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Landgericht Bochum Urteil vom 20.01.2011 - I-8 O 293/09 - Zur Urheberrechtsverletzung durch Einfügen von LGPL-Open-Source-Software in eigene Software ohne Urhebernennung
LG Bochum v. 20.01.2011: Zur Urheberrechtsverletzung durch Einfügen von LGPL-Open-Source-Software in eigene Software ohne Urhebernennung
Das Landgericht Bochum (Urteil vom 20.01.2011 - I-8 O 293/09) hat entschieden:
Eine urheberrechtlich relevante Handlung stellt bereits das Einfügen einer unter Lesser General Public License veräffentlichten Software in ein eigenes Programm dar, wenn die Bedingungen der LGPL dabei nicht eingehalten werden. Es liegt dann eine unberechtigte lizenzpflichtige Nutzung vor, selbst wenn die eingefügte Open Source Software in dem Programm funktionslos ist.
Tatbestand:
Die Klägerin berühmt sich der ausschließlichen Nutzungsrechte an der Software (Programmbibliothek) "G", wegen deren Inhalts auf den Datenträger in der Anlage K 14 zum Schriftsatz vom 11.01.2010 verwiesen wird. Diese Software hat die Klägerin unter den Bedingungen der Lesser General Public License ( LGPL ) ins Internet gestellt, so dass die Software unter Einhaltung der Bedingungen der LGPL ( Namensnennung des Entwicklers, Offenlegung des Quellcodes und Beifügung einer Kopie der LGPL ) von jedermann kostenfrei genutzt werden kann. Die Beklagte vertreibt die Software "X", in die die Software "G" implementiert ist, ohne dass die Bedingungen der LGPL eingehalten sind. Auf Verlangen der Klägerin gab die Beklagte unter dem 27.03.2009 eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, mit der sie sich verpflichtete, "es bei Meidung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 € für jeden Fall der zukünftigen schuldhaften Zuwiderhandlung und unter Verzicht auf den Einwand des Fortsetzungszusammenhangs zu unterlassen, die von der B GmbH vertriebene Software "G" zu veröffentlichen, zu verbreiten, zu bearbeiten oder in sonstiger Weise kommerziell zu nutzen, ohne die Bedingungen der GNU Lesser General Public License ( LGPL ) zu erfüllen …". Wegen des genauen Wortlauts der von der Beklagten unterzeichneten Unterlassungsverpflichtungserklärung wird auf deren Ablichtung in der Anlage zur Klageschrift Bezug genommen. Bei von der Klägerin am 30.03.2009 sowie am 07., 08., 09., 11.04. und im Oktober 2009 durchgeführten Testkäufen hat diese festgestellt, dass die Beklagte die Software im Handel unverändert weiterverkauft hat. Die Klägerin verlangt deshalb im Rahmen der Stufenklage Auskunft, Unterlassung, Zahlung der Vertragsstrafe und Schadensersatz.
Die Klägerin behauptet, die Software "G" sei von ihrem Geschäftsführer sowie in ihrem Auftrag von dritten Programmierern geschaffen worden; diese hätten ihre urheberrechtlichen Nutzungsrechte an sie abgetreten. Die Software sei in dem Programm "N" nicht funktionslos. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte wäre aufgrund der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung auch zum Rückruf der Programme aus dem Handel verpflichtet gewesen. Ihr stünden sowohl Ansprüche auf Zahlung einer angemessenen Lizenz als auch Auskunftsansprüche zu.
