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OLG Naumburg Urteil vom 13.08.2010 - 1 U 28/10 - Zur Angabe der digitalen Postadresse durch das als Link gestaltete Wort "E-Mails"
OLG Naumburg v. 13.08.2010: Zur Angabe der digitalen Postadresse durch das als Link gestaltete Wort "E-Mails"
Das OLG Naumburg (Urteil vom 13.08.2010 - 1 U 28/10) hat entschieden:
Auch wenn es sich bei dem Text "Ich freu mich auf E-Mails" um einen Link handelt, hinter dem sich die vollständige E-Mailadresse verbirgt, erfüllt dies nicht die Anforderungen an § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG. Diese Vorschrift verlangt nicht nur technische Einrichtungen, durch die faktisch eine Verbindung hergestellt wird, sondern Angaben, die eine schnelle und unmittelbare Kommunikation ermöglichen und dabei handelt es sich typischerweise um die E-Mailadresse, die sich in diesem Fall nicht sichtbar auf derselben Seite befindet.
Gründe:
I.
Die Klägerin betreibt eine Internetseite (www. ... de ), auf der sie die Vermittlung für Betreuungsdienstleistungen anbietet. Die Beklagte vermittelte unter der Internet-Adresse www. ... .com ähnliche Dienstleistungen. Auf der zwischenzeitlich abgeschalteten Seite der Beklagten hieß es:
Anrufen und klönen ...
Hallo Lieber online Gast !
Hier meine Kontaktadresse
…
______________________
Ich freu mich auf E-Mails
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Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 20.4.2009 (Bl. 7/8) rügte die Klägerin Verstöße gegen § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 6 TMG. In der mitübersandten Unterlassungserklärung befindet sich auch die Gebührenabrechnung des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Ausgehend von einem Gegenstandswert von 10.000,00 Euro wird eine 1,3 Gebühr gemäß VV 2300 (sowie die Pauschale VV 7002) geltend gemacht (Bl. 9 R). Der Nettobetrag i.H.v. 651,80 Euro bildet den Streitgegenstand der vorliegenden Klage.
In der Klageerwiderung hat die Beklagte u.a. vorgetragen (Bl. 24), dass es sich bei dem Feld Ich freu mich auf E-Mails um einen anklickbaren "Link" gehandelt habe. Nach dem Anklicken des Feldes habe sich ein neues Fenster mit der vollständigen E-Mailadresse der Beklagten geöffnet. Diesen Vortrag hat die Klägerin im Termin vom 20.1.2010 (Bl. 88) bestritten.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die ursprünglich beim Amtsgericht Gardelegen erhobene Klage wurde mit Beschluss vom 28.9.2009 (Bl. 63) an das Landgericht Stendal verwiesen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird auch die Beschwer gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht. Die Klägerin hat in erster Instanz einen Betrag i.H.v. 651,80 Euro geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter, sodass ihre Beschwer oberhalb von 600,00 Euro liegt. Für die Bewertung der Beschwer ist es unerheblich, ob die Klägerin auch den in erster Instanz geltend gemachten Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 6 TMG (Angabe der Umsatzsteueridentifikationsnummer) weiterverfolgt, weil dies allenfalls eine Frage der Begründetheit der Berufung sein kann.
Die Berufung ist teilweise begründet. Die Abmahnung erfolgte berechtigt, die Einschaltung eines Rechtsanwaltes war erforderlich:
Die Parteien sind Mitbewerber i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, was das Landgericht (LGU S. 4 a. E. 75) zutreffend festgestellt hat.
Für die durch die Einschaltung eines Rechtsanwaltes für die Abmahnung angefallenen Kosten kann grundsätzlich Ersatz verlangt werden. Dies gilt allenfalls dann nicht, wenn der Betroffene selbst über hinreichend eigene Sachkunde verfügt und ein unschwer zu erkennender Wettbewerbsverstoß vorliegt (Piper/Ohly UWG, 4. Aufl., § 12, Rn. 21 m.w.N.). Davon kann vorliegend schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Regelungen des Telemediengesetzes, abgesehen von Spezialisten, kaum als allgemein bekannt vorausgesetzt werden können und schon überhaupt nicht, wann ein Verstoß (z.B.) gegen § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG vorliegen kann.
Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG liegt vor. Dabei kann unabhängig von der vom Landgericht problematisierten Frage der Beweislast für einen Verstoß gegen die genannte Vorschrift zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass es sich bei dem Feld Ich freu mich auf E-Mails um einen Link handelt, hinter dem sich die vollständige E-Mailadresse verbarg. Dies erfüllt indes nicht die Anforderungen an § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG. Diese Vorschrift verlangt nicht nur technische Einrichtungen, durch die faktisch eine Verbindung hergestellt wird, sondern Angaben, die eine schnelle und unmittelbare Kommunikation ermöglichen und dabei handelt es sich typischerweise um die E-Mailadresse (LG Essen Urteil vom 19.9.2007 – 44 O 79/07 – [MMR 2008, 196]; hier: zitiert nach juris). Dies ist vorliegend indes nicht der Fall, weil sich auf der Startseite die E-Mailadresse gerade nicht befindet. Zwar hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 20.7.2006 – I ZR 228/03 – [z.B. CR 2006, 850]; hier: zitiert nach juris) ausgeführt, dass dem Transparenzgebot aus § 6 S. 1 TMG (a.F.) u.U. auch bei Verwendung eines Links genügt werden kann. Im zu entscheidenden Fall war dieser Link aber mit Kontakt und Impressum bezeichnet. Der Bundesgerichtshof hat dazu festgestellt, dass dem durchschnittlichen Nutzer des Internets mittlerweile bekannt sei, dass mit den Begriffen Kontakt und Impressum Links bezeichnet würden, über die der Nutzer zu einer Internetseite mit den Angaben der Anbieterkennzeichnung gelange. Der vorliegende Sachverhalt ist damit indes nicht vergleichbar: Ich freu mich auf E-Mails kann nicht derselbe Erklärungsinhalt wie den Begriffen Kontakt und Impressum beigemessen werden. Dabei handelt es sich um standardisierte Begriffe bei der Nutzung des Internets, die von einer Vielzahl von Betreibern von Internetseiten (z.B. Behörden, Banken oder Universitäten) in gleicher Weise verwandt wird. Das Feld: Ich freu mich auf E-Mails , ist demgegenüber gänzlich individuell gestaltet. Selbst wenn es sich also bei dem genannten Feld um einen Link gehandelt haben sollte, wären die Anforderungen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG nicht erfüllt.
Dass nicht auch ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 6 TMG (Nennungen der Umsatzsteueridentifikationsnummer) vorliegt, hat das Landgericht (LGU S. – Bl. 135) ausgeführt. Die Berufung greift diesen Punkt nicht wieder auf, sodass auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden kann.
Soweit die Beklagte in der Berufungserwiderung vorträgt, dass die Erheblichkeitsschwelle aus § 3 Abs. 2 S. 2 UWG nicht überschritten würde, weil ein gut informierter und angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsmarktteilnehmer dem streitgegenständlichen Sachverhalt keine Bedeutung beimessen würde, so kann dem nicht gefolgt werden. Normzweck von § 3 Abs. 2 UWG ist der Ausschluss solcher Verletzungshandlungen aus dem Verbotsbereich, die sich auf das Marktgeschehen praktisch nicht auswirken. Die Eingriffsschranke führt aber nicht dazu, dass für den Wettbewerb beachtliche unlautere Handlungen legalisiert werden. Es ist deshalb bei der Aussiebung der unbeachtlichen Wettbewerbsverstöße ein engmaschiges Raster anzulegen (Piper/Ohly a.a.O, § 3, Rn. 79/81). Von einer Bagatellehandlung kann vor diesem Hintergrund nicht gesprochen werden, wenn ein Marktteilnehmer gegen ein ausdrückliches gesetzliches Gebot verstößt (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG), welches das Marktgeschehen gerade transparent machen soll (ebenso: OLG Hamm Beschluss vom 13.3.2008 – I-4 U 192/07 – [z.B. MMR 2008, 469]; OLG Düsseldorf Urteil vom 4.11.2008 – I-20 U 125/08 – [z.B. OLGR 2009, 252]; hier: jeweils zitiert nach juris).
Hinsichtlich des für die Abmahnung anzunehmenden Gegenstandswertes gilt: In Rechtsprechung (z.B. OLG Oldenburg WRP 1995, 878; OLG Schleswig OLGR 1998; OLG Saarbrücken OLGR 2002, 417) und Literatur (Schneider/Herget Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn. 2347) wird die Frage diskutiert, ob bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen wegen der Vergleichbarkeit der Fälle von Regelstreitwerten für Verfahren von mittlerer Bedeutung ausgegangen werden sollte (- 10.000,00 Euro Einstweilige Verfügung/- 15.000,00 Euro Hauptsacheverfahren Mitbewerber). Unabhängig von der Frage, inwieweit eine solche Schematisierung mit § 3 ZPO letztlich in Übereinstimmung zu bringen ist, stellt sich die Frage nach einer Alternative in den Fällen, in denen dem Vortrag der Parteien – wie vorliegend - keine konkreten Anhaltspunkte zur Bestimmung des Gegenstands-/Streitwertes zu entnehmen sind. Dabei ist vorliegend zu berücksichtigen, dass - wie von der Beklagten in der Berufungserwiderung auch ausgeführt – die wirtschaftliche Bedeutung für die Klägerin gering sein dürfte. Daher erscheint es dem Senat sachgerecht, im konkreten Fall lediglich von einem Gegenstandswert von 5.000,00 Euro auszugehen.
Gegenstandswert |
5.000,00 Euro |
1,3 Gebühr gemäß VV 2300 |
391,30 Euro |
Gebühr 7002 |
20,00 Euro |
|
411,30 Euro |
In diesem Umfang ist die Berufung begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 281 Abs. 2 S. 2 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.