüllen. Die Kapselgehörschutzgeräte sind Geräte der Informations- und Telekommunikationstechnik gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ElektroG.



Tatbestand:

Die Klägerin stellt Kapselgehörschutzgeräte her. Es handelt sich dabei um Produkte zum Schallschutz des Gehörs gegen Außenlärm. Der Schutz wird einerseits dadurch gewährleistet, dass das Produkt durch Anlegen der Kapseln am Ohr eingesetzt wird. Für diese Funktion ist kein elektrischer Strom erforderlich. Die Geräte ..., ... und ... verfügen zusätzlich über eine batteriebetriebene einschaltbare Zusatzfunktion, die einerseits unerwünschte Außengeräusche mindert und andererseits trotz der lauten Umgebungsgeräusche Gespräche und Warnsignale herausfiltert und leichter wahrnehmbar macht. Hierzu nehmen zwei Mikrofone an den Kapseln die Umgebungsgeräusche auf und begrenzen auftretenden Lärm auf einen Pegel von 82dB. Im Bedarfsfall können normale Umgebungsgeräusche, also z.B. Gespräche und Warnsignale, um bis zu 12dB verstärkt werden. Der Betrieb dieser Geräte ist auf Gleichspannung für unter 1500 Volt ausgelegt. Ein von der Klägerin ebenfalls hergestellter rein passiver Kapselgehörschutz ohne diese elektrische Funktion kostet 16,65 € während das Gerät ... 154,85 €, das Gerät ... 218,20 € und das Gerät ... 394,85 € kosten.

Streitig ist unter den Parteien, ob es sich bei den batteriebetriebenen Gehörschützern um Elektro- und Elektronikgeräte i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 ElektroG handelt.

Mit Urteil vom 16. Juli 2008 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die von der Klägerin hergestellten Kapselgehörschutzgeräte ..., uv... und ... nicht dem Anwendungsbereich des Elektro- und Elektronikgesetzes unterfallen. Die Feststellungsklage sei zulässig. An dem hierfür qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin fehle es nicht. Es sei ihr nämlich nicht zuzumuten, im Hinblick auf eine fehlende, aber nach dem Gesetz etwa notwendige Registrierung die Gefahr der Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit in Kauf zu nehmen. Ebenso wenig könne der Klägerin angesonnen werden, zunächst entgegen der eigenen Rechtsüberzeugung einen kostenpflichtigen Registrierungsantrag bei der Beklagten in der Erwartung einer Ablehnung zu stellen, der überdies angesichts der Notwendigkeit der Erfüllung weiterer Registrierungsvoraussetzungen im Ergebnis möglicherweise gar nicht zur Klärung der hier inmitten stehenden Rechtsfragen führte. Das Begehren der Klägerin lasse sich auch nicht mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage besser verfolgen. Sie erachte gerade das Inverkehrbringen des Kapselgehörschutzes ohne vorherige Registrierung für erlaubt und daher liefe eine Registrierung ihrem Willen zuwider. Materiellrechtlich käme es nicht auf die Vorstellung des Herstellers über die möglichen Betriebsabläufe an, ob sein Gerät als Elektrogerät anzusehen sei oder nicht. Vielmehr komme es bei Geräten, die in ihrer Gesamtheit unterschiedliche Funktionen hätten, darauf an, den Blick auf eine primäre, im Vordergrund stehende und eine sekundäre, ergänzende Funktion zu lenken. Hänge allein die Sekundärfunktion vom Vorhandensein elektrischen Stroms ab, bleibe die Hauptfunktion vom Fehlen elektrischen Stroms hingegen unbeeinflußt, so funktioniere das Gerät insgesamt auch ohne Strom richtig und ordnungsgemäß. Hiernach stelle der von der Klägerin hergestellte Kapselgehörschutz kein Elektrogerät dar. Die primäre Funktion bestehe darin, das Gehör von in der Außenwelt bestehendem Lärm, z.B. von Turbinen eines Flugzeugs oder von einem Presslufthammer beim Straßenbau, abzuschirmen. Hierfür sei der elektrische Strom nicht erforderlich. Darüber hinaus lasse sich das von der Klägerin hergestellte Produkt auch nicht einer der Gerätekategorien des § 2 Abs. 1 Satz 1 ElektroG zuordnen. Es handle sich nicht um „Geräte der Informations- und Kommunikationstechnik“ nach der Gerätekategorie 3. Denn es gehe nicht um die Verarbeitung oder Übermittlung von Daten und Informationen. Vielmehr gehe es dem Verwendungszweck nach um den Schutz des menschlichen Gehörs vor Lärm.

Die Beklagte wendet sich gegen das Urteil mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung. Die von ihm vorgenommene Auslegung von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroG widerspreche dem Wortlaut und dem Sinn des Gesetzes. Es komme nicht auf die Primär- und Sekundärfunktion, sondern allein auf den ordnungsgemäßen Betrieb des Gerätes an. Wenn eine Teilfunktion eines Gerätes stromabhängig sei und nicht mehr zur Verfügung stehe, würde man den Betrieb des Gesamtgerätes nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht mehr als ordnungsgemäß charakterisieren. Verfehlt sei es, eine andere, nicht stromabhängige Teilfunktion des Gerätes willkürlich herauszugreifen, um das Weiterfunktionieren des gesamten Gerätes oder einen fortbestehenden ordnungsgemäßen Betrieb festzustellen. Zielrichtung des Gesetzes sei es, Abfälle von Elektro- und Elektronikgeräten, sofern sie nicht vermieden werden könnten, wieder zu verwenden, zu recyceln oder anderweitig zu verwerten, um zu beseitigende Abfallmengen zu reduzieren. Wenn ein Hersteller einem Gerät eine stromabhängige Funktionsweise gebe, entspreche es dem Sinn und Zweck des Gesetzes, das Gerät in den Anwendungsbereich des Elektrogesetzes einzubeziehen und dem Hersteller entsprechend seiner Produktverantwortung eine Registrierungspflicht aufzuerlegen. Das gelte unabhängig davon, ob eine Hauptfunktion betroffen sei oder nicht. Aber selbst wenn man die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärfunktion für die Beantwortung der Frage, ob ein Gerät dem Elektrogesetz zuzuordnen sei, heranziehen wollte, käme man nicht zu dem vom Verwaltungsgericht gewonnenen Ergebnis. Denn das Gericht sehe die primäre Funktion willkürlich im passiven Gehörschutz und nicht in der aktiven Geräuschfilterung. Indem es die elektronisch gesteuerte Mithörfunktion nur für eine Zusatzfunktion halte, reduziere es den Nutzungszweck auf einen willkürlich herausgegriffenen Teilaspekt und das basiere allein auf der herkömmlichen Sammelbezeichnung „Gehörschützer“ für Produkte, die das Ohr vor unzuträglichem Lärm schützen sollten. Die „Mithörfunktion“ der Geräte sei aber nicht nur eine Zusatzfunktion. Vielmehr werde diese vom Hersteller gerade gewollt und beworben, so wie vom Nutzer erwartet. Als lediglich passive Gehörschützer wären die Geräte auch überteuert. Ebenso könnten die Geräte auch als „elektronisches Geräuschfiltergerät“ bezeichnet werden. Sie seien gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ElektroG als „Geräte der Informations- und Telekommunikationstechnik“ anzusehen. Sie seien technisch darauf ausgerichtet, Außengeräusche nach bestimmten Kriterien zu selektieren und unterschiedlich zu verarbeiten. Im Ergebnis würden hohe Geräuschpegel und Lärmimpulse elektronisch abgeschwächt, Geräusche mit niedrigem Pegel, wie etwa Gespräche, Warnsignale und Verkehrsgeräusche, also für den Träger der Geräte wichtige Informationen, würden dagegen verstärkt. Dadurch, dass die Geräte mit einer Verstärkerfunktion für Geräusche mit niedrigem Pegel, aber oft hohem Wichtigkeitsgrad, ausgestattet seien und diese vom übrigen hohen Außengeräuschpegel abschirmten, ermöglichten sie auch für hörgeschädigte Benutzer einen Austausch mit der Umgebung. Informationen würden über Mikrofone oder im Fall des Modells ... zusätzlich über eine Bluetooth-​Schnittstelle von einem Telekommunikationsgerät empfangen. Diese würden sogleich mit Hilfe des eingebauten Mikroprozessors selektiv intern verarbeitet und über Lautsprecher unter Eliminierung von Störgeräuschen wieder ausgegeben. Gesundheitlich abträgliche Geräuschpegel und Lärmspitzen würden elektronisch abgeschwächt, andere Elemente des Geräuschspektrums, wie beispielsweise Sprache, würden dagegen herausgefiltert und in normaler Lautstärke, gegebenenfalls sogar verstärkt, durch die eingebauten Lautsprecher wiedergegeben.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestünden Zweifel daran, dass für die Bestimmung des Elektrogerätebegriffs auf einen dem Gesetz nicht bekannten Begriff des Primärzwecks abgestellt werden könne. Ein als wesentlich gesehener ordnungsgemäßer Betrieb scheide regelmäßig dann aus, wenn ein vorgesehener Betriebsablauf mangels Strom nicht erfolge. Es komme also auf das objektive Funktionieren eines Gerätes an. Der von der Beklagten eingeführte Gesichtspunkt des bestimmungsgemäßen Gebrauchs oder des von einem Nutzer erwarteten Betriebsablaufs stelle auf eine zivilrechtliche und im Elektrogesetz nicht angelegte Sichtweise ab. Von der Frage, ob ein zivilrechtlicher Mangel vorliege, sei die Einordnung, ob es sich um ein Elektro- oder Elektronikgerät im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroG handele, zu unterscheiden. Für den ordnungsgemäßen Betrieb sei das objektive Funktionieren des Gerätes in das Blickfeld zu nehmen. Der hier streitgegenständliche Kapselgehörschutz funktioniere aber auch dann ordnungsgemäß, wenn die elektrischen oder elektronischen Zusatzfunktionen nicht zur Verfügung stünden. Dass ein solcher Umstand möglicherweise einen Mangel des Gerätes im zivilrechtlichen Sinne darstelle, sei für die Frage der Anwendbarkeit des Elektrogesetzes unbeachtlich. Ferner müsse das Ausbleiben der Stromversorgung nicht auf einem Mangel des Kapselgehörschutzes beruhen, sondern könne auch auf ein Abschalten der elektronischen Zusatzfunktion zurückzuführen sein. Auch in diesem Zustand könne der Kapselgehörschutz benutzt werden. Schließlich fänden sich im Gesetz keine Grundlagen dafür, dass möglichst viele Geräte mit Stromfunktion unter seinen Anwendungsbereich zu subsumieren seien. Diese Zielsetzung hätte es erfordert, bei der Begriffsbestimmung auf das Vorhandensein elektrischer und elektronischer Bauteile abzustellen und nicht auf den ordnungsgemäßen Betrieb mittels elektrischer Ströme oder elektromagnetischer Felder. Ziel des Gesetzgebers sei es gerade nicht gewesen, eine möglichst umfassende und vollständige Anwendbarkeit des Elektrogesetzes auf alle Geräte mit elektrischen oder elektronischen Bauteilen zu erreichen. Nicht nachvollziehbar sei, dass angeblich jede elektrische oder elektronische Komponente aufgrund ihres Gefährdungspotentials auch im Sinne des Elektrogesetzes relevant sein solle, gleichzeitig aber eine Begrenzung des Anwendungsbereichs Eingang in das Gesetz gefunden habe. Die Beklagte spreche fehlerhaft von elektronischen Geräuschfiltergeräten. Es handele sich auch nicht um die von ihr beispielhaft angesprochenen Hörgeräte, die hörgeschädigten Personen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichten, sondern um Geräte, die im gewerblichen und industriellen Umfeld vor Lärm und den durch diesen verursachten Gesundheitsschäden schützten. Diese Schutzfunktion erfüllten die streitgegenständlichen Geräte auch ohne Strom. Die Bereitschaft der Erwerber, für elektronisch unterstützte Zusatzfunktionen zusätzlich Geld auszugeben, beeinflusse die rechtliche Einordnung nicht. Dass die Klägerin gerade diese Zusatzfunktionen aktiv bewerbe und bei der Preisgestaltung berücksichtige, sei eine Frage des Marketings und ändere an dieser Bewertung nichts. Darüber hinaus seien die Geräte keiner Kategorie im Sinne des § 2 Abs. 1 ElektroG zuzuordnen. Die Beklagte überspanne den allgemeinen Sprachgebrauch im Hinblick auf den Kapselgehörschutz dahingehend, als sie unter Betonung der Zusatzfunktionen die streitgegenständlichen Geräte letztendlich als Hörgeräte qualifiziere, die vor allem, aber nicht nur für hörgeschädigte Benutzer einen Austausch mit der Umgebung ermöglichten. Hörgeräte seien jedoch bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nahezu das Gegenteil eines Kapselgehörschutzes, da letzterer den Zweck habe, das Gehör vor Schäden zu bewahren, während Hörgeräte eine bereits entstandene Schädigung ausgleichen sollten.