Die Klägerin beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen,
- seit welchem Datum die Software "G" verwendet wurde,
- für welche Produkte die Software "G" verwendet wurde,
- in welcher Stückzahl die unter 1. b. zu nennenden Produkte jeweils in den Handel gebracht wurden,
- wie viel Umsatz und Einnahmen durch die Verwendung der Software "G" mittels der unter 1. b. zu benennenden Produkte erzielt wurden;
- ( …)
- an sie 15.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz seit dem 10.04.2009 zu zahlen sowie
- ( … )
- die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Software "G", wie in der Anlage K 14 auf CD-Rom wiedergegeben, zu benutzen, wenn sie dabei nicht die Bestimmungen der GNU Lesser General Public License ( LGPL ), wie in der Anlage K 3 wiedergegeben, einhält, insbesondere wenn sie dabei nicht den Namen der Klägerin nennt, den Quellcode der Software von "G" nicht offen legt und nicht bei der Übergabe mitliefert sowie nicht eine Kopie der LGPL-Bestimmungen bei der Übergabe mitliefert.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin und behauptet, die Software der Klägerin sei von dem Programmierer der Fa. E nur zu Testzwecken in die Software "N" implementiert worden. Die Software der Klägerin habe jedoch im Rahmen der Software "N" keine Vorteile gebracht; es sei lediglich vergessen worden, sie nach dem Test zu löschen. Die Software der Klägerin erfülle in dem Programm "N" keinerlei Funktion; sie könne von dem Nutzer nicht angesteuert und ohne Funktionseinbußen für das Programm "N" gelöscht werden. Da die Bedingungen des § 101 UrhG ( Handeln in gewerblichem Ausmaß ) nicht vorlägen, bestehe keine Auskunftsverpflichtung. Ein Renommeeschaden sei der Klägerin angesichts der Funktionslosigkeit der Software nicht entstanden. Die Vertragsstrafe sei nicht verwirkt, da sie sich in der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 27.03.2009 nicht zum Rückruf der bereits im Handel befindlichen Software verpflichtet habe und sich aus der Neuregelung der §§ 97 ff UrhG durch die Enforcement-Richtlinie, insbesondere durch die Einführung des § 98 UrhG ergebe, dass die Unterlassungsverpflichtung den Rückruf nicht beinhalte. Ohnehin sei es ihr in der Zeit vom 27.03. bis zum 30.03.2009 nicht möglich gewesen, die Software aus dem Handel zurückzurufen. Zudem habe sie - was zwischen den Parteien unstreitig ist - die Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 27.03.2009 durch Schreiben vom 03.04.2009 ( Anlage K 11zur Klageschrift ) wegen Rechtsfolgenirrtums angefochten. Ein Schaden könne der Klägerin nicht entstanden sein, so dass auch deshalb keine Auskunft zu erteilen sei. Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei durch die Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 27.03.2009 untergegangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der dem Gericht überreichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Teilklage ist teilweise begründet.
Unbegründet ist die Teilklage, soweit die Klägerin mit ihr die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Nutzung der streitgegenständlichen Software und Zahlung einer Vertragsstrafe von 15.300,00 € verlangt; begründet ist die Teilklage hingegen hinsichtlich des mit ihr verfolgten Auskunftsanspruchs.
I.
Nachdem die Klägerin durch Schriftsatz vom 11.01.2010 im einzelnen zur Schaffung des Programms "G" vorgetragen hat und die Beklagte diesem Vorbringen nicht entgegengetreten ist, bestehen keine Zweifel mehr daran, dass die Klägerin Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dieser Software und damit aktivlegitimiert ist.
II.
Gem. §§ 97 UrhG, 242 BGB ist die Beklagte der Klägerin im tenorierten Umfang zur Auskunft über die Nutzung des streitgegenständlichen Programms verpflichtet.
Eine Verletzung der der Klägerin insoweit zustehenden urheberrechtlichen Nutzungsrechte liegt allein deshalb vor, weil das Programm "G" in die Software für das Programm "N" implementiert ist, wie das Schreiben der für die Programmierung zuständigen Fa. E vom 27.03.2009 ( Anlage K 15 a zum Schriftsatz der Klägerin vom 11.01.2010 ) zeigt. In diesem Schreiben gesteht die Fa. E zu, dass mit der Folge urheberzivilrechtlicher Ansprüche die streitgegenständliche Software in das Programm "N" eingefügt und nicht wieder entfernt worden ist. Ob die streitgegenständliche Software innerhalb des Programms "N" funktionslos ist, ist angesichts dessen unerheblich; die urheberrechtlich relevante Handlung stellt bereits das Einfügen dieser Software in das Programm "N" dar. Ohnehin folgt die Funktionslosigkeit der von der Klägerin vertriebenen Software nicht allein daraus, dass das Programm der Beklagten auch ohne diese Software uneingeschränkt lauffähig sein soll. Die Bedingungen der Lesser General Public License hat die Beklagte unstreitig nicht eingehalten, so dass eine unberechtigte Nutzung vorliegt.
Angesichts dieser Urheberrechtsverletzung folgt der von der Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch unabhängig von den Besonderheiten der Regelung des § 101 UrhG aus Gewohnheitsrecht ( Fromm/Nordemann, 10. Aufl., Rn. 2 und 11 zu § 101 UrhG ). Es kann daher offen bleiben, ob die Beklagte die Rechtsverletzung "in gewerblichem Ausmaß" begangen hat, wobei die gegenteilige Auffassung der Beklagten der Kammer allerdings kaum nachvollziehbar erscheint.
Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs ist auch weder treuwidrig noch unverhältnismäßig. Die Klägerin hat die Software "G" nur unter den Bedingungen der Lesser General Public License, die die Beklagte unstreitig nicht eingehalten hat, veröffentlicht. Da die Klägerin die kostenfreie Nutzung ihrer Software nur bei Einhaltung der Bestimmungen der LGPL erlaubt, steht ihr bei Nichteinhaltung dieses Regelwerks ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie dem Grunde nach zu, mag auch die berechtigte Nutzung kostenfrei sein. Wollte man der Rechtsauffassung der Beklagten folgen, wären die Urheber von unter den Bedingungen der LGPL veröffentlichter Software praktisch rechtlos gestellt.
III.
Im Hinblick auf den Unterlassungs- und den Zahlungsanspruch ist die Klage hingegen unbegründet.
Hat der Schuldner eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, ist für den Unterlassungsanspruch aus § 97 UrhG entweder die Wiederholungsgefahr oder das Rechtsschutzbedürfnis entfallen (Schricker, 3. Aufl., Rn. 42 zu § 97 UrhG ). Ist jedoch trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung eine erneute Rechtsverletzung erfolgt, ist neben der Geltendmachung der Vertragsstrafe das Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage gegeben ( Schricker, a.a.O.; Fromm/Nordemann, a.a.O., Rn. 37 zu § 97 UrhG ).
Vorliegend hat die Beklagte der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung vom 27.03.2009 nicht zuwider gehandelt. Die Klägerin sieht den erneuten Urheberrechtsverstoß der Beklagten darin, dass die Beklagte die inkriminierte Software nicht aus dem Handel genommen hat, so dass sie bei den von ihr vorgenommenen Testkäufen nach wie vor Produkte der Beklagten mit der implementierten Software "G" erwerben konnte. In dem Unterlassen eines Rückrufs der bereits in den Handel gelangten Exemplare der Software "N" liegt jedoch kein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung vom 27.03.2009.
Denn die Unterlassungsverpflichtung vom 27.03.2009 beinhaltete entgegen der Auffassung der Klägerin keine Verpflichtung zum Rückruf der bereits in den Handel gelangten, mit der streitgegenständlichen Software versehenen Produkte der Beklagten. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Parteien aus der Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung. Eine ausdrückliche Verpflichtung zum Rückruf enthält diese Erklärung nicht. Eine derartige Verpflichtung ist auch nicht konkludent vereinbart. Hiergegen spricht zunächst, dass die Verpflichtung zum Rückruf dem Schuldner im allgemeinen und im vorliegenden Fall gerade auch der Beklagten umfangreiche Handlungspflichten auferlegt, die sich nicht allein im Wege der Konkludenz ergeben können, sondern einer ausdrücklichen Vereinbarung bedürfen. Denn der Rückruf hätte die Beklagte vor erhebliche logistische Probleme gestellt, da die Software "N" in hohen Stückzahlen an den Einzelhandel ausgeliefert war und die Produktmengen und die Produktart eine zuverlässige Kontrolle eines erfolgreichen Rückrufs kaum zuließen. Es kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte das Risiko einer u. U. vielfachen Inanspruchnahme aus der Vertragsstrafe bei zu befürchtenden erfolgreichen Testkäufen eingehen wollte. Vielmehr ergibt sich aus der Wendung "für jeden Fall der zukünftigen schuldhaften Zuwiderhandlung", dass sich die Beklagte gerade nicht auch hinsichtlich in der Vergangenheit angelegter Verstöße unterwerfen, sondern nur künftige Rechtsverletzungen unterbinden wollte. Diese Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 27.03.2009 ist umso mehr geboten, als die Neuregelung des § 98 UrhG ( erstmals ) einen Rückrufanspruch statuiert, so dass bei Fehlen einer ausdrücklichen Rückrufverpflichtung grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Parteien eine derartige Verpflichtung gerade nicht vereinbaren wollten.
Beinhaltet die Unterlassungsverpflichtung demgemäß keine Rückrufverpflichtung, geht die von der Beklagten insoweit erklärte Anfechtung wegen eines Rechtsfolgenirrtums ins Leere; ein Verstoß der Beklagten gegen die Unterlassungsverpflichtung liegt nicht vor, so dass für den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch kein Raum ist.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass mangels Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung vom 27.03.2009 die Vertragsstrafe nicht verwirkt ist, so dass auch der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 15.300,00 € unbegründet ist.
Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorzubehalten.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.