In der mündlichen Verhandlung beantragte die Beklagte,
unter Änderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragte,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die gefertigte Sitzungsniederschrift sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 124 a Abs. 2, Abs. 3 Sätze 1 bis 4 VwGO zulässige Berufung ist begründet. Die zulässige Feststellungsklage kann entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht erfolgreich sein.

Nach § 43 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat und er seine Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Der von der Klägerin formulierte Antrag, der auf die Feststellung abzielt, dass von ihr hergestellte Kapselhörschutzgeräte mit Mikrofon und Lautsprecher (Modelle ..., ... und ...) nicht in den Anwendungsbereich des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG) vom 16. März 2005 (BGBl. I S. 762) fallen, wird den Erfordernissen des § 43 VwGO gerecht. Der Antrag betrifft den Gegenstand und Umfang der gesetzlich normierten Registrierungspflicht (vgl. § 6 Abs. 2, § 16 Abs. 2 ElektroG), mithin ein feststellungsfähiges, hinreichend konkretisiertes Rechtsverhältnis. Die streitigen Beziehungen der Parteien erschöpfen sich nicht in abstrakten Rechtsfragen. Vielmehr will die Klägerin geklärt wissen, ob für drei von ihr produzierte Geräte das Elektro- und Elektronikgerätegesetz gilt.

Außerdem hat die Klägerin das berechtigte Interesse als besondere Ausgestaltung des Rechtsschutzbedürfnisses an der baldigen Feststellung der erstrebten Entscheidung, wozu jedes als schützenswert anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher, ideeller oder persönlicher Art genügt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., RdNr. 23 zu § 43), dargetan. Eine nicht oder nicht rechtzeitig erfolgte Registrierung stellt nämlich ebenso eine Ordnungswidrigkeit dar, wie das Inverkehrbringen unregistrierter Elektro- oder Elektronikgeräte (vgl. § 23 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 ElektroG). Sich einem drohenden Bußgeldverfahren vor Klärung des Umfangs und der Art der Registrierung unterziehen zu müssen ist der Klägerin nicht zumutbar.

Die Statthaftigkeit des Feststellungsbegehrens wird auch durch den Grundsatz der Subsidiarität nicht in Frage gestellt. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO erfasst nur Fälle, in denen das mit der Feststellungsklage verfolgte Ziel sich gleichermaßen oder gar besser mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage erreichen lässt. Den Rückgriff auf die Feststellungsklage will der Gesetzgeber dann verhindern, wenn für die Rechtsverfolgung ein unmittelbares, sachnäheres und wirksameres Verfahren zur Verfügung steht. Davon kann keine Rede sein, wenn die Feststellungsklage einen Rechtsschutz gewährleistet, der weiter reicht, als er mit der Gestaltungsklage erlangt werden kann (st.Rspr. des BVerwG; U.v. 21.2.2008 7 C 43.07; vom 24.6.2004 BVerwGE 121, 152/156 m.w.N.). Dies trifft auf die hier erhobene Feststellungsklage als das effektivere und zweckmäßigere Rechtsmittel zur eindeutigen Klärung des Anwendungsbereichs des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes auf bestimmte Geräte zu.

Die Klage ist in der Sache nicht begründet. Bei den streitgegenständlichen Kapselgehörschutzgeräten handelt es sich nämlich um gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 ElektroG registrierungspflichtige Elektrogeräte im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroG. Hierzu zählen Geräte, die zu ihrem ordnungsgemäßen Betrieb elektrische Ströme oder elektromagnetische Felder benötigen, die für den Betrieb mit Wechselspannung von höchstens 1000 Volt oder Gleichspannung mit höchstens 1500 Volt ausgelegt sind. Letzteres ist bei den streitgegenständlichen Geräten der Fall.

Die Notwendigkeit elektrischen Stroms für den ordnungsgemäßen Betrieb bereitet Schwierigkeiten in den Fällen, in denen auch bei Wegfall der elektrischen Funktion noch eine sinnvolle, vom Einsatzzweck des Geräts umfasste Verwendung bleibt. So liegen die Dinge hier, denn Ohrkapseln schützen das menschliche Gehör des Trägers vor Lärm auch dann, wenn die elektronische Funktion abgeschaltet wird oder aus anderen Gründen ausfällt.

Die Entbehrlichkeit elektrischer Energie allein für einen selbständig funktionierenden Teilbereich des Gegenstandes entzieht diesen aber nicht den Bestimmungen des Elektrogesetzes. Denn nicht jede denkbare Verwendung umschreibt bereits gänzlich den Tatbestand des ordnungsgemäßen Betriebs im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroG. Dieser ist weiter gefasst und das Erfordernis elektrischen Stroms ist – neben der im verwaltungsgerichtlichen Urteil unter Benennung von Quellen (vgl. Seite 14/15) besonders herausgestellten Abgrenzung zu anderen Energieträgern, die in diesem Zusammenhang nicht weiter führt – auf eine Gesamtbetrachtung des Gerätes auszurichten.

Hierauf deutet zunächst der ergänzende Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts a.a.O. hin, der einen am Wortlaut des Gesetzes ausgerichteten Ansatz weist. Hiernach kommt es allein darauf an, ob für den ordnungsgemäßen Betrieb des Gerätes, den der Hersteller des Produktes bestimmt, elektrischer Strom erforderlich ist. Kann ein vom Hersteller vorgesehener Betriebsablauf mangels Stromes nicht erfolgen, dürfte ein ordnungsgemäßer Betrieb ausscheiden. Überträgt man diesen Gedanken auf den vorliegenden Fall, ergibt sich ohne weiteres, dass die streitgegenständlichen Gehörschutzkapseln Elektrogeräte im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroG sind. Damit wird kein dem Gesetz fremdes, subjektives Willenselement des Herstellers involviert, nach dem sich jeweils die Eigenschaft als Elektrogerät bejahen oder verneinen ließe. Vielmehr ist das finale Moment, wofür sich ein Gerät eignen soll, durchaus objektivierbar. Das zeigt der vorliegende Fall deutlich, denn die Geräte sollen unzweifelhaft Kommunikation durch Worte unter Geräuschbedingungen gewährleisten oder Gefahrenhinweise ermöglichen, die ohne die in den Gehörschutz eingebauten Mikrofone und Lautsprecher nicht stattfinden könnten.

Der Strombedarf ist auch deshalb in den Kontext einer Gesamtbetrachtung der verschiedenen Funktionen zu stellen, weil die auf Teilfunktionen begrenzte Sicht gerade willkürlich am jeweils nach Interessenlage gewünschten Ergebnis ausgerichtet werden könnte, je nachdem man im vorliegenden Fall den Blick auf den Gehörschutz durch schlichte Umhüllung des Ohres oder auf die elektronische Geräuschfilterung lenkte. Beide Sichtweisen sind für sich gesehen richtig, verstellen aber in ihrer Unvollständigkeit den Blick auf eine ganzheitliche Wertung, die durchaus nach objektiven Kriterien durchgeführt werden kann. Diese ergeben sich für die Beurteilung eines ordnungsgemäßen Betriebes im Wesentlichen daraus, was der Zweck der jeweiligen Gerätes ist, umgekehrt ausgedrückt heißt das, dass sich ohne die Zweckbestimmung die Frage nach einem ordnungsgemäßen Betrieb nicht beantworten lässt.

Damit ist die rechtliche Beurteilung der Eigenschaft eines Elektrogerätes nicht der subjektiven Bestimmung des Herstellers überantwortet. Denn der Zweck eines Gerätes ist durchaus objektiv danach zu beurteilen, wofür es geschaffen ist und was der Erwerber vernünftigerweise von ihm erwarten kann. Eine Zweckbestimmung in diesem Sinne kann im Einzelfall durch irreführende und übertriebene Werbung einerseits sowie durch falsche Vorstellungen des Erwerbers andererseits unscharf erscheinen und schwierig festzustellen sein. Im vorliegenden Fall ist derartiges aber nicht zu besorgen. Denn die durchaus sachliche Information der Klägerin in ihrer Darstellung (Bl. 17 der VG-​Akte) erläutert verständlich die Funktionsweise der Produkte und beschreibt sie als aktiven Kapselgehörschutz. Dabei liegt zwangsläufig der Schwerpunkt der Darstellung auf der Möglichkeit der Kommunikation ohne Verzicht auf die Schonung des Gehörs. Der Erwerber, der gegenüber einem Gerät ohne die elektronische Vorrichtung einen erheblich höheren Preis zahlt (16,65 € für ein Gerät ohne elektronische Vorrichtung und 154,85 €, 218,20 € bzw. 394,85 € für ein Gerät mit elektronischem Gehörschutz) ist offenkundig wegen dieser elektronischen Funktion hierzu bereit, weil er diesem Zweck erhebliche Bedeutung zumisst.

Durch eine schlicht an der Lebenswirklichkeit ausgerichtete Sichtweise lässt sich der Zweck der Kapselgehörschutzgeräte erkennen und - danach ausgerichtet - die Beurteilung ihres ordnungsgemäßen Betriebes. So verstanden bedürfen die Kapselgehörschutzgeräte zu ihrem ordnungsgemäßen Betrieb elektrischer Energie.

Schließlich erweist sich eine Gesamtsicht auf das Gerät zu dessen Zweckbestimmung nicht mehr anfällig für subjektive Momente, als das vom Verwaltungsgericht vertretene Kriterium der Primär- und Sekundärfunktion. Aber selbst wenn man die Entscheidung über die Elektrogeräteeigenschaft hiernach ausrichten wollte (vgl. BayVGH U.v. 22.3.2007 23 BV 06.3012 ) vermöchte der Senat dem Verwaltungsgericht jedenfalls insoweit nicht zu folgen, als dass es sich bei der aktiven Geräuschfilterung der Kapselgehörschutzgeräte jeweils nur um eine Sekundärfunktion handelte. Die elektrische Funktion hat maßgeblichen Einfluss auf den Preis, was schon deutlich dagegen spricht, dass ihr gegenüber dem Gehörschutz ohne elektronisch gesteuerte Korrektur nur eine untergeordnete Rolle zukommt. Jedenfalls aber bestimmt sie die vielseitige Verwendbarkeit der Geräte und schließlich ermöglicht sie die Kommunikation und Warnsignale ohne den Verzicht auf Gehörschutz, die in Arbeitsabläufen von ganz erheblicher Bedeutung sein können.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Verwaltungsgericht angeführten fremdsprachigen Darstellungen von Art. 3 der dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz zugrundeliegenden Richtlinie 2002/96 des Europäischen Parlaments und Rates vom 27. Januar 2003 über Elektro- und Elektronik-​Altgeräte (sogenannte WEEE-​Richtlinie) . Denn das englische „to work properly“, das französische „functionannt“ und das spanische „funcionar debidamente“ bedeuten sinngemäß nichts anderes als (ordnungsgemäß) funktionieren, was – wie oben dargelegt – nicht unabhängig von der Zweckbestimmung zu beurteilen ist. Der enge sprachliche Zusammenhang zwischen Funktion und ordnungsgemäßem Betrieb ergibt sich bereits aus der Begrifflichkeit des Fremdwortes „funktionieren“, was „in (ordnungsgemäßem) Betrieb sein“ bedeutet (Duden, Das Fremdwörterbuch, Band 5, 5. Aufl. 1990, Stichwort „funktionieren“). Ein anderes Verständnis des ordnungsgemäßen Betriebes ergibt sich aus den fremdsprachlichen Vertiefungen des Erstgerichts damit nicht.

Die Kapselgehörschutzgeräte sind Geräte der Informations- und Telekommunikationstechnik gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ElektroG. Das verneint das VG von seinem Standpunkt aus konsequent, da es die Geräte schwerpunktmäßig als solche zum Schutz des menschlichen Gehörs mit nur untergeordneter Bedeutung der Geräuschfilterung ansieht. Mit der vom Senat gewonnenen Sicht sind die Kapselgehörschutzgeräte aber unschwer als Geräte der Informationstechnik gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ElektroG zu erkennen. Denn ihre Technik ermöglicht Informationen z.B. durch menschliche Sprache oder Warnsignale, die durch die elektronische Vorrichtung übermittelt werden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ElektroG i.V.m. Anhang I Nr. 3). Zusätzlich ist das Gerät ... auch ein solches der Telekommunikationstechnik, denn es ermöglicht über eine Schnittstelle z.B. Gespräche über Funktelefone.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO. Das Urteil war nur hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil es ansonsten keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Der Ausspruch über die Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,-​- € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG).



